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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Urteil verkündet am 09.12.2005
Aktenzeichen: 8 Sa 1442/05
Rechtsgebiete: KSchG, BetrVG


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 5
BetrVG § 111
Eine Betriebseinschränkung im Sinne des § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG durch bloßen Personalabbau in einem wesentlichen Betriebsteil liegt dann erst vor, wenn der Personalabbau bezogen auf die Gesamtbelegschaft die Erheblichkeitsgrenze erreicht.
Landesarbeitsgericht Berlin Im Namen des Volkes Urteil

8 Sa 1442/05

Verkündet am 09.12.2005

In Sachen

hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 8. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 09. Dezember 2005 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Albrecht-Glauche als Vorsitzende sowie die ehrenamtliche Richterin Breyer und den ehrenamtlichen Richter Klemenziak

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 10. Juni 2005 - 28 Ca 3029/05 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, die die Beklagte, die mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, auf der Grundlage eines Interessenausgleichs mit Namensliste vom 21. Januar 2005 (Bl. 81 bis 97 d.A.) mit dem Schreiben vom 28. Januar 2005 ausgesprochen hat.

Der Kläger ist seit dem 1. September 2001 als Mitarbeiter Telekommunikationstechnik zu einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt 2.815,-- EUR in der Zentralverwaltung Berlin der Beklagten beschäftigt.

Zum Zeitpunkt der letzten Betriebsratswahl im Jahr 2002 gab es sechs Gesellschaften, die das operative Filialgeschäft der Beklagten im Bundesgebiet betrieben:

- die P. Süd GmbH & Co. KG mit Filialen in Baden-Württemberg, Bayern Hessen und Rheinland-Pfalz,

- die P. Nord GmbH mit Filialen in Schleswig-Holstein und Niedersachsen,

- die P. West GmbH mit Filialen in Nordrhein-Westfalen,

- die P. Ost GmbH mit Filialen in den neuen Bundesländern,

- die P. City GmbH mit Schallplattenläden und Fotoläden in Berlin,

- die Foto-Radio-W. Filial GmbH & Co. KG mit W.-Fotoläden in Berlin.

Diese Gesellschaften waren unter der P. Holding GmbH & Co. KG angesiedelt und wurden von ihr aufgrund von Gewinn- und Verlustabführungsverträgen beherrscht.

Zugleich gab es bei der P. Holding GmbH & Co. KG eine einheitliche Personalverwaltung in Berlin für alle in den Filialen tätigen Arbeitnehmer. Der dort gebildete Betriebsrat übte die betriebsverfassungsrechtlichen Rechte für alle Arbeitnehmer der Gesellschaften, mit Ausnahme der bei der P. Süd GmbH & Co. KG beschäftigten Arbeitnehmer aus. Dort war bereits zur vorangegangenen Wahl ein Betriebsrat aufgrund eines Tarifvertrags nach § 3 BetrVG einheitlich von allen Arbeitnehmern der Filialen im Süden gewählt worden.

Unter dem 14. November 2001 schlossen die P. Holding GmbH & Co. KG und der bei ihr gebildete Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung (Bl. 98 d.A.), in der sie regelten, dass für die P.-Unternehmensgruppe ein einheitlicher Betriebsrat durch die Beschäftigten der P. Holding GmbH & Co. KG und der fünf Tochtergesellschaften mit Ausnahme der P. Süd GmbH & Co. KG gewählt werden sollte. Entsprechend dieser Betriebsvereinbarung wurde die Betriebsratswahl 2002 durchgeführt. Es bestanden nach den unangefochten gebliebenen Betriebsratswahlen in der P.-Gruppe ein für alle Beschäftigten der P. Süd GmbH & Co. KG zuständiger Betriebsrat und ein für alle Beschäftigten und Betriebsstätten außerhalb dieser Gesellschaft zuständiger Betriebsrat mit 19 Mitgliedern.

In der Folgezeit veränderten sich die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse der P.-Gruppe. Die Geschäfte und das Vermögen der P. Holding GmbH & Co. KG wurden - verbunden mit einem Betriebsübergang im Sinne des § 613 a BGB - auf die Beklagte übertragen. Nachfolgend gingen die P. Süd GmbH & Co. KG, die P. Nord GmbH, die P. West GmbH, die P. Ost GmbH und die P. City GmbH im Wege von Einzelrechtsnachfolge und Betriebsübergang auf die Beklagte über.

Aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten änderte die Beklagte die Arbeitsorganisation in allen P.-Filialen in Deutschland und schloss mit den Betriebsräten im Februar 2003 jeweils einen Interessenausgleich. Von vormals 3600 Mitarbeitern waren nach den Umstrukturierungen nur noch rund 1800 Mitarbeiter bei der Beklagten tätig.

Unter dem 21. Januar 2005 schloss die Beklagte mit dem von den Beschäftigten der P.-Gruppe mit Ausnahme der Beschäftigten der ehemaligen P. Süd GmbH & Co. KG gewählten Betriebsrat einen Interessenausgleich im Hinblick auf die von der Beklagten beabsichtigte Reduzierung der Anzahl der in der Zentralverwaltung Berlin beschäftigten Mitarbeiter von numerisch vorhandenen 186,1 Vollzeitarbeitsplätzen um 33 Arbeitsplätze. Im Interessenausgleich ist unter anderem festgehalten, dass sich die Arbeitsmenge im Bereich IT-Systembetrieb um 17 % reduziert habe. Danach sollte die Anzahl der dort beschäftigten Mitarbeiter von 18,0 PP auf 15,0 PP reduziert werden. Die von der Kündigung betroffenen Mitarbeiter sind in einer Namensliste aufgeführt, der Kläger ist als Nr. 4 genannt. Der Interessenausgleich enthält ferner eine "Namensliste der Leistungsträger", in der 15 Mitarbeiter des Bereichs IT-Systembetrieb aufgeführt sind. Wegen des weiteren Inhalts des Interessenausgleichs vom 21. Januar 2005 wird auf die Fotokopie (Bl. 81 bis 97 d.A.) Bezug genommen.

Mit dem der Betriebsratsvorsitzenden We. am selben Tag überreichten Schreiben vom 21. Januar 2005, wegen dessen Inhalts im Einzelnen auf die Fotokopie (Bl. 99 f. d.A.) verwiesen wird, informierte die Beklagte den Betriebsrat über die beabsichtigte Kündigung des Klägers. Der Betriebsrat stimmte der Kündigungsabsicht am 28. Januar 2005 zu.

Gegen die mit dem Schreiben vom 28. Januar 2005 (Bl. 3 d.A.) durch die Beklagte zum 28. Februar 2005 erklärte Kündigung hat der Kläger die am 8. Februar 2005 bei dem Arbeitsgericht Berlin eingegangene, der Beklagten am 12. Februar 2005 zugestellte Kündigungsschutzklage erhoben, mit der er die fehlende soziale Rechtfertigung der Kündigung gerügt hat. Der Kläger hat das Vorliegen betrieblicher Kündigungsgründe und die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates bestritten. Der Kläger hat es ferner für rechtswidrig gehalten, im Interessenausgleich alle ungekündigt gebliebenen Mitarbeiter des Bereichs IT-Systembetrieb zu den Leistungsträgern zu erklären und die Sozialauswahl bezogen auf die Herren H. G. und von T. für fehlerhaft gehalten. Die Beklagte hat die Kündigung für rechtlich nicht zu beanstanden, den Kläger insbesondere mit den von ihm genannten Mitarbeitern für nicht vergleichbar gehalten. Von der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird unter Bezugnahme auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils abgesehen (§ 69 Abs. 3 ArbGG).

Durch das Urteil vom 10. Juni 2005 hat das Arbeitsgericht wie folgt erkannt:

I. Es wird festgestellt, dass die fristgemäße Kündigung der Beklagten im Schreiben vom 28. Januar 2005 das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht zum 28. Februar 2005 aufgelöst hat.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.

III. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8.445,00 EUR festgesetzt; und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Kündigung erweise sich gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG als sozial ungerechtfertigt, weil sich nicht feststellen lasse, dass die Beklagte berechtigt gewesen sei, von einer Sozialauswahl vollkommen abzusehen, indem sie außer den drei Gekündigten alle weiteren im Bereich IT-Systembetrieb beschäftigten Mitarbeiter als Leistungsträger von der Kündigung ausgenommen habe. Da die Beklagte dazu keine Angaben beigesteuert habe, könne nicht festgestellt werden, ob etwaige Ausklammerungs- oder Auswahlfehler die Schwelle der groben Verfehlung im Sinne des § 1 Abs. 5 KSchG erreichten. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils (Bl. 129 bis 132 d.A.) verwiesen.

