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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Urteil verkündet am 31.03.2006
Aktenzeichen: 6 Sa 2262/05
Rechtsgebiete: BGB, TVG, BetrVG


Vorschriften:

BGB § 157
BGB § 313 Abs. 1
BGB § 613 a Abs. 1
TVG § 4 Abs. 3
TVG § 5 Abs. 4
BetrVG § 112 Abs. 1 Satz 4
1. Eine sog. Gleichstellungsabrede ist nicht dahin auszulegen, dass sie im Falle eines Tarifwechsels gemäß § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB jedenfalls dann ihre Richtung auf die für den Übernehmer einschlägigen Tarifverträge ändern soll, wenn auch die nicht gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer aufgrund Allgemeinverbindlicherklärung gemäß § 5 Abs. 4 TVG an diese Tarifverträge gebunden werden.

2. Das Zusammentreffen einer infolge Betriebsteilübergangs gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB statisch fortgeltenden Gleichstellungsabrede mit einem das Arbeitsverhältnis nunmehr auch aufgrund Allgemeinverbindlichkeit erfassenden Tarifvertrag ist nicht nach den Grundsätzen der Tarifkonkurrenz, sondern gemäß § 4 Abs. 3 TVG zu behandeln.

3. Die Voraussetzungen für eine Vertragsanpassung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB werden für eine Gleichstellungsabrede nicht dadurch erfüllt, dass ein Betriebsteil beim Erwerber unter den Geltungsbereich eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrags fällt.


Landesarbeitsgericht Berlin Im Namen des Volkes Urteil

6 Sa 2262/05

Verkündet am 31.03.2006

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Berlin, Kammer 6, auf die mündliche Verhandlung vom 31.03.2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Corts sowie die ehrenamtlichen Richter Schneider und Dr. Demele

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 26.10.2005 - 29 Ca 13629/05 - geändert.

2. Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin ab 01. Juli 2005 ein monatliches Entgelt nach Lohngruppe 2a BezTV Nr. 2 zum BMT-G II, Stand 30. Juni 2005, in Höhe von 2.144,79 € (zweitausendeinhundertvierundvierzig 79/100) brutto und eine monatliche vermögenswirksame Leistung in Höhe von 6,65 € brutto sowie ein jährliches Urlaubsgeld in Höhe von 332,34 € (dreihundertzweiunddreißig 34/100) brutto und eine Jahressondervergütung in Höhe von 1.787,29 € (eintausendsiebenhundertsiebenundachtzig 29/100) brutto zu zahlen.

3. Die Jahressollarbeitszeit der Klägerin inklusive Wochenfeiertagen beträgt weiterhin 2002 Stunden.

4. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

5. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin trat am 21. Mai 1991 als Stationshilfe in die Dienste des J. Krankenhauses Berlin, einer Stiftung bürgerlichen Rechts. Während diese Stiftung Mitglied des kommunalen Arbeitgeberverbands Berlin war, gehörte die Klägerin keiner Gewerkschaft an. In § 4 Nr. 2 ihres Arbeitsvertrags (Abl. Bl. 8 R d.A.) war die Anwendung des Bundesmanteltarifvertrags für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT- G II) sowie der für "Westberlin" geltenden Bezirkstarifverträge, einschließlich der Lohntarifverträge, vorgesehen.

Die vollzeitbeschäftigte Klägerin bezog zuletzt bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden einen Monatslohn i.H.v. 2.144,79 € brutto nebst einer vermögenswirksamen Leistung i.H.v. 6,65 € brutto. Daneben erhielt sie Urlaubsgeld i.H.v. 332,34 € brutto und eine Jahressondervergütung i.H.v. 1787,29 € brutto.

