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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Urteil verkündet am 20.08.2004
Aktenzeichen: 6 Sa 777/04
Rechtsgebiete: BUrlG


Vorschriften:

BUrlG § 7 Abs. 2 Satz 1
Lehnt der Arbeitgeber lediglich die Verlängerung eines bereits bewilligten Urlaubs ab, ohne sich zum Antrag des Arbeitnehmers auf weitere Urlaubszeiträume zu äußern, so liegt hinsichtlich dieser eine konkludente Bewilligung vor.
Landesarbeitsgericht Berlin Im Namen des Volkes Urteil

6 Sa 777/04

Verkündet am 20.08.2004

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 6. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 20.08.2004 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Corts sowie die ehrenamtlichen Richter Kotzwich und Maerz

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 5.Februar 2004 - 49 Ca 31613/03 - teilweise dahin geändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 548,87 € (fünfhundertachtundvierzig 87/100) brutto nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16. April 2003 zu zahlen.

2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 82,05% und die Beklagte zu 17,95% zu tragen.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger stand vom 01. Februar 1999 bis zum 15. April 2003 in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten. Als regelmäßige Arbeitszeit waren 35 Stunden bei fünf Tagen in der Woche vereinbart. Der Stundenlohn des Klägers belief sich zuletzt auf 26,-- DM/13,29 €. Sein Jahresurlaub sollte nach § 7 seines Arbeitsvertrags (Ablichtung Bl. 11 und 12 d.A.) 26 Arbeitstage betragen.

Nach drei Urlaubstagen im Februar 2001 für dieses Jahr genehmigte die Beklagte dem Kläger auf einen von diesem eingereichten Urlaubsplan (Ablichtung Bl. 29 d.A.) hin mit Schreiben ohne Datum (Ablichtung Bl. 14 d.A.) insgesamt weitere elf Urlaubstage für den 25. Mai, 27. Oktober bis 04. November und 22. Dezember 2001 bis 02. Januar 2002. Am 30. August 2001 faxte der Kläger der Beklagten einen weiteren Urlaubsantrag (Ablichtung Bl. 13 d.A.), der neben sieben Urlaubstagen im ersten Quartal 2002 einen weiteren Urlaubstag in der Zeit vom 06. bis 08. Oktober 2001 und eine Verlängerung seines Urlaubs in den Herbstferien auf elf Tage vom 24. Oktober bis 07. November 2001 vorsah. Mit Schreiben vom 09. September 2001 (Ablichtung Bl. 46 d.A.) setzte der Kläger der Beklagten eine Frist bis zum 15. September 2001, nach deren fruchtlosem Ablauf er deren Einverständnis unterstellte. In ihrem Antwortschreiben vom 17. September 2001 (Ablichtung Bl. 143 d.A.) lehnte die Beklagte eine Erweiterung des Urlaubs für die Herbstferien aus organisatorischen Gründen ab, was sie mit Schreiben vom 25. September 2001 (Ablichtung Bl. 131 d.A.) noch einmal bekräftigte.

Mit zwei Schreiben vom 26. und 29. Oktober 2001 kündigte die Beklagte dem Kläger fristlos, wogegen sich dieser erfolgreich mit einer Kündigungsschutzklage wandte.

Das Arbeitsgericht Berlin hat die auf Abgeltung von 23 Urlaubstagen gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es auf der Grundlage des insoweit abweichenden erstinstanzlichen Vortrags der Parteien ausgeführt, im Schweigen der Beklagten auf den Urlaubsantrag des Klägers vom 30. August 2001 und dE. Folgeschreiben vom 09. September 2001 sei eine Genehmigung des darin begehrten Urlaubs zu sehen. Die beiden unwirksamen fristlosen Kündigungen hätten die Arbeitsbefreiung unberührt gelassen.