Gegen das der Beklagten am 20. Juni 2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 14. Juli 2005 bei dem Landesarbeitsgericht Berlin eingegangene Berufung, die die Beklagte mit einem am Montag, dem 22. August 2005 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte rügt, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht unberücksichtigt gelassen, dass sie nicht gehalten gewesen sei, vor der Kündigung des Klägers eine Sozialauswahl durchzuführen, weil sie keinen Arbeitnehmer weiterbeschäftige, der mit dem Kläger vergleichbar sei.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 10. Juni 2005 - 28 Ca 3029/05 - die Klage abzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger hält den Vortrag der Beklagten für unzureichend und geht weiterhin von einer groben Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl aus.

Auf den Hinweis des Gerichts auf Bedenken gegen die Erzwingbarkeit des Interessenausgleichs macht die Beklagte geltend, durch den Personalabbau in der Zentralverwaltung eine Betriebsänderung gemäß § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG vorgenommen zu haben, indem sie Personal abgebaut habe. Für die Betriebsänderung durch bloßen Personalabbau sei es, so meint die Beklagte - soweit ein wesentlicher Betriebsteil betroffen sei - nicht erforderlich, dass hiervon 5 % der Gesamtbelegschaft betroffen sei. Es verbleibe daher bei der Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 KSchG, die der Kläger nicht widerlegt habe. Zwar sei richtig, dass der Interessenausgleich fälschlicherweise von nur 18 Arbeitnehmern im IT-Bereich ausgegangen sei, obwohl mit Herrn von T. im Ergebnis 19 Arbeitnehmer beschäftigt gewesen seien. Dies sei jedoch unschädlich, weil Herr von T. mit dem Kläger nicht vergleichbar sei und der Betriebsrat über dessen Wechsel zu einer anderen Gesellschaft bereits vor Abschluss des Interessenausgleichs informiert worden sei.

Der Kläger hält den Interessenausgleich für nicht geeignet, die Vermutungswirkung gemäß § 1 Abs. 5 KSchG auszulösen und macht geltend, es habe zum Zeitpunkt des Abschlusses des Interessenausgleichs noch nicht festgestanden, dass Herr von T. nach Ablauf der Befristung seines Arbeitsverhältnisses in ein anderes Unternehmen wechseln werde. Es sei unerheblich, wenn die Beklagte erneut behaupte, Herr von T. sei mit ihm, dem Kläger nicht vergleichbar. Entscheidend sei allein, dass die Beklagte diesen Mitarbeiter im Rahmen der Verhandlungen über den Interessenausgleich und der Anhörung zur Kündigung gegenüber dem Betriebsrat verschwiegen habe.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsbegründung vom 22. August 2005 (Bl. 153 bis 156 d.A.), der Berufungsbeantwortung vom 8. September 2005 (Bl. 161 bis 162 d.A.), der Schriftsätze des Klägers vom 6. Oktober 2005 und vom 18. November 2005 (Bl. 176, 227 bis 229 d.A.) und der Beklagten vom 3. November 2005 (Bl. 191 bis 195 d.A.) nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht im Sinne der §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Der Kläger kann die mit der zulässigen und innerhalb der Frist gemäß § 4 Satz 1 KSchG erhobenen Klage begehrte Feststellung beanspruchen, denn das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung mit dem Schreiben der Beklagten vom 28. Januar 2005 nicht aufgelöst worden.

1. Die Kündigung erweist sich gemäß § 1 Abs. 1 des auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren Kündigungsschutzgesetzes als sozial ungerechtfertigt, denn die Beklagte hat nicht ausreichend dargelegt, dass dringende betriebliche Erfordernisse einer Weiterbeschäftigung des Klägers über den 28. Februar 2005 hinaus als Mitarbeiter Telekommunikationstechnik im IT-Bereich ihrer Zentralverwaltung entgegengestanden haben.

1.1 Auf die Kündigung vom 28. Januar 2005 ist § 1 Abs. 3 und 5 KSchG in der seit dem 1. Januar 2004 geltenden Fassung anzuwenden.

Nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Abs. 2 bedingt ist, wenn bei der Kündigung aufgrund einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden sollen, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet sind. Die Vermutungsbasis, dass eine Betriebsänderung nach § 111 BetrVG vorlag und für die Kündigung des Arbeitnehmers kausal war und dass der Arbeitnehmer ordnungsgemäß in einem Interessenausgleich benannt ist, hat dabei der Arbeitgeber substantiiert darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen (vgl. zu § 1 Abs. 5 KSchG in der vom 01.10.1996 bis 31.12.1998 geltenden, gleichlautenden Fassung nur BAG, Urt. vom 07.05.1998 - 2 AZR 55/98 - AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Namensliste).

