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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Brandenburg
Urteil verkündet am 01.03.2006
Aktenzeichen: 6 Sa 485/05
Rechtsgebiete: MTV für Arbeiter der Metall- und Elektroindustrie Berlin-Brandenburg


Vorschriften:

MTV für Arbeiter der Metall- und Elektroindustrie Berlin-Brandenburg Ziff. 7.1.3
Nach dem MTV für Arbeiter der Metall- und Elektroindustrie Berlin-Brandenburg (Tarifgebiet) besteht kein Anspruch auf einen Zuschlag für unregelmäßige Nachtarbeit gem. Ziff. 7.1.3., wenn die Nachtarbeit gemäß einem Schichtplan im Wechsel mit der Frühschicht geleistet wird.
Landesarbeitsgericht Brandenburg IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 Sa 485/05

verkündet am 01.03.2006

In dem Rechtsstreit

hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Brandenburg auf die mündliche Verhandlung vom 01. März 2006 durch den Vorsitzenden Richter am LAG P. als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter K. und L.

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Brandenburg vom 23.06.2005 - 2 Ca 345/04 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Zahlung von Nachtzuschlägen.

Der Kläger ist bei der Beklagten als Gruppenkoordinator in der Produktion beschäftigt, in der im Mehrschichtbetrieb Trockner und Toplader hergestellt werden. Die Beklagte ist nicht tarifgebunden. Die arbeitsvertraglichen Bedingungen ergeben sich aus dem Einstellungsschreiben vom 23.12.1994, in dem unter § 12 Abs. 2 festgelegt ist:

"Im übrigen sind für Ihr Arbeitsverhältnis die gesetzlich vorgeschriebenen Regelungen sowie - soweit keine abweichenden betrieblichen Regelungen bei H. bestehen - die tariflichen Bestimmungen des Manteltarifvertrages für Arbeiter der Metall- und Elektroindustrie Berlin Brandenburg (Tarifgebiet II) in der Fassung der Vereinbarung vom 10.3.1991 maßgebend."

Der Kläger hat in den Monaten September, Oktober und November 2004 im Wechsel von Nachtschicht und Frühschicht gearbeitet. Für die Nachtarbeit zahlte die Beklagte ab September 2004 einen Zuschlag von 7,5 % pro Stunde. Nach Geltendmachung gemäß Schreiben vom 29.12.2004 und Ablehnung durch die Beklagte mit Schreiben vom 21.1.2005 begehrte der Kläger mit der am 2.3.2005 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Klage die noch streitig gebliebene Zahlung eines Nachtzuschlags in Höhe von 50 %, gleich 1.741,64 Euro.

Der Kläger hat vorgetragen, dass der Zuschlag ihm nach Ziffer 7.1.3 des Manteltarifvertrages für Arbeiter der Metall- und Elektroindustrie Berlin Brandenburg (Tarifgebiet II) (MTV) zustehe, weil er keine ständige Nachtarbeit geleistet habe. Eine wirksame abweichende betriebliche Regelung bestehe nicht. Die Beklagte habe den Nachtarbeitszuschlag nicht einseitig festlegen können, da Fragen der betrieblichen Lohngestaltung dem Mitbestimmungsrecht unterlägen und eine Vereinbarung mit dem bei ihr bestehenden Betriebrat über die Nachtarbeitszuschläge nicht getroffen worden sei. Der Anspruch sei nicht verfallen. Insoweit finde der MTV keine Anwendung. Nach Ziffer 37 der Hausordnung vom 24.1.1994 sowie der seit dem 1.1.2005 geltenden Arbeitszeitordnung sei nur die schriftliche Geltendmachung innerhalb von drei Monaten seit Fälligkeit erforderlich. Das sei mit dem Schreiben vom 29.12.2004 geschehen.

