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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Urteil verkündet am 21.01.2004
Aktenzeichen: 17 Sa 2175/03
Rechtsgebiete: BGB, BRTV


Vorschriften:

BGB § 613a
Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe vom 03.02.1981 bzw. 04.07.2002 § 7. 2.2
Findet der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV) auf das Arbeits- verhältnis nach einem Betriebsteilübergang erstmals Anwendung, ohne dass eine vertragliche Vereinbarung der Parteien über den Betrieb i.S.d. § 7.2.2 BRTV vorliegt, ist dieser Betrieb nach dem Gegenstand des Betriebsteilübergangs zu bestimmen. Stellt der übernommene Betriebsteil für den Erwerber lediglich eine Arbeitsstelle i.S.d. § 7.2.2 Satz 2 BRTV dar, gilt daher die nach Kilometern nächstgelegene Vertretung des Erwerbers als Betrieb.
Landesarbeitsgericht Berlin Im Namen des Volkes Urteil

17 Sa 2175/03

Verkündet am 21.01.2004

In Sachen

pp

hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 17. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 21. Januar 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dreßler als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Schuster und Kayser

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 23. September 2003 - 12 Ca 14006/03 - geändert:

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger in der Zweigniederlassung P. als Baugeräteführer zu beschäftigen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, an welchem tariflich bestimmten Ort der Kläger zu beschäftigen ist.

Die Beklagte unterhält in F. eine Niederlassung Deponiebau sowie eine Niederlassung Berlin-Brandenburg mit einer zweiten Niederlassung in P., die sich mit dem Verkehrswegebau befasst. Auf sie fand bis zum 31. August 2002 der für allgemeinverbindlich erklärte Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe vom 3. Februar 1981 in der jeweils gültigen Fassung (BRTV) sowie ab 01.09.2002 der ebenfalls allgemeinverbindliche Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe vom 4. Juli 2002 Anwendung.

Die Beklagte übernahm zum 1. Januar 2002 durch ihre Niederlassung Deponiebau im Wege des Betriebsteilübergangs von der MEAB E.gesellschaft mbH (MEAB) die Bauarbeiten zur Abdeckung der Siedlungsabfalldeponie Sch.; wegen der vertraglichen Abreden wird auf Bl. 45 ff. d. A. verwiesen.

Der Kläger war aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 3. November 1992 (Bl. 11 ff. d. A.) seit dem 1. Oktober 1992 für die MEAB auf der Deponie Sch. als Gerätefahrer tätig. Er wurde u.a. auf der Grundlage des BRTV vergütet, ohne dass das Arbeitsverhältnis kraft Allgemeinverbindlicherklärung dem BRTV unterfiel. Die MEAB unterrichtete ihn mit Schreiben vom 21. November 2001 (Bl. 13 R f.) von dem Betriebsteilübergang und dem Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte, wobei sie als Betriebsteilübernehmer die Niederlassung Deponiebau, Zweigniederlassung P. der Beklagten angab. In einer Informationsveranstaltung am 23. November 2001 teilten die Vertreter der Beklagten den von dem Betriebsteilübergang betroffenen Arbeitnehmern u.a. mit, sie sollten zukünftig nach Möglichkeit weiterhin auf der Deponie Sch. eingesetzt werden; eine Beschäftigung auf anderen Baustellen sei jedoch nicht ausgeschlossen. Die Beklagte legte dem Kläger durch ihre Zweigniederlassung P. einen "Einstellungsbogen/Arbeitsvertrag" vom 23. November 2001 (Bl. 17 R) vor, wonach der Kläger ab dem 1. Januar 2002 als Baugeräteführer eingestellt werden sollte. Nachdem der Kläger die Unterzeichnung dieses Schreibens abgelehnt hatte, teilte die Beklagte dem Kläger durch ihre Niederlassung Berlin-Brandenburg mit Schreiben vom 18. Dezember 2001 (Bl. 17) mit, das mit der MEAB bestehende Arbeitsverhältnis werde wegen des Betriebsteilübergangs auf der Grundlage des bestehenden Dienstvertrages fortgeführt. Der Kläger wurde ab dem 1. Januar 2002 von der Niederlassung Berlin-Brandenburg bzw. deren Zweigniederlassung P. der Beklagten betreut. Er wurde noch für ca. einen Monat auf der Deponie Sch. beschäftigt und anschließend überwiegend im Autobahnbau in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern eingesetzt.

