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Gericht: Landesarbeitsgericht Brandenburg
Urteil verkündet am 13.11.2003
Aktenzeichen: 2 Sa 410/03
Rechtsgebiete: KSchG, BGB, AVR, MVG, ZPO, SGB IX, SGB X


Vorschriften:

KSchG § 1
KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 23
BGB § 626
BGB § 626 Abs. 1
AVR § 1 Abs. 3
AVR § 30 Abs. 1
AVR § 32 Abs. 2
MVG § 45
ZPO § 138 Abs. 3
SGB IX § 2 Abs. 3
SGB IX § 85
SGB IX § 69
SGB X § 34
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Brandenburg IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2 Sa 410/03

verkündet am 13.11.2003

In dem Rechtsstreit

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Brandenburg auf die mündliche Verhandlung vom 13. November 2003 durch den Vorsitzenden Richter am LAG als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter und

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt (Oder) vom 15.05.2003 - 5 Ca 563/03 - teilweise abgeändert und die Klage abgewiesen, soweit das Arbeitsgericht festgestellt, hat, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die vorsorglich ordentliche Kündigung der Beklagten vom 06.02.2003 nicht aufgelöst worden ist.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreites tragen der Kläger zu 3/4 , die Beklagte zu 1/4.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses nach arbeitgeberseitiger außerordentlicher, hilfsweise ordentlicher Kündigung.

Der Kläger war seit dem 17.08.1987 zunächst als Heimhandwerker, ab Anfang der 90er Jahre als Gruppenleiter in einer Werkstatt für Behinderte mit einem monatlichen Bruttoentgelt i. H. v. 2.180,67 Euro bei der Beklagten tätig. Der Kläger ist verheiratet und einem Kind gegenüber unterhaltspflichtig. Die Beklagte, die Mitglied im Verband des Diakonischen Werkes ist, beschäftigt 131 Mitarbeiter, von denen 71 kirchlich nicht gebunden sind. Gemäß Änderungsvertrag vom 11.10.1995 (vgl. Bl. 89 d. A.) gelten die Arbeitsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirchen in Deutschland in der jeweils gültigen Fassung.

Der Kläger, der bei seiner Einstellung der Evangelischen Kirche in Deutschland angehörte, trat 2002 aus der Kirche aus. Dies erfuhr die Beklagte Anfang Januar 2003; am 06. oder 07. Januar 2003 wurde der Personalleiter der Beklagten von der zuständigen Sachbearbeiterin darauf hingewiesen, dass auf der Lohnsteuerkarte des Klägers keine Kirchenmitgliedschaft eingetragen war. Mit Schreiben vom 08. Januar 2003 wurde der Kläger zu einem Personalgespräch eingeladen, das am 13. Januar 2003 stattfand. Bei einem vereinbarten weiteren Gespräch am 29. Januar 2003 erklärte der Kläger, er werde wieder in die Kirche eintreten, wenn die Mobbingprobleme ausgeräumt würden. Die Beklagte verlangte demgegenüber, der Kläger müsse zunächst wieder in die Kirche eintreten.

Mit Schreiben vom 03. Februar 2003 wurde die Mitarbeitervertretung bei der Beklagten angehört; diese stimmte der Kündigung am 05. Februar 2003 zu. Die Erklärung ging der Beklagten am 06. Februar 2003 zu. Mit Schreiben vom 06. Februar 2003, dem Kläger am 07. Februar 2003 zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich zum 11.02.2003 und vorsorglich ordentlich zum nächstmöglichen Termin (vgl. Bl. 7 d. A.).