Der Kläger hat beantragt,

Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.741,64 Euro brutto nebst 5 % Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 288 BGB hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass Ziffer 37 der Hausordnung die Verfallfristen des MTV insgesamt in Bezug nehme, und damit auch die Frist für die gerichtliche Geltendmachung, die mit der vorliegenden Klage nicht eingehalten worden sei. Unabhängig davon stehe dem Kläger der Nachtarbeitszuschlag von 50 % nicht zu. Er sei nach dem MTV nur bei unregelmäßiger Nachtarbeit vorgesehen, die er nicht geleistet habe. Zudem würden die Regelungen des MTV durch eine betriebliche Übung verdrängt, die den gezahlten Zuschlag von 7,5 % vorsehe. Ein. Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates habe nicht bestanden.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 23.6.2005 die Beklagte zur Zahlung von 417,99 Euro brutto nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass dem Kläger nach dem einzelvertraglich vereinbarten MTV lediglich ein Wechselschichtzuschlag in Höhe von 12 % zustehe, der zu einem Zahlungsanspruch von 417,99 Euro führe. Eine den MTV verdrängende betriebliche Übung habe nicht bestanden. Seinen Anspruch habe er frist- und formgerecht geltend gemacht.

Gegen das ihm am 10.8.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 6.9.2005 Berufung eingelegt und sie am 6.20.2005 begründet.

Der Kläger führt aus, dass er entgegen der vom Arbeitsgericht vertretenen Auffassung nicht ständige, sondern unregelmäßige Nachtarbeit im Sinne des MTV geleistet habe und ihm daher der Zuschlag von 50 % zustehe. Hilfsweise stehe ihm gemäß Ziffer 7.1.2 MTV ein Zuschlag von 15 % für eine Tätigkeit in der 3. und 4. Schicht zu.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel vom 23.6.2005 - 2 Ca 345/05 - teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 1.323,65 Euro brutto als Zulage für die in Wechselschicht geleistete Nachtarbeit nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 7.3.2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, dass dem Kläger allenfalls die Wechselschichtzulage zugestanden habe, da er in dem streitbefangenen Zeitraum gemäß einem Schichtplan nur im regelmäßigen Wechsel von Früh und Nachtschicht gearbeitet habe. Eine 3. und 4. Schicht sei nicht angefallen. Eine Nacht- Wechselschichtzulage sehe der MTV nicht vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1 Die Berufung ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hatte sie keinen Erfolg. Dem Kläger steht der mit der Berufung weiterverfolgt Anspruch weder nach Tarifvertrag noch aus sonstigen Gründen zu.

2. Der Manteltarifvertrag für Arbeiter der Metall- und Elektroindustrie Berlin Brandenburg (Tarifgebiet II) in der Fassung der Vereinbarung vom 10.3.1991 sieht, soweit für den vorliegenden Fall relevant, für die Zahlung von Zuschlägen folgende Regelungen vor:

"6.2 Wechselschichtarbeit ist die Arbeit, die von einzelnen Beschäftigten im Rahmen regelmäßig wechselnder Schichten geleistet wird.

Im Rahmen regelmäßig wechselnder Schichten geleistete Arbeit liegt vor, wenn einzelne Beschäftigte, dem Schichtplan entsprechend, selbst regelmäßigem Schichtwechsel unterliegen oder aber ständig außerhalb der Normalschicht bzw. der ersten Schicht in den weiteren Schichten des Schichtplans eingesetzt werden.

Protokollnotiz:

Die Schichtzuschläge, die für tatsächlich in den Nachtstunden zwischen 20.00 Uhr und 6.00 Uhr geleistete Arbeit gezahlt werden, haben den Rechtscharakter von Nachtarbeitszuschlägen.

6.3 Nachtarbeit ist die in der Zeit zwischen 20.00 Uhr und 6.00 Uhr geleistete Arbeit.

Ständige Nachtarbeit ist Nachtarbeit, die für einen zusammenhängenden Zeitraum von mehr als zwei Wochen angeordnet wird.