Die Beklagte wies den Kläger zum Jahreswechsel 2002/2003 an, seine Arbeit zukünftig auf der Deponie G. in der Nähe von O. und damit auf einer Arbeitsstelle der Niederlassung Deponiebau zu verrichten. Der Kläger nahm die Arbeit dort unter dem Vorbehalt einer rechtlichen Überprüfung der Weisung auf.

Mit seiner Klage hat der Kläger zuletzt die Verurteilung der Beklagten begehrt, ihn in der Zweigniederlassung P., hilfsweise in der Niederlassung Berlin-Brandenburg zu beschäftigen; äußerst hilfsweise hat er die Feststellung begehrt, dass die Versetzung zur Niederlassung Deponiebau der Beklagten unwirksam sei. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Von der weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sachverhalts wird abgesehen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch ein am 23. September 2003 verkündetes Urteil abgewiesen. Der Kläger sei gemäß § 7.1 BRTV verpflichtet, seine Arbeit auf Baustellen der Niederlassung Deponiebau der Beklagten zu verrichten, weil die Beklagte den von der MEAB übernommenen Betriebsteil dieser Niederlassung zugeordnet habe und eine abweichende Vereinbarung der Parteien über den für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses maßgeblichen Betrieb der Beklagten nicht vorliege. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses ihm am 1. Oktober 2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 31. Oktober 2003 eingelegte Berufung des Klägers, die er mit einem am 27. November 2003 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, er müsse auf Baustellen der Zweigniederlassung P. bzw. der Niederlassung Berlin-Brandenburg der Beklagten beschäftigt werden; jedenfalls sei die angegriffene Versetzung unwirksam. Auf das mit der MEAB bestehende Arbeitsverhältnis sei aufgrund betrieblicher Übung der BRTV angewendet worden, weshalb eine Festlegung des Beschäftigungsbetriebes nach § 7 BRTV erfolgt sei; diese sei weiterhin maßgebend. Die Parteien hätten sich zudem vor dem Betriebsteilübergang auf einen Einstellungsbetrieb P. geeinigt. So sei ihm von der Beklagten und der MEAB zugesichert worden, man wolle ihn der Zweigniederlassung P. zuordnen. Der später erfolgte Betriebsteilübergang könne hieran nichts ändern, zumal der mit der MEAB abgeschlossene Arbeitsvertrag eine betriebsübergreifende Versetzung nicht erlaubt habe.

Der Kläger beantragt,

unter Änderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 23. September 2003 - 12 Ca 14006/03 - die Beklagte zu verurteilen,

1. ihn in der Zweigniederlassung P. als Baugeräteführer zu beschäftigten;

2. hilfsweise

die Beklagte zu verurteilen, ihn in der Niederlassung Berlin-Brandenburg als Baugeräteführer zu beschäftigen;

3. hilfsweise

festzustellen, dass seine Versetzung zur Niederlassung Deponiebau Hahnstr. 70, 60528 Frankfurt am Main unwirksam ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Da der von der MEAB übernommene Betriebsteil zu ihrer Niederlassung Deponiebau gehöre, sei der Kläger auch verpflichtet, seine Arbeitsleistung auf den Baustellen dieser Niederlassung zu verrichten. Die Niederlassung F. sei ihre nächstgelegene Vertretung i.S.d. § 7.2.2 BRTV, da nur durch sie Deponiebau betrieben werde. Eine abweichende Vereinbarung des Beschäftigungsortes liege nicht vor.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze vom 27. November und 22. Dezember 2003 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Kläger hat die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§ 66 Abs. 1 ArbGG).

Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

Die Beklagte war auf den Hauptantrag des Klägers unter Änderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, den Kläger als Baugeräteführer auf Arbeitsstellen ihrer Zweigniederlassung P. zu beschäftigen.

1.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf tatsächliche vertragsgemäße Beschäftigung zu (vgl. hierzu nur BAG GS AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht). Dabei ist angesichts der Durchführung des Arbeitsverhältnisses seit dem erfolgten Betriebsteilübergang davon auszugehen, dass der Kläger eine Tätigkeit als Baugeräteführer schuldet und daher eine derartige Beschäftigung verlangen kann.

2.

Der Kläger hat seine Arbeitsleistung vertragsgemäß auf Arbeitsstellen der Zweigniederlassung P. der Beklagten zu erbringen; er ist daher von der Beklagten auf diesen Arbeitsstellen und nicht auf Arbeitsstellen der Niederlassung Deponiebau zu beschäftigen.