Mit seiner beim Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) am 27. Februar 2003 eingegangenen Klage wandte der Kläger sich gegen die Rechtswirksamkeit der außerordentlichen und vorsorglich ordentlichen Kündigung, behauptete, die außerordentliche Kündigung sei rechtsunwirksam, die ordentliche Kündigung sozial ungerechtfertigt und rügte die ordnungsgemäße Anhörung der Mitarbeitervertretung. Er sei aus der Kirche ausgetreten, weil es Mobbingprobleme gegeben habe, die die Beklagte nie ernst genommen habe. Sein 15-jähriges Dienstjubiläum sei in der Mitarbeiterzeitung nicht erwähnt worden. Die Art und Weise des Umgangs und des Verhaltens mit dem Kläger durch die Beklagte stehe im Widerspruch mit den Grundsätzen der Diakonie und der evangelischen Kirche.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung und die vorsorgliche ordentliche Kündigung der Beklagten vom 06. Februar 2003 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meinte, in dem Kirchenaustritt manifestiere sich die Abwendung des Klägers von der evangelischen Grundlage. Eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung des Klägers gegenüber den anderen, nicht kirchlich gebundenen Mitarbeitern liege nicht vor. Die Mitarbeitervertretung sei ordnungsgemäß angehört worden.

Mit Urteil vom 15. Mai 2003 hat das Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung und die vorsorgliche ordentliche Kündigung der Beklagten vom 06. Februar 2003 nicht aufgelöst worden ist. Sowohl die außerordentliche als auch die ordentliche Kündigung seien rechtsunwirksam. Beide Kündigungen verstießen gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Ein gesetzlich anerkannter Kündigungsgrund setze einen Sachverhalt voraus, der auf das zukünftige Arbeitsverhältnis ausstrahle. Im Falle eines Kirchenaustritts fehle es jedoch an der nachhaltigen, zukünftigen Wirkung. Wiederholungsgefahr bestehe nicht. Nicht der Kirchenaustritt selbst, sondern nur die Abwendung des kündigenden Arbeitnehmers von der Kirche habe eine auf die Zukunft bezogene Wirkung. Aus Gründen der Gleichbehandlung müsse die Beklagte dies jedoch hinnehmen, weil sie Mitarbeiter beschäftige, die zu mehr als der Hälfte nicht der Kirche angehörten.

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Tatbestandes sowie der Entscheidungsgründe wird auf den Inhalt des angefochtenen Urteils Bezug genommen (vgl. Bl. 57 b. 57 d. A.).

Gegen das der Beklagten am 20.06.2003 zugestellte Urteil hat sie am 21.07.2003 (Montag) Berufung beim Landesarbeitsgericht eingelegt und diese zugleich begründet.

Sie wendet sich aus Rechtsgründen gegen die angefochtene Entscheidung und meint, die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Kündigungsrecht könne allenfalls an die Gleichartigkeit des Vertragsverstoßes anknüpfen, nicht jedoch an die Ungleichheit der Ausgangslage. Die Beklagte habe in keinem Fall den Kirchenaustritt eines Mitarbeiters ohne Kündigung hingenommen. Der Kläger habe sich durch den Kirchenaustritt von der evangelischen Kirche abgewandt. Das sei etwas anderes als die bloße konfessionelle Ungebundenheit eines Mitarbeiters. Der Kirchenaustritt gehöre zu den schwersten Vergehen gegen den Glauben und die Einheit der Kirche. Die Beklagte lege auch Wert auf eine Mitgliedschaft ihrer Mitarbeiter bei der evangelischen Kirche. Die Einstellung konfessionell ungebundener Mitarbeiter habe sich häufig nicht vermeiden lassen, da geeignete kirchenangehörige Bewerber nicht vorhanden gewesen seien. Im Ergebnis laufe die Entscheidung des Arbeitsgerichts auf die Abschaffung des Kündigungsrechts wegen Kirchenaustritts hinaus.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt (Oder) vom 15.05.2003 - 5 Ca 563/03 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung aus Rechtsgründen und behauptet, er sei schwerbehindert; die Fürsorgestelle sei nicht angehört worden. Auch habe der Kläger nicht gegen besondere Loyalitätsanforderungen verstoßen, denn die Beklagte habe den Grund für den Kirchenaustritt nie bestritten. Auch bei Loyalitätsverstößen gebe es keine absoluten Kündigungsgründe. Die Beklagte habe das Mobbing des Klägers zumindest geduldet und ihn hiervor nicht geschützt. Als er auf Missstände hingewiesen habe, habe die Beklagte nicht reagiert.

