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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 26.03.2003
Aktenzeichen: 5 Ta 1306/01
Rechtsgebiete: ArbGG


Vorschriften:

ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a
Ein Kommanditist, der über keine Sperrminorität verfügt, dem im Gesellschaftsvertrag auch keine Vertretungs- oder Geschäftsführungsbefugnis eingeräumt ist und dessen Entgelt sich lediglich als Vorwegentnahme seines Gewinns nach seinem Gesellschaftsanteil bemisst und in keiner Beziehung zu seiner im Gesellschaftsvertrag nicht geregelten Tätigkeit steht, leistet in seiner Stellung als technischer Leiter des Betriebs fremdbestimmte Arbeit.
Landesarbeitsgericht Berlin

5 Ta 1306/01

Beschluss

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Berlin, Kammer 5, am 26. März 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Corts als stellvertretenden Vorsitzenden

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 13. Juni 2001 - 27 Ca 2875/01 - aufgehoben.

2. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist zulässig.

Gründe:

1. Der Kläger nimmt die Beklagte, soweit für das Beschwerdeverfahren von Interesse, auf Zahlung von 84.500,-- DM Vergütung für die Zeit vom 01. Dezember 1999 bis 31. Dezember 2000 in Anspruch.

Das Arbeitsgericht Berlin hat den zu ihm beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das LG Berlin verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der an der Beklagten als Kommanditist mit einem Anteil von 10 % beteiligt gewesene Kläger habe nicht angeben können, wann er mit wem einen Arbeitsvertrag geschlossen habe. Es seien ihm keine Arbeitszeiten vorgegeben worden. Seine Abwesenheitszeiten habe er selbst bestimmt. Soweit sich der Kläger auf eine Aufgabenverteilung in dem von ihm geführten Protokoll vom 12. Januar 2000 berufe, habe es sich um eine Regelung im Rahmen einer Gesellschafterversammlung gehandelt.

Gegen diesen ihr am 21. Juni 2001 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 03. Juli sofortige Beschwerde eingelegt. Er bringt vor, aufgrund der Stimmverhältnisse in der Gesellschaft habe er auf deren Beschlüsse keinen Einfluss nehmen können. Deshalb könne die Festlegung seines Aufgabenbereichs als Technischer Direktor in der Gesellschafterversammlung vom 12. Januar 2002 nur im Rahmen eines Arbeitsvertrags erfolgt sein. Zumindest habe er aufgrund seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit eine arbeitnehmerähnliche Stellung innegehabt.

Die Beklagte ist den Angriffen der Beschwerde entgegengetreten.

2. Die fristgemäß und formgerecht eingelegte, gemäß § 26 Nr. 10 EGZPO noch nach altem Recht zu behandelnde sofortige Beschwerde des Klägers ist begründet.

2.1 Die Gerichte für Arbeitssachen sind für die Entscheidung über die vom Kläger erhobene Forderung auf Gehaltszahlung zuständig. Es handelt sich um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber aus einem Arbeitsverhältnis (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a ArbGG).

2.1.1 Allerdings genügt nicht, dass der Kläger eine Bruttoforderung erhoben hat. Es handelt sich dabei nicht um einen sog. sic-non-Fall, in dem ein Erfolg des Klagebegehrens den Arbeitnehmerstatus des Klägers zwingend voraussetzt und es deshalb für die Eröffnung des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen ausreicht, dass der Kläger die Rechtsansicht vertritt, er sei Arbeitnehmer gewesen (dazu BAG, Beschluss vom 24.04.1996 - 5 AZB 25/95 - BAGE 83, 40 = AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 1 zu B II 4 der Gründe). Vielmehr kann eine Bruttoforderung auch auf der Grundlage eines sonstigen Rechtsverhältnisses verfolgt werden (BAG, Beschluss vom 26.09.2002 - 5 AZR 19/01 - AP ArbGG 1979 § 2 Nr. 83 zu B I der Gründe). Zudem ergäbe sich eine Pflicht zur Abführung von Lohnsteuern und Sozialversicherungsbeiträgen erst als öffentlichrechtliche Folge eines Arbeitsverhältnisses, entspränge dagegen nicht einem solchen selbst.