2.1

Der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis dem BRTV unterfällt, kann von dem Arbeitgeber gemäß § 7.1 BRTV auf allen Bau- oder sonstigen Arbeitsstellen des Betriebes eingesetzt werden, auch wenn diese von seiner Wohnung nicht an jedem Arbeitstag erreicht werden kann. Die Tarifvertragsparteien haben dabei in § 7.2.2 BRTV den Begriff des Betriebes, auf dessen Baustellen der Einsatz des Arbeitnehmers erfolgen kann, näher geregelt. Danach gilt als Betrieb die Hauptverwaltung, die Niederlassung, die Filiale, die Zweigstelle oder die sonstige ständige Vertretung des Arbeitgebers, in welcher der Arbeitnehmer eingestellt wird; erfolgt die Einstellung auf einer Arbeitsstelle, so gilt die nächstgelegene Vertretung des Arbeitgebers als Betrieb. Mit der Festlegung des Beschäftigungsbetriebes und der damit verbundenen Bestimmung des Mittelpunktes des Arbeitsverhältnisses werden die Interessen der Arbeitsvertragsparteien unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Baubranche angemessen verteilt. So kann der Arbeitgeber die Arbeitsorte weitergehend als ansonsten üblich festlegen, so lange die Arbeitsstellen dem betreffenden Betrieb zugeordnet werden können. Der Arbeitnehmer kann demgegenüber im Hinblick auf die tariflichen Regelungen zum Aufwendungsersatz und zur Auslösung (§ 7.3 und 4. BRTV) abschätzen, auf welche Weise der Aufwand, der zur Erreichung der auswärtigen Arbeitsstellen erforderlich ist, ausgeglichen wird (BAG AP Nr. 224 zu § 1 TVF Tarifverträge: Bau). Unterhält der Arbeitgeber Niederlassungen, deren Zuständigkeit räumlich abgegrenzt sind, kann der Arbeitnehmer zudem bei Begründung des Arbeitsverhältnisses absehen, in welchem örtlichen Bereich der Arbeitseinsatz erfolgen wird. Die Festlegung des Beschäftigungsbetriebes erfolgt grundsätzlich bei der Einstellung des Arbeitnehmers. Den Arbeitsvertragsparteien ist es allerdings unbenommen, den Beschäftigungsbetrieb während des laufenden Arbeitsverhältnisses neu zu bestimmen. Hierzu ist jedoch eine zweifelsfreie räumliche Neuorientierung des Arbeitsverhältnisses in dem beiderseitigen Bewusstsein erforderlich, damit den Arbeitsmittelpunkt neu festzulegen; dass der Arbeitnehmer Weisungen des Arbeitgebers befolgte, auf nicht zu dem Beschäftigungsbetrieb gehörenden Baustellen tätig zu werden, genügt hierfür nicht (BAG, a.a.O.).

2.2

Eine vertragliche Vereinbarung über den Beschäftigungsbetrieb ist im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Der Arbeitsvertrag des Klägers mit der MEAB enthält keine Festlegung des Ortes, an dem der Kläger seine Arbeitsleistung zu erbringen hat. Auch wenn der Kläger danach als "Gerätefahrer in Vorketzin" weiterbeschäftigt wurde, behielt die MEAB doch gemäß Nr. 2 des Arbeitsvertrages das Recht, den Einsatz des Klägers zu regeln und ggf. zu ändern. Dies umfasste auch die Zuweisung einer Beschäftigung in einem anderen Betrieb der MEAB, was der Kläger mit seinem Hinweis in der Berufungsbegründung, die MEAB habe Auslösung bei einem Einsatz in einem anderen Betrieb gezahlt, letztlich bestätigt hat.

Die Parteien haben eine Vereinbarung über den für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses maßgeblichen Betrieb ebenfalls nicht getroffen. Der Kläger hat den ihm unter dem 23. November 2001 angebotenen Arbeitsvertrag nicht unterzeichnet, so dass die dort enthaltene Zuordnung zur Zweigniederlassung P. nicht vereinbart wurde. Ob die Beklagte auf der Informationsveranstaltung eine Zuordnung zu der genannten Zweigniederlassung zugesagt hat und ob es sich bei derartigen - einmal angenommenen - Äußerungen um rechtsgeschäftliche Erklärungen gegeneinander aufgehoben handelt hat, kann dahinstehen, da nicht erkennbar ist, dass der Kläger ein dort erfolgtes Angebot über den Beschäftigungsbetrieb angenommen hat. Auch zu einem späteren Zeitpunkt haben die Parteien den Mittelpunkt des Arbeitsverhältnisses vertraglich nicht vereinbart. Hierfür genügte es nicht, dass die Beklagte den Kläger von ihrer Niederlassung Berlin-Brandenburg bzw. ihrer Zweigniederlassung P. betreuen ließ, zumal dies nach ihrer Auffassung immer für die Niederlassung Deponiebau in Frankfurt geschah und der Kläger zudem auch auf Baustellen in Mecklenburg-Vorpommern eingesetzt wurde.

