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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Brandenburg
Urteil verkündet am 27.04.2004
Aktenzeichen: 2 Sa 51/04
Rechtsgebiete: BGB, KSchG, PersVG


Vorschriften:

BGB § 174
KSchG § 1
KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 1 Abs. 3
KSchG § 1 Abs. 3 Satz 1
KSchG § 1 Abs. 3 Satz 2
KSchG § 17 Abs. 1 Ziff. 2
KSchG § 23
PersVG § 61
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Brandenburg IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2 Sa 51/04

verkündet am 27.04.2004

In dem Rechtsstreit

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Brandenburg auf die mündliche Verhandlung vom 27. April 2004 durch den Vorsitzenden Richter am LAG als Vorsitzenden sowie die ehrenamtliche Richterin und den ehrenamtlichen Richter

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 27.11.2003 - 1 Ca 1178/03 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die ordentliche, betriebsbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin und hier insbesondere um die ordnungsgemäße Sozialauswahl.

Die Klägerin ist bei der beklagten Stadt, die als kommunale Trägerin mehrere Kindertagesstätten mit zuletzt 79 Erzieherinnen betreibt, ebenfalls als Erziehern mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden und einem Bruttomonatsverdienst i. H. v. 1.828,73 € seit dem 11.05.1981 tätig. Sie ist am 22.02.1958 geboren und verheiratet.

Zum notwendigen Personalabbau im pädagogischen Bereich der beklagten Stadt schloss diese mit ihrem Personalrat eine Dienstvereinbarung zum 31.08.2001 mit einer zweijährigen Laufzeit ab (vgl. 47 b. 50 d. A.). Danach war bei betriebsbedingten Kündigungen für die Bewertung der Sozialdaten ein Punktesystem vorgesehen und das pädagogische Personal in vier Altersgruppen aufgeteilt. In der Sitzung des Verwaltungsrats am 02.06.2004 entschied die beklagte Stadt, das Angebot an Kindertagesbetreuung dem reduzierten Rechtsanspruch auf Betreuung und den sinkenden Kinderzahlen anzupassen und kündigte insgesamt 9 Erzieherinnen, darunter auch der Klägerin. Zum Zeitpunkt der Kündigung befanden sich in der Altersgruppe A (Jahrgänge 1981 - 1972) 5 Erzieherinnen, was einem Anteil von 6,32 % an der Gesamtbeschäftigtenzahl ausmacht und auf die bei proportionaler Berücksichtigung 0,56 Kündigungen entfielen. In der Altersgruppe B (Jahrgänge 1971 - 1962) befanden sich ebenfalls 5 Erzieherinnen mit einem Anteil von 6,32 % an der Gesamtbeschäftigtenzahl und einem proportionalen Anteil von 0,56 Kündigungen. In der Altersgruppe C (Jahrgänge 1961 - 1952) befanden sich 51 Erzieherinnen mit einem Anteil von 64,55 % an der Gesamtbeschäftigtenzahl und einem proportionalen Anteil von 5,8 Kündigungen. In der Altersgruppe D (Jahrgänge 1951 - 1936) befanden sich 18 Erzieherinnen mit einem Anteil von 22,78 % an der Gesamtbeschäftigtenzahl und einem proportionalen Anteil von 2,05 Kündigungen. Tatsächlich kündigte die beklagte Stadt 7 Erzieherinnen aus der Altersgruppe C und 2 Erzieherinnen aus der Altersgruppe D. Die Klägerin steht an der 8. Rangstelle der Altersgruppe C und verfügt mit 164 sozialen Auswahlpunkten über ebensoviel Punkte wie ihre Kollegin R., die auf Platz 7 in der Altersgruppe C steht. Nach einer Einzelfallbetrachtung tauschte die Beklagte die Rangfolge zwischen beiden Personen; Frau R. wurde nicht gekündigt.

Mit Schreiben vom 05.06.2003 beantragt die beklagte Stadt die Zustimmung ihres Personalrats zur Kündigung der Klägerin. Der Personalrat äußerte sich nicht.

