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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Urteil verkündet am 01.11.2005
Aktenzeichen: 3 Sa 1307/05
Rechtsgebiete: AEntG


Vorschriften:

AEntG § 1
AEntG § 1a
1. Eine Bürgenhaftung nach § 1 a AEntG für ausgefallene Urlaubskassenbeiträge besteht für den Bauherrn, der Besteller von baugewerblichen Dienstleistungen ist, nicht.

2. Daran ändert sich nichts dadurch, dass der Bauherr gegenüber der Arbeitsverwaltung, die dem ausländischen Bauunternehmen und dessen ausländischen Arbeitnehmern die zur Bauausführung erforderlichen Erlaubnisse erteilt hat, fälschlich als Inhaber eines Betriebes der Bauwirtschaft aufgetreten ist.


Landesarbeitsgericht Berlin Im Namen des Volkes Urteil

3 Sa 1307/05

Verkündet am 01.11.2005

In Sachen

hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 3. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 01.11.2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Baumann als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Grunwald und Fetcke

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 14. April 2005 - 62 Ca 74344/04 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger, eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes, nimmt die Beklagte auf Zahlung von Urlaubskassen-beiträgen für den Zeitraum Januar bis Juni 2000 im Wege der Bürgenhaftung in Anspruch.

Die Geschäftstätigkeit der Beklagten ist darauf gerichtet, Grundstücke zu erwerben und zu veräußern; im Rahmen ihrer Verwaltungstätigkeit vermietet und verpachtet sie darüber hinaus den eigenen Grund- und Gebäudebesitz.

Im Jahre 1988 erwarb die Beklagte im Rahmen eines Zwangsvollstreckungsverfahrens ein in M. gelegenes Grundstück; darauf befindet sich das Hotel L., das die Beklagte nach dem Erwerb weiterbetrieb. Zwecks Renovierungsarbeiten am Hotel beauftragte die Beklagte ein in R. ansässiges Bauunternehmen, die T. N. S.R.L. (im Folgenden abgekürzt: T.) zur Ausführung der diesbezüglichen Arbeiten, die damit Anfang Januar 2000 begann.

Zur Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer im Rahmen von Werkverträgen bedarf es der Zustimmung der Arbeitsverwaltung. Diese Zustimmung wurde der T. vom Landesarbeitsamt H. mit Bescheid vom 22. Dezember 1999 erteilt. Zu den Voraussetzungen, deren Vorliegen für eine derartige Erlaubnis notwendig ist, gibt die Bundesagentur für Arbeit (damals Bundesanstalt für Arbeit) Merkblätter heraus, die auch Informationen für den Besteller enthalten. In dem vom Kläger vorgelegten Merkblatt, Stand 16. November 2000, heißt es u.a.:

"Die Grundlage zur Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer im Rahmen von Werkverträgen sind die Vereinbarungen, die die Regierung der Bundesrepublik Deutschland mit den Regierungen der Länder Bulgarien, Slowakei, Tschechien, Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Mazedonien, Slowenien, Lettland, Polen, R., Türkei und Ungarn geschlossen hat. In diesen Vereinbarungen ist geregelt, wann und zu welchen Bedingungen die ausländischen Unternehmen ihre Arbeitnehmer zur Durchführung geschlossener Werkverträge in Deutschland einsetzen können.

...

Ihr Betrieb hat bei einer Bauunternehmung aus einem Land, das nicht der Europäischen Union angehört, Bauleistungen bestellt und darüber einen Werkvertrag abgeschlossen. Das ausländische Unternehmen benötigt für seine Arbeitskräfte, die im Rahmen des geschlossenen Werkvertrages in der Bundesrepublik Deutschland tätig werden sollen, Arbeitserlaubnisse durch die Bundesanstalt für Arbeit. Für die Entscheidung, ob die Arbeitserlaubnisse zugesichert werden können, werden auch Informationen benötigt, die sich auf die betrieblichen Verhältnisse des Bestellers der Bauleistungen beziehen. So ist die Erteilung von Arbeitserlaubnissen an ausländische Arbeitnehmer zur Durchführung von Werkverträgen über Bauleistungen ausgeschlossen, sofern

- es sich bei dem inländischen Vertragspartner nicht um einen Betrieb der Bauwirtschaft handelt,

..."

