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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Brandenburg
Urteil verkündet am 30.10.2002
Aktenzeichen: 7 Sa 386/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 312
BGB § 355
§ 312 BGB (Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen) ist auf arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge grundsätzlich nicht anwendbar.
Landesarbeitsgericht Brandenburg IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

7 Sa 386/02

verkündet am 30.10.2002

In dem Rechtsstreit

hat die 7 Kammer des Landesarbeitsgerichts Brandenburg auf die mündliche Verhandlung vom 30.10.2002 durch den Vorsitzenden Richter am LAG S als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter G und M

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt (Oder) vom 29.05.2002 - 6 Ca 500/02 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten erklärten ordentlichen Kündigung sowie im Zusammenhang damit darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis durch einen Aufhebungsvertrag beendet wurde.

Die Klägerin war seit 1998 im Hotelbetrieb der Beklagten als Spülerin beschäftigt. Ab Juli 2001 war die Klägerin arbeitsunfähig krank.

Am 28.01.2002 erschien die Klägerin im Büro des Geschäftführers der Beklagten. Dort unterzeichnete die Klägerin einen von der Beklagten vorbereiteten "Aufhebungsvertrag", auf dessen Inhalt (Bl. 21 d. A.) Bezug genommen wird. Zudem wurde der Klägerin ein Kündigungsschreiben ausgehändigt, auf das die Klägerin über den Worten: "Kenntnis genommen" ebenfalls ihre Unterschrift setzte. Die Reihenfolge der Vorgänge - Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages bzw. Aushändigung der Kündigung - ist zwischen den Parteien streitig.

Schreiben vom 07.03.2002 ließ die Klägerin über ihren Prozessbevollmächtigten den "Widerruf der auf den Aufhebungsvertrag vom 28.01.2002 gerichteten Willenserklärung" erklären.

Die Klägerin hat behauptet: Sie sei von der Küchenchefin der Beklagten angerufen und aufgefordert worden, in das Büro des Geschäftsführers der Beklagten zu kommen. Dort sei ihr der vorgefertigte Aufhebungsvertrag mit der Bemerkung zur Unterschrift vorgelegt worden, sie könne so eine Kündigung wegen der Krankheit vermeiden. Nach Unterschriftsleistung sei ihr die streitgegenständliche Kündigung ausgehändigt worden.

Die Klägerin hat beantragt,

1) festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 28.01.2002 beendet worden ist, sondern unverändert über den 28.02.2002 fortbesteht;

2) vorsorglich festzustellen, dass auch weitere Kündigungen vor und während des Kündigungsschutzprozesses unwirksam sind;

3) für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin zu unteränderten Bedingungen entsprechend des sachlichen Tätigkeitsbereiches des geltenden Anstellungsvertrages in der Fassung vom 06.04.1998 weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet: Die Klägerin habe im Januar 2002 mitgeteilt, auf längere Zeit nicht mehr arbeiten zu können, und den Wunsch geäußert, aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden. Mit der Küchenchefin sei der Termin am 28.01.2002 vereinbart worden, in dem der Klägerin zunächst wunschgemäß das Kündigungsschreiben überreicht und sodann der Abschluss des Aufhebungsvertrages vereinbart wurde, um arbeitsgerichtliche Streitigkeiten wegen der Kündigung zu vermeiden.

Wegen des weiteren Vertrags der Parteien in der ersten Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Am 29.05.2002 hat das Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen darauf abgestellt, das Widerrufsrecht setze nach §§ 312 Abs. 1 Satz, 325 BGB n. F. eine "Überrumpelungssituation" voraus, der die Klägerin nicht ausgesetzt gewesen sei.

Gegen das ihr am 21.06.2002 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 03.07.2002 Berufung eingelegt und diese am 18.07.2002 begründet.

