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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Urteil verkündet am 15.12.2004
Aktenzeichen: 17 Sa 1463/04
Rechtsgebiete: BErzGG


Vorschriften:

BErzGG § 18 Abs. 2 Nr. 2
Der Arbeitnehmer muss sich nicht unverzüglich nach Eintritt der Voraussetzungen für den Anspruch auf Elternzeit auf einen besonderen Kündigungsschutz berufen, sondern er hat insoweit allenfalls eine Frist von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung einzuhalten (entsprechend § 9 Abs. 1 MuSchG).
Landesarbeitsgericht Berlin Im Namen des Volkes Urteil

17 Sa 1463/04

Verkündet

am 15.12.2004

In Sachen

hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 17. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 15.12.2004 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dreßler als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Otto und Reinhard

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 15. Juni 2004 - 40 Ca 4988/04 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Änderungskündigung vom 12. Februar 2004, mit der die Beklagte die Arbeitszeit des Klägers von 30 auf 40 Stunden erhöhen und den Inhalt der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung verändern will.

Das Arbeitsgericht hat durch ein am 15. Juni 2004 verkündetes Urteil festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung unwirksam ist. Dem Kläger stehe der besondere Kündigungsschutz des § 18 Abs. 2 Nr. 2 BErzGG zu. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen dieses ihr am 6. Juli 2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 7. Juli 2004 eingelegte Berufung der Beklagten, die sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 6. Oktober 2004 mit einem an diesem Tag eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Die Beklagte hält die Änderung der Arbeitsbedingungen, für die dringende betriebliche Gründe vorlägen, weiterhin für rechtswirksam. Der Kläger könne sich auf einen besonderen Kündigungsschutz nicht berufen. Die Teilzeitarbeit des Klägers beruhe nicht auf der Geburt seines Kindes; auch habe er sie - die Beklagte - nicht rechtzeitig von den tatsächlichen Voraussetzungen des Kündigungsschutzes informiert. Die Kündigung sei nach ordnungsgemäßer Beteiligung des Betriebsrats, der der Kündigung am 6. Februar 2004 zugestimmt habe, erfolgt.

Die Beklagte beantragt,

unter Änderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 15. Juni 2004 - 40 Ca 4988/04 - die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Das Arbeitsgericht habe ihm zu Recht - so meint der Kläger - einen besonderen Kündigungsschutz nach § 18 Abs. 2 Nr. 2 BErzGG zuerkannt, den er gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 23. Februar 2004 geltend gemacht habe. Der Betriebsrat habe der Kündigung erst am 13. Februar 2004 und damit nach Ausspruch der Kündigung zugestimmt.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet.

Die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung vom 12. Februar 2004 ist unwirksam.

1.

Die streitbefangene Änderungskündigung verstößt gegen § 18 Abs. 2 Nr. 2 BErzGG und ist daher gemäß § 134 BGB nichtig.

Der Arbeitgeber darf das Arbeitsverhältnis § 18 Abs. 2 Nr. 2 BErzGG nicht kündigen, wenn der Arbeitnehmer Anspruch auf Erziehungsgeld hat bzw. allein wegen der Überschreitung der Einkommensgrenzen Erziehungsgeld nicht beanspruchen kann, er Elternzeit nach § 15 BErzGG verlangen könnte und Teilzeitarbeit leistet, ohne Elternzeit in Anspruch zu nehmen.

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben.

Der Kläger erfüllte im Zeitpunkt der Kündigung die Voraussetzungen für den Bezug von Erziehungsgeld nach § 1 Abs. 1, § 2 BErzGG. Er hatte bei der Geburt seines Kindes am 12. Januar 2004 seinen gewöhnlichen Wohnsitz in Deutschland und lebte mit seinem Kind in einem Haushalt. Er betreute und erzog ferner das Kind selbst; dass er zunächst einer beruflichen Tätigkeit nachging, ist dabei ohne Belang, solange er nur täglich in ausreichendem Maße Zeit für die Betreuung und Erziehung des Kindes aufbringen konnte. Hieran besteht angesichts der Teilzeitbeschäftigung des Klägers, die nach § 2 BErzGG seinem Erziehungsgeldanspruch nicht entgegenstand, kein Zweifel. Auch stand dem Kläger ein Anspruch auf Elternzeit zu, der durch die Teilzeittätigkeit des Klägers nicht beeinträchtigt wurde und bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes besteht (§ 15 Abs. 2, 4 BErzGG). Damit konnte die Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers nur mit Zustimmung der zuständigen Behörde erfolgen, die von der Beklagten jedoch nicht eingeholt worden ist.