Mit Schreiben vom 24.06.2003, der Klägerin am 25.06.2003 zugestellt, kündigte die beklagte Stadt das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2003. Mit Schreiben vom 11.07.2003, der beklagten Stadt am 14.07.2003 zugegangen, ließ die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten die Kündigung zurückweisen.

Mit ihrer am 15. Juli 2003 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrte die Klägerin Kündigungsschutz, bestritt die betriebsbedingten Gründe für die Kündigung, rügte die Sozialauswahl als grob fehlerhaft, hier insbesondere die Unterteilung der Arbeitnehmer in verschiedene Altersgruppen als willkürlich, behauptete die Unwirksamkeit der Kündigung gem. § 174 BGB und bestritt die ordnungsgemäß Anhörung des Personalrats.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 24.06.2003 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptete, unter Zugrundlegung des Betreuungsschlüssels der Kita-Personalverordnung sei per 31.12.2003 ein Personalüberhang von 9 Mitarbeiterinnen ermittelt worden. Bei der Sozialauswahl habe die Beklagte sich an die Vorgaben der Dienstvereinbarung gehalten. Sie habe ein besonderes, berechtigtes betriebliches Interesse an der Erhaltung einer ausgewogenen Altersstruktur im Erziehungsbereich. Eine Sozialauswahl ohne Beachtung dieser Besonderheit führe zu einer erheblichen Verschiebung in der Altersstruktur, einer Überalterung der Belegschaft. Die Kündigung sei durch den stellvertretenden Bürgermeister wegen ständiger Verhinderung des Bürgermeisters erfolgt. Dem Personalrat seien die maßgeblichen Gründe für die betriebsbedingte Kündigung mitgeteilt worden, er habe die Prognose zum notwendigen Personalbedarf gekannt und ihm seien alle Unterlagen entsprechend der Dienstvereinbarung übergeben worden.

Mit Urteil vom 27.11.2003 hat das Arbeitsgericht Eberswalde der Klage stattgegeben. Die Kündigung der Klägerin verstoße gegen die Grundsätze über die ordnungsgemäße Sozialauswahl gem. § 1 Abs. 3 KSchG. Allein das geringere Alter der Klägerin könne den Verbleib der jüngeren Mitarbeiterinnen nicht gem. § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG rechtfertigen. Die Beschränkung der Sozialauswahl auf nach abstrakten Merkmalen gebildete Gruppen sei mit § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht vereinbar, weil Satz 2 die Berücksichtigung betrieblicher Bedürfnisse nur in Bezug auf die Beschäftigung bestimmter Arbeitnehmer zulasse, dagegen nicht erlaube, Gruppen von Arbeitnehmern aus der Sozialauswahl herauszunehmen. Die Beklagte habe reine Nützlichkeitserwägungen zur Sozialauswahl herangezogen, eine etwaige Beeinträchtigung des Betriebsablaufs oder der Leistungsfähigkeit der Kindertageseinrichtungen nicht substantiiert dargelegt. Es fehle auch an überzeugenden Darlegungen, dass bei einer einschneidenden Personalkürzung eine Auswahl allein nach sozialen Gesichtspunkten zu einem aus pädagogischer Sicht kaum tragbaren Ergebnis führen würde. Schließlich hätte eine ordnungsgemäß Beachtung der Kriterien zur Sozialauswahl nur zu marginalen Veränderungen im Altersaufbau geführt. Darüber hinaus werde die bestehende Altersstruktur nicht gesichert, sondern verschoben. Dies sei von § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht umfasst.

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Tatbestandes sowie der Entscheidungsgründe wird auf den Inhalt des Urteils Bezug genommen (vgl. Bl. 49 b. 58 d. A.).