Sie trägt vor: Bei Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages am 28.01.2002 habe eine "Überrumpelungssituation" vorgelegen. Sie habe keinesfalls damit gerechnet, dass ihr dort ein bereits vorbereiteter Aufhebungsvertrag zur Unterschrift vorgelegt werde. Hätte die Beklagte sie vorher über ihre Absichten informiert, wäre sie auf den vorgelegten Aufhebungsvertrag vorbereitet gewesen und hätte diesen nicht unterzeichnet. Der Ort der Unterschriftsleistung, das Büro des Geschäftsführers, sei ein für das Arbeitsverhältnis untypischer Ort gewesen, da sie als Spülerin dort nie gewesen sei, sondern nur in der Küche.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils

1) festzustellen, dass Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 28.01.2002 beendet worden ist, sondern unverändert über den 28.02.2002 fortbesteht;

2) für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) den Beklagten zu verurteilen, sie zu unveränderten Bedingungen entsprechend des sachlichen Tätigkeitsbereiches des geltenden Anstellungsvertrages i. d. F. v. 06.04.1998 weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor: Abgesehen davon, dass die Klägerin die Beendigung des Arbeitsverhältnisses veranlasst habe, habe sie schon deshalb nicht überrumpelt werden können, da sie nach krankheitsbedingter Abwesenheit vom Arbeitsplatz von mehr als einem dreiviertel Jahr damit habe rechnen müssen, dass es in dem Gespräch um für das Arbeitsverhältnis grundlegende Dinge gehen werde.

Wegen des weiteren Vertrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

In der Berufungsverhandlung hat die Klägerin auf Nachfrage des Gerichtes bekundet, ihr sei bei dem Telefonat mit der Küchenchefin zum Zweck des Termins mit dem Geschäftsführer gesagt worden, es gehe um "die Kündigung" Sie habe den Aufhebungsvertrag unterschrieben, weil sie gedacht habe, das müsse so sein.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, gemäß § 64 Abs. 2 Buchstabe c ArbGG zulässig sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die von der Klägerin begehrte Feststellung kann nicht getroffen werden, da das Arbeitsverhältnis durch den Aufhebungsvertrag vom 28.01.2002 zum 28.02.2002 beendet wurde. Dieser Aufhebungsvertrag ist rechtswirksam; ein Widerrufsrecht stand der Klägerin nicht zu. Deshalb kann die Klägerin auch nicht Wiederbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Rechtsstreits verlangen.

1. Allerdings ist die Klage zulässig.

a) Streitgegenständlich sind zwei Beendigungstatbestände: die von der Beklagten erklärte Kündigung und der Aufhebungsvertrag, die das Arbeitsverhältnis jeweils zum selben Zeitpunkt beenden sollten. Die Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrags hat die Klägerin mit der Formulierung "sondern unverändert über den 28.02.2002 fortbesteht" geltend gemacht. Es handelt sich insoweit um einen allgemeinen Feststellungsantrag nach § 256 Abs. 1 ZPO, für den ohne weiteres ein Feststellungsinteresse bestand, nachdem sich die Beklagte im Laufe des Rechtsstreits auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Aufhebungsvertrag berufen hatte. Der Antrag war nach Einführung des Aufhebungsvertrags in den Rechtsstreit nicht nach § 4 KSchG zu konkretisieren, da die hier vom Gesetz vorgeschriebene besondere Ausformung des Feststellungsantrags nur für Kündigungen gilt. Sind sonstige Beendigungsgrunde (z. B Eigenkündigung des Arbeitnehmers, Aufhebungsvertrag, Anfechtung usw.) in den Prozess eingeführt, geht der allgemeine Feststellungsantrag in der Regel dahin, bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz bestehe das Arbeitsverhältnis fort (BAG 13. 3. 1997 AP KSchG 1969 § 4 Nr. 38).