Unregelmäßige Nachtarbeit ist Nachtarbeit, die aus Anlass betrieblicher Erfordernisse außerhalb der regelmäßigen Schicht geleistet wird.

7 Zuschläge

7.1 Folgende Zuschläge werden für angeordnete Arbeitsleistungen gezahlt:

........

7.1.2 Wechselschichtarbeit (Ziffer 6.2)

in der 2. Schicht 12 %

in der 3.und 4. Schicht 15 %

7.1.3 Nachtarbeit (Ziffer 6.3)

ständige Nachtarbeit 15 %

unregelmäßige Nachtarbeit 50 %

unregelmäßige Nachtarbeit, die zugleich Mehrarbeit ist 60 %

......

7.4 Beim Zusammentreffen mehrerer Zuschläge ist nur ein Zuschlag, und zwar der höhere zu zahlen. Dies gilt jedoch nicht für den Fall des Zusammentreffens von Zuschlägen für Mehrarbeit (Ziffer 7.1.1) und Wechselschichtarbeit (Ziffer 7.1.2).

3. Die Zahlung eines Nachtarbeitszuschlages von 50 % setzt damit voraus, dass unregelmäßige Nachtarbeit geleistet worden ist. Der Begriff der unregelmäßigen Nachtarbeit haben die Tarifvertragsparteien unter Ziffer 6.3. 3. Absatz MTV selbst definiert. Sie liegt vor, wenn die Nachtarbeit aus Anlass betrieblicher Erfordernisse außerhalb der regelmäßigen Schicht geleistet wird. Zwar ist insoweit, als die Tarifvertragsparteien die Bestimmung tariflicher Begriffe selbst vornehmen, ein Rückgriff auf den allgemeinen Sprachgebrauch nicht geboten. Die Tarifvertragsparteien haben sich aber bei der Begriffsbestimmung wiederum des nicht definierten Begriffs der regelmäßigen Schicht bedient. Für das Erfordernis der Regelmäßigkeit ist daher auf den allgemeinen Sprachgebrauch zurückzugreifen. Danach bedeutet "regelmäßig" nach einer bestimmten Regel geschehend, in gleichen Abständen sich wiederholend (vgl. BAG Urteil vom 25.7.2002 - 10 AZR 758/00 - in EZA Nr. 2 zu § 611 BGB Schichtarbeit). Eine solche Regel stellt der Schichtplan dar. So stellen auch die Tarifvertragsparteien unter Ziffer 6.2 MTV zur Bestimmung des Begriffs regelmäßig wechselnde Schicht auf den Schichtplan ab.

Die von dem Kläger geleistete Nachtarbeit beruht auf einem Schichtplan, der bis August den Wechsel von Früh- und Spätschicht, für die Monate September bis November dagegen den Wechsel von Nacht- und Frühschicht vorsah. Der Schichtplan stellte die Regel auf, nach der die Früh- und Nachtschichten sich in gleichen Abständen wiederholten. Entsprechen und nicht außerhalb dieser Regel wurde der Kläger zu den Schichtarbeiten herangezogen. Seine Nachtarbeit war damit nicht unregelmäßig.

An der Regelmäßigkeit fehlt es nicht deswegen, weil die Nachtarbeit lediglich für drei Monate in den Schichtplan aufgenommen worden ist. Ihr steht auch nicht entgegen, dass die Festlegung nicht von vornherein sondern durch jeweilige Änderungen des Schichtplanes für die Monate September, Oktober und November erfolgt ist. Diese Umstände ändern nichts daran, dass die Nachtarbeit nicht von einer vorgegebenen Regel abweichend, sondern nach einer durch die Schichtplanänderungen für die jeweiligen Monate festgelegte Regel zu leisten war. Auch die Änderungen haben eine Ordnung aufgestellt, nach der sich der Kläger auf die von ihm zu leistende Nachtarbeit einstellen konnte. Die Regelmäßigkeit setzt nicht voraus, dass sie von vornherein für ein ganzes Jahr oder mehrere Monate festgelegt wird. Die Nachtarbeit folgt auch dann einer bestimmten Regel und wiederholt sich in gleichen Abständen, wenn sie für kürzere Zeitabschnitte vorgegeben wird.

