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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 01.10.2001
Aktenzeichen: 17 Ta (Kost) 6136/01
Rechtsgebiete: BRAGO


Vorschriften:

BRAGO § 8
1.

Die in einem Kündigungsrechtsstreit getroffene Vereinbarung über eine Freistellung des Arbeitnehmers ist im Rahmen der Streitwertfestsetzung gesondert zu bewerten.

2.

Die Höhe des Wertes hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Bestand ein besonderes Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers, kann der Wert bis zu 50 v.H. des für den Freistellungszeitraum geschuldeten Entgelts betragen. Ohne ein besonderes Beschäftigungsinteresse ist es in der Regel sachgerecht, den Wert auf 10 v.H. bzw. bei fehlender Anrechnung eines Zwischenverdienstes auf 25 v.H. des für den Freistellungszeitraum geschuldeten Entgelts festzusetzen.

Der Freistellungszeitrum umfasst lediglich Zeiten, in denen der Arbeitnehmer freigestellt wird.


Landesarbeitsgericht Berlin Beschluss

17 Ta (Kost) 6136/01

In dem Beschwerdeverfahren

pp

hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 17. Kammer durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dreßler als Vorsitzenden am 1. Oktober 2001

beschlossen:

Tenor:

I.

Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 20. Juli 2001 - 52 Ca 7742/01 - teilweise geändert:

Der Vergleichswert wird auf 16.875,00 DM festgesetzt.

II.

Im übrigen wird die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers auf ihre Kosten bei einem Beschwerdewert von 452,40 DM zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Kläger hat sich in dem diesem Beschwerdeverfahren vorausgegangenen Rechtsstreit gegen eine Kündigung seines Arbeitsverhältnisses gewandt; er hat zudem die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch weitere Beendigungstatbestände enden wird. Der Rechtsstreit wurde durch gerichtlich protokollierten Vergleich vom 7. Juni 2001 beigelegt. Danach wird das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung am 31. Oktober 2001 gegen Zahlung einer Abfindung enden. In Nr. 4 des Vergleiches heißt es zudem :

"Die Beklagte stellt den Kläger unter Fortzahlung der Bezüge und unter Anrechnung etwaiger noch offener Urlaubsansprüche ab dem 13. Juni 2001 bis zum Beendigungszeitpunkt von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung unwiderruflich frei, da keine Arbeit für den Kläger vorhanden ist."

Das Arbeitsgericht hat den Wert des Streitgegenstandes zum Zwecke der anwaltlichen Gebührenberechnung durch Beschluss vom 13. Juli 2001 auf 14.850,00 DM festgesetzt. Es hat dabei die genannte Freistellungsvereinbarung unberücksichtigt gelassen, weil es sich um ein Element der Kündigungsschutzklage handele.

Gegen diesen ihnen am 20. Juli 2001 zugestellten Beschluss richtet sich die am 2. August 2001 eingelegte Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers, mit der sie eine Erhöhung des Vergleichswertes auf 37.350,00 DM erreichen wollen. Sie sind der Auffassung, dass für jeden Monat der Freistellung der Betrag eines Bruttomonatsentgeltes angesetzt werden müsse.

II.

Die gemäß § 10 Abs. 3 BRAGO statthafte und form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist teilweise begründet.

Der Vergleichswert erhöht sich im Hinblick auf die getroffene Freistellungsvereinbarung um 2.025,00 DM und ist daher unter teilweiser Änderung des angefochtenen Beschlusses und unter Zurückweisung der Beschwerde im übrigen auf 16.875,00 DM festzusetzen.

1.