2.3

Entgegen der Auffassung des Klägers erfolgte eine Festlegung des Beschäftigungsbetriebes gemäß § 7.2.2 BRTV auch nicht bei der Begründung seines Arbeitsverhältnisses bei der MEAB; sie konnte daher auch nicht gemäß § 613 a Abs. 1 BGB für das Arbeitsverhältnis der Parteien maßgebend bleiben. Die MEAB fiel nicht unter den Geltungsbereich des BRTV, so dass die Einstellung des Klägers nicht für einen Betrieb oder eine Arbeitsstelle i.S.d. § 7.2.2 BRTV erfolgte. Ob die MEAB in der Folgezeit den BRTV auf das Arbeitsverhältnis anwandte, ist für die vorliegend zu entscheidende Frage so lange ohne Belang, wie dies nicht zu einer vertraglichen Bestimmung des Beschäftigungsbetriebes führte. Für eine derartige Abrede der damaligen Arbeitsvertragsparteien fehlt in dem Sachvortrag der Parteien jeder Anhaltspunkt.

2.4.

Der für das Arbeitsverhältnis der Parteien maßgebliche Beschäftigungsbetrieb der Parteien ist, nachdem weder eine tarifliche Festlegung bei Einstellung des Klägers erfolgte noch eine vertragliche Einigung der Parteien über den Arbeitsmittelpunkt vorliegt, in entsprechender Anwendung des § 7.2.2 BRTV zu bestimmen.

2.4.1.

Die vorliegend zu beurteilende Sachverhaltsgestaltung ist dadurch gekennzeichnet, dass das Arbeitsverhältnis bei seiner Begründung nicht den Bestimmungen des BRTV unterlag, dieser Tarifvertrag jedoch nun nach einem Betriebsteilübergang auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden ist, ohne dass die Parteien eine Vereinbarung über den Beschäftigungsbetrieb getroffen haben. Die Tarifvertragsparteien haben für diese Fallgestaltung Regelungen nicht getroffen; der BRTV enthält insoweit eine Regelungslücke. Die tariflichen Bestimmungen enthalten dabei keinen Hinweis darauf, dass die Tarifvertragsparteien die genannte Fallgestaltung nicht regeln wollten. Vielmehr spricht alles dafür, dass auch bei Arbeitsverhältnissen der vorliegend zu beurteilenden Art ein Arbeitsmittelpunkt festzulegen ist. Denn es bliebe ansonsten offen, auf welchen Arbeitsstellen der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung zu erbringen hat und wann er die in § 7.3 und 4 BRTV geregelten Leistungen beanspruchen kann.

Eine unbewusste tarifliche Regelungslücke kann von den Gerichten für Arbeitssachen geschlossen werden, wenn sich ausreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, wie die Tarifvertragsparteien den Sachverhalt bei Kenntnis der Lücke geregelt hätten. Eine derartige ergänzende Tarifauslegung ist hingegen ausgeschlossen, wenn verschiedene Möglichkeiten bestehen, die Lücke zu schließen, weil das Gericht ansonsten in unzulässiger Weise in die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie eingreifen würde (vgl. hierzu nur BAG AP Nr. 170 zu § 1 TVG Auslegung; BAGE 57, 334 ff., jeweils m.w.N.).

2.4.2.