Aber auch hinsichtlich des Kündigungsschutzantrags besteht ein Interesse der Klägerin an der begehrten Feststellung. Dem Feststellungsinteresse steht es nicht entgegen, dass die Beklagte sich auf einen anderen Beendigungstatbestand - den Aufhebungsvertrag - beruft, der das Arbeitsverhältnis zum selben Zeitpunkt beenden sollte; das gilt jedenfalls dann, wenn und solange die Wirksamkeit dieses Beendigungstatbestandes zwischen den Parteien im Streit und hierüber noch nicht rechtskräftig entschieden ist. Denn das Feststellungsinteresse für die Kündigungsschutzklage ergibt sich bereits daraus, dass der unter das Kündigungsschutzgesetz fallende Arbeitnehmer nach § 4 KSchG Klage erheben muss, weil ansonsten die soziale Rechtsfertigung der Kündigung nach § 7 KSchG fingiert wird. Solange dem Arbeitnehmer für den Fall des Unterlassens der Kündigungsschutzklage Nachteile aus der Wirkung des § 7 KSchG drohen und er nicht ausdrücklich erklärt, einen derartigen Nachteil hinnehmen zu wollen, hat er ein objektiv schutzwürdiges Interesse daran, die Wirkung des § 7 KSchG zu verhindern (BAG 11 021981 AP KSchG 1969 § 4 Nr. 8; 04.08.1983 - 2 AZR 43/82 - n. v.; KR-Friedrich § 4 KSchG Rn 26).

b) Das Passivrubrum war von Amts wegen zu berichtigen Arbeitsvertragspartei der Klägerin war - wie sich aus dem Arbeitsvertrag ergibt - die Beklagte, die auch die streitgegenständliche Kündigung erklärt und den Aufhebungsvertrag mit der Klägerin geschlossen hat. Da es der Klägerin mit der Klage ersichtlich um den Fortbestand dieses Arbeitsverhältnisses ging und dies von der Beklagten so verstanden wurde, schadet die falsche Bezeichnung der Beklagten durch die Klägerin und im Rubrum des angefochtenen Urteils nicht (vgl. BAG 21.2.2002 - 2 AZR 55/01 - n. v.; BAG 15.3.2001 AP KSchG 1969 § 4 Nr. 46).

2. Die Klage ist hingegen nicht begründet. Zwar kann nach dem Vortrag des Beklagten nicht der Schluss gezogen werden, die Kündigung sei sozial gerechtfertigt. Gleichwohl konnte die Klage keinen Erfolg haben, da das Arbeitsverhältnis durch den Aufhebungsvertrag zum 28.02.002 aufgelöst wurde.

a) Die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrages ist im Kündigungsschutzprozess im Rahmen der Sachprüfung als Vorfrage zu klären (BAG 11.02.1981 und 04.08.1983 a. a. O.). Das erklärt sich daraus, dass mit der Rechtskraft des einem Kündigungsschutzantrag stattgebenden Urteils nicht nur geklärt ist dass diese Kündigung rechtsunwirksam ist, sondern auch, dass das Arbeitsverhältnis durch die angegriffene Kündigung nicht zu dem Kündigungstermin aufgelöst ist, sondern darüber hinaus (mindestens eine logische Sekunde) fortbestanden hat. Das bedeutet: Endet das Arbeitsverhältnis durch einen anderen Beendigungstatbestand vor dem oder zum Ablauf der Frist der streitgegenständlichen Kündigung, kann die nach § 4 KSchG begehrte Feststellung nicht getroffen werden, wenn der andere Beendigungstatbestand Gegenstand des Rechtsstreits geworden ist und das Arbeitsverhältnis aufgelöst hat.

b) Die Klägerin hat den Aufhebungsvertrag nicht wirksam widerrufen. Denn die Vorschriften der §§ 312 Abs. 1 Satz 1, 355 BGB n. F. finden auf den streitgegenständlichen Aufhebungsvertrag keine Anwendung.

aa) Der im Jahre 2002 geschlossene Aufhebungsvertrag unterfällt nach Artikel 229 § 5 EGBGB nicht den Vorschriften des BGB in der ab dem 01.01.2002 geltenden Fassung.