Ob und ggf. in welcher Weise eine Freistellungsvereinbarung der hier zu beurteilenden Art bei der Festsetzung des Streitwertes zu berücksichtigen ist, wird in der Rechtssprechung unterschiedlich beurteilt. So soll nach einer Auffassung eine Erhöhung des Streitwertes nicht in Betracht kommen, weil die Freistellung des Arbeitnehmers bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Element der Bestandsstreitigkeit darstelle, das nicht gesondert bewertet werden könne ( LAG Schleswig-Holstein, MDR 1999, 814 ). Nach einer anderen Ansicht kommt der Freistellungsvereinbarung ein eigener Wert zu, wobei allerdings Uneinigkeit über die Bestimmung des Freistellungszeitraums und über die Höhe des festzusetzenden Wertes besteht ( vgl. hierzu nur LAG Sachsen-Anhalt LAGE § 12 ArbGG 1979 Streitwert Nr. 104; LAG Berlin, Beschluss vom 20. 10. 2000 - 7 Ta 6077/00 (Kost); Meier, Streitwerte im Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2000, Rdnr. 270 ff. m.w.N. ).

2.

Nach Auffassung der Beschwerdekammer kommt einer Vereinbarung, durch die der Arbeitnehmer von seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung befreit wird, ein eigener Wert zu, wobei es ohne Belang ist, ob die Vereinbarung im Rahmen eines zur Beilegung einer Bestandsstreitigkeit abgeschlossenen Vergleichs getroffen wird. Die Arbeitsvertragsparteien regeln mit einer derartigen Vereinbarung den Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, der nicht Gegenstand eines Kündigungsschutzverfahrens ist und deshalb von dem nach § 12 Abs. 7 S.1 ArbGG festzusetzenden Streitwert auch nicht erfasst wird. Die Höhe des Wertes der Freistellungsvereinbarung richtet sich zunächst nach der Dauer des Freistellungszeitraums. Da eine nicht erfolgte Beschäftigung weder nachgeholt noch eine Freistellung rückwirkend gewährt werden kann, sind dabei nur Zeiten zu berücksichtigen, in denen der Arbeitnehmer nach Abschluss der Freistellungsvereinbarung seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung nicht nachkommen muss. Für den Wert der Freistellung kommt es zudem maßgeblich darauf an, welche Bedeutung die tatsächliche Beschäftigung bzw. die Freistellung für den Arbeitnehmer hat. Ist der Arbeitnehmer in besonderer Weise auf eine tatsächliche Beschäftigung angewiesen, um z.B. seine Qualifikation oder seinen Bekanntheitsgrad zu erhalten, so ist der Wert der Freistellung höher zu bewerten als bei einem Arbeitnehmer, der neben der Verwirklichung seiner Persönlichkeit in einem Arbeitsverhältnis kein weiteres Interesse an einer tatsächlichen Beschäftigung hat. Auch kann berücksichtigt werden, ob ein während der Freistellung erzielter anderweitiger Verdienst auf die von dem Arbeitgeber zu zahlende Vergütung angerechnet wird. Welcher Wert danach eine Freistellungsvereinbarung hat, richtet sich vor allem nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles. Es dürfte jedoch in der Regel angemessen sein, bei einem besonderen Beschäftigungsinteresse höchstens die Hälfte der für den Freistellungszeitraums geschuldeten Vergütung in Ansatz zu bringen. Liegt ein derartiges Beschäftigungsinteresse nicht vor, ist es regelmäßig sachgerecht, einen Wert in Höhe von 10 v.H. des genannten Entgeltes festzusetzen; dieser Wert kann sich bei einer ausgeschlossenen Anrechnung von Zwischenverdienst auf 25 v.H. erhöhen.

3.

Im vorliegenden Fall liegen Umstände, die ein besonderes Beschäftigungsinteresse des Klägers begründen könnten, nicht vor; auch haben die Parteien nicht vereinbart, dass ein Zwischenverdienst des Klägers nicht angerechnet werden soll. Da auch sonstige Umstände, die eine höhere Wertfestsetzung rechtfertigen könnten, nicht vorliegen, war die Freistellungsvereinbarung mit 10 v.H. des für 4,5 Monate geschuldeten Entgelts zu bewerten. Der Vergleichswert erhöht sich daher um 2.025,00 DM auf insgesamt 16.875,00 DM.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Beschwerdewert ist die Differenz zwischen einer Rechtsanwaltsgebühr zuzüglich Umsatzsteuer nach dem festgesetzten und dem angestrebten Wert.

Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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