Aus Anlass der zum 01. Juli 2005 vereinbarten Übernahme der bis dahin dem Leiter Hauswirtschaft unterstellten Bereiche des J. Krankenhauses durch die Beklagte, die Mitglied der Gebäudereinigerinnung ist, schlossen das J. Krankenhaus und der dort gebildete Betriebsrat unter Beteiligung der Beklagten am 10. Mai 2005 einen Freiwilligen Interessenausgleich und Sozialplan (Abl. Bl. 20 - 37 d.A.; IntA). In der dazugehörigen Liste mit den Namen der von diesem Betriebsteilübergang betroffenen Arbeitnehmer war auch die Klägerin aufgeführt. Zum Ausgleich von Einkommenseinbußen infolge Anwendung der für die Beklagte aufgrund Allgemeinverbindlichkeit geltenden Tarifverträge des Gebäudereinigerhandwerks, die auch eine um eine halbe Stunde längere wöchentliche Arbeitszeit vorsehen, war in § 5 Abs. 3 IntA vorgesehen, dass die Arbeitnehmer, die mit der Beklagten einen Überleitungsvertrag entsprechend Anlage 4 zum IntA schlossen, für die Zeit bis 31. Dezember 2007 einen anteiligen, degressiven Ausgleich erhielten. Diesen Vertrag schloss die Klägerin nicht, widersprach aber auch nicht dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte.

Die Klägerin begehrt Feststellung ihrer Vergütungsansprüche mit Stand des Übergangs ihres Arbeitsverhältnisses bei unveränderter Jahressollarbeitszeit.

Das Arbeitsgericht Berlin hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme geltende BMT-G II sei durch die spezielle Regelung des Tarifwerks für das Gebäudereinigerhandwerk nach den Regeln der Tarifkonkurrenz verdrängt worden. Dem stehe das Günstigkeitsprinzip nicht entgegen, weil die im Arbeitsvertrag getroffene Gleichstellungsabrede keine die Klägerin als nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmerin begünstigende Regelung enthalte, sondern ausschließlich bewirken solle, sie mit den tarifgebundenen Gewerkschaftsmitgliedern gleichzustellen, bei denen aber die bisher anzuwendenden Tarifverträge gemäß § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB durch den Rahmen- und den Lohntarifvertrag für das Gebäudereinigerhandwerk verdrängt worden seien.

Gegen dieses ihr am 11. November 2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 12. Dezember 2005, einem Montag, eingelegte und am 13. Februar 2006 nach entsprechender Verlängerung der Begründungsfrist begründete Berufung der Klägerin. Sie meint, aus der Auslegung der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf die einschlägigen Tarifverträge als einer Gleichstellungsabrede folge lediglich, dass die Dynamik der Tarifbindung geendet habe. Indem das Arbeitsgericht meine, diese Gleichstellungsabrede enthalte keine sie als gewerkschaftlich nicht organisierte Arbeitnehmerin begünstigende Regelung, lege es die Gleichstellungsabrede im Ergebnis doch als Tarifwechselklausel aus. Eine Nichtanwendung des Günstigkeitsprinzips komme nur unter besondere, hier nicht vorliegenden Bedingungen in Betracht. Zudem dürften die Regeln der Tarifkonkurrenz ohnehin nur zur Auflösung einer Normenkollision herangezogen werden, nicht aber zur Bestimmung des Verhältnisses von Arbeits- und Tarifvertrag.

Die Klägerin beantragt,

unter Änderung des angefochtenen Urteils festzustellen, dass

1. die Beklagte verpflichtet sei, ihr ab 01. Juli 2005 ein monatliches Entgelt nach Lohngruppe 2a BezTV Nr. 2 zum BMT-G II Stand 30.06.05 in Höhe von 2.144,79 € brutto, ein jährliches Urlaubsgeld in Höhe von 332,34 € brutto und eine monatliche vermögenswirksame Leistung in Höhe von 6,65 € brutto sowie eine Jahressondervergütung in Höhe von 1.787,29 € brutto zu zahlen.

2. ihre Jahressollarbeitszeit inkl. Wochenfeiertagen weiterhin 2002 Stunden betrage.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Berufungsbegründung für unzureichend, weil diese fast keinerlei Sachvortrag enthalte. Auch äußert sie Zweifel an der Zulässigkeit von bloßen Feststellungsanträgen. Schließlich tritt die Beklagte den Angriffen der Berufung entgegen, meint, dass jedenfalls durch den vereinbarten Interessenausgleich unter ihrer Beteiligung entsprechende Änderungen herbeigeführt worden seien, und stellt die Richtigkeit der Eingruppierung der Klägerin in Frage.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Berufung ist zulässig.