Artikel 229 § 5 Satz 1 EGBGB regelt, dass auf Schuldverhältnisse, die vor dem 01.01.2002 entstanden sind, das BGB in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung anzuwenden ist. Satz 2 enthält eine Sonderregelung für Dauerschuldverhältnisse; danach gilt das neue Schuldrecht für Dauerschuldverhältnisse, die vor dem 01.01.2002 entstanden sind, erst ab dem 01.01.2003. Für "Altverträge" gilt daher bis zum 31.12.2002 das BGB in der alten Fassung.

Maßgeblich ist nach Artikel 229 § 5 EGBGB damit die Entstehung des Schuldverhältnisses. Das streitgegenständliche Arbeitsverhältnis ist vor dem 01.01.2002 entstanden. Da es sich um ein Dauerschuldverhältnis handelt, gilt das alte Recht nach Artikel 229 § 5 Satz 2 EGBGB für das Arbeitsverhältnis. bis zum 31.12.2002 im Ganzen, d. h. für seine Durchführung und seine Beendigung (Palandt/Heinrichs, Ergänzungsband zur 61. Aufl., Rn. 5 zu EGBGB Art. 229 § 5). Durch den Aufhebungsvertrag wird ein Schuldverhältnis nicht begründet, sondern beendet.

bb) Unabhängig von Art. 229 § 5 EGBGB stand der Klägerin ein Widerrufsrecht nicht zu, weil §§ 312, 355 BGB n. F. auf arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge grundsätzlich nicht anwendbar sind. Das ergibt sich aus Wortlaut, Systematik sowie Entstehungsgeschichte der Vorschrift.

aaa) § 312 Abs. 1 Satz 1 BGB setzt als Gegenstand des Haustürgeschäfts eine Entgeltleistung voraus. Durch den Vertrag muss also mindestens eine Schuld des Verbrauchers begründet werden, wobei dahinstehen kann, ob es sich hierbei um einen gegenseitigen Vertrag handeln muss (vgl. EUCH 17.03.1998-C-45/96; BGH 14.05.1998 - IX ZR 56/95 - BGHZ 139, 21 für den Fall der Bürgschaft). Durch den Aufhebungsvertrag als solchen wird jedoch eine Schuld des Arbeitnehmers nicht begründet; vielmehr handelt es sich um einen Verfügungsvertrag (s. Palandt-Heinrichs, 62. Aufl., Überbl. v. § 311 Rn. 6), auf den nach der bisherigen Rechtslage das Haustürwiderrufsgesetz nicht anwendbar war (vgl. zur Grundschuldbestellung OLG Koblenz 29 1. 1998, NJW-RR 1999, 1178). Nach dem Wortlaut reicht es auch nicht aus, dass der Arbeitnehmer eine Rechtsposition aufgibt, da hierdurch kein Anspruch des Arbeitgebers begründet wird.

Ob dem Arbeitnehmer eine Abfindung zugesagt wird, ist für die Frage der Entgeltlichkeit unerheblich, da es bei richtlinienkonformer Anwendung des § 312 BGB nur darauf ankommt, ob sich der Verbraucher zu einer entgeltlichen Leistung verpflichtet (vgl. EUCH 17.03.1998 - C - 45/96).

Demgegenüber ist im Entscheidungsfall nicht von Bedeutung, dass in § 312 Abs. 1 Ziff. 1 BGB die mündliche Verhandlung am Arbeitsplatz des Verbrauchers als Haustürsituation definiert wird. Die in den Ziff. 1 bis 3 der genannten Vorschrift genannten Situationen beschreiben nur das räumliche Umfeld, durch das der im Eingangssatz der Vorschrift vorausgesetzte Vertrag zum Haustürgeschäft wird. Die Rechtsfolge des § 312 BGB - Widerrufsrecht -, entsteht aber erst dann, wenn auch das im Eingangssatz genannte Tatbestandsmerkmal - Vertrag, der eine entgeltliche Leistung zum Gegenstand hat - erfüllt ist.

bbb) Die Systematik des § 312 BGB spricht deutlich dafür, dass Aufhebungsverträge unabhängig vom Ort des Vertragsschlusses keine Haustürgeschäfte sind.

