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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Urteil verkündet am 08.04.2005
Aktenzeichen: 8 Sa 21/05
Rechtsgebiete: BAT-O


Vorschriften:

BAT-O § 62 Abs. 2 lit h
Übergangsgeld trotz unverfallbarer Anwartschaft auf eine Betriebsrente nach dem ATV.
Landesarbeitsgericht Berlin Im Namen des Volkes Urteil

8 Sa 21/05

Verkündet am 08.04.2005

In Sachen

hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 8. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 08.04.2005 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Albrecht-Glauche als Vorsitzende sowie die ehrenamtlichen Richter Herrn Zernick und Herrn Wand

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 22. Oktober 2004 - 91 Ca 11495/04 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger ein Übergangsgeld gem. § 62 BAT-O in Höhe von 3500,55 € zu zahlen, oder ob - wie die Beklagte geltend macht - der im übrigen sowohl dem Grunde als in dieser Höhe unbestrittene Anspruch gem. § 62 Absatz 2 Lit h BAT-O ausgeschlossen ist, weil dem Kläger eine unverfallbare Anwartschaft auf Zahlung einer Betriebsrente nach dem Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst vom 1. März 2002 (im Folgenden: ATV) zusteht.

Der Kläger war vom 1. September 1983 bis zum 30. September 1998 und ununterbrochen vom 1. Februar 1999 bis zum Ablauf der Befristung am 31. Januar 2004 als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Beklagten beschäftigt. Die Parteien vereinbarten die Anwendung des BAT-O auf ihr Arbeitsverhältnis. Der Kläger erhielt zuletzt ein Bruttomonatsentgelt nach der Vergütungsgruppe I b BAT-O in Höhe von 4483,52 € brutto.

Von der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird unter Bezugnahme auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils abgesehen (§ 69 Abs. 3 ArbGG).

Durch das Urteil vom 22. Oktober 2004 hat das Arbeitsgericht die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, an den Kläger 3.500,55 EUR nebst Zinsen zu zahlen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die vom Kläger erworbene unverfallbare Anwartschaft auf eine Betriebsrente nach dem ATV sei keine Anwartschaft auf eine der Versorgungsrente vergleichbare Leistung im Sinne von § 62 Abs. 2 lit h BAT-O. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe dieses Urteils (Bl. 49 bis 51 d.A.) verwiesen.

Gegen das der Beklagten am 6. Dezember 2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 5. Januar 2005 bei dem Landesarbeitsgericht eingelegte Berufung, die die Beklagte mit einem innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist bis zum 21. Februar 2005 an diesem Tag eingegangenen Schriftsatz gleichen Datums begründet.

Die Beklagte und Berufungsklägerin macht weiterhin geltend, der Kläger habe eine Anwartschaft auf eine Versorgungsrente, zumindest auf eine vergleichbare Leistung im Sinne des § 62 Abs. 2 lit h BAT-O erworben, so dass ihm ein Übergangsgeld nicht zustehe. Nach der Reform der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst bestünde die Versorgungsrente in ihrer früheren Ausgestaltung nicht fort, die Betriebsrente nach ATV erfülle jedoch die Funktion der bisherigen Versorgungsrente im System der Altersversorgung. Zumindest im Wege der Anpassung an die geänderte Rechtslage ergebe die Auslegung der Ausnahmeregelung, dass die unverfallbare Anwartschaft auf eine Betriebsrente der dort unmittelbar erwähnten Versorgungsrente bzw. einer vergleichbaren Leistung entspreche.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

das angegriffene Urteil teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und verteidigt das angefochtene Urteil mit Rechtsausführungen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsbegründung vom 21. Februar 2005 (Bl. 69 bis 76 d.A.) und der Berufungsbeantwortung vom 31. März 2005 (Bl. 89 bis 93 d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht im Sinne der §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und innerhalb der gemäß § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG verlängerten Frist begründet worden.

II.

Die Berufung hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung des Übergangsgeldes gemäß § 62 Abs. 1 des auf das Arbeitsverhältnis der Parteien kraft einzelvertraglicher Vereinbarung anwendbaren BAT-O in von der Beklagten nicht bestrittener Höhe verurteilt und den Ausschlusstatbestand des § 62 Abs. 2 lit h BAT-O für nicht gegeben gehalten. Das Berufungsgericht schließt sich den Ausführungen des Arbeitsgerichts in dem angefochtenen Urteil an und sieht von einer Wiederholung ab (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

Die Angriffe der Berufung sind nicht geeignet, die Rechtslage anders zu beurteilen.