Wegen des weiteren Parteivortrags in der Berufungsinstanz wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie ihre Erklärungen im Verhandlungstermin vor dem Berufungsgericht Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht erhobene und begründete Berufung, die auch sonst zulässig ist, war bezüglich der hilfsweisen ordentlichen Kündigung erfolgreich, im Übrigen zurückzuweisen.

Danach steht fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien zwar nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten, jedoch durch die vorsorglich ordentliche Kündigung der Beklagten vom 06. Februar 2003 mit dem 30. September 2003 gem. § 30 Abs. 1 Satz 2 der Arbeitsvertragsrichtlinien für Einrichtungen, die dem Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland angeschlossen sind, Stand: 01. Januar 2002, beendet worden ist. Gemäß dem letzten Änderungsvertrag vom 11.10.1995 haben die Parteien die Anwendung der jeweils gültigen Fassung der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes vereinbart.

1. Die vorsorgliche, ordentliche Kündigung der Beklagten vom 06. Februar 2003 ist gem. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt und hat das Arbeitsverhältnis zum 30.09.2003 aufgelöst; die Voraussetzungen zur Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes gem. §§ 1, 23 KSchG liegen vor. Dementsprechend war das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und die Feststellungsklage bezüglich der ordentlichen Kündigung abzuweisen.

Durch seinen Kirchenaustritt im Jahre 2002, der der Beklagten erst Anfang 2003 bekannt geworden ist, hat der Kläger in erheblichem Maße gegen die ihm aus dem Arbeitsvertrag mit der Beklagten erwachsenden Loyalitätspflichten verstoßen und damit das notwendige Vertrauen der Beklagten in seine zukünftige Eignung als Mitarbeiter der Diakonie zerstört.

1.1. Nach der einschlägigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 04.06.1985 (2 BVR 1718/83 u. a., Bundesverfassungsgericht E 70, 138 ff.) und der dieser Entscheidung folgenden jüngeren Entscheidungspraxis des Bundesarbeitsgerichts (vgl. vor allem BAG AP Nr. 35 zu Art. 140 GG; AP Nr. 27 zu § 611 BGB Kirchendienst; AP Nr. 29 zu § 611 BGB Kirchendienst) "gewährleistet die Verfassungsgarantie des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts den Kirchen, darüber zu befinden, welche Dienste es in ihren Einrichtungen geben soll und in welchen Rechtsformen sie wahrzunehmen sind. Die Kirchen können sich dabei auch der Privatautonomie bedienen, um ein Arbeitsverhältnis zu begründen und zu regeln. Auf dieses findet das staatliche Arbeitsrecht Anwendung; hierbei bleibt das kirchliche Selbstbestimmungsrecht wesentlich. Das ermöglicht es den Kirchen, in den Schranken des für alle geltenden Gesetzes den kirchlichen Dienst nach ihrem Selbstverständnis zu regeln und die spezifischen Obliegenheiten kirchlicher Arbeitnehmer verbindlich zu machen. Welche kirchlichen Grundverpflichtungen als Gegen-stand des Arbeitsverhältnisses bedeutsam sein können, richtet sich nach den von der verfassten Kirche anerkannten Maßstäben. Dagegen kommt es weder auf die Auffassung der einzelnen betroffenen kirchlichen Einrichtungen, bei denen die Meinungsbildung von verschiedenen Motiven beeinflusst sein kann, noch auf diejenige breiter Kreise unter Kirchenmitglieder oder etwa gar einzelner bestimmten Tendenzen verbundener Mitarbeiter an. Im Streitfall haben die Arbeitsgerichte die vorgegebenen kirchlichen Maßstäbe für die Bewertung vertraglicher Loyalitätspflichten zugrunde zu legen, soweit die Verfassung das Recht der Kirchen anerkennt, hierüber selbst zu befinden. Es bleibt danach grundsätzlich den verfassten Kirchen überlassen, verbindlich zu bestimmen, was die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Verkündigung erfordert, was spezifisch kirchliche Aufgaben sind, was Nähe zu ihnen bedeutet, welches die wesentlichen Grundsätze der Glaubenslehre und Sittenlehre sind und was als - ggf. schwerer - Verstoß gegen diese anzusehen ist. Auch die Entscheidung darüber, ob und wie innerhalb der im kirchlichen Dienst tätigen Mitarbeiter eine Abstufung der Loyalitätspflichten eingreifen soll, ist grundsätzlich eine dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht unterliegende Angelegenheit. Liegt eine Verletzung von Loyalitätspflichten vor, so ist die weitere Frage, ob sie eine Kündigung des kirchlichen Arbeitsverhältnisses sachlich rechtfertigt, nach den kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften der §§ 1 KSchG, 626 BGB zu beantworten. Diese unterliegen als für alle geltendes Gesetz i. S. d. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV umfassender arbeitsgerichtlicher Anwendungskompetenz" (vgl. BAG, Urt. v. 21.02.2001 - 2 AZR 139/00 -, AP Nr. 29 zu § 611 BGB Kirchendienst).

