Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Urteil verkündet am 09.07.2004
Aktenzeichen: 8 Sa 804/04
Rechtsgebiete: AEntG


Vorschriften:

AEntG § 1 Abs. 3
AEntG § 1a
Bürgenhaftung für Urlaubskassenbeiträge einer Baufirma mit Sitz in der Türkei.
Landesarbeitsgericht Berlin Im Namen des Volkes Urteil

8 Sa 804/04

Verkündet am 09.07.2004

In Sachen

hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 8. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 09. Juli 2004 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Albrecht-Glauche als Vorsitzende sowie die ehrenamtlichen Richter Busse und Rieke

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 27.01.2004 - 98 Ca 73841/03 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, als Bürge gemäß § 1 a AEntG für Urlaubskassenbeiträge zu haften, die der Kläger gegenüber dem Bauunternehmen Firma E. E.B. I.T. Limited S. (im Folgenden: Firma E.), die arbeitszeitlich überwiegend Armierungs- und Baustahlverlegearbeiten im Auftrag der Beklagten ausführte, für in der Zeit vom August 1999 bis Mai 2002 entsandte Arbeitnehmer beansprucht.

Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Er hat nach den Vorschriften des Bundesrahmentarifvertrags für das Baugewerbe (BRTV) in Verbindung mit den Vorschriften des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) die Aufgabe, die Auszahlung der tarifvertraglich vorgesehenen Urlaubsvergütung zu sichern. Der VTV in der Fassung vom 28. Januar 1999, in Kraft getreten am 1. Januar 1999 (VTV/1999), ist durch Änderungstarifvertrag vom 20. Dezember 1999 mit Wirkung vom 1. Januar 2000 neu gefasst (VTV/200), der BRTV durch Änderungstarifvertrag vom selben Tag geändert worden. Beide Fassungen sowohl des BRTV als auch des VTV wurden für allgemeinverbindlich erklärt (vgl. für den BRTV in der Fassung 1999 und den VTV/1999 die AVE vom 19. März 1999, Bundesanzeiger Nr. 64 vom 7. April 1999, für den BRTV in der Fassung 2000 und den VTV/2000 die AVE vom 14. März 2000, Bundesanzeiger Nr. 61 vom 28. März 2000).

Die Beklagte beauftragte die Firma E. im Streitzeitraum ausweislich der Zusicherungsbescheide der B. A. (Bl. 10-19 d.A.) mit der Erbringung von Baustahlverlegearbeiten, für die die Firma E. Arbeitnehmer aus der Türkei zur vorübergehenden Tätigkeit nach Deutschland entsandte. Diese Arbeitnehmer waren zum deutschen Arbeitsmarkt zugelassen. Urlaubskassenbeiträge nach § 1 Abs. 3 AEntG in Verbindung mit §§ 18 Abs. 1 Satz 2, 22 Abs. 1 VTV Bau leistete die Firma E. im Streitzeitraum nicht.

Mit der am 16. Juni 2003 eingereichten Klage begehrt der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des Mindesturlaubsbeitrags unter Zugrundelegung der Dauer der Beschäftigung der entsandten Arbeitnehmer der Firma E., einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 39 Stunden sowie einem Mindestlohn nach dem jeweils gültigen Tarifvertrag zur Regelung eines Mindestlohns im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland für den Streitzeitraum in unstreitiger Höhe und hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 119.816,91 € zu zahlen nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. November 2002.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und sich unter anderem darauf berufen, §§ 1, 1a AEntG seien wegen Artikel 41 des Zusatzprotokolls zum Assoziationsabkommen der EG mit der Türkei nicht anwendbar. Überdies sei der Anspruch verwirkt, weil der Kläger Auskünfte über die Abführung von Beiträgen durch die Firma E. verweigert habe.

Von der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird unter Bezugnahme auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 118-120 d.A.) abgesehen (§ 69 Abs. 3 ArbGG).