Gegen das der beklagten Stadt am 19.01.2004 zugestellte Urteil hat sie Berufung eingelegt, die am 27.01.2004 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist. Die Berufungsbegründung ist am 18.03.2004 beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

Die beklagte Stadt wendet sich aus Rechtsgründen gegen die angefochtene Entscheidung und meint, es sei durch die obergerichtliche Rechtsprechung anerkannt, dass die im Rahmen der Sozialauswahl gebildeten Altersgruppen der Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur dienten. Eine Kündigung in den Altersgruppen A und B hätten die gesamte Altersstruktur noch verschlechtert. Hätte die beklagte Stadt sich an den klassischen Kriterien der Sozialauswahl orientiert, wäre nur noch eine Erzieherin mit einem Lebensalter von über 40 Jahren aus den Altersgruppen A und B bei der Beklagten verblieben; der Altersdurchschnitt aller Beschäftigten hätte dann bei 48,18 Lebensjahren gelegen. Dies belege die Notwendigkeit zur Sicherung einer ausgewogenen Altersstruktur. Dies gelte erst recht für Kindertagesstätten zur Erfüllung ihres umfassenden Erziehungsauftrages mit einer zeitgemäßen Pädagogik.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sei verteidigt die angefochtene Entscheidung ebenfalls überwiegend mit Rechtsgründen. Die von der Beklagten tatsächlich vorgenommene Sozialauswahl führe zu einer Verjüngung des Personalbestandes. Im Binnenvergleich der Altersgruppen hätten die Gruppen A und B zusammen genommen um fast 30 % zugenommen, bei der Gruppe C hätte es einen Rückgang auf 97,37 % gegeben. In die Gruppe A seien fehlerhaft auch Mitarbeiterinnen mit befristeten Arbeitsverträgen aufgenommen worden. Demgegenüber behauptet die Beklagte, diese Mitarbeiterinnen seien arbeitsvertraglich ordentlich kündbar. Im Übrigen sei der Fehlbedarf durch die Beklagte zu hoch angesetzt worden. Dies führe zu einer überobligatorischen Anstrengung der noch verbliebenen Mitarbeiterinnen. Diese müssten Mehrarbeit leisten. Auch seien die Altersgruppen fehlerhaft gebildet worden. Schließlich sei die Dienstvereinbarung zum Zeitpunkt der Beendigung des klägerischen Arbeitsverhältnisses bereits außer Kraft getreten. Sie könne daher auf das vorliegende Arbeitsverhältnis nicht angewendet werden.

Wegen des weiteren Vortrags in der Berufungsinstanz wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie ihre mündlichen Erklärungen im Verhandlungstermin vor dem Berufungsgericht vom 27.04.2004 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, frist- und ordnungsgemäß eingelegte und begründete Berufung, die auch sonst statthaft war, blieb ohne Erfolg. Zu Recht hat das Arbeitsgericht Eberswalde im Ergebnis der Klage stattgegeben.

1. Die Kündigung des klägerischen Arbeitsverhältnisses mit Schreiben vom 24.06.2003 ist rechtsunwirksam. Zu Recht hat das Arbeitsgericht im Ergebnis festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die streitgegenständliche Kündigung nicht aufgelöst worden ist. Die Kündigung vom 24.06.2003 ist gem. § 1 Abs. 3 KSchG in der Fassung durch das Gesetz zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte vom 19.12.1998 (BGBl. I, S. 3843) sozial ungerechtfertigt; das Gesetz ist in der genannten Fassung auf die streitgegenständliche Kündigung anwendbar, weil die Kündigungserklärung der Klägerin am 25.06.2003 zugegangen ist und ein Ende des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2003 bewirken sollte. Mithin wirkt die aktuelle Fassung des Kündigungsschutzgesetzes, geändert durch Gesetz vom 24.12.2003 (BGBl. I, S. 3002) auf die streitgegenständliche Kündigung nicht.

Die Anwendungsvoraussetzungen des Kündigungsschutzgesetzes, §§ 1, 23 KSchG, liegen vor; die Klägerin hat auch rechtszeitig und ordnungsgemäß Klage erhoben.

