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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Urteil verkündet am 26.03.2004
Aktenzeichen: 8 Sa 262/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 288 Abs. 2 n. F.
Dem Arbeitnehmer steht auf rückständiges Arbeitsentgelt der erhöhte Zinssatz gemäß § 288 Abs. 2 BGB n.F. nicht zu.
Landesarbeitsgericht Berlin Im Namen des Volkes Urteil

8 Sa 262/04

Verkündet am 26.03.2004

In Sachen

pp

hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 8. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 26. März 2004 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Albrecht-Glauche als Vorsitzende sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Behder und Selle

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Schluss-Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 31.10.2003 - 93 Ca 11753/03 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz zuletzt noch über einen Zinsanspruch auf zwischenzeitlich gezahltes, rückständiges Arbeitsentgelt, den der Kläger damit begründet, er könne Verzugszinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pro Jahr gemäß § 288 Abs. 2 BGB n.F. beanspruchen.

Durch die Anerkenntnisteilurteile vom 26. September 2003 und 31. Oktober 2003 hat das Arbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung von Gehaltsdifferenzen für die Monate Dezember 2001 bis März 2003 und April 2003 bis Juli 2003 sowie zur Zahlung von Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf die jeweils anerkannten Beträge verurteilt. Durch das Schlussurteil vom 31. Oktober 2003 hat das Arbeitsgericht den weitergehenden Zinsantrag des Klägers abgewiesen und die Berufung insoweit zugelassen. Das Arbeitsgericht hat zur Begründung der Klageabweisung im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger als Arbeitnehmer der Beklagten sei Verbraucher im Sinne des § 13 BGB n.F., so dass auf seine Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis die Zinsregelung gemäß § 288 Abs. 2 BGB n.F. keine Anwendung finde und er keine Zinsen in Höhe von weiteren drei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz beanspruchen könne. Von der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes erster Instanz und der Begründung im Einzelnen wird unter Bezugnahme auf Tatbestand und Entscheidungsgründe dieses Urteils (Bl. 115-120 d.A.) abgesehen.

Gegen das dem Kläger am 14. Januar 2004 zugestellte Urteil richtet sich seine am 3. Februar 2004 bei dem Landesarbeitsgericht Berlin eingegangene, gleichzeitig begründete Berufung, mit der er zunächst die Klage in Höhe der erstinstanzlich abgewiesenen Zinsansprüche weiterverfolgt.

Der Kläger und Berufungskläger hält die Auffassung des Arbeitsgerichts, die Zinsregelung in § 288 Abs. 2 BGB n.F. sei auf Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis nicht anwendbar, für unzutreffend und meint, der Arbeitnehmer stehe in Arbeitsbeziehungen grundsätzlich als der wirtschaftlich schwächere Teil in einem Abhängigkeitsverhältnis, da er auf die Auszahlung des Gehalts angewiesen sei. Er müsse Zahlungsverzug des Arbeitgebers in der Regel mit Hilfe eines Kredits überbrücken, so dass ihm der höhere Zinssatz zustehe.

Nachdem in der Berufungsverhandlung unstreitig geworden ist, dass die Beklagte die titulierten Beträge am 31. Oktober 2003 und am 9. Dezember 2003 zur Auszahlung an den Kläger angewiesen hat, beantragt der Kläger und Berufungskläger unter Rücknahme der weitergehenden Berufung, das Schlussurteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 31. Oktober 2003 teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 37,78 € (Zinsforderung für den Zeitraum ab 01, Januar 2003) zu zahlen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und hält einen - weiteren - Zinsanspruch des Klägers unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt für gegeben.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsbegründung vom 2. Februar 2004 (Bl. 130-133 d.A.), der Berufungsbeantwortung vom 12. März 2004 (Bl. 139-141 d.A.) sowie die Sitzungsniederschrift vom 26. März 2004 (Bl. 142-143 d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die nach § 64 Abs. 2a ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht im Sinne der §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Nachdem der Kläger in der Berufungsinstanz durch seine teilweise Berufungsrücknahme der Übergangsvorschrift in Artikel 229 § 5 Satz 2 EGBGB Rechnung getragen und seine Rest-Zinsforderung im Hinblick auf die zwischenzeitlich erfolgte Erfüllung der anerkannten Gehaltsdifferenzansprüche für die Zeit nach dem 1. Januar 2003 auf, von der Beklagten nicht beanstandete Weise (§ 267 ZPO) zur bezifferten Hauptforderung geändert hat, war nur noch über die streitige Frage zu entscheiden, ob der Kläger für Gehaltsansprüche Verzugszinsen gemäß § 288 Abs. 2 BGB n.F. in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pro Jahr beanspruchen kann.