Gegen dieses ihm am 05. März 2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 02. April 2004 eingelegte und am 13. April 2004 begründete Berufung des Klägers. Er bestreitet, dass ihm am 25. Mai 2001 der bewilligte Urlaub gewährt worden sei; Grund dafür sei ein wichtiger kurzfristiger Einsatz in E. gewesen. Der Kläger ist der Ansicht, dem Arbeitgeber könne die Annahme eines Urlaubsantrags nicht aufgedrängt werden; vielmehr sei erforderlich, dass der Urlaub schriftlich genehmigt werde. Um die zweite Augustwoche 2001 sei ihm der zusätzlich beantragte Urlaub telefonisch insgesamt nicht bewilligt worden. Er habe auch tatsächlich keinen Urlaub genommen, sondern seine Reise abgesagt. Von einer Freistellung könne im Hinblick auf die fristlosen Kündigungen nicht gesprochen werden. Ein Arbeitgeber bringe damit zum Ausdruck, von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses auszugehen und gerade keinen Urlaub bewillige zu wollen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Änderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an ihn 3.056,70 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16. April 2003 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt den Angriffen des Klägers entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Berufung ist nur zum Teil begründet.

1.1 Der Kläger hat gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG lediglich Anspruch auf Abgeltung von fünf Urlaubstagen für das Jahr 2001. Sein arbeitsvertraglicher Anspruch auf 26 Urlaubstage ist im Umfang von 21 Tagen durch Erfüllung gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen.

1.1.1 Im Februar 2001 hat der Kläger unstreitig drei Urlaubstage erhalten.

1.1.2 Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger an dem ihm bewilligten Urlaubstag im Mai 2001 auf einer Baustelle in E. eingesetzt worden ist. Zum einen findet sich gerade auf dem von ihm in Ablichtung zur Akte gereichten Fax vom 20. Mai 2001 (Bl. 135 d.A.) der handschriftliche Vermerk "Urlaubstag 25.05.01". Zum anderen lässt sich auch der Lohnabrechnung des Klägers für Mai 2001 (Ablichtung Bl. 54 d.A.) nicht entnehmen, dass ihm für diesen Monat keine Urlaubsstunden abgerechnet worden sind, weil Seite 2 dieser Abrechnung nicht eingereicht worden ist.

1.1.3 Weitere 17 Urlaubstage sind dem Kläger in der Zeit vom 27. Oktober bis 04. November, 22. Dezember 2001 bis 02. Januar 2002, 19. bis 22. Januar, 02. bis 06. Februar und 22. bis 25. März 2002 gewährt worden.

1.1.3.1 Indem seitens der Beklagten mit Schreiben vom 17. September 2001 ausdrücklich nur eine Verlängerung des Urlaubs des Klägers während der Herbstferien abgelehnt worden ist, sind dem Kläger zugleich konkludent die übrigen zusätzlichen acht Urlaubstage aus seinem Antrag vom 30. August 2001 bewilligt worden. Vom verständigen Empfängerhorizont aus durfte und musste der Kläger die auf einen bestimmten Zeitraum begrenzte Ablehnung als Zustimmung hinsichtlich des Restes verstehen (§ 133 BGB). Dem stand nicht entgegen, dass die Beklagte auf den ursprünglichen Urlaubsplan des Klägers hin neben der Ablehnung von zehn Urlaubstagen während der Sommerferien die übrigen Zeiten ausdrücklich genehmigt hatte. Darin lag keine Formalisierung des Bewilligungsverfahrens, die künftig eine konkludente Bewilligung ausgeschlossen hätte.

Ein Schriftformerfordernis für die Erklärung des Arbeitgebers, einem Urlaubswunsch des Arbeitnehmers zu entsprechen, besteht nicht. Zudem hätte ein solches Erfordernis der Auslegung eines begrenzten Ablehnungsschreibens als konkludente Bewilligung hinsichtlich des Restes ohnehin nicht entgegengestanden.

Auf die zuletzt noch unter Beweisantritt aufgestellte Behauptung des Klägers, um die zweite Augustwoche sei ihm der Urlaub telefonisch insgesamt abgelehnt worden, kam es aufgrund der späteren Entwicklung nicht an.

