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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Urteil verkündet am 07.01.2005
Aktenzeichen: 6 Sa 2008/04
Rechtsgebiete: TzBfG


Vorschriften:

TzBfG § 14 Abs. 1 Satz 1
1. Es spricht viel dafür, in der Einschaltung einer Konzernschwester als Leiharbeitgeber auf Selbstkostenbasis zur bloßen Verlagerung von Personalkosten in den Bereich der Sachkosten einen Missbrauch der Gestaltungsform und keine zulässige Tatbestandsvermeidung mehr zu sehen, wenn der schon bisher im Rahmen eines befristeten Arbeitsverhältnisses beschäftigt gewesene Arbeitnehmer auf demselben Dauerarbeitsplatz beschäftigt wird.

2. Soweit sich der Arbeitnehmer gegen einen solchen Rechtsformmissbrauch wenden will, muss er sich innerhalb der Klagefrist des § 17 Satz 1 TzBfG an den Entleiher halten, in dessen Betrieb sich der Dauerarbeitsplatz befindet.


Landesarbeitsgericht Berlin Im Namen des Volkes Urteil

6 Sa 2008/04

Verkündet am 07.01.2005

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 6. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 07.01.2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Corts sowie die ehrenamtliche Richterin Aue und den ehrenamtlichen Richter Ahr

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 12. Mai 2004 - 77 Ca 17469/03 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger stand in der Zeit vom 01. September 1998 bis 31. Dezember 2000 in einem befristeten Arbeitsverhältnis als Bauaufseher zu den Berliner W. (BWB). Diese räumten als Anstalt öffentlichen Rechts aufgrund eines Gesetzes zu ihrer Teilprivatisierung vom 17. Mai 1999 (GVBl. S. 183) der B. H. AG, von der das Land Berlin 50,1 % der Anteile hält, eine Beteiligung von 49,9 % als stiller Gesellschafter ein.

In der Zeit vom 01. Januar 2001 bis 30. Juni 2003 stand der Kläger aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 06. Dezember 2000 (Abl. Bl. 12 - 15 d.A.) in den Diensten der Beklagten, die bei Vertragsschluss noch als B.P. S. GmbH firmierte. Gemäß diesem Vertrag wurde der Kläger im Rahmen zweier Dienstleistungsverträge zwischen der Beklagten und der BWB vom 13. Dezember 2000 (Abl. Bl. 40 f d.A.) und vom 12./20. Juni 2001 (Abl. Bl. 42 - 45 d.A.) unverändert als Bauaufseher weiter beschäftigt.

Das Arbeitsgericht Berlin hat die Klage auf Feststellung abgewiesen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten nicht aufgrund Befristung vom 30. Juni 2003 beendet worden sei. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Befristung sei sachlich begründet gewesen, weil die Beklagte davon habe ausgehen können, dass die Dienstleistungen für die BVB nur 2 1/2 Jahre anfielen. Dass es sich für diese um eine Daueraufgabe handele, sei unerheblich. Eine rechtsmissbräuchliche Handhabung bzw. Umgehung des Kündigungsschutzes sei nicht ersichtlich.

Gegen dieses ihm am 26. August 2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 24. September 2004 eingelegte und am 26. Oktober 2004 begründete Berufung des Klägers. Er beanstandet, das Arbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass er fast 5 Jahre denselben Arbeitsplatz innegehabt habe und dass bei mehrfacher Befristung die Anforderungen an den Sachgrund zunähmen. Mit der vorliegenden rechtlichen Konstruktion sei nicht nur der allgemeine Kündigungsschutz, sondern auch der besondere Schutz gemäß Tarifvertrag zur Arbeitsplatzsicherung vom 13. April 1999 (Abl. Bl. 98 - 104 d.A.) umgangen worden. Unberücksichtigt gelassen habe das Arbeitsgericht auch, dass nach § 6 Abs. 3 der Konzernrichtlinie für den Mitarbeiterwechsel innerhalb der B. Gruppe (Abl. Bl. 65 - 68 d.A.) ein Arbeitgeberwechsel konzernintern nicht als neues Arbeitsverhältnis angesehen werde. Dass der Dienstleistungsvertrag allein der Umgehung des Kündigungsschutzes gedient habe, ergebe sich zudem daraus, dass die BWB der Beklagten gemäß dessen § 4 Abs. 2 die Gehaltskosten für ihn und zwei ebenfalls betroffene Kollegen in identischer Höhe ersetzt habe. Die in einem offenen Brief eines Vorstandsmitglieds der BWB vom 06. August 2003 wiedergegebene Vermutung, im Jahre 2003 werde eine größere Zahl von Mitarbeitern in den Personalüberhang geraten, denen seine Stelle nach dem TV ArbPlSich vorrangig anzubieten sei, hätte durch greifbare Tatsachen untermauert werden müssen.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten nicht aufgrund der Befristung mit Arbeitsvertrag vom 06. Dezember 2000 zum 30. Juni 2003 beendet worden sei.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Berufung bereits für unzulässig, weil der Kläger den Klagegrund ausgetauscht habe, bestreitet ihre Passivlegitimation und tritt den Angriffen der Berufung im Einzelnen entgegen. Für die BWB sei auch nur befristete Weiterbeschäftigung des Klägers nicht in Betracht gekommen, weil dies mit entsprechend höheren Personalkosten verbunden gewesen sei, während seine Überlassung durch sie lediglich zu höheren Sachkosten geführt habe. Der TV ArbPlSich habe gemäß seinem § 1 nur für Mitarbeiter gegolten, die bei in Krafttreten in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis gestanden hätten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die fristgemäß und formgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist auch den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG entsprechend begründet worden. Ein Austausch des Klagegrundes lag nicht vor. Der Kläger hat erst- wie zweitinstanzlich den Fortbestand seines mit der Beklagten begründeten Arbeitsverhältnisses wegen Gesetzesumgehung und Fehlen eines sachlichen Befristungsgrundes festzustellen begehrt.

