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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 19.08.2003
Aktenzeichen: 17 Ta 6063/03
Rechtsgebiete: ArbGG


Vorschriften:

ArbGG § 12 Abs. 7
Bei der Streitwertfestsetzung nach § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG ist auch die Dauer des Arbeitsverhältnisses zu berücksichtigen (Bestätigung der Rechtsprechung der Beschwerdekammer). Dabei ist es ohne Belang, ob der Arbeitsvertrag vor Begin des Arbeitsverhältnisses abgeschlossen wurde und wann die einzuhaltende Kündigungsfrist endet.
17 Ta (Kost) 6063/03

Beschluss

In dem Beschwerdeverfahren

pp

Beschwerdeführer

in dem Streitwertfestsetzungsverfahren

nach dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 17. Kammer, durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dreßler als Vorsitzenden am 19. August 2003 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 10. Juni 2003 - 77 Ca 829/03 - wird auf ihre Kosten bei einem Beschwerdewert von 426,88 EUR zurückgewiesen.

Gründe:

Die Beschwerde ist unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat den Wert des Streitgegenstandes für die Kündigungsschutzklage gemäß § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG zu Recht in Höhe zweier Bruttomonatsverdienste festgesetzt, weil das Arbeitsverhältnis der Parteien im Zeitpunkt der streitbefangenen Kündigung länger als sechs Monate und kürzer als ein Jahr bestand.

Es ist allerdings in der Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob bei der Wertfestsetzung nach § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG die Dauer des Arbeitsverhältnisses berücksichtigt werden kann. So wird die Auffassung vertreten, es sei regelmäßig der Wert des für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden Arbeitsentgelts maßgebend, wenn sich nicht die mit der Klage begehrte Feststellung auf einen kürzeren Zeitraum bezieht. Es komme allein auf das durch den Klageantrag zum Ausdruck kommende Interesse des Klägers an, den zukünftigen Bestand des Arbeitsverhältnisses geltend zu machen. Welchen Bestandsschutz der Kläger im Hinblick auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses genieße, sei demgegenüber unbeachtlich (vgl. hierzu nur Hessisches LAG, LAGE Nr. 116 zu § 12 ArbGG 1979 Streitwert; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 4. Aufl. 2002, § 12 Rn. 96). Nach der gegenteiligen Auffassung handelt es sich bei dem in § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG genannten Streitwert lediglich um einen Rahmenstreitwert, der auch im Hinblick auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses unterschritten werden kann ( vgl. hierzu insbesondere BAG AP Nr. 9 zu § 12 ArbGG 1979; LAG Rheinland-Pfalz, LAGE Nr. 88 a.a.O.; KR-Friedrich, 6. Auflage 2002, § 4 Rdnr. 277 f. mit umfangreichen Nachweisen zu beiden Ansichten ).

Die Beschwerdekammer folgt weiterhin der zuletzt genannten Auffassung (so bereits Beschluss vom 13. März 2001 - 17 Ta 6026/01 (Kost) - ; Beschluss vom 26. September 2002 - 17 Ta 6096/02 (Kost) - ; Beschluss vom 22. November 2002 - 17 Ta 6107/02 (Kost) - ; Beschluss vom 17 Februar 2003 - 17 Ta 6018/03 (Kost) ). Weder der Wortlaut noch die Entstehungsgeschichte oder der Regelungszweck des § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG deuten darauf hin, dass die Wertfestsetzung bei einer Bestandsstreitigkeit regelmäßig von dem Vierteljahresentgelt auszugehen hat. Auch das wirtschaftliche Interesse der klagenden Partei an einer zeitlich nicht begrenzten Feststellung rechtfertigt nicht den Schluss, der Wert einer derartigen Bestandsstreitigkeit müsse sich stets nach dem Vierteljahresentgelt bemessen. Der konkrete wirtschaftliche Wert einer Bestandsstreitigkeit i.S.d. § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG lässt sich nicht allein auf der Grundlage der zukünftigen Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers ermitteln. Vielmehr hängt die wirtschaftliche Bedeutung des Arbeitsverhältnisses auch von der Dauer des Arbeitsverhältnisses ab. So knüpfen eine Vielzahl arbeitsrechtlicher Bestimmungen an die Beschäftigungszeit des Arbeitnehmers im Betrieb oder Unternehmen an (vgl. nur § 1 Abs. 1, § 10 Abs. 2 KSchG, § 622 Abs. 2 BGB, § 8 Abs. 1 BetrVG, § 1 Abs. 1 BetrAVG, § 4 BUrlG). Ferner kommt der Beschäftigungszeit bei Streitigkeiten über die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen Kündigung eine herausgehobene Bedeutung zu, da sowohl das Ergebnis einer Interessenabwägung nach den §§ 1 Abs. 1 KSchG, 626 Abs. 1 BGB als auch einer Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG maßgeblich von der Dauer des Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt der streitbefangenen Kündigung abhängt. Der Wert der konkreten Bestandsstreitigkeit ist daher auch unter Berücksichtigung der zurückgelegten Beschäftigungszeit des Arbeitnehmers festzusetzen.

Die Beschwerdekammer hält es ferner für angemessen, den Streit über den Bestand eines Arbeitsverhältnisses mit einer Dauer von mehr als sechs, jedoch weniger als zwölf Monaten in der Regel mit zwei Bruttomonatsverdiensten zu bewerten. Ein derartiges Arbeitsverhältnis hat sich regelmäßig verfestigt, zumal es - bei entsprechender Betriebsgröße (§ 23 Abs. 1 KSchG) - dem allgemeinen Kündigungsschutz (§§ 1 ff. KSchG) unterliegt. Es handelt sich gleichwohl noch immer um ein Arbeitsverhältnis von kurzer Dauer, dessen Bestand - sofern nicht Sonderkündigungsschutzbestimmungen eingreifen - nicht in gleicher Weise wie der eines länger andauernden Arbeitsverhältnisses bewertet werden kann. Die für die Wertfestsetzung maßgebliche Dauer des Arbeitsverhältnisses bestimmt sich dabei nicht nach dem Ende der Kündigungsfrist, sondern nach dem Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung, der auch für die Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung und damit für den Bestandschutz des klagenden Arbeitnehmers maßgebend ist. Auch ist es ohne Belang, ob der Arbeitsvertrag bereits vor Beginn des Arbeitsverhältnisses abgeschlossen wurde, da der Bestandsschutz nicht von dem Zeitpunkt des Arbeitsvertrages, sondern allein von der Dauer des Arbeitsverhältnisses abhängt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Beschwerdewert ist die Differenz zwischen zwei Rechtsanwaltsgebühren nach dem angestrebten und dem festgesetzten Wert zuzüglich Umsatzsteuer.

Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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