Durch das Urteil vom 27. Januar 2004 hat das Arbeitsgericht nach dem Klageantrag erkannt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch in unstreitiger Höhe gemäß § 1a Satz 1 2. Alt. AEntG zu, da die Beklagte als Bürgin für die von ihr beauftragte türkische Firma E. hafte, die im Rahmen der Beauftragung auf Baustellen in Deutschland entsandten Arbeitnehmer Urlaubsbeiträge zu entrichten gehabt habe. Weder § 1 Abs. 3 noch § 1a Satz 1 2. Alt. AEntG verstießen in Bezug auf ein türkisches Unternehmen gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht, insbesondere seien die Bestimmungen der Artikel 49, 50 EG nicht anwendbar; auch ein Verstoß gegen Artikel 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Assoziationsabkommen der EG mit der Türkei sei nicht festzustellen. Der Anspruch sei auch nicht verwirkt, weil die Beklagte, selbst wenn der Kläger auf telefonische Anfrage mehrmals die Auskunft verweigert haben sollte, daraus nicht die Schlussfolgerung habe ziehen dürfen, dass die Firma E. ihren Zahlungsverpflichtungen nachgekommen sei. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe dieses Urteils (Bl. 120-126 d.A.) verwiesen.

Gegen das der Beklagten am 10. März 2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 5. April 2004 bei dem Landesarbeitsgericht Berlin eingegangene Berufung, die die Beklagte mit einem am 10. Mai 2004 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte hält eine Hauptschuld für nicht gegeben, weil die Regelung in § 1 Abs. 3 AEntG eine neue Beschränkung im Sinne des § 41 des Zusatzprotokolls zum Assoziationsabkommen der EG mit der Türkei darstelle. Es werde der Firma E. nicht ermöglicht, die Dienstleistung zu den Bedingungen ihres Heimatlandes zu erbringen. Die türkischen Arbeitnehmer hätten durch den gesetzlich geregelten Mindesturlaub, der nach Alter und Betriebszugehörigkeit von 14 bis 26 Arbeitstagen pro Jahr betrage, einen vergleichbaren Schutz, so dass keine zwingenden Gründe des Allgemeininteresses die Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigten. Ferner werde sie, die Beklagte, in ihrer eigenen passiven Dienstleistungsfreiheit beschränkt, indem sie gegenüber Generalunternehmern benachteiligt werde, die deutsche Unternehmen beauftragten, da diese nicht gezwungen seien, etwaige Regressforderungen im Ausland geltend zu machen. Sie, die Beklagte, könne sich damit auch auf Artikel 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls berufen. § 1a AEntG sei überdies nicht verhältnismäßig. Schließlich habe sich der Kläger treuwidrig verhalten, indem er im Jahr 1999 - was unstreitig ist - die Beklagte zunächst in kurzen Abständen wegen Urlaubskassenbeiträgen in Anspruch genommen habe und anschließend keinerlei Forderungen mehr gestellt und auch keine Auskünfte erteilt habe. Dadurch habe der Kläger einen Vertrauenstatbestand geschaffen, dass er bei bestehenden Beitragsrückständen entweder Auskünfte erteile oder zeitnah Forderungen stellen werde.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil mit Rechtsausführungen und verweist hinsichtlich des Einwands der Treuwidrigkeit darauf, dass die Beklagte in der Vergangenheit über Rückstände informiert oder auf mündliche Anfrage darauf hingewiesen worden sei, dass Auskünfte nur erteilt würden, wenn eine entsprechende Vollmacht vorgelegt werde.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsbegründung vom 7. Mai 2004 (Bl. 136-150 d.A.), der Berufungsbeantwortung vom 7. Juni 2004 (Bl. 179-190 d.A.) der Replik vom 29. Juni 2004 (Bl. 191-202 d.A.) sowie der Schriftsätze des Klägers vom 5. Juli 2004 (Bl. 203-207 d.A.) und der Beklagten vom 7. Juli 2004 (Bl. 213-214 d.A.) nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht im Sinne der §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Beklagte gemäß §§ 1a, 1 Abs. 3 Satz 2 AEntG in Verbindung mit § 8 Ziffer 15.1 BRTV Bau und § 61 VTV/1999 sowie § 18 VTV/2000 als Bürgin zur Zahlung der streitgegenständlichen Urlaubskassenbeiträge verurteilt. Das Berufungsgericht teilt die Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts, schließt sich den Ausführungen des Arbeitsgerichts in dem angefochtenen Urteil an und sieht von einer Wiederholung ab (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

Die Angriffe der Berufung sind nicht geeignet, die Rechtslage anders zu beurteilen.

1.

Die Voraussetzungen der Bürgenhaftung der Beklagten nach § 1a AEntG liegen vor, denn die Beklagte ist Unternehmer im Sinne von § 1a AEntG, die Firma E. hat für die Beklagte Bauleistungen im Sinne von § 211 Abs. 1 Satz 2 SGB III erbracht und die für den Streitzeitraum nach § 1 Abs. 3 Satz 2 AEntG geschuldeten Urlaubskassenbeiträge nicht geleistet.