1.2. Gem. § 1 Abs. 3 AVR geschieht der Diakonische Dienst im Auftrag Jesu Christi. Wer sich aus anderen Beweggründen zu diesem Dienst bereit findet, ist Mitarbeiterin und Mitarbeiter mit gleichen Rechten und Pflichten; sie bzw. er muss jedoch die evangelische Grundlage der diakonischen Arbeit anerkennen. Gem. § 32 Abs. 2 AVR liegt ein wichtiger Grund i. S. v. § 626 BGB insbesondere vor bei Vertrauensbrüchen oder groben Achtungsverletzungen gegenüber der Kirche oder ihrer Diakonie, bei Austritt aus der Evangelischen Kirche oder schweren Vergehen gegen die Gebote der kirchlichen Lebensordnung. ...

Aus diesen für das Arbeitsvertragsverhältnis unmittelbar geltenden Grundbestimmungen ergibt sich ohne weiteres, dass der Kirchenaustritt nach den eigenbestimmten Grundsätzen der Kirche und der Diakonie als schwerwiegender Vertragsverstoß gilt. Der Kirchenaustritt dokumentiert die klägerische Abwendung von der Kirche und berührt damit seine Glaubwürdigkeit und Eignung in der täglichen Arbeit, gerade auch bei der an den religiösen Grundanforderungen ausgerichteten täglichen Fürsorge für hilfebedürftige Menschen, ihrer Erziehung und ihrer Ausbildung.

Als Gruppenleiter in einer Behindertenwerkstatt der Diakonie wirkt der Kläger mit seiner täglichen Arbeit auch unmittelbar mit an der Verwirklichung caritativer Aufgaben i. S. d. evangelischen Kirche. Mit seiner Tätigkeit steht der Kläger dem caritativen Auftrag der evangelischen Kirche in der Diakonie besonders nahe. Seine Arbeit ist daher aus der Sicht der Beklagten Teil ihres christlichen Selbstverständnisses.

In Beachtung der vom Verfassungsrecht geschützten Grundentscheidungen der Kirche und ihrer Diakonie hat die neuere arbeitsgerichtliche Rechtsprechung den Kirchenaustritt eines an der Verwirklichung der kirchlichen oder caritativen Aufgaben beteiligten Mitarbeiters grundsätzlich als Kündigungsgrund anerkannt (vgl. nur LAG Hamm, Urt. v. 16.08.1988 - 7 Sa 536/88 -; ArbG Herford, Urt. v. 11.11.1992 - 2 Ca 782/92 -; LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 09.01.1997 - 11 Sa 428/96 -; LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 19.06.2000 - 9 Sa 3/00 -; BAG, Urt. v. 12.12.1984 - 7 AZR 418/83 -, AP Nr. 21 zu Art. 140 GG).