2.1.2 Die vom Kläger erhobene Forderung stammt aus einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten.

2.1.2.1 Es war nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der Kläger als Kommanditist der Beklagten zu dieser in einem Arbeitsverhältnis stand, weil ein Kommanditist anders als ein Komplementär nicht aufgrund seiner Stellung vertretungs- und geschäftsführungsbefugt ist (§§ 164 Satz 1, 170 HGB), der deshalb nicht zugleich weisungsbefugt und -unterworfen sein kann.

2.1.2.2 Dafür, dass die vom Kläger seit Aufbau des Betriebs der Beklagten erbrachten Dienstleistungen auf einem neben dem Gesellschaftsverhältnis bestehenden Dienstverhältnis beruhten, spricht, dass über ihre Erbringung als Beitrag im Gesellschaftsvertrag keine Regelung getroffen worden war. Dementsprechend blieb der Einsatz der gesamten Arbeitskraft des Klägers auch ohne jeden Einfluss auf die Berechnung seines gewinnabhängigen Gesellschaftereinkommens, das vielmehr allein an der Höhe seiner finanziellen Einlage orientiert war. Dabei ist der Abschluss eines Dienstvertrags i.S.d. § 611 Abs. 1 BGB auch konkludent möglich, wobei § 612 Abs. 1 BGB zeigt, dass selbst das Fehlen einer Vergütungsabrede dem Zustandekommen eines Dienstvertrags nicht entgegensteht.

2.1.2.3 Mit seinem Anteil an der Beklagten in Höhe von lediglich 10 % verfügte der Kläger nicht einmal über eine Sperrminorität, die ihm noch ein solches Maß an Selbstbestimmung verschafft hätte, das eine Freistellung vom arbeitsrechtlichen Rechtsformzwang zu rechtfertigen vermag (dazu Martens RdA 1979, 347, 350).

2.1.2.4 Schließlich waren dem Kläger im Gesellschaftsvertrag vom 29.04.1999 (Ablichtung Bl. 5 - 10 d.A.) keinerlei Befugnisse eingeräumt, die ihm zumindest einen gewissen weisungsfreien Raum eröffnet hätten (zu diesem Kriterium Herrmann, RdA 1989, 313, 325; ähnlich zur sozialversicherungsrechtlichen Einordnung Hempel/Tonscheidt, Handbuch betrieb + personal, Stand: Okt. 2001, Fach 8 R 83 a.E.).

2.1.2.5 Damit stellte sich die im Einverständnis des Klägers vollzogene Übertragung der Verantwortung für den Personalbereich der Techniker und den technischen Bereich nicht als abgestimmte Aufgabenverteilung auf gesellschaftsvertraglicher Ebene dar, sondern hatte die Erbringung fremdbestimmter Leistungen für die verklagte Gesellschaft zum Gegenstand. Dass es sich dabei um eine leitende Stellung handelte, die dem Kläger funktionsgemäß auch Freiheit bei der Einteilung seiner Arbeits- und Abwesenheitszeiten ließ, stand nicht entgegen. Entscheidend war vielmehr, dass der Kläger in den Betrieb der Beklagten eingegliedert war und dabei der Letztentscheidungskompetenz des Geschäftsführers der Komplementärin unterstand, wie er dies auch anhand diverser Vorgänge weitgehend unwidersprochen geschildert hat. Der Kläger konnte damit anders als ein freier Dienstnehmer nicht in eigener Verantwortung frei über seine Arbeitskraft disponieren, sondern hatte fremd geplante, fremdnützige und von fremder Risikobereitschaft getragene Arbeit zu leisten (zu diesen Kriterien BAG, Urteil vom 24.04.1980 - 3 AZR 911/77 - AP HGB § 84 Nr. 1 zu I 1 a der Gründe).

2.2 Da die Kosten der erfolgreichen sofortigen Beschwerde Teil der Kosten des Rechtsstreits sind, war darüber nicht zu befinden.

Mangels grundsätzlicher Bedeutung oder einer Divergenz zur höchstrichterlichen Rechtsprechung bestand keine Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 17a Abs. 4 Satz 4 GVG).

3. Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Ende der Entscheidung

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