Insbesondere hat die Klägerin ihre Berufung gemäß § 222 Abs. 2 ZPO innerhalb der verlängerten Begründungsfrist den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG entsprechend begründet. Dafür genügte neben ihrem Berufungsantrag (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO) die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich eine Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben soll (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO). Eine erneute Darstellung des sich ohnehin bereits aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils ergebenden Sachstands war dagegen entbehrlich, weil die Klägerin die Richtigkeit und Vollständigkeit der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen überhaupt nicht in Frage stellen wollte (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO).

2. Soweit die Klägerin ihren Antrag hinsichtlich der Höhe der Jahressonderzahlung geringfügig erweitert hat, war dies sachdienlich und konnte auf dieselben Tatsachen gestützt werden, die ohnehin für die Entscheidung über ihre Berufung zugrunde zu legen waren (§ 533 ZPO). Die Angabe der Lohngruppe diente lediglich der Klarstellung.

3. Die Berufung ist begründet.

3.1 Die Klage ist zulässig.

Die Klägerin hat ein rechtsschutzwürdiges Interesse an alsbaldiger gerichtlicher Feststellung des genauen Inhalts ihres gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB infolge Betriebsteilübergangs auf die Beklagte übergegangenen Arbeitsverhältnisses (§ 256 Abs. 1 ZPO). Die Möglichkeit einer Leistungsklage hinsichtlich der Vergütungsansprüche stand nicht entgegen. Eine Entscheidung über die aufgelaufenen Rückstände entfaltete keine Rechtskraftwirkung für die Zukunft, während eine Klage auf künftige Leistungen wegen Besorgnis der Nichterfüllung gemäß § 259 ZPO keinen prozessualen Vorrang gegenüber einer Feststellungsklage genießt (BAG, Urteil vom 10.01.1989 - 3 AZR 308/87 - BAGE 60, 350 = AP BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 5 zu I der Gründe).

3.2 Die Klage ist begründet.

Die Klägerin hat Anspruch auf ein monatliches Entgelt nebst vermögenswirksamer Leistung sowie Urlaubsgeld und Jahressonderzahlung in zugesprochener Höhe bei einer unveränderten Jahressollarbeitszeit von 2002 Stunden.

3.2.1 Die Ansprüche und Pflichten der Klägerin richten sich aufgrund ihres Arbeitsvertrags nach dem BMT-G II nebst den örtlichen Bezirkstarifverträgen, und zwar nach deren Stand beim Wechsel vom J. Krankenhaus zur Beklagten per 01. Juli 2005.

Eine Bezugnahme auf die einschlägigen Tarifverträge in einem vom tarifgebundenen Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag, wie sie vorliegend in § 4 Nr. 2 des Vertrags vom 21. Mai 1991 getroffen worden war, stellt nach bisheriger Ansicht des BAG (z.B. Urteil vom 01.12.2004 - 4 AZR 50/04 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 34 zu I 2 a der Gründe) eine sog. Gleichstellungsabrede dar, mit welcher der Arbeitgeber wegen seiner Tarifbindung typischerweise den Zweck verfolgt, seine Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf deren Tarifbindung so zu stellen, als wären sie ebenfalls tarifgebunden. Anders als eine sog. Tarifwechselklausel wirkt eine Gleichstellungsabrede nur im Geltungsbereich des in Bezug genommenen Tarifvertrags (dazu BAG Urteil vom 16.10.2002 - 4 AZR 467/01 - BAGE 103, 141 = AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 22 zu I 1 b, bb, aaa der Gründe). Dabei ersetzt die Gleichstellung nicht die fehlende Zugehörigkeit der Arbeitnehmer zur tarifschließenden Gewerkschaft, sondern nur deren fehlende Tarifbindung an den in Bezug genommenen Tarifvertrag (Schliemann NZA - Sonderbeilage Heft 16/2003, 3, 13). Dies hat zur Folge, dass bei Beendigung der Tarifbindung des Arbeitgebers oder dessen Ersetzung durch einen nicht oder anderweit tarifgebundenen Arbeitgeber infolge Betriebsteilübergangs gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB die Bedingungen des in Bezug genommenen Tarifvertrags mit ihrem letzten Stand (statisch) weitergelten (BAG, Urteil vom 29.08.2001 - 4 AZR 322/00 - BAGE 99, 10 = AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 17 zu I 3 b, bb der Gründe; EuGH, Urteil vom 09.03.2006 - Rs.-C 499/04 - NZA 2006, 376 Nr. 28 ff. der Gründe). Soweit dieses Verständnis unter Hinweis auf die zum 01. Januar 2002 als § 305c Abs. 2 ins BGB eingefügte sog. Unklarheitenregel bei Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen neuerdings in Frage gestellt wird (BAG, 14.12.2005 - 4 AZR 536/04 - lt. Pressemitteilung Nr. 77/05; anders noch Urteil vom 19.03.2003 - 4 AZR 331/02 - BAGE 105, 284 = AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 33 zu I 2 d, bb der Gründe), soll es für Altfälle beim bisherigen Verständnis bleiben. Zudem liefe eine nunmehr vorzunehmende Auslegung zu Lasten des Arbeitgebers als des Klauselverwenders ohnehin nicht auf einen Tarifwechsel, sondern auf eine dynamische Fortgeltung der bislang in Bezug genommenen Tarifverträge hinaus (vgl. Hanau NZA 2005, 489, 493 f; Klebeck NZA 2006, 15, 18).