Die Beklagte kann sich nicht auf die Vermutungswirkung gemäß § 1 Abs. 5 KSchG berufen, denn die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm sind nicht erfüllt.

1.1.1 Zwar bestehen weder gegen die Formwirksamkeit des Interessenausgleichs vom 21. Januar 2005 noch gegen die Zuständigkeit des handelnden Betriebsrats Bedenken und die Namensliste weist den Kläger als Nr. 4 der zu entlassenden Arbeitnehmer auf, die im Interessenausgleich geregelte Maßnahme stellt sich jedoch nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht als eine Betriebsänderung gemäß § 111 BetrVG dar.

Eine Vereinbarung der Betriebsparteien, die nicht aus Anlass einer Betriebsänderung gemäß § 111 BetrVG sondern als sog. freiwilliger Interessenausgleich geschlossen wird, ist nicht geeignet, die Rechtswirkungen nach § 1 Abs. 5 KSchG auszulösen, da das Vorliegen einer Betriebsänderung gemäß § 111 BetrVG zu den tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm gehört (vgl. BAG, Urt. vom 22.01.2004 - 2 AZR 111/02 - AP Nr. 1 zu § 112 BetrVG 1972 Namensliste, a.A. Kappenhagen, NZA 1998, 968).

1.1.2 Die hier streitgegenständliche Kündigung ist nicht aufgrund einer Betriebsänderung gemäß § 111 BetrVG ausgesprochen worden.

Nach § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG gelten als Betriebsänderung im Sinne des § 111 Satz 1 BetrVG die Einschränkung und Stilllegung des ganzen Betriebes oder von wesentlichen Betriebsteilen. Auch ein bloßer Personalabbau ohne Verringerung der sächlichen Betriebsmittel kann eine Betriebseinschränkung sein, wenn eine größere Anzahl von Arbeitnehmern betroffen ist. Richtschnur dafür, wann erhebliche Teile der Belegschaft betroffen sind, sind die Zahlen und Prozentangaben in § 17 Abs. 1 KSchG. Für G.betriebe wird diese Staffel nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, der sich das Berufungsgericht anschließt, eingeschränkt - dort ist eine Betriebseinschränkung im Sinne des § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG erst bei einem Personalabbau von 5 % der Gesamtbelegschaft gegeben (vgl. BAG, Urteile vom 22.01.2004, a.a.O.; vom 07.08.1990 - 1 AZR 445/89 - AP Nr. 34 zu § 111 BetrVG 1972; vom 02.08.1983 - 1 AZR 516/81 - BAGE 43, 222). Das Bundesarbeitsgericht hat dabei eine Betriebseinschränkung im Sinne von § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG definiert als eine erhebliche, ungewöhnliche und nicht nur vorübergehende Herabsetzung der Leistungsfähigkeit des Betriebes, gleichgültig, ob die Verminderung der Leistungsfähigkeit durch Außerbetriebsetzung von Betriebsanlagen oder durch Personalreduzierung erfolgt (BAG, Urt. vom 02.08.1983, a.a.O.).

Im vorliegenden Fall stellt die Entlassung von 33 Arbeitnehmern der Zentralverwaltung Berlin ohne die Verringerung der sächlichen Betriebsmittel keine Betriebseinschränkung im dargelegten Sinne dar, denn der Personalabbau erreicht mit ca. 1,85 % bei weitem nicht die Erheblichkeitsgrenze von 5 % der Gesamtbelegschaft.