Das Arbeitsgericht hat einen Anspruch des Klägers im Wesentlichen mit der Begründung verneint, der Kläger sei als Arbeitnehmer auch in Arbeitsbeziehungen als Verbraucher im Sinne der §§ 13, 288 Abs. 2 BGB anzusehen. Dabei spreche sowohl der Wortlaut als auch die Entstehungsgeschichte des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes für ein vertragstypenübergreifendes Verbraucherschutzrecht, das auch im Arbeitsrecht Anwendung finde.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts gibt der vorliegende Fall keinen Anlass zu einer abschließenden Entscheidung über die streitige Frage der Verbrauchereigenschaft des Arbeitnehmers, weil sich jedenfalls aus der Auslegung der hier anzuwendenden Zinsregelungen in § 288 BGB n.F. kein Anspruch des Klägers auf den geltend gemachten Zinssatz ergibt.

Auch wenn - wofür allerdings der Wortlaut des § 13 BGB sprechen dürfte - der Arbeitnehmer nicht als Verbraucher anzusehen sein sollte, handelt es sich bei dem Arbeitsverhältnis nicht um "ein Rechtsgeschäft, an dem ein Verbraucher nicht beteiligt ist" im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB.

Dies folgt aus der richtlinienkonformen Auslegung dieser Vorschrift, die der Umsetzung der EU-Richtlinie 2000/35/EG vom 29. Juni 2000 (ABIEG Nr. L 200, S. 35) dient, die nach Artikel 1 "auf alle Zahlungen, die als Entgelt im Geschäftsverkehr anzusehen sind" anzuwenden ist und in Artikel 2 die Begriffsbestimmungen für den Geschäftsverkehr als: "Geschäftsvorgänge zwischen Unternehmen oder zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen, zu einer Lieferung von Gütern oder Erbringung von Dienstleistungen gegen Entgelt" enthält. Damit ist - unter Berücksichtigung auch der Gesetzesmaterialien zu § 288 BGB (vgl. BT-Drucksache 14/6040, S. 148 f.), die den Willen des Gesetzgebers zur Umsetzung der Richtlinie deutlich macht - der Regelung in § 288 Abs. 2 BGB trotz ihres Wortlauts ("Rechtsgeschäfte, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist") zu entnehmen, dass der höhere Zinssatz nur bei Rechtsgeschäften im Geschäftsverkehr im Sinne der Begriffsbestimmung der EU-Richtlinie geschuldet werden soll, so dass das Arbeitsverhältnis nicht als Rechtsgeschäft im Sinne von § 288 Abs. 2 BGB anzusehen ist.

Auch die Argumentation des Klägers, der Arbeitnehmer sei auf den höheren Zinssatz bei Verzug des Arbeitgebers mit Entgeltzahlungen angewiesen, vermag nicht zu überzeugen, weil es dem Arbeitnehmer unbenommen bleibt, im Fall eines weiteren Schadens Ansprüche nach § 288 Abs. 4 BGB geltend zu machen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO.

IV.

Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG wegen der nach Auffassung des Gerichts gegebenen, grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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