3.2.2 Die Gleichstellungsabrede im Arbeitsvertrag der Klägerin konnte keine ergänzende Auslegung gemäß § 157 BGB dahin erfahren, dass sie wegen der beabsichtigten Gleichstellung von gewerkschaftlich organisierten und nicht organisierten Arbeitnehmern im Falle eines Tarifwechsels gemäß § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB jedenfalls dann ihre Richtung auf die für den Betriebsteilübernehmer einschlägigen Tarifverträge ändern sollte, wenn auch die nicht gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer aufgrund Allgemeinverbindlicherklärung gemäß § 5 Abs. 4 TVG tarifgebunden würden. Dies bedeutete, einer bloßen Gleichstellungsabrede doch einen begrenzten Tarifwechseleffekt beizumessen, machte sie gleichsam zu einer Tarifwechselklausel "light". Dem hat indessen das BAG, (Urteil vom 16.10.2002 - 4 AZR 467/01 - BAGE 103, 141 = AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 22 zu I 1 b, bb, aaa der Gründe nebst OS 4 und 5) bereits eine klare Absage erteilt.

3.2.3 Die auf arbeitsvertraglicher Grundlage anzuwendenden Tarifverträge für Arbeitgeber gemeindlicher Einrichtungen und Betriebe konnten nicht im Wege der Tarifkonkurrenz durch die allgemeinverbindlichen Tarifverträge des Gebäudereinigerhandwerks verdrängt werden.

3.2.3.1 Dies schon deshalb nicht, weil ein Arbeitsvertrag gar keine Konkurrenz zu einem Tarifvertrag zu begründen vermag (vgl. BAG, Urteil vom 26.01.1994 - 10 AZR 611/92 - BAGE 75, 298 = AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 22 zu II 4 d der Gründe; Schleusener SAE 1998, 11, 13). Konkurrieren im technischen Sinne können nur Normen, nicht dagegen eine höherrangige Rechtsquelle mit einer in der Hierarchie unter ihr stehenden. Dementsprechend ist das Verhältnis von Arbeitsvertrag und Tarifvertrag in § 4 Abs. 3 TVG dahin geregelt, dass vom Tarifvertrag abweichende Abmachungen im Arbeitsvertrag nur zulässig sind, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet werden oder eine Änderung zugunsten des Arbeitnehmers enthalten. Dies gilt auch für den Fall, dass die Regelungen eines arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Tarifvertrags von denen eines für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrags abweichen (BAG, Urteil vom 25.09.2002 - 4 AZR 294/01 - BAGE 103, 9 = AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 26 zu II 2 e der Gründe). Daran ändert es nichts, wenn dies darauf beruht, dass infolge eines Betriebsteilübergangs ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag den bisher für tarifgebundene Arbeitnehmer geltenden Tarifvertrag gemäß § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB ablöst. Der aufgrund Bezugnahme im Umfang einer Gleichstellungsabrede arbeitsvertraglich weiterhin (statisch) anzuwendende Tarifvertrag genießt dann ebenfalls Vorrang gemäß § 4 Abs. 3 TVG (vgl. Hanau NZA 2005, 489, 490; Schliemann, Brennpunkte des Arbeitsrechts 2004, 307, 343 f.; MüKo-BGB/Müller-Glöge, 4. Aufl., 2005 § 613a R 148).