§ 312 steht im Abschnitt 3 Titel 1 Untertitel 2 des 2. Buches des BGB. Dieser Untertitel ist überschrieben mit: "Besondere Vertriebsformen". Dass diese Überschrift ernst gemeint ist, ergibt sich daraus, dass neben dem Haustürgeschäft in diesem Untertitel auch der Fernabsatzvertrag und der elektronische Geschäftsverkehr geregelt sind.

Weiterhin ist der amtliche Hinweis von Bedeutung, dass dieser Untertitel der Richtlinie 85/577/EWG betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertragen diene Aus dem Wortlaut der Richtlinie folgt, dass unter sie nur Verbindlichkeiten fallen, die ein Verbraucher im Rahmen eines Haustürgeschäfts gegenüber einem Gewerbetreibenden als Gegenleistung für Waren oder Dienstleistungen eingeht (vgl. EUCH 17.03.1998 - C - 45/96 - NJW 1998, 1295). Dem Gesetz lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung dieser Richtlinie über deren Anwendungsbereich hinaus arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge dem Widerrufsrecht unterstellen wollte.

Auch der Blick auf die §§ 305 ff. BGB n.F. zeigt, dass arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge nach dem Willen des Gesetzgebers keine Haustürgeschäfte i.S.d. § 312 BGB sein sollen. Der Gesetzgeber hat bei der Schuldrechtsnovelle das Problem der Einbeziehung arbeitsvertraglicher Vereinbarungen in das allgemeine Verbraucherschutzrecht durchaus erkannt. Mit § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB hat er - in Abänderung der bisherigen Rechtslage - bestimmt, dass grundsätzlich Arbeitsverträge der gerichtlichen Vertragsinhaltskontrolle nach den Maßstäben der §§ 305 ff. BGB unterliegen. Für den zweiten Untertitel "Besondere Vertriebsformen" hat der Gesetzgeber hingegen die Anwendbarkeit auf arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge nicht vorgesehen.

Schließlich spricht die über das BGB hinausgreifende systematische Betrachtung eher für den Willen des Gesetzgebers, Aufhebungsverträge nicht den §§ 312, 355 BGB zu unterstellen. Ein gem. § 355 Abs. 3 Satz 3 BGB im Falle nicht ordnungsgemäßer Belehrung unbefristetes Widerrufsrecht lässt sich mit den in §§ 4, 7 KSchG und neuerdings in § 17 TzBfG zum Ausdruck gekommenen Anliegen des Gesetzgebers, innerhalb von 3 Wochen Klarheit darüber zu schaffen, ob ein Arbeitnehmer die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses in Zweifel zieht, nicht vereinbaren.

ccc) Die Entstehungsgeschichte spricht ebenfalls gegen die Einbeziehung arbeitsrechtlicher Aufhebungsverträge.

Während der Gesetzgeber das AGB-Gesetz mit einer Reihe von sachlichen Änderungen (siehe Palandt/Heinrich, 62. Aufl., Rn. 2 vor § 305 BGB) und insbesondere dem Wegfall der Bereichsausnahme für das Arbeitsrecht in das BGB eingefügt hat, ist das Haustürwiderrufsgesetz in der Sache nicht wesentlich geändert worden. Vielmehr hat der Gesetzgeber in den Materialien klargestellt, dass durch die Integration des Haustürwiderrufsgesetzes keine überobligatorische Umsetzung der zugrunde liegenden Europäischen Richtlinien angestrebt werde (BT-Drucksache 14/6040 Seite 167).