1.1

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich das Berufungsgericht anschließt, war § 1 Abs. 3 AEntG bezogen auf den hier streitigen Zeitraum auf einen Arbeitgeber mit Sitz in einem Land, das nicht der Europäischen Gemeinschaft angehört, nach innerstaatlichem Recht wirksam, insbesondere kollisionsrechtlich anwendbar, nicht durch Regelungen des Arbeitsförderungsgesetzes verdrängt und stellte im Hinblick auf die Erstreckung allgemeinverbindlicher Tarifverträge weder einen Verstoß gegen die Koalitionsfreiheit (Artikel 9 Abs. 3 GG) noch den Gesichtspunkt der Gleichheit vor dem Gesetz (Artikel 3 Abs. 1 GG) dar (vgl. zu einem Arbeitgeber mit Sitz in der Republik Polen - BAG, Urteil vom 25.6.2002 - 9 AZR 405/00 - BAGE 101, 357 = AP Nr. 12 zu § 1 AEntG = NZA 2003, 275). Die gleichen rechtlichen Erwägungen gelten für den hier zu entscheidenden Fall eines Betriebs mit Sitz in der Türkei (vgl. auch Hessisches LAG, Urteile vom 28.7.2003 - 16 Sa 584/00, n.v. (Bl. 76-79 d.A.), vom 1.12.2003 - 16 Sa 461/03 - zitiert nach Juris).

1.2

Soweit die Beklagte geltend macht, die Erstreckung der Normwirkung der tariflichen Regelungen über das Urlaubskassenverfahren in der Bauwirtschaft auf einen Arbeitgeber mit Sitz in der Türkei verstoße gegen europarechtliche Vorschriften, so folgt das Berufungsgericht dem nicht.

Eine Verletzung der Bestimmungen der Artikel 49, 50 EG scheidet gegenüber der Firma E. aus, da die Türkei nicht zu den Mitgliedsstaaten der EG gehört.

Auch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei vom 12. September 1963 (BGBl. II 1964, 510 f.) und das Zusatzprotokoll vom 23. November 1970 (BGBl. II 1972, 385 f.) stehen der Anwendung der Regelung in § 1 Abs. 1 AEntG nicht entgegen, insbesondere stellt diese gesetzliche Vorschrift keine neue Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar, die Artikel 41 Abs. 1 des Zusatzabkommens mit unmittelbarer Wirkung in den Mitgliedsstaaten (vgl. EUGH vom 5.10.2000 EAS EG Vertrag Artikel 238 Nr. 26) untersagt. Die Bestimmung beinhaltet zwar eine Stillhalteklausel, die es den Mitgliedsstaaten verbietet, neue Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Zusatzprotokolls einzuführen, die aufgrund § 1 Abs. 3 AEntG geltende Verpflichtung zur Teilnahme am baugewerblichen Sozialkassenverfahren ist aber - wie bereits das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil unter Hinweis auf die Begründung in dem Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts (vgl. Urteile vom 28.7.2003 und 1.12.2003, a.a.O.) zutreffend ausgeführt hat, und von deren wiederholender Darstellung das Berufungsgericht absieht - nicht ungünstiger als diejenige, die am Tag des Inkrafttretens des Zusatzprotokolls in der Bundesrepublik Deutschland am 19. Mai 1972 mit den Vorschriften der § 19 AFG und § 1 AEVO (vom 2.3.1971, BGBl. I 1971, 152) galt. Soweit die Berufung geltend macht, es sei für die Feststellung einer Verschlechterung auf einen Vergleich zwischen der Situation nach erteiltem Bewilligungsbescheid und der dann bestehenden Rechtsposition vor Inkrafttreten des Arbeitnehmerentsendegesetzes und der Situation nach Erlass des Bewilligungsbescheids im Zeitpunkt der Geltung des Arbeitnehmerentsendegesetzes abzustellen, so übersieht die Beklagte, dass die erforderliche Arbeitserlaubnis versagt werden konnte, wenn dies im Hinblick auf die Lage vergleichbarer deutscher Arbeitnehmer oder die Wettbewerbssituation der deutschen Bauwirtschaft erforderlich erschien und durch § 285 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III, § 1 Abs. 3 AEntG die Erbringung von Bauleistungen durch entsandte Arbeitnehmer von keinen strengeren Bedingungen abhängig gemacht wurden als im Jahr 1972. Soweit die Beklagte sich auf das Urteil des EUGH vom 21. Oktober 2003 (A. - C 317/01 und C 369/01) beruft, übersieht sie, dass im dortigen Fall des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs eine Arbeitserlaubnispflicht erst in den Jahren 1993/1996 eingeführt wurde, während nach der im Jahr 1971 geltenden Fassung des § 9 der Arbeitserlaubnisverordnung für das fahrende Personal im grenzüberschreitenden Personen- und Güterverkehr keine Arbeitserlaubnis erforderlich war. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass das Bundesarbeitsgericht zwischenzeitlich (Urteil vom 20.7.2004 - 9 AZR 343/03 - Presseerklärung Nr. 52/04) die Erstreckung des Urlaubskassenverfahrens ab 1. Januar 1999 auch auf ein Land der Europäischen Union für wirksam erachtet hat.