3.2.3.2 Soweit das BAG (Urteil vom 20.03.1991 - 4 AZR 455/90 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20 zu B II 4 der Gründe; Urteil vom 23.03.2005 - 4 AZR 203/04 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 29 zu I 1 b, cc der Gründe) das Zusammentreffen einer arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf einen Tarifvertrag mit einem kraft Tarifbindung normativ geltenden Tarifvertrag nach den Grundsätzen einer Tarifkonkurrenz bzw. -pluralität - gelöst und das Günstigkeitsprinzip für nicht anwendbar erklärt hat (abl. Thüsing NZA 2005, 1280, 1281 f. d.A.), lag jeweils die Besonderheit vor, dass es andernfalls zu einer Schlechterstellung gewerkschaftsangehöriger Arbeitnehmer gegenüber nicht oder anderweit organisierter Kollegen gekommen wäre, weil die Tarifverträge jeweils von derselben Gewerkschaft geschlossen waren. Um ein solches als widersinnig empfundenes Ergebnis zu vermeiden erscheint stattdessen eine theologische Reduktion des § 4 Abs. 5 TVG erwägenswert. Jedenfalls war vorliegend eine solche Besonderheit nicht gegeben, wo vielmehr auch die gewerkschaftlich organisierten Kollegen der Klägerin aufgrund entsprechender Gleichstellungsabreden in ihren Verträgen weiterhin Anspruch auf die Leistungen nach dem BMT-G II und diesen ergänzenden Tarifverträgen haben.

Zudem besteht anders als in den vom BAG entschiedenen Fällen zwischen den Tarifverträgen für Arbeiter gemeindlicher Einrichtungen und Betriebe und denen des Gebäudereinigerhandwerks weder ein Konkurrenz- noch ein Pluralitätsverhältnis, weil der Betrieb der Beklagten allein in den Geltungsbereich dieser, nicht aber auch zugleich in den Geltungsbereich jener fällt. Dementsprechend regelt § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB auch nicht das Verhältnis zweier konkurrierender Tarifverträge, sondern die Ablösung des bisher normativ und nunmehr gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB nur noch auf vertraglicher Ebene (so Reinecke DB 2005, 1963, 1970) oder zumindest bloß noch unmittelbar, aber nicht mehr zwingend (so Schliemann NZA - Sonderbeilage Heft 16/2003, 3, 11 f.; Zöllner DB 1995, 1401, 1402) geltenden Tarifvertrags durch einen anderen, nunmehr einschlägigen Tarifvertrag.

3.2.4 Eine Ablösung der arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Tarifverträge durch die nunmehr kraft Allgemeinverbindlicherklärung ebenfalls für das Arbeitsverhältnis der Klägerin geltenden Tarifverträge konnte sich auch nicht im Wege einer analogen Anwendung des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB ergeben. Eine solche Analogie scheiterte bereits am Fehlen einer planwidrigen Lücke. Das Verhältnis arbeitsvertraglicher Regelungen zu einem beim Erwerber das Arbeitsverhältnis kraft Tarifbindung normativ regelnden Tarifvertrags hat bereits in § 4 Abs. 3 TVG seine Regelung gefunden. Für eine analoge Anwendung des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB ist daneben kein Raum (vgl. BAG, Urteil vom 25.09.2002 - 4 AZR 294/01 - BAGE 103, 9 = AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 26 zu II 3 der Gründe; a.A. Henssler, FS Schaub, 1998, 311, 322).

3.2.5 Die Beklagte konnte keine Anpassung des Arbeitsvertrags an die für sie geltenden Tarifverträge des Gebäudereinigerhandwerks gemäß § 313 Abs. 1 BGB verlangen.