Auch die in den Materialen genannten drei Ziele, die der Gesetzgeber mit der Integration und Zusammenfassung verfolge (BT-Drucksache 14/6040 Seite 166), lassen erkennen, dass der Gesetzgeber sich nur mit den drei genannten besonderen Vertriebsformen: Haustürgeschäfte, Fernabsatzverträge sowie elektronisch abgeschlossene Verträge befassen wollte. Das in den Materialien zuerst genannte Ziel, die bisher in Einzelgesetzen geregelte Materie zur Erleichterung der praktischen Arbeit des Rechtsanwenders im BGB zusammenzufassen, spricht nicht für eine Erweiterung des Geltungsbereichs über die bisherigen Regelungsgegenstände hinaus. Der vom Gesetzgeber zweitens beabsichtigte Systematisierungsprozess zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen bezieht sich ebenfalls nur auf die bisher in Sondergesetzen geregelten Erscheinungsformen der Verbraucherverträge. Nicht eindeutig ist das dritte Anliegen des Gesetzgebers, die "Ausstrahlungswirkung auf alle Schuldverhältnisse aus Verträgen, die außerhalb des "Ladengeschäfts", außerhalb fester Verkaufs- und Geschäftsräume angebahnt und abgeschlossen werden," zu "verdeutlichen". Die nachfolgende Bezugnahme auf Fernabsatzverträge und Verträge im elektronischen Geschäftsverkehr verdeutlicht allerdings, dass der Gesetzgeber mit "Ausstrahlungswirkung" auf die genannten Schuldverhältnisse nicht erstmalig in einer völlig anderen Rechtsmaterie ein Widerrufsrecht schaffen wollte.

Darüber hinaus hat der Gesetzgeber in den Materialien zu den §§ 474 ff. darauf hingewiesen, dass Personen nicht deshalb aus dem Verbraucherbegriff ausgenommen werden sollen, weil sie eine Sache kaufen, die sie in ihrer Tätigkeit als Arbeitnehmer benötigen, und zwar auch dann nicht, wenn Verkäufer der Arbeitgeber ist (BT-Drucksache 14/6040 Seite 243). Auch hieraus wird ersichtlich, dass der Gesetzgeber nicht daran gedacht hat, arbeitsvertragliche Vereinbarungen allgemein den besonderen Vorschriften über Verbrauchergeschäfte zu unterstellen.

ddd) Die Frage, ob Arbeitnehmer allgemein oder nur in bestimmten Fällen Verbraucher i.S.d § 13 BGB sind, bedurfte nach alldem keiner Entscheidung.

cc) Die fachrichterliche Pflicht zur verfassungskonformen Auslegung einfachrechtlicher Vorschriften führt nicht zu einem anderen Ergebnis; eine Ausdehnung des § 312 BGB über Wortlaut und Systematik hinaus auf arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge ist jedenfalls im Entscheidungsfall von Verfassungs wegen nicht geboten.

aaa) Das Zivilgericht hat entweder die angewandte Norm oder den aufgestellten abstrakten Rechtssatz an den Grundrechten in ihrer Funktion als Eingriffsverbote in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen oder zu prüfen, ob Grundrechte Schutzpflichten der einen oder anderen Partei gegenüber auslösen, die bei der Anwendung des bürgerlichen Rechts umzusetzen sind. Denn Grundrechte haben nicht nur eine Abwehrfunktion gegen Maßnahmen des Staates, sondern erlegen dem Staat eine Schutzpflicht auf, der Gefahr der Grundrechtsverletzung durch andere Grundrechtsträger vorzubeugen oder sie abzuwehren (BVerfGE 81, 242, 255 = AP GG Art. 12 Nr. 65 - Handelsvertreter -). Im bürgerlichen Rechtsstreit trifft den Richter die Schutzpflicht, die Gefahr der Grundrechtsverletzung durch andere Grundrechtsträger abzuwehren; der entsprechende Schutzauftrag der Verfassung richtet sich an den Richter, der den objektiven Grundentscheidungen der Grundrechte mit den Mitteln des Zivilrechts Geltung zu verschaffen hat (BVerfGE 81, 242, 255 = AP GG Art. 12 Nr. 65 - Handelsvertreter -).