Die durch § 1a AEntG eingeführte Bürgenhaftung stellt nach Auffassung des Berufungsgerichts keine neue Beschränkung im Sinne des Art. 41 Abs. 1 des Zusatzabkommens dar, denn die Firma E. war nach § 1 Abs. 3 AEntG zur Teilnahme am Urlaubskassenverfahren verpflichtet und hätte sich nicht darauf berufen können, durch eine beabsichtigte Nichterfüllung ihrer gesetzlichen Verpflichtungen - einer unberechtigten - Belastung ausgesetzt zu sein.

2.

Danach besteht auch nach Auffassung des Berufungsgerichts eine Hauptschuld der Firma E., für die die Beklagte als Bürgin gemäß § 1a AEntG einzustehen hat.

Die Bürgenhaftung von Bauunternehmen für Urlaubskassenbeiträge verstößt nicht gegen höherrangiges, innerstaatliches Recht einschließlich des Verfassungsrechts, wie das Bundesarbeitsgericht in der Vorlageentscheidung vom 6. November 2002 (5 AZR 617/01 (A), NZA 2003, 490) mit ausführlicher Begründung festgestellt hat. § 1a AEntG verstößt weder gegen Artikel 12 Abs. 1 GG, da der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit durch Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist (vgl. BAG, Beschluss vom 6.11.2002, a.a.O., B IV) noch gegen Artikel 3 Abs. 1 GG (vgl. B V). Soweit das Bundesarbeitsgericht im dortigen Fall ein Vorabentscheidungsverfahren beim Europäischen Gerichtshof eingeleitet hat, ist dieser Fall dem hiesigen Fall nicht vergleichbar, da sich die Beklagte in Bezug auf ihre Vertragsbeziehungen zur türkischen Firma E. anders als im Fall der Vertragsbeziehungen zu einer portugiesischen Baufirma in dem dem Bundesarbeitsgericht vorliegenden Fall nicht auf Artikel 49 EG berufen kann.

3.

Wie das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil hält auch das Berufungsgericht eine Verwirkung der Ansprüche des Klägers für nicht gegeben. Soweit die Beklagte ein treuwidriges Verhalten des Klägers darin sieht, dass er zunächst in kurzen Abständen Beitragsrückstände eingefordert und danach über lange Zeit keine Forderungen mehr gestellt habe, kann allein darin ein Verwirkungstatbestand nicht gesehen werden, weil nicht erkennbar ist, aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen der Kläger zu erkennen gegeben haben soll, dass er innerhalb der Verfallfristen keine Ansprüche stellen werde und aus welchen Gründen die Beklagte berechtigterweise vom Verzicht auf etwaige Ansprüche ausgehen durfte. Soweit die Beklagte weiterhin - wenn auch nicht hinreichend konkret und von dem Kläger bestritten - geltend macht, der Kläger habe trotz zahlreicher Nachfragen keine Auskünfte erteilt, kann daraus weder hergeleitet werden, dass kein Beitragsrückstände bestanden noch dass der Kläger gegenüber der Beklagten keine solche geltend machen würde. Die Beklagte war vielmehr sowohl in der Lage als auch gehalten, entweder die Voraussetzungen für die Erteilung von Auskünften durch den Kläger zu schaffen oder entsprechende Auskünfte bzw. Nachweise von der Firma E. anzufordern, so dass weder der zeitliche Ablauf noch die von der Beklagten dargelegten Umstände geeignet sind, den Tatbestand der Verwirkung zu erfüllen.

III.

Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

IV.

Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG für die Beklagte zuzulassen.

Ende der Entscheidung

Zurück