Die Nachtarbeit war nicht deswegen unregelmäßig, weil sie zur Abdeckung von Auftragsspitzen angeordnet worden sind. Damit mag ein betriebliches Erfordernis im Sinne der Ziffer 6.3. Abs. 3 MTV vorliegen. Die Unregelmäßigkeit im Sinne dieser Bestimmung erfordert aber, dass eine Abweichung von der regelmäßigen Schicht hinzukommen. Sie besteht gerade nicht.

4. Der hilfsweise geltend gemachte Zuschlag von 15 % für Wechselschichtarbeit ist für die in der 3. und 4. Schicht geleistete Wechselschichtarbeit zu zahlen. Die Tarifvertragparteien haben nicht festgelegt, was als 3. und 4. Schicht gilt. Sie haben lediglich einen Wechselschichtzuschlag von 12 % für die 2. Schicht und einen von 15 % für die 3. und 4. Schicht vorgesehen. Der Tarifvertrag stellt damit lediglich auf eine tatsächlich zu leistende Anzahl von Schichten ab. Demnach können die Zuschläge nur dann anfallen, wenn auch entsprechende Schichten vorgesehen sind. Wird nur im Wechsel von zwei Schichten gearbeitet, gibt es keine 3. und 4. Schicht, so dass auch kein Zuschlag von 15 % beansprucht werden kann.

Das steht nicht im Widerspruch zum Gefüge der Zuschlagsregelung. Mit den Zuschlägen soll den Erschwernissen der Wechselschichtarbeit Rechnung getragen werden. Die Beanspruchung des Arbeitnehmers durch Wechselschichtarbeit in einem Drei- oder Vierschichtsystem ist stärker aus in einem Zweischichtsystem. Dies gilt selbst dann, wenn bei dem Zweischichtsystem Nachtarbeit anfällt. Zwar ist in diesem Fall der Zuschlag auch nur 12 %, so dass er unabhängig davon gleich bleibt, ob die zweite Schicht als Tag- oder Nachschicht geleistet wird. Es ist aber zu berücksichtigen, dass gemäß der Protokollnotiz zu Ziffer 6.2 MTV die Schichtzuschläge, die für die tatsächlich in den Nachtstunden geleistete Arbeit gezahlt werden, den Rechtscharakter von Nacharbeitszuschlägen haben. Mit dem Schichtzuschlag sollten auch die durch die Nachtarbeit entstehenden Erschwernisse abgedeckt werden. Dabei wird auf die Schichtzuschläge unabhängig davon abgestellt, ob es sich um die 2. 3. oder 4. Schicht handelt. Entscheidend ist allein, ob die Arbeit tatsächlich in den Nachtstunden geleistet wurde.

5. Da mit den Ziffern 6.2, 6.3, 7.1.2 und 7.1.3 eine tarifvertragliche Ausgleichsregelung besteht, kann der Kläger über den ausgeurteilte Wechselschichtzuschlag hinaus wegen der Nachtarbeit keinen weiteren Leistungen nach § 6 Abs. 5 AZG beanspruchen. Ebenso wenig steht ihm ein weitergehender Anspruch aus betrieblicher Übung zu. Die bisherige Übung sah nicht den geforderten Zuschlag, sondern nach seinem Vortrag eine bezahlte Freizeit und eine Zulage von 5,00 DM vor. Sie macht er jedoch nicht geltend.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Revision ist nach § 72 Abs. 2 Nummer 1 ArbGG zugelassen worden.

Ende der Entscheidung

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