2. Die Berufung ist unbegründet.

Das Arbeitsverhältnis des Klägers zur Beklagten hat aufgrund der Befristungsabrede im Arbeitsvertrag vom 06. Dezember 2000 am 30. Juni 2003 geendet.

2.1 Obwohl die Befristungsabrede vor Inkrafttreten des TzBfG am 01. Januar 2001 getroffen worden war, bedurfte sie auch nach damaliger Rechtslage wegen objektiver Umgehung des allgemeinen Kündigungsschutzes aus § 1 KSchG eines sachlichen Grundes. Dazu gehört, dass im Zeitpunkt des Vertragsschlusses aufgrund greifbarer Tatsachen mit einiger Sicherheit zu erwarten war, dass für die Beschäftigung des Arbeitnehmers über das vorgesehene Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus kein Bedarf bestehen wird (BAG, Urteil vom 12.09.1996 - 7 AZR 790/95 - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 182 zu II 3 a der Gründe). Dies traf für den Einsatz des Klägers bei der Beklagten zu, wie das Arbeitsgericht unter Hinweis auf die Befristung in den beiden Dienstleistungsverträgen mit derselben Laufzeit zwischen der Beklagten und der BWB zutreffend ausgeführt hat (§ 69 Abs. 2 ArbGG), weil die darin geregelten Dienstleistungen außerhalb des eigentlichen Geschäftszwecks der Beklagten, der konzernweiten Unterbringung von Auszubildenden, lag und die Beklagte außerhalb der B. Gruppe nicht werbend tätig wurde.

2.2 Hinsichtlich des vom Kläger geltend gemachten Missbrauchs der Gestaltungsform war die Beklagte nicht passiv legitimiert. Insoweit hätte sich der Kläger innerhalb der inzwischen auch für sein Arbeitsverhältnis maßgeblichen Klagefrist des § 17 Satz 1 TzBfG an die BWB halten müssen, in deren Betrieb sich der von ihm reklamierte Dauerarbeitsplatz befand. Nicht die Beklagte, sondern die BWB hatte sich durch deren Einschaltung als Verleiher des Klägers auf Selbstkostenbasis zur bloßen Verlagerung von Personalkosten in den Bereich der Sachkosten ihrer Stellung als Vertragsarbeitgeber entzogen, in der sie für die erneute Befristung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG ihrerseits eines sachlichen Grundes bedurft hätte, während die Beklagte ohne Übernahme eines Verleiherrisikos als bloßer Strohmann fungierte (vgl. Brors/Schüren BB 2004, 2745, 2748 f.).

Daran änderte § 6 Abs. 3 der vom Kläger herangezogenen Konzernrichtlinie nichts, wonach ein Arbeitgeberwechsel konzernintern nicht als neues Arbeitsverhältnis angesehen wird, weil sich diese Regelung allein auf vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses abhängige Ansprüche auf Einmalzahlungen bezieht.

Im Übrigen wäre ein sachlicher Befristungsgrund ohnehin darin zu sehen gewesen, dass die BWB nach dem Stand ihrer Personalplanung für 2001 im Beschäftigungsbereich des Klägers bereits einen Überhang von 37,6 Mitarbeiter auswies und aufgrund des allgemeinen Personalabbaus aufgrund der vollzogenen Teilprivatisierung in Verbindung mit dem Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen im TV ArbPlSich für Arbeitnehmer in unbefristeten Arbeitsverhältnissen damit rechnen musste, spätestens bei Ablauf der Vertragszeit des Klägers seinen Arbeitsplatz mit einem anderen, erforderlichenfalls noch entsprechend umzuschulenden Mitarbeiter aus dem Überhang besetzen zu müssen, wozu es dann auch tatsächlich gekommen ist. Bestätigt sich aber die Prognose für eine Befristungsabrede, so begründet dies eine Vermutung dafür, dass sie ausreichend sorgfältig und fundiert erstellt worden ist (BAG, Urteil vom 31.03.1993 - 7 AZR 536/92 - ZTR 1994, 117 zu III 2 der Gründe).

3. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Berufung gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG für eine Zulassung der Revision waren nicht erfüllt.



Ende der Entscheidung

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