Soweit die Beklagte geltend macht, sie habe bei Ausspruch der Kündigung keine Kenntnis von den tatsächlichen Umständen gehabt, die zu dem besonderen Kündigungsschutz des Klägers nach § 18 Abs. 2 Nr. 2 BErzGG führten, rechtfertigt dies kein anderes Ergebnis. Das Verbot, das Arbeitsverhältnis eines Teilzeitbeschäftigten zu kündigen, hängt grundsätzlich allein von den objektiven Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Nr. 2 BErzGG ab. Der Gesetzgeber hat - im Gegensatz zu § 9 MuSchG - für den Kündigungsschutz gerade nicht auf die Kenntnis des Arbeitgebers abgestellt. Wenn man jedoch im Interesse des Arbeitgebers fordern will, dass der Arbeitnehmer den Kündigungsschutz geltend machen muss, so kommt insoweit allein eine entsprechende Anwendung des sachnahen § 9 Abs. 1 MuSchG in Betracht (Buchner/Becker, MuSchG, 7. Aufl. 2003, § 18 BErzGG, Rn. 38; KR-Bader, 7. Aufl. 2004, § 18 BErzGG Rn. 20; ErfK/Ascheid, 5. Aufl. 2005, § 18 BErzGG, Rn.8; APS/Rolfs, 2. Aufl. 2004, § 18 BErzGG, Rn. 7, jeweils m.w.N.). Der Arbeitnehmer muss den Arbeitgeber danach spätestens zwei Wochen nach Zugang der Kündigung davon unterrichten, dass ihm der besondere Kündigungsschutz des § 18 Abs. 2 Nr. 2 BErzGG zusteht. Diese Frist hat der Kläger im vorliegenden Fall eingehalten, da sein Schreiben vom 23. Februar 2004, mit dem er auf den genannten Kündigungsschutz hinwies, zehn Tage nach Zugang der Kündigung bei der Beklagten einging. Der Kläger war demgegenüber nicht gehalten, entsprechend § 16 Abs. 5 BErzGG unverzüglich auf seinen Anspruch auf Elternzeit hinzuweisen, um sich so den besonderen Kündigungsschutz zu erhalten (so aber Gröninger/Thomas, MuSchG, 36. Ergänzungslieferung Stand Juni 2004, § 18 BErzGG, Rn. 10). Die Vorschrift des § 16 Abs. 5 BErzGG dient allein den Interessen des Arbeitgebers, der sich auf eine Rückkehr des Arbeitnehmers aus der Elternzeit einrichten können soll. Demgegenüber geht es bei § 18 Abs. 2 Nr. 2 BErzGG vor allem um den Bestandsschutz des Arbeitnehmers, der bereits durch die entsprechende Anwendung des § 9 MuSchG im Interesse des Arbeitgebers eine Einschränkung erfährt.

2.

Die streitbefangene Kündigung ist zudem gemäß § 102 Abs.1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Es kann nicht angenommen werden, dass die Beklagte den Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß angehört hat.

Nach § 102 Abs. 1 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat vor Ausspruch einer Kündigung anzuhören. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat nicht richtig angehört hat, indem er z.B. seiner Unterrichtungspflicht nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nicht nachgekommen ist oder die Kündigung vor Abschluss des Anhörungsverfahrens ausgesprochen hat (BAG AP Nr. 129 zu § 102 BetrVG 1972 in ständiger Rechtsprechung). Der Arbeitgeber hat die Tatsachen, aus denen sich eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung ergeben soll, im Streitfall darzulegen und ggf. zu beweisen.

Der Sachvortrag der Beklagten wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Die Beklagte hat schon nicht im Einzelnen dargetan, in welcher Weise der Betriebsrat von den Kündigungsgründen unterrichtet wurde, was jedoch angesichts des Bestreitens des Klägers erforderlich gewesen wäre. Sie hat lediglich behauptet, der Betriebsrat sei "unter Mitteilung der Änderungskündigungsgründe" um Zustimmung gebeten worden, ohne dass deutlich ist, welche Gründe dem Betriebsrat mitgeteilt wurden. Auch hat die Beklagte nicht näher geschildert, auf welche Weise der Betriebsrat der Änderungskündigung bereits am 6. Februar 2004 und nicht erst - wie vom Kläger behauptet - am 13. Februar 2004 seine Zustimmung erteilte. Dies wäre jedoch erforderlich gewesen, weil die Äußerungsfrist des Betriebsrats bei einer Unterrichtung am 5. Februar 2004 erst am 12. Februar 2004 ablief und die Kündigung ohne eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats bis zu diesem Zeitpunkt vor Beendigung des Anhörungsverfahrens ausgesprochen worden wäre. Das Fehlen dieses Vortrages geht zu Lasten der Beklagten.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

4.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision lagen nicht vor.



Ende der Entscheidung

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