1. Zwischen den Parteien besteht kein Streit, dass die Voraussetzungen für die Entstehung des Anspruchs auf Zahlung eines Übergangsgeldes gemäß § 62 Abs. 1 BAT-O erfüllt sind.

2. Wie auch das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil hält das Berufungsgericht den Ausschlusstatbestand gemäß § 62 Abs. 2 lit h BAT-O für nicht gegeben.

2.1 Gemäß § 62 Abs. 2 lit h BAT-O wird das Übergangsgeld nicht gewährt, wenn

"dem Angestellten aufgrund Satzung, Gesetzes, Tarifvertrags oder sonstiger Regelung im Fall des Ausscheidens vor Eintritt eines Versicherungsfalls im Sinn der gesetzlichen Rentenversicherung eine Versorgungsrente oder vergleichbare Leistung gewährt wird oder die Anwartschaft auf eine dieser Leistungen gesichert ist".

Dem Kläger ist bei seinem Ausscheiden keine Anwartschaft auf eine Versorgungsrente im Tarifsinn gesichert. Der Kläger hat vielmehr eine unverfallbare Anwartschaft auf den Bezug einer Betriebsrente nach §§ 5 ff. ATV erworben, die jedoch nicht als Anwartschaft auf eine Versorgungsrente oder eine der Versorgungsrente vergleichbare Leistung im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden kann. Dies hat das Arbeitsgericht unter Hinweis auf die unterschiedliche Ausgestaltung von Versorgungsrente und Betriebsrente zutreffend begründet, ohne dass die Berufung neue Gesichtspunkte hat aufzeigen können. Ergänzend sei nur darauf hingewiesen, dass der Ausschlusstatbestand bis zum Inkrafttreten des ATV auf die Ausnahmefälle beschränkt war, in denen dem Angestellten trotz vorzeitigen Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis in den gesondert geregelten Fällen (wie zum Beispiel Nr. 6 SR 2 n, Nr. 4 SR 2 x BAT) die Anwartschaft auf eine Versorgungsrente gesichert war, während im Regelfall nur die Versicherungsrente beansprucht werden konnte, die nicht zum Ausschluss des Anspruchs auf Übergangsgeld führte. Damit sollte nur derjenige Angestellte kein Übergangsgeld erhalten, der durch eine ausdrückliche tarifliche Regelung begünstigt wurde. Eine solche Begünstigung sieht das neue Versorgungssystem nicht vor, so dass der Ausschlusstatbestand nicht erfüllt ist (so auch Böhm/Spiertz, BAT, Stand April 2004, Rz. 39 zu § 62 BAT; a.A. Uttlinger/Breier, BAT, Stand September 2004, Anm. 8 zu § 62 BAT).

2.2 Auch im Wege ergänzender Vertragsauslegung kann nicht festgestellt werden, dass die Tarifvertragsparteien die Betriebsrente als eine der Versorgungsrente vergleichbare Leistung im Sinne des § 62 Abs. 2 lit h BAT haben ansehen wollen.

Da die Tarifvertragsparteien den Begriff der Versorgungsrente mit der vorgegebenen Bedeutung gewählt haben, ist durch den Systemwechsel bei der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst eine Regelungslücke entstanden, die von den Gerichten für Arbeitssachen im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen ist, wenn sich unter Berücksichtigung von Treu und Glauben ausreichende Anhaltspunkte für einen entsprechenden Regelungswillen der Tarifvertragsparteien ergeben (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. nur Urt. vom 29.04.2004 - 6 AZR 101/03 - ZTR 2004, 519 m.w.N.). Das scheidet allerdings aus, wenn den Tarifvertragsparteien ein Spielraum zur Lückenschließung bleibt und es ihnen wegen der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie überlassen bleiben muss, die von ihnen für angemessen gehaltene Lösung zu finden (vgl. BAG, Urt. vom 20.05.1999 - 6 AZR 451/97 - ZTR 2000, 30). Ein solcher Fall ist vorliegend nach Auffassung des Berufungsgerichts gegeben, weil es den Tarifvertragsparteien obliegt festzulegen, ob und in welchen Fällen die Anwartschaft auf eine Betriebsrente zum Ausschluss des Anspruchs auf Übergangsgeld führen soll.

Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien den Anspruch auf Übergangsgeld bei allen Angestellten ausgeschlossen hätten, die vor Eintritt des Versicherungsfalls ausscheiden und bereits eine Anwartschaft auf eine Betriebsrente nach dem ATV erworben haben, sind wegen des bisherigen Ausnahmecharakters der Regelung nicht gegeben.

Damit war der Berufung der Beklagten der Erfolg zu versagen.

III.

Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

IV.

Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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