Ob und inwieweit die Beklagte dazu Erklärungen gegenüber der Arbeitsverwaltung abgegeben hat, ist zwischen den Parteien streitig und nicht aufgeklärt worden.

Zur Durchführung der Arbeiten gab die T. gegenüber der Arbeitsverwaltung die nach § 3 des Gesetzes über zwingende Arbeitsbedingungen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen (Arbeitnehmer-Entsendegesetz - AEntG) erforderlichen Erklärungen mittels der dazu vorhandenen Formblätter ab. In welchem Umfang die T. mit den von ihr entsandten Arbeitnehmern für die Beklagte tatsächlich die bestellten Renovierungsarbeiten ausführte, ist zwischen den Parteien streitig. Die T. leistete jedenfalls keinerlei Urlaubskassenbeiträge; in dem darauf gegen sie geführten Rechtsstreit erging am 16. April 2004 auf Antrag des Klägers ein der Klage stattgebendes Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden, das rechtskräftig wurde.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, im Streitfall seien die Voraussetzungen für eine Bürgenhaftung der Beklagten gemäß § 1 a AEntG erfüllt.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat zur Höhe der Forderung eingewandt, die Arbeitnehmer der Firma T. hätten nicht - wie der Kläger behauptet - bis einschließlich Juni 2000 gearbeitet, sondern die Ausführung der Renovierungsarbeiten schon im März 2000 aufgegeben.

Hinsichtlich des weiteren Tatbestandes erster Instanz wird auf denjenigen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Durch ein am 14. April 2005 verkündetes Urteil hat das Arbeitsgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Beklagte, die selbst keine baugewerblichen Arbeitnehmer beschäftige, allein als Bauherr aufgetreten und damit nicht als Unternehmer im Sinne des § 1 a AEntG anzusehen sei. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen das dem Kläger am 30. Mai 2005 zugestellte Urteil richtet sich seine beim Landesarbeitsgericht am 30. Juni 2005 eingegangene Berufung, die er am 29. Juli 2005 begründet hat.

Die Beklagte sei Inhaberin eines baugewerblichen Betriebes; denn der Erwerb, die Instandsetzung und die Sanierung seien baugewerbliche Tätigkeiten im Sinne des § 1 Abs. 2 VTV. Ein Betrieb des Baugewerbes liege auch dann vor, wenn der Grundstückseigentümer sich damit beschäftige, im Rahmen eines dafür angemeldeten Gewerbes sein Mietwohnhaus zu sanieren. Damit sei die Beklagte auch ein Unternehmen im Sinne des § 1 a AEntG.

Selbst wenn dem nicht gefolgt werde, müsse sich die Beklagte so behandeln lassen, als ob sie ein derartiger Unternehmer sei. Die Beklagte habe aus den Merkblättern der Arbeitsverwaltung gewusst, dass die erforderliche Genehmigung der Arbeitsverwaltung nur dann erteilt werde, wenn der Auftraggeber des Werkvertrages mit dem ausländischen Bauunternehmen mit Sitz in einem MOE-Staat ein Unternehmen der Bauwirtschaft sei. Sie habe auch ein entsprechendes Formular ausfüllen und der Arbeitsverwaltung einreichen müssen. Ist die Beklagte damit als Bauunternehmer aufgetreten, müsse sie sich im Rahmen der Haftung nach § 1 a AEntG auch so behandeln lassen. Es gehe nicht an, dass Firmen wie die Beklagte Werkverträge mit Bauunternehmen aus den MOE-Staaten schlössen und damit Bauleistungen zu günstigeren Konditionen erhielten, ohne ggf. nach § 1 a AEntG als Bürge zu haften.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin - 62 Ca 74344/04 - vom 14. April 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.987,18 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie habe weder einen baugewerblichen Betrieb noch sei sie als Bauträger als Unternehmer im Sinne des § 1 a AEntG anzusehen.