1.3. Die Pflichtverletzung des Klägers ist gem. § 32 Abs. 2 AVR nach den autonom getroffenen Entscheidungen der Diakonie schwerwiegend. Sie beeinträchtigt die Glaubwürdigkeit des Klägers bei der Verwirklichung der diakonischen Grundsätze in seiner täglichen Arbeit erheblich. Sie lässt daher seine Eignung für die zukünftige Erbringung der Arbeitsleistung in einem wesentlichen Bereich entfallen und zerstört damit die erforderliche Vertrauensgrundlage für die weitere Praktizierung des Arbeitsverhältnisses. Die Pflichtverletzung des Klägers ist mithin entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts evident zukunftsbezogen. Der schwerwiegende Loyalitätsverlust des Klägers stellt daher einen personenbedingten Kündigungsgrund dar und hat die streitgegenständliche Kündigung gem. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt.

Dem kann der Kläger nicht entgegenhalten, die Beklagte habe ihrerseits in schwerwiegender Weise gegen ihre diakonischen Grundsätze verstoßen, indem sie den Kläger nicht ausreichend gegen Mobbingvorwürfe geschützt habe oder nicht ausreichend an der Aufklärung der Mobbingprobleme mitgearbeitet habe. Denn der Vortrag des Klägers dazu ist gänzlich substanzlos.

Sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch in der Berufungsinstanz hat der Kläger lediglich schlagwortartig behauptet, es bestünden "Mobbingprobleme" und die Art und Weise seiner Behandlung seitens der Beklagten sei vertragswidrig. Auch auf Nachfrage in der Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat der Kläger diese Vorwürfe nicht präzisiert. Sie sind daher unbeachtlich.

Soweit der Kläger erstinstanzlich darauf hingewiesen hat, sein 15-jähriges Dienstjubiläum sei in der Mitarbeiterzeitung nicht erwähnt worden, kann die Berufungskammer in dieser Unterlassung seitens der Beklagten keine Pflichtverletzung erkennen. Es steht insoweit nicht einmal fest, ob der Kläger mit dieser Unterlassung gleichheitswidrig behandelt worden ist. Konkrete Pflichtverletzungen, eine Missachtung des Klägers, Schikanen oder rechtsmissbräuchliches Verhalten der Beklagten hat der Kläger nicht dargelegt.

1.4. Mit Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung hat die Beklagte auch nicht gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen, wie das Arbeitsgericht angenommen hat.

Zu Recht weist die Beklagte insoweit darauf hin, dass nach herrschender Auffassung der Gleichbehandlungsgrundsatz im Kündigungsrecht keine unmittelbare Anwendung findet (vgl. nur ErfK/Ascheid 4. Aufl., § 1 KSchG Rdnr. 153 f.; Münchner Handbuch zum Arbeitsrecht, 2. Aufl., Berkowsky, § 134 Rdnr. 100 ff.; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 10. Aufl., § 112 Rdnr. 47 ff. j. m. w. N.). Dem schließt sich die Berufungskammer an.

Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte mit der vorliegenden Kündigung am Kläger ein "Exempel" statuieren wollte, mit anderen Worten, allein den Kläger wegen seines von ihm gezeigten Verhaltens nach seinem Kirchenaustritt herausgreifen wollte. Dazu hat der Kläger nichts vorgetragen, sonstige Indizien dazu sind nicht ersichtlich. Im Gegenteil hat die Beklagte unwidersprochen vorgetragen, es gebe keinen Fall, in welchem sie den Kirchenaustritt eines Mitarbeiters ohne Kündigung hingenommen hätte.