3.2.5.1 Zwar lässt sich mangels anderweitiger Anhaltspunkte im Arbeitsvertrag als Geschäftsgrundlage einer Vereinbarung über die Anwendung der Tarifverträge einer bestimmten Branche in ihrer jeweiligen Fassung ansehen, dass der Arbeitgeber dieser Branche weiterhin angehört. Kommt es nun infolge eines Betriebsteilübergangs zu einem Branchenwechsel, wird dieser Vereinbarung ihre Grundlage entzogen, was jedoch nichts daran ändert, dass aufgrund der zwingenden Vorschrift des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB die Rechte und Pflichten aus den bisher einschlägigen Tarifverträgen in ihrer zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung fortbestehen (BAG, Urteil vom 01.04.1987 - 4 AZR 77/86 - BAGE 55, 154 = AP BGB § 613a Nr. 64 Bl. 1030 und 1030 R).

3.2.5.2 Es ist auch nichts dafür hervorgegangen, dass der Beklagten unter Berücksichtigung der vertraglichen Risikoverteilung ein Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann (dazu BAG, Urteil vom 25.09.2002 - BAGE 103, 9 = AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 26 zu II 2 d der Gründe). Vielmehr hat sie als Erwerberin des Betriebsteils, welchem die Klägerin zuzuordnen war, sich kraft freien Entschlusses in die Arbeitgeberstellung mit denselben Rechten und Pflichten wie das J. Krankenhaus als Veräußerer begeben. Dass sie meinte, ihre Kostenlast dadurch mindern zu können, dass das J. Krankenhaus und dessen Betriebsrat unter ihrer Beteiligung einen dahin zielenden Interessenausgleich geschlossen haben, mag für den Übernahmevertrag Geschäftsgrundlage gewesen sein, berührte jedoch das Verhältnis zur Klägerin nicht.

3.2.6 Die Beklagte vermochte schließlich auch nichts aus der in § 5 Abs. 3 Satz 1 des Freiwilligen Interessenausgleichs und Sozialplans getroffenen Regelung herzuleiten, wonach auf die Arbeitsverhältnisse die Tarifverträge für das Gebäudereinigerhandwerk mit der Folge einer Absenkung der Vergütung zur Anwendung gebracht werden sollten. Dass § 77 Abs. 3 BetrVG, wonach Arbeitsentgelte nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein können, auf einen Sozialplan gemäß § 112 Abs. 1 Satz 4 BetrVG keine Anwendung findet und dass aufgrund der Beteiligung der Beklagten auch kein unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter vorlag, genügte entgegen der Ansicht der Beklagten nicht, um daraus eine Ermächtigung zum Eingriff in arbeitsvertragliche Rechtspositionen der Klägerin abzuleiten. Diese Rechtspositionen stehen vielmehr mangels Öffnungsklauseln nicht zur Disposition der Betriebspartner (vgl. BAG, Urteil vom 01.12.1992 - 1 AZR 260/92 - BAGE 72, 40 = AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebs Nr. 20 zu II 2 a der Gründe; Kammer, Urteil vom 24.05.2002 - 6 Sa 318/02 zu 1.2 der Gründe).

3.2.7 Die Eingruppierung der Klägerin in Lohngruppe 2a des Berliner Bezirkstarifvertrags Nr. 2 vom 07.06.1991 war nicht zu beanstanden. Die Klägerin gehörte ursprünglich als Stationshilfe zu den Arbeitern mit einfachen Tätigkeiten nach Lohngruppe 1 Fallgruppe 2; nach dreijähriger Bewährung war sie zunächst nach Lohngruppe 2 Fallgruppe 2 und von dort nach weiterer vierjähriger Tätigkeit nach Lohngruppe 2a aufgestiegen.

3.2.8 Gegen die Höhe der einzelnen Ansprüche der Klägerin und deren bisherigen Arbeitszeit hat die Beklagte zuletzt nichts mehr vorgebracht. Diese waren durchweg günstiger als die Rechte und Pflichten aus den allgemeinverbindlichen Tarifverträgen des Gebäudereinigerhandwerks (§ 4 Abs. 3 TVG).

4. Als unterlegene Partei hat die Beklagte gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ZPO war die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung entscheidungserheblicher Rechtsfragen zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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