Das bedeutet: Schafft der Gesetzgeber in Erfüllung seiner verfassungsrechtlichen Schutzpflicht Normen des einfachen (bürgerlichen) Rechts, trifft den Richter die Verpflichtung, diese Normen im Lichte des Schutzzwecks auszulegen und anzuwenden (BVerfGE 89, 276 = AP BGB § 611 a Nr. 9). Wenn der Gesetzgeber davon absieht, zwingendes Recht für bestimmte Lebensbereiche oder für spezielle Vertragsformen zu schaffen, folgt daraus keineswegs, daß die Vertragspraxis dem freien Spiel der Kräfte unbegrenzt ausgesetzt wäre. Der entsprechende Schutzauftrag der Verfassung richtet sich hier an den Richter, der den objektiven Grundentscheidungen der Grundrechte in Fällen erheblich gestörter Vertragsparität Geltung zu verschaffen hat (BVerfGE 81, 242 [255] - Handelsvertreter -; BVerfGE 89, 214 [232] = AP GG Art 2 Nr. 35 - Bürgin -).

bbb) Nach diesen Grundsätzen besteht von Verfassungs wegen keine generelle Notwendigkeit, dem Arbeitnehmer beim Abschluss eines Aufhebungsvertrags über den vom Gesetzgeber vorgesehenen Anwendungsbereich hinaus ein Widerrufsrecht zuzubilligen. Im Arbeitsrecht sind Störungen der Vertragsparität zwar besonders häufig anzutreffen; das ist seine eigentliche Existenzberechtigung als Arbeitnehmerschutzrecht. Der ebenfalls grundrechtlich geschützten Privatautonomie ist aber gleichermaßen Rechnung zu tragen. Das starke Übergewicht des Arbeitgebers, durch welches er vertragliche Regelungen faktisch einseitig setzen und damit den Arbeitnehmer zur Aufgabe grundrechtlich geschützter Positionen bestimmen kann, muß daher im Einzelfall konkret festgestellt werden (zu Prüfkriterien vgl. ErfK/Dieterich, 3. Aufl., Rn. 34 zu Art. 2 GG), wobei nicht jeder Störfaktor auszugleichen ist.

ccc) In welchen Fallkonstellationen eine einseitige Lösungsmöglichkeit des Arbeitnehmers verfassungsrechtlich erforderlich ist und ob dies in erweiternder Auslegung der Tatbestandsmerkmale des § 123 BGB oder des Anwendungsbereichs des § 312 BGB zu geschehen hat, kann dahinstehen. Voraussetzung wäre aus den dargestellten Grundsätzen zur Schutzpflicht jedenfalls, dass eine die Vertragsparität grundlegend störende "Überrumpelungslage" besteht. Es ist von Verfassungs wegen daher nicht geboten, den Anwendungsbereich dieser Vorschriften auf Fälle zu erstrecken, in denen der Aufhebungsvertrag geschlossen wurde, ohne dass der Arbeitnehmer überraschend und daher unvorbereitet zum Vertragsschluss gedrängt und dadurch in seinen Reaktionsmöglichkeiten (der wirklich freien Willensbetätigung) eingeschränkt wurde.

Das Arbeitsgericht ist zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass sich die Klägerin aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls (lang andauernde krankheitsbedingte Abwesenheit vom Arbeitsplatz, Absprache eines Gesprächstermins mit dem Geschäftsführer des Beklagten in dessen Büro, Bewusstsein der Klägerin, dass es in diesem Gespräch "um die Kündigung" gehen werde) nicht in einer von § 312 BGB geforderten Überrumpelungslage befunden hat. Durch den Abschluss des Aufhebungsvertrags in den Geschäftsräumen des Beklagten ist nicht ohne Weiteres von einer erheblichen Verhandlungsdisparität, hervorgerufen durch eine Überrumpelung, auszugehen. Dem sowie der weiteren Begründung des Arbeitsgerichts in diesem Punkt folgt die Berufungskammer, § 69 Abs. 2 ArbGG.

3. Da der Feststellungsantrag unbegründet war, bedurfte es keiner Entscheidung über den nur für den Fall des Obsiegens gestellten Weiterbeschäftigungsantrag

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

IV.

Die Revision war wegen der besonderen Bedeutung der Sache zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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