Auch wenn die Zentralverwaltung Berlin sowohl im Hinblick auf ihre Belegschaftszahl als auch auf ihre Bedeutung innerhalb der Gesamtorganisation des Betriebs als ein wesentlicher Betriebsteil im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung anzusehen ist (vgl. zu den Voraussetzungen BAG, Urt. vom 27.06.2002 - 2 AZR 489/01 - EzA Nr. 119 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung m.w.N.), so stellt die bloße Personaleinschränkung in der hier vorliegenden Größenordnung keine Betriebsänderung dar. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist auch bei dem Personalabbau in einem wesentlichen Betriebsteil eine wesentliche Einschränkung im Sinne des § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG erst dann gegeben, wenn der Personalabbau bezogen auf die Gesamtbelegschaft die Schwellenwerte des § 17 KSchG bzw. bei G.betrieben den Grenzwert von 5 % der Gesamtbelegschaft erreicht. Die Betriebsteileinschränkung durch Personalabbau ist nur als Unterfall der Betriebseinschränkung anzusehen, weil - ausgehend von der Interpretationsnorm der Betriebsänderung in § 111 Satz 1 BetrVG - die Betriebsänderung wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben muss. Dies ist bei bloßem Personalabbau erst dann der Fall, wenn dieser sich als erheblich für die Leistungsfähigkeit des Gesamtbetriebs darstellt, so dass auf dessen Beschäftigungszahl abzustellen ist (so auch Däubler in Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, Rz. 46 zu § 111 BetrVG, Oetker in GK-BetrVG, 8. Aufl. 2005, Rz. 90 zu § 111 BetrVG, Gitten/Vahle, NZA 2005, 1385, 1390).

1.1.3 Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, die Kündigung sei auch unter Anwendung des Prüfungsmaßstabs nach § 1 Abs. 5 KSchG sozial ungerechtfertigt. Der Kläger hat insbesondere keine Tatsachen dargelegt, die die Sozialauswahl zu seinen Lasten als grob fehlerhaft erscheinen lassen. Der Kläger ist dem Einwand der Beklagten, er sei mit keinem anderen Mitarbeiter des Bereichs IT-Systembetrieb vergleichbar, nicht ausreichend entgegengetreten. Der Kläger war - wie die Beklagte bereits erstinstanzlich unbestritten ausgeführt hat - als Mitarbeiter im Aufgabenbereich Telekommunikationstechnik tätig, während die Mitarbeiter von T. und G. mit IT-spezifischen Arbeitsaufgaben betraut waren. Soweit der Kläger sich erstinstanzlich darauf berufen hat, die Tätigkeiten der Mitarbeiter von T. und G. nach kurzer Einarbeitungszeit ausführen zu können, ist sein Vorbringen unsubstantiiert geblieben und erklärt insbesondere im Hinblick darauf, dass er in der Vergangenheit ausschließlich Aufgaben im Bereich Telekommunikationstechnik ausgeführt hat, nicht, über welche Kenntnisse und Fähigkeiten er in den von den Mitarbeitern von T. und G. bearbeiteten Bereichen bereits verfügte bzw. wie, auf welche Weise und mit welchem zeitlichen Aufwand er die erforderlichen Fähigkeiten erlangen sollte. Anhaltspunkte dafür, dass er aufgrund seiner Ausbildung oder etwaiger Fortbildungsmaßnahmen die IT-spezifischen Arbeitsaufgaben ausführen könnte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Wegen der somit fehlenden Vergleichbarkeit stellt sich die Sozialauswahl auch dann nicht als grob fehlerhaft dar, wenn der Mitarbeiter von T. zu Unrecht weder im Interessenausgleich noch bei der Anhörung des Betriebsrates erwähnt wurde. Ebenso ist rechtlich unbeachtlich, ob im Interessenausgleich zu Unrecht Arbeitnehmer als sogenannte Leistungsträger von der Sozialauswahl ausgenommen wurden, so dass sich die Kündigung bei Anwendung des Maßstabs nach § 1 Abs. 5 KSchG nicht als sozial ungerechtfertigt erwiesen hätte.

1.2 Da die Kündigung aber - wie unter Ziffer 1.1 festgestellt - nicht dem Prüfungsmaßstab nach § 1 Abs. 5 KSchG unterliegt, besteht keine gesetzliche Vermutung für das Vorliegen dringender betrieblicher Gründe für die hier streitgegenständliche Kündigung. Den Anforderungen an die Darlegung betriebsbedingter Gründe im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG genügt der Vortrag der Beklagten nicht. Die Beklagte beschränkt sich darauf, unter Hinweis auf den Interessenausgleich eine Reduzierung der Arbeitsmenge im Bereich IT-Systembetrieb um 17 % anzugeben. Damit legt die Beklagte jedoch nicht dar, dass und in welchem Maße die Arbeitsaufgaben des Klägers entfallen oder in zeitlichem Umfang zurückgegangen sind, so dass nicht festgestellt werden kann, dass das Beschäftigungsbedürfnis für den Kläger entfallen ist und die Kündigung sich deshalb als sozial ungerechtfertigt erweist.

III.

Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

IV.

Die Kammer hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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