Die arbeitsvertragliche Pflichtverletzung des Klägers ist auch nicht deshalb weniger schwerwiegend, weil bei der Beklagten unstreitig mehrheitlich konfessionslose Mitarbeiter tätig sind. Denn zum einen sind auch diese Mitarbeiter gem. § 1 Abs. 3 der AVR verpflichtet, die evangelischen Grundlagen der diakonischen Arbeit anzuerkennen. Zum anderen resultiert die Zusammensetzung der Beschäftigten bei der Beklagten aus der spezifischen Bevölkerungsstruktur im Land Brandenburg. Der hiesige, relativ geringe evangelische Bevölkerungsanteil zwingt die Beklagte zur Einstellung auch konfessionsloser Mitarbeiter, will sie einen ordnungsgemäßen Betrieb aufrecht erhalten, worauf sie hingewiesen hat (vgl. dazu auch BAG, Urt. v. 12.12.1984 - 7 AZR 418/83 -, AP Nr. 21 zu Art. 140 GG).

Schließlich stehen auch die sonstigen vertragsrechtlich zu berücksichtigenden Interessen des Klägers der streitgegenständlichen ordentlichen Kündigung nicht entgegen. Der Kläger war zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruches 46 Jahre alt, verheiratet und noch einem Kind zum Unterhalt verpflichtet. Damit steht fest, dass ihn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in eine schwierige soziale Situation führen wird, in der er im Hinblick auf die berufliche Situation im Land Brandenburg nicht unbedingt mehr mit einer neuen Arbeitsstelle rechnen kann. Diese Belastungen können jedoch ebenso wenig wie seine seit 1987 bestehende Betriebszugehörigkeit die hier festgestellte Zerstörung des arbeitsvertraglichen Vertrauensverhältnisses durch den schwerwiegenden Vertragsverstoß des Klägers selbst kompensieren. Zugunsten der Beklagten ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass sie dem Kläger Gelegenheit gegeben hat, seinen Kirchenaustritt und damit seine Vertragsverletzung rückgängig zu machen. Obwohl die Beklagte offenbar bereit war, von den erwogenen kündigungsrechtlichen Konsequenzen abzusehen, hat der Kläger sich dazu nicht in der Lage gesehen.

Zu Lasten des Klägers ist weiter zu berücksichtigen, dass er in einer gewissen herausgehobenen und auch zur Leitung und Anleitung berechtigenden Position bei der Beklagten tätig war. Wie bereits oben ausgeführt, verkörperte der Kläger damit in gewisser Weise auch den Diakonischen Dienst der Beklagten nach außen. Ihm konnte daher nicht entgangen sein, dass sein Kirchenaustritt das notwendige Vertrauen der Beklagten in seine Eignung zerstören würde und dass damit die Vertragsgrundlage durch sein eigenes Verhalten in erheblicher Weise gestört werden würde. Dass er in den Personalgesprächen im Januar 2003 gegen die erkennbaren und geäußerten Interessen der Beklagten darauf bestand, dass zunächst das "Mobbingproblem" geklärt werden müsste, zeigt der Berufungskammer, dass der Kläger die ihm vermeintlich zugefügten Nachteile im Vergleich zu seinem Kirchenaustritt als für ihn bedeutsamer und gewichtiger einschätzte. Unter diesen Umständen war es der Beklagten nicht zuzumuten, über die Kündigungsfrist hinaus am Arbeitsverhältnis mit dem Kläger festzuhalten.

1.5. Die streitgegenständliche ordentliche Kündigung der Beklagten verstößt auch nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die Beklagte war nicht verpflichtet, den Kläger vor Ausspruch der Kündigung abzumahnen.

Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Abmahnung auch bei Pflichtverletzungen im Vertrauensbereich erforderlich, wenn es um ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers geht und eine Wiederherstellung des Vertrauens erwartet werden kann (vgl. nur BAG, Urt. v. 04.06.1997 - 2 AZR 526/96 - AP Nr. 137 zu § 626 BGB). Allerdings ist die Abmahnung entbehrlich, wenn sie keinen Erfolg verspricht und wenn der Arbeitnehmer von vornherein zu erkennen gibt, dass ihn nur eine Kündigung von einem bestimmten Verhalten abbringen kann. Sie ist insbesondere bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen entbehrlich, deren Rechtswidrigkeit für den Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar und deren Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist (vgl. BAG, Urt. v. 01.07.1999 - 2 AZR 676/98 - AP Nr. 11 zu § 15 BBiG).