Im vorliegenden Fall kann angenommen werden, dass die Tarifvertragsparteien bei dem Übergang des Arbeitsverhältnisses durch Betriebsteilübergang den Arbeitsmittelpunkt nach § 7.2.2 BRTV nach der übergegangenen wirtschaftlichen Einheit und damit nach dem Gegenstand des Betriebsteilübergangs bestimmt hätten. Bei der erstmaligen Begründung des Arbeitsverhältnisses wird gemäß § 7.2.2 BRTV die ständige Vertretung des Arbeitgebers Arbeitsmittelpunkt, in welcher der Arbeitnehmer eingestellt wird bzw. bei Einstellung auf einer Arbeitsstelle die nächstgelegene Vertretung des Arbeitgebers. Geht ein Arbeitsverhältnis durch Betriebsteilübergang auf einen Erwerber über, bedarf es einer gesonderten Einstellung des Arbeitnehmers nicht mehr. Gleichzeitig besteht jedoch bereits ein Arbeitsmittelpunkt, der aus der Zuordnung des Arbeitnehmers zu dem übernommenen Betriebsteil folgt; diese ist zugleich Anknüpfungspunkt für die Begründung des Arbeitsverhältnisses zu dem Erwerber. Bei dieser Sachlage bestimmt sich der zukünftig maßgebliche Mittelpunkt des übernommenen Arbeitsverhältnisses nach Auffassung der Berufungskammer danach, ob der übernommene Betriebsteil eine in § 7.2.2. Satz 1 BRTV genannte ständige Vertretung des Erwerbers darstellt; ist dies nicht der Fall, weil es sich bei dem Betriebsteil lediglich um eine Arbeitsstelle i.S.d. § 7.2.2. Satz 2 BRTV handelt, gilt die nächstgelegene Vertretung des Arbeitgebers als Arbeitsmittelpunkt. Eine andere den Interessen beider Arbeitsvertragsparteien entsprechende Bestimmung des Betriebes i.S.d. § 7.2.2 BRTV ist nicht ersichtlich. Diese kann insbesondere nicht dadurch erfolgen, dass der Erwerber einseitig den übernommenen Betriebsteil einer seiner ständigen Vertretungen zuordnet. Die Festlegung des Arbeitsmittelpunkts obliegt grundsätzlich der privatautonomen Entscheidung beider Arbeitsvertragsparteien (BAG AP Nr. 224 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau), die ansonsten entweder im Zusammenhang mit der Einstellung oder durch eine spätere einvernehmliche Vertragsänderung erfolgt. Dem widerspräche es, wollte man allein den Betriebsteilerwerber darüber entscheiden lassen, welche betriebliche Organisation zukünftig als Beschäftigungsbetrieb gelten solle. Dies gilt umso mehr, als der übernommene Arbeitnehmer die vorhandene betriebliche Struktur des Betriebsteilübernehmers, die nach den obigen Ausführungen für die Bestimmung des Arbeitsmittelpunkts entscheidend ist, nicht beeinflussen kann.

2.4.3.

Bei dem von der MEAB übernommenen Betriebsteil handelt es sich nicht um eine ständige Vertretung der Beklagten i.S.d. § 7.2.2. Satz 1 BRTV, sondern um eine Arbeitsstelle i.S.d. § 7.2.2. Satz 2 BRTV. Als Betrieb gilt nach den obigen Ausführungen daher die nächstgelegene Vertretung der Beklagten. Dies ist nach der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Annahme der Berufungskammer, der die Parteien nicht entgegengetreten sind, die Zweigniederlassung P.. Die Bestimmung des Betriebes i.S.d. § 7.2.2. Satz 2 BRTV erfolgt ausschließlich nach einer räumlichen Betrachtungsweise, d.h., die nach Kilometern nächstgelegene Vertretung des Arbeitgebers ist als Betrieb anzusehen. Soweit die Beklagte hiergegen geltend macht, die Zweigniederlassung P. befasse sich nicht mit dem Deponiebau; dieser werde allein von der Niederlassung in F. betrieben, bei der es sich deshalb um den Beschäftigungsbetrieb handeln müsse, vermochte die Berufungskammer es nicht, ihr zu folgen. Welche Tätigkeiten der Arbeitgeber in seiner jeweiligen Vertretung verrichten lässt, ist für die Bestimmung des Betriebes i.S.d. § 7.2.2 BRTV ohne jeden Belang. Nach dem Wortlaut des § 7.2.2. Satz 2 BRTV wird der Arbeitsmittelpunkt allein nach der örtlichen Lage der Arbeitsstelle und der ständigen Vertretungen des Arbeitgebers bestimmt. Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck der Tarifnorm, die es dem Arbeitnehmer ermöglichen soll, den Umfang seiner Arbeitsverpflichtung und den Aufwand zur Erreichen der Arbeitsstelle abzuschätzen.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

4.

Die Revision wurde gemäß § 72 Abs. 2 Nr.1 ArbGG zugelassen. Die Rechtssache hat nach Auffassung der Berufungskammer grundsätzliche Bedeutung. Der Frage, auf welche Weise der Betrieb i.S.d. § 7.2.2 BRTV nach einem Betriebsteilübergang festzulegen ist, kommt über den vorliegenden Fall hinausgehende Bedeutung zu; es kommt zudem entscheidend auf die Auslegung eines Tarifvertrages an, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk des Landesarbeitsgerichts Berlin hinaus erstreckt.

Ende der Entscheidung

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