Die für die Zeiten vom 27. Oktober bis 04. November und 22. Dezember 2001 bis 02. Januar 2002 bereits erfolgte Urlaubsbewilligung ist von der Beklagten mit ihrem Schreiben vom 17. September 2001 keinesfalls in Frage gestellt worden, was auch gar nicht in ihrer Rechtsmacht gelegen hätte.

1.1.3.2 Der für die Zeit vom 06. bis 08. Oktober 2001 konkludent bewilligte Urlaubstag durfte gemäß § 9 BUrlG nicht auf den Jahresurlaub des Klägers angerechnet werden, weil der Kläger nach seiner insoweit unbestrittenen erstinstanzlichen Darstellung in dieser Zeit arbeitsunfähig krank war.

1.1.3.3 Dass die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 26. und 29. Oktober 2001 zwei unwirksame fristlose Kündigungen ausgesprochen hat, war unschädlich. Da das Arbeitsverhältnis des Klägers dadurch in seinem Bestand nicht berührt wurde, konnte auch der Leistungserfolg der in der Urlaubsbewilligung liegenden Leistungshandlung eintreten. Fehlt es an einem Beendigungstatbestand, besteht das Arbeitsverhältnis unverändert fort, woran der in der Kündigung zum Ausdruck gelangte gegenteilige Wille des Arbeitgebers nichts zu ändern vermag (BAG, Urteil vom 23.01.2001 - 9 AZR 26/00 - BAGE 97, 18 = AP BGB § 615 Nr. 93 zu I 2 c, aa und bb der Gründe).

1.2 Die Urlaubsabgeltung beläuft sich gemäß § 11 Satz 1 BUrlG auf 548,87 € brutto.

1.2.1 Nach dieser Vorschrift umfasst das - richtig: der - durchschnittliche Arbeitsverdienst der letzten 13 Wochen als Bemessungsgrundlage des Urlaubsentgelts zwar nicht den zusätzlich für Überstunden gezahlten Arbeitsverdienst. Dies läuft indessen lediglich auf einen Wegfall der Überstundenzuschläge hinaus, weil der nach § 1 BUrlG maßgebliche Zeitfaktor für die Berechnung des Urlaubsentgelts auch die während des Urlaubs ausfallenden Überstunden umfasst (BAG, Urteil vom 09.11.1999 - 9 AZR 771/98 - BAGE 92, 343 = AP BUrlG § 11 Nr. 47 zu I 3 a der Gründe).

1.2.2 Da der Kläger ausweislich seiner Lohnabrechnungen regelmäßig Überstunden geleistet hatte, ist davon auszugehen, dass auch an seinen Urlaubstagen wieder Überstunden angefallen wären. Dabei errechnet sich auf der Grundlage der Angaben des Klägers in der Klageschrift unter Übernahme seines dortigen mathematischen Ansatzes eine durchschnittliche tägliche Arbeitszeit von (10,18 x 1.600 : 1.971,16 =) 8,26 Stunden, was bei einem Stundenlohn von 13,29 € für fünf Tage den ausgeurteilten Betrag von 548,87 € ergibt.

1.3 Verzugszinsen stehen dem Kläger aufgrund seiner Mahnung vom 07. März 2003 gemäß §§ 286 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB ab dem 16. April 2003 zu.

Entsprechend seinem Antrag konnten ihm lediglich 5 % über dem Basiszinssatz zugesprochen werden (§ 308 Abs. 1 ZPO), während nach § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB der Verzugszinssatz deutlich mehr beträgt, nämlich fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

Mit Rücksicht auf die Entscheidung des Großen Senats des BAG vom 07. März 2001 (GS 1/00 - BAGE 97, 150 = AP BGB § 288 Nr. 4 zu III der Gründe) sind die Zinsen allerdings aus dem Bruttobetrag zu berechnen, obwohl die Steuern und Sozialversicherungsbeiträge dem Kläger auch sonst nicht zugeflossen wären.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG für eine Zulassung der Revision waren nicht erfüllt.

Ende der Entscheidung

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