Vorliegend bedurfte es schon deswegen keiner Abmahnung, weil der Kläger mit seinem Kirchenaustritt eine schwerwiegende Pflichtverletzung begangen hat, deren Rechtswidrigkeit ihm ohne weiteres erkennbar war und deren Hinnahme, auch das war ihm ohne weiteres erkennbar, durch die Beklagte offensichtlich ausgeschlossen war. Der Ablauf der Personalgespräche im Januar 2003 hat im Übrigen gezeigt, dass der Kläger ohne weitere Bedingungen seinen Kirchenaustritt rückgängig zu machen nicht bereit war und daher eine Wiederherstellung des Vertrauens nicht erwartet werden konnte.

1.6. Die streitgegenständliche ordentliche Kündigung der Beklagten ist auch nicht deswegen rechtsunwirksam, weil die Mitarbeitervertretung bei der Beklagten gem. § 45 MVG nicht oder fehlerhaft beteiligt worden ist. Nachdem die Beklagte in der Klageerwiderung die Beteiligung ihrer Mitarbeitervertretung und die Zustimmung der Mitarbeitervertretung zur Kündigung im Einzelnen und unter Beweisantritt dargelegt hatte, hat der Kläger die Rüge, die er zuvor lediglich in der Klageschrift formelartig erhoben hatte, nicht mehr weiterverfolgt oder näher gerügt. Damit gelten die Darlegungen der Beklagten als zugestanden und unstreitig gem. § 138 Abs. 3 ZPO.

1.7. Entgegen der klägerischen Ansicht ist die Kündigung auch nicht deswegen rechtsunwirksam, weil sie gem. § 85 SGB IX der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes bedarf. Denn der Kläger ist weder schwerbehindert noch einem schwerbehinderten Menschen gem. § 2 Abs. 3 i. V. m. § 69 SGB IX gleichgestellt. Ausweislich des von ihm in erster Instanz vorgelegten Schreibens der Bundesanstalt für Arbeit vom 09.04.2003 ist ihm darin lediglich gem. § 34 SGB X die Gleichstellung zur Unterstützung der eigenen Bemühungen beim Erlangen eines Arbeitsplatzes zugesichert worden. Dieses Schreiben ersetzt jedoch einen Gleichstellungsbescheid nicht. Im Übrigen hatte der Kläger unstreitig seinen Antrag auf Gleichstellung erst nach Erhalt der streitgegenständlichen Kündigung gestellt, ohne dies der Beklagten binnen Monatsfrist mitzuteilen.

2. Die ebenfalls streitgegenständliche außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 06.02.2003 ist gem. § 626 Abs. 1 BGB i. V. m. § 32 Abs. 2 AVR rechtsunwirksam und hat das Arbeitsverhältnis entgegen der Ansicht der Beklagten nicht mit einer Frist zum 11.02.2003 aufgelöst. Insoweit war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

2.1. Nach der bereits mehrfach zitierten grundlegenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 04.06.1985, a. a. O. ist die weitere Frage, wenn eine Verletzung von Loyalitätspflichten vorliegt, ob sie eine Kündigung des kirchlichen Arbeitsverhältnisses sachlich rechtfertigt, nach den kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften u. a. des § 626 BGB zu beantworten. Nach den danach anzuwendenden anerkannten arbeitsrechtlichen Regelungen zur Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung gem. § 626 Abs. 1 BGB kann dahinstehen zu entscheiden, ob die vorliegende schwerwiegende Loyalitätspflichtverletzung des Klägers als wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung an sich geeignet ist. § 32 Abs. 2 AVR bindet die Arbeitsgerichte insoweit nicht, zwingt diese insbesondere nicht, entgegen den anerkannten Regeln zu § 626 BGB davon abzusehen, in einem zweiten Schritt über die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung nach umfassender Interessenabwägung im Einzelfall zu entscheiden. Denn insoweit begrenzt § 626 BGB als Schranke mit seiner umfassenden arbeitsgerichtlichen Anwendungskompetenz die Verfassungsgarantie des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts als für alle geltendes Gesetz gemäß Artikel 137 Abs. 3 Satz 1 WRV (BVerfG, a. a. O.; BAG, Urt. v. 21.02.2001, a. a. O.).