Nach Auffassung der Berufungskammer spricht zwar alles dafür, dass die beklagte Stadt ihre unternehmerische Entscheidung, am 02.06.2003 unter Zugrundelegung des Betreuungsschlüssels der Kita-Personalverordnung einen Personalüberhang von 9 Mitarbeiterinnen im Kita-Bereich festgestellt zu haben und den Personalüberhang durch eine entsprechende Anzahl von Kündigungen einschließlich des Arbeitsverhältnisses der Klägerin zu beseitigen, ordnungsgemäß dargelegt hat und daher die streitgegenständliche Kündigung mangels substantieller Einwendungen der Klägerin dagegen aus dringenden betrieblichen Gründen gem. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt war. Die Entscheidung dazu kann jedoch letztlich dahingestellt bleiben ebenso wie die Entscheidung dazu, ob die Kündigung rechtswirksam gem. § 174 BGB zurückgewiesen worden ist und ob der Personalrat ordnungsgemäß gem. § 61 PersVG Brandenburg vor Ausspruch der Kündigung beteiligt worden ist. Denn die Kündigung der Klägerin vom 24.06.2003 ist infolge fehlerhafter Sozialauswahl gem. § 1 Abs. 3 KSchG sozial ungerechtfertigt und daher rechts-unwirksam. Insbesondere ist die Klägerin nicht gem. § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG aus der Sozialauswahl gemäß Satz 1 herauszunehmen. Entgegen der Auffassung der beklagten Stadt ist die Weiterbeschäftigung aller bisherigen Mitarbeiterinnen aus den Altersgruppen A und B im Verhältnis zur Klägerin nicht durch ein sonstiges berechtigtes betriebliches Bedürfnis bedingt und steht damit der Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten nicht entgegen.

2. In Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht und der Rechtsansicht der Parteien geht auch die Berufungskammer grundsätzlich davon aus, dass die Erhaltung einer ausgewogenen Altersstruktur der Belegschaft, die für den normalen Betriebsablauf erforderlich ist, jedenfalls bei Massenentlassungen als berechtigtes betriebliches Bedürfnis anzuerkennen ist (Urt. d. BAG v. 23.11.2000 - 2 AZR 533/99 -, AP Nr. 114 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung m. w. N.). Diese Regelung galt ausdrücklich in der Fassung des Kündigungsschutzgesetzes durch das arbeitsrechtliche Beschäftigungsförderungsgesetz vom 25.09.1996 (BGBl. I, S. 1476) zur "Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes" und gilt wieder in der jetzt aktuellen Fassung des Kündigungsschutzgesetzes. Es besteht jedoch weitgehend Einigkeit darüber, dass der Gesetzgeber mit seinem Gesetz zur Korrektur in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte vom 19.12.1998, der hier anwendbaren Fassung des Kündigungsschutzgesetzes, daran nichts geändert hat (so wohl das BAG, a. a. O.; KR-Etzel, 6. Aufl., § 1 Rdnr. 678 m. w. N.). Insbesondere ist der Arbeitgeber bei anstehenden Massenentlassungen und in Anerkennung des besonderen betrieblichen Bedürfnisses gem. § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG berechtigt, Altersgruppen innerhalb der zur Sozialauswahl anstehenden Personen zu bilden und dann anteilmäßig aus den jeweiligen Altersgruppen zu kündigen (BAG, a. a. O.; ErfK-Ascheid, 4. Aufl., § 1 KSchG Rdnr. 512 m. w. N.). Auch nach der ständigen Rechtsprechung des Berufungsgerichts sind die kommunalen Arbeitgeber des Landes als Träger der Kindertageseinrichtungen im Fall von Massenentlassungen berechtigt, zur Sicherung einer ausgewogenen Altersstruktur Altersgruppen zu bilden und daraus proportional die Kündigungen, die aus dringenden betrieblichen Gründen bedingt sind, vorzunehmen (LAG Brandenburg, Urt. v. 19.08.1999, 8 Sa 812/98 und Urt. v. 28.09.1999, 4 Sa 62/99).

Gem. § 17 Abs. 1 Ziff. 2 KSchG handelt es sich vorliegend um eine "Massenentlassung", da von 79 Erzieherinnen insgesamt 9 entlassen worden sind.