Sie müsse sich auch nicht wie ein Baubetrieb behandeln lassen. Für die Beibringungen der Unterlagen und der Genehmigungen der Arbeitsverwaltung für die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer im Rahmen des Werkvertrages habe nicht sie, sondern die T. verantwortlich gezeichnet.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in beiden Rechtszügen wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze sowie auf den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung hat der Kläger form- und fristgerecht eingelegt und auch ordnungsgemäß und rechtzeitig begründet.

Das Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Dem Zahlungsbegehren des Klägers gegen die Beklagte fehlt die Anspruchsgrundlage.

I.

Die Voraussetzungen der Bürgenhaftung nach § 1 a AEntG liegen nicht vor.

1.

Die Beklagte ist nicht Inhaber eines baugewerblichen Betriebes. Sie beschäftigt keine baugewerblichen Arbeitnehmer, sondern beauftragt Bauunternehmen mit der Durchführung von Sanierungs- bzw. Renovierungsarbeiten an ihren Immobilienobjekten; sie führt die baugewerblichen Arbeiten weder selbst aus noch gibt sie diese Arbeiten an Subunternehmen weiter. Sie ist vielmehr als Grundstücks- und Gebäudeeigentümerin Bestellerin einer Werkleistung (Bauherr). Die von der Beklagten zitierte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts betrifft die Grundstückseigentümer, die zur Durchführung von baugewerblichen Maßnahmen an ihren eigenen Vermietungs- bzw. Verpachtungsobjekten einen entsprechenden Betrieb unterhalten, in denen sie selbst baugewerbliche Arbeiten ausführen und dafür eigene Arbeitnehmer beschäftigen (vgl. BAG 4 AZR 17/89 vom 26. April 1989, AP Nr. 115 zu § 1 TVG Tarifverträge-Bau; vgl. auch BAG 10 AZR 580/03 vom 28. Juli 2004).

2.

Dessen ungeachtet kommt es für die Haftung nach § 1 a AEntG darauf an, wer als Unternehmer im Sinne dieser Regelung anzusehen ist, der ein anderes Unternehmen mit der Erbringung von Bauleistungen beauftragt. Dazu kann das Berufungsgericht auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts im angefochtenen Urteil Bezug nehmen, das die dazu ergangene Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts richtig zitiert und auf den vorliegenden Fall zutreffend angewandt hat. Der Beklagten werden dazu folgende Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 12. Februar 2003 - 10 AZR 299/02 - in Erinnerung gerufen:

"Die Ziele des Gesetzes treffen nicht auf andere Unternehmer zu, die als Bauherren eine Bauleistung in Auftrag geben. Diese Unternehmer beschäftigen keine eigenen Bauarbeitnehmer. Sie beauftragen auch keine Subunternehmer, die für sie eigene Leistungspflichten erfüllen. Bauherren fallen daher nicht in den Geltungsbereich des § 1 a AEntG."

Die Beklagte ist mit ihrer Annahme, dies solle doch nur die "privaten Häuslebauer" schützen, einem grundlegenden Irrtum unterlegen. Vielmehr sind sämtliche Bauherren bzw. Bauträger, die Aufträge zur Ausführung von Bauleistungen an Dritte vergeben, ohne selbst Bauausführungen zu betreiben, von der Bürgenhaftung des § 1 a AEntG danach ausgenommen (vgl. weiter: BAG 9 AZR 345/03 vom 20. Juli 2004).

II.

Die Beklagte haftet auch nicht deshalb für die ausgefallenen Beiträge, weil sie sich so behandeln lassen müsste, als ob sie ein Unternehmen des Baugewerbes im Sinne des § 1 a AEntG wäre.