2.2. Nach Abwägung der Einzelfallinteressen und der besonderen Umstände des vorliegenden Falls kann das Berufungsgericht nicht feststellen, dass das Interesse der Beklagten an einem sofortigen Ende des Arbeitsverhältnisses die Interessen des Klägers, zumindest für die Dauer der Kündigungsfrist noch beschäftigt zu bleiben, überwiegen.

Zugunsten der Beklagten und ihrem Interessen an einer sofortigen Lösung des Arbeitsverhältnisses spricht die Schwere und Eindeutigkeit der klägerischen Vertragsverletzung. Wie ausgeführt, entfällt damit auch die Eignung des Klägers zur weiteren Arbeitsleistung bei der Beklagten auf Dauer. Indessen betrifft die Störung vornehmlich das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien mit der für die Beklagte wichtigen Außenwirkung. Für die Zeit der Kündigungsfrist bleibt der Kläger gleichwohl zur Erfüllung seiner tatsächlichen Arbeit in der Lage. Obwohl der Kläger bereits 2002 aus der Kirche ausgetreten ist, hat er - allerdings ohne Wissen der Beklagten vom Kirchenaustritt - bis Anfang 2003 weitergearbeitet. Der Kläger hat die Beklagte weder sofort noch später von seinem Kirchenaustritt informiert. Sie hat davon erst durch die Eintragung auf der Lohnsteuerkarte des Klägers Kenntnis erhalten. Dies lässt erkennen, dass der Kläger nicht einmal gegenüber der Beklagten, geschweige denn gegenüber den anderen Mitarbeitern oder der weiteren Öffentlichkeit seine durch den Kirchenaustritt dokumentierte Abwendung von den kirchlichen Grundsätzen herausstellt. Dieses Verhalten mindert zwar nicht die Bedeutung seines Vertragsverstoßes, wohl aber das Interesse der Beklagten an einer sofortigen Lösung des Arbeitsverhältnisses. Über den bloßen Austrittsakt hinausgehend hat der Kläger weder die Gemeinschaft der bei der Beklagten Beschäftigten noch das Auftreten der Beklagten als Einrichtung des Diakonischen Werkes nach außen gestört oder beeinträchtigt. Gegenteiliges hat weder die Beklagte vorgetragen, noch ist es aus sonstigen Indizien ersichtlich. Auch insoweit überwiegt mithin das Interesse des Klägers; es ist der Beklagten nicht unzumutbar, den Verbleib des Klägers für die Dauer der Kündigungsfrist hinzunehmen.

Zwar umfasst die Kündigungsfrist gem. § 30 Abs. 1 AVR sechs Monate, ist mithin relativ lang; jedoch sind die bereits oben erwähnten sozialen Erschwernisse des Klägers aufgrund der Kündigung der Beklagten und die vermutlich hohe Schwierigkeit, einen Arbeitsplatz zu erlangen, demgegenüber stärker zu berücksichtigen. Hinzu kommt, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Kündigung nahezu 16 Jahre bei der Beklagten tätig war.

Nach alledem überwiegt das Interesse des Klägers; das Interesse der Beklagten an der sofortigen Lösung des Arbeitsverhältnisses hat demgegenüber zurückzutreten.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Da das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche fristgemäße Kündigung aufgelöst worden ist, hatte der Kläger den überwiegenden Anteil der Kosten zu tragen.

Die Revision war nicht zuzulassen, da es an den gesetzlichen Voraussetzungen dafür fehlte. Die Entscheidung basiert auf der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und auf der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Die Interessenabwägung beruht auf den besonderen Umständen des Einzelfalles und konnte daher eine Revisionszulassung nicht rechtfertigen.

Ende der Entscheidung

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