Die beklagte Stadt war auch berechtigt, die Bildung der Altersgruppen in einer kollektivrechtlichen Regelung vorzunehmen und sie im Einzelnen auszugestalten; dies ist hier mit der Dienstvereinbarung vom 31.08.2001 geschehen. Die Bedenken des Arbeitsgerichts gegen diese Dienstvereinbarung teilt die Berufungskammer nicht. Ob die danach vorgenommene Einteilung in vier bestimmte Altersgruppen rechtswirksam war oder insbesondere deswegen nicht, weil der überwiegende Anteil der Mitarbeiterinnen in der Altersgruppe C zusammengefasst war, wie die Klägerin moniert hat, kann dahinstehen. Ebenso kann dahinstehen, ob, wie die Klägerin gerügt hat, die am 31.08.2003 ausgelaufene Dienstvereinbarung auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin und ihre Kündigung zum Kündigungszugangszeitpunkt keine Anwendung mehr findet.

Denn die beklagte Stadt hat mit der streitgegenständlichen Kündigung der Klägerin gegen die Festlegungen in § 4 Abs. 2 letzter Satz ihrer eigenen Dienstvereinbarung vom 31.08.2001 verstoßen und damit nicht in Anerkennung von § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG zur Sicherung einer ausgewogenen Altersstruktur gehandelt. Sie hat vielmehr mit der Kündigung von 7 Mitarbeiterinnen aus der Altersgruppe C diese Altersgruppe überproportional bei den Kündigungen herangezogen und damit eine - unzulässige - Verjüngung ihres Kita-Personals herbeigeführt.

Da die Klägerin an Platz 7 der Altersgruppe C gelistet ist, führt die objektiv fehlerhafte Sozialauswahl auch unmittelbar zur Benachteiligung der Klägerin und damit zur Rechtsunwirksamkeit ihrer Kündigung gem. § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG.

3. Nach ständiger Rechtsprechung (BAG, a. a. O., LAG Brandenburg, a. s. O.) und überwiegender Auffassung in der Literatur (KR-Etzel, a. a. O.; ErfK-Ascheid, a. a. O.) ist eine Herausnahme bestimmter Arbeitnehmer aus der Sozialauswahl zur Weiterbeschäftigung berechtigten betrieblichen Interesse gem. § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG nur gerechtfertigt, wenn sie zur Sicherung einer ausgewogenen Altersstruktur, die bereits im Betrieb vorhanden ist, führt, und nicht die Herstellung und Schaffung einer verbesserten, sprich verjüngten Altersstruktur dient. Die streitgegenständliche Kündigung der Klägerin führt jedoch objektiv zu einer Verjüngung der vorhandenen Altersstruktur im Erzieherinnenbereich bei der beklagten Stadt. Dies hat diese im Grundsatz auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht eingeräumt.

Das Durchschnittsalter der Erzieherinnen lag vor der Kündigung bei 46,3 Jahren. Nach den ausgesprochenen Kündigungen einschließlich der Kündigung der Klägerin liegt das Durchschnittsalter bei 45,3 Jahren. Wäre die Klägerin von der Kündigung ausgenommen worden, läge der Altersdurchschnitt bei 46,0 Jahren. Schon dies zeigt die "überschießende" Tendenz der Kündigungsauswahl durch die beklagte Stadt.

Auch nach den eigenen Darlegungen der beklagten Stadt in der Berufungsbegründung hat sie ein Kündigungsvolumen von rechnerisch 1,12 Kündigungen aus den Altersgruppen A und B bei der Sozialauswahl unberücksichtigt gelassen. Dieses Kündigungsvolumen hat sie rechnerisch und faktisch der Altersgruppe C zugeschlagen, in der rechnerisch nur ein Kündigungsvolumen von 5,8 Kündigungen bei proportionaler Beteiligung angefallen wäre. Tatsächlich hat die Beklagte 7 Mitarbeiterinnen aus der Gruppe C gekündigt. Für diese Verlagerung des Kündigungsvolumens zu Lasten der Altersgruppe C gibt es jedoch keinen sachlich gerechtfertigten Grund gem. § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG.