Ob und ggf. welche Erklärungen die Beklagte im Rahmen des Genehmigungsverfahrens gegenüber der Arbeitsverwaltung dazu abgegeben hat, ist ungeklärt geblieben. Der Kläger verweist insoweit darauf, der Besteller habe schon im Jahre 2000 ein Formular auszufüllen gehabt, woraus sich seine Erklärung ergeben habe, dass er Inhaber eines Betriebes des Baugewerbes sei. Zugunsten des Klägers kann unterstellt werden, dass im Streitfall eine solche Erklärung seitens der Beklagten dem Zustimmungsbescheid des Landesarbeitsamtes H. vom 22. Dezember 1999 vorausgegangen ist, also schon im Jahre 1999 abgegeben worden ist.

Im Falle einer zutreffenden Information seitens der Beklagten darüber, dass sie kein Unternehmen der Bauwirtschaft ist, sondern als Eigentümer des Hotels L. mit dem ausländischen Unternehmen die Ausführung von diesem zu erbringende Renovierungsleistungen vereinbart hat, wäre - davon kann zugunsten des Klägers ausgegangen werden - weder der Zustimmungsbescheid vom 22. Dezember 1999 ergangen noch hätte die Arbeitsverwaltung den ausländischen Arbeitnehmern Arbeitserlaubnisse erteilt. Dieses - unterstellte - rechtswidrige Verhalten der Beklagten betrifft aber nur das öffentlich-rechtliche Antragsverfahren gegenüber der Arbeitsverwaltung. Dadurch, dass die Beklagte dazu beigetragen hat, dass die Arbeitsverwaltung der Beschäftigung von ausländischen Arbeitnehmern aus einem MOE-Staat durch Bescheid gegenüber der T. zugestimmt hat, ohne dass dazu die erforderlichen Voraussetzungen tatsächlich vorgelegen haben, rechtfertigt es nicht, sie wie ein Unternehmen der Bauwirtschaft zu behandeln und als Bürgen gemäß § 1 AEntG in Anspruch zu nehmen.

Die gegenüber den Bauarbeitnehmern und gegenüber der gemeinsamen Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach § 1 AEntG bestehenden Verpflichtungen treffen allein denjenigen ausländischen Arbeitgeber, der nach objektiver Sachlage tatsächlich einen baugewerblichen Betrieb führt. Hinsichtlich der Beiträge besteht dementsprechend gemäß § 1 Abs. 3 Unterabs. 2 Satz 1 AEntG in der im Anspruchszeitraum geltenden Fassung eine Leistungspflicht des ausländischen Unternehmens dann, wenn es überwiegend Bauleistungen im Sinne des § 211 Abs. 1 SGB III erbringt.

Kein inländisches Unternehmen, das gegenüber einer Behörde angegeben hat, es sei ein Unternehmen der Bauwirtschaft, fällt allein dadurch in den Geltungsbereich der Tarifverträge des Baugewerbes, auch wenn es objektiv keine Bauleistungen ausführt. Beitragsansprüche des Klägers werden dadurch nicht begründet. Dies gilt auch hinsichtlich der Verpflichtungen des ausländischen Unternehmens nach § 1 AEntG. Eine weitergehende Haftung sieht die Regelung des § 1 a AEntG für den Bürgen nicht vor. Auch insoweit kommt es darauf an, dass das Unternehmen, das als Bürge haften soll, nach den objektiv gegebenen Verhältnissen ein solches ist, das - und zwar im Sinne der dazu ergangenen, einschränkenden Auslegung seitens des Bundesarbeitsgerichts - ein Unternehmen der Bauwirtschaft ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Für die Zulassung der Revision hat es keinen gesetzlich begründeten Anlass gegeben. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung; eine rechtserhebliche Divergenz ist nicht erkennbar.

Ende der Entscheidung

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