Entgegen der Rechtsansicht der beklagten Stadt hätte jeweils einer Mitarbeiterin aus den Gruppen A und B eine Änderungskündigung zur Reduzierung der Arbeitszeit um jeweils die Hälfte ausgesprochen werden können. Dies wäre weder grundsätzlich unzulässig, noch grundsätzlich unzumutbar gewesen. Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung ist für die betriebsbedingte Änderungskündigung darauf abzustellen, ob dringende betriebliche Erfordernisse gem. § 1 Abs. 2 KSchG das Änderungsangebot bedingen und der Arbeitgeber sich bei einem an sich anerkennenswerten Anlass zur Änderungskündigung darauf beschränkt hat, nur solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss (vgl. nur BAG v. 18.11.1999, EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 104 m. w. N.). Aus welchen Gründen die Reduzierung der Arbeitszeit von 30 Wochenstunden auf ca. 15 Wochenstunden einer konkreten Arbeitnehmerin im konkreten Einzelfall nicht zumutbar sein soll, hat die beklagte Stadt nicht dargelegt. Grundsätzlich ist jedenfalls eine solche Änderung der Arbeitsbedingungen nicht von vornherein unzumutbar. Dies könnte allenfalls eine Prüfung der Einzelfallumstände ergeben. Eine solche hat die beklagte Stadt offenbar nicht vorgenommen.

Selbst wenn die beklagte Stadt zwei Änderungskündigungen in den Gruppen A und B nicht ausgesprochen hätte, hätte es näher gelegen, die Gruppen A und B zusammenzufassen und die Kündigung einer vollen Stelle im Umfang von 30 Wochenstunden der Mitarbeiterinnen aus der Gruppe A und B auszusprechen, die, isoliert für beide Gruppen betrachtet, am wenigsten sozial schutzbedürftig ist. Gegen ein solches Vorgehen spricht entgegen der Ansicht der beklagten Stadt nicht, dass die beiden Gruppen wider die Einteilung in der Dienstvereinbarung vom 31.08.2001 zusammengefasst werden. Denn die tatsächlich vorgenommene Verschiebung einer zu kündigenden Erzieherinnenstelle auf die Altersgruppe C bedeutet ebenfalls einen Verstoß gegen § 4 der Dienstvereinbarung. In der ersten Alternative sind die Folgen für die von der Kündigung betroffenen Mitarbeiterinnen jedoch nicht so gravierend wie in der zweiten Alternative. Denn die aufgrund der Verschiebung des Kündigungsvolumens auf die Gruppe C von der Kündigung konkret betroffene Klägerin wäre sozial deutlich schutzbedürftiger als eine von der Kündigung aus den Gruppen A und B betroffenen Arbeitnehmerin.

Wäre in der Gruppe A eine Kündigung vorgenommen worden, in der Gruppe B keine Kündigung, in der Gruppe C sechs Kündigungen und in der Gruppe D, wie geschehen, zwei Kündigungen, würde die prozentuale Zusammensetzung der Gruppen wie folgt lauten: A = 5,71 %; B = 7,14 %; C = 64,29 % und D = 22,86 %. Nach der tatsächlich vorgenommenen Kündigungswelle der Beklagten lautet jedoch das aktuelle prozentuale Verhältnis: A = 7,14 %; B = 7,14 %; C = 62,86 % und D = 22,86 %. Auch hier ist offenkundig, dass die Beklagte eine objektiv spürbare und deutliche Verschiebung ihrer Altersgruppe zugunsten der jüngeren Beschäftigten mit der Kündigungswelle vorgenommen hat. Dies wird auch deutlich, wenn man beachtet, dass die Kündigung einer Mitarbeiterinnenstelle bei 79 Beschäftigten einen Anteil von 1,27 % aller Beschäftigten ausmacht. Im Ergebnis hat daher die beklagte Stadt nicht etwa nur eine marginale Veränderung in Randbereichen der Belegschaft, insbesondere verursacht durch die rechnerische möglichst genaue Erfassung des Kündigungsvolumens über eine volle Mitarbeiterinnenstelle hinausgehend, vorgenommen. Sondern sie hat eine Verjüngung ihrer Altersstruktur mit Hilfe dieser Massenentlassung i. H. v. mehr als einer vollen Beschäftigungsstelle bewirkt. Dazu war sie jedoch gem. § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht berechtigt.

4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da es an den gesetzlichen Voraussetzungen dafür fehlte.

Ende der Entscheidung

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