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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Bremen
Urteil verkündet am 22.01.2009
Aktenzeichen: 3 Sa 153/08
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 112 Abs. 1 Satz 2
BetrVG § 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2
1. Die Betriebsparteien haben bei der Gestaltung von Sozialplänen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten. Die Herausnahme einzelner Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern aus Sozialplanleistungen ist nur zulässig, wenn hierfür unter Beachtung des Zwecks eines Sozialplans gem. § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ein sachlicher Grund besteht.

2. Wird ein Teil der Belegschaft bis zu einer Betriebsschließung in der Insolvenz tatsächlich weiterbeschäftigt und haben diese Arbeitnehmer Anspruch auf eine Sozialplanabfindung, so darf ein Arbeitnehmer, der vom Insolvenzverwalter unter Fortzahlung der Vergütung einseitig freigestellt wird, nicht deswegen von Sozialplanleistungen ausgenommen werden. Die Vergütung kann nicht als Leistung zum Ausgleich oder zur Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eintreten, angesehen werden.

3. Auch die Ablehnung eines Angebots zum Übertritt in eine sog. Transfergesellschaft stellt jedenfalls in dieser Fallkonstellation keinen sachlichen Grund für die vollständige Herausnahme aus den Sozialplanleistungen dar; es handelt sich nicht um ein zumutbares Arbeitsplatzangebot i.S. § 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BetrVG.


LANDESARBEITSGERICHT BREMEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 Sa 153/08

In dem Rechtsstreit

hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Bremen aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. Januar 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht den ehrenamtlichen Richter den ehrenamtlichen Richter

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 02.07.2008 - 8 Ca 8054/08 - abgeändert:

Es wird festgestellt, dass dem Kläger eine Sozialplanforderung aus dem Sozialplan vom 23.03.2007 auf der Grundlage der dort enthaltenen Berechnung (Teil A § 4) als Masseforderung im Insolvenzverfahren mit dem Aktenzeichen 503 IN 25/06 (Amtsgericht Bremen) zusteht.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Sozialplan in der Insolvenz.

Der am ... geborene, verheiratete und einem Kind unterhaltspflichtige Kläger war seit 01.01.1989 als Automobilverkäufer bei der Firma A. F. B. GmbH & Co. KG beschäftigt. Er hat eine monatliche Bruttogrundvergütung von zuletzt 1.277,50 € bezogen, hinzu kamen Provisionen. Der Kläger ist schwer behindert mit einem Grad der Behinderung von 50.

Am 01.03.2007 ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Arbeitgeberin eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt worden.

Zu diesem Zeitpunkt waren 38 Arbeitnehmer und vier Auszubildende an den Standorten B. und R. beschäftigt. Der Kläger war in R. tätig.

Unter dem 23.03.2007 haben der Beklagte und der bei der Schuldnerin bestehende Betriebsrat nach Verhandlungen unter Beteiligung der IG Metall einen Interessenausgleich und einen Sozialplan geschlossen. Hinsichtlich der Einzelheiten des Interessenausgleichs und des Sozialplans wird auf Bl. 64 bis Bl. 90 d. A. Bezug genommen.

Im Interessenausgleich heißt es u.a.:

"§ 2 Wirtschaftliche Lage

Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Interessenausgleiches ist der Geschäftsbetrieb der A. F. B. GmbH & Co. KG noch nicht eingestellt. Allerdings sind die Umsätze der A. F. B. GmbH & Co. KG erheblich eingebrochen und der Handel mit Ersatzteilen kann auf Grund der geringen Umsätze nicht kostenneutral abgewickelt werden. Dadurch wird die Liquidität nicht zur Sicherstellung zukünftiger Gehaltszahlungen ausreichen. Insofern steht kurzfristig die vollständige Einstellung des Geschäftsbetriebes bevor. Im Zusammenhang mit der Betriebseinstellung wird es zum Verlust sämtlicher noch vorhandenen 38 Arbeitsplätze kommen. Der Insolvenzverwalter kann mangels Liquidität lediglich einen "Auslaufbetrieb", bis zum Ablauf der Kündigungsfristen (30. Juni 2007) mit einer an die Umsätze angepassten reduzierten Belegschaft organisieren.

§ 3 Gegenstand der Betriebsänderung

...

3. Transfergesellschaft

Allen Arbeitnehmer/innen, welche im Rahmen des "Auslaufbetriebes" nicht weiterbeschäftigt werden können, wird zur Milderung der sozialen Nachteile, die aus dem Verlust des Arbeitsplatzes entstehen, die Möglichkeit eröffnet, ab dem 01. April 2007 für mindestens 4 Monate in eine Transfergesellschaft, bei der es sich um eine betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit (beE) gem. § 216 a und 216 b SGB III handelt, zu wechseln. Eine namentliche Aufstellung dieser Arbeitnehmer/innen wird als Anlage 2 Bestandteil dieser Vereinbarung. Der Insolvenzverwalter und der Betriebsrat empfehlen diesen Arbeitnehmer/innen ausdrücklich den Wechsel in die Transfergesellschaft. Beendet ein/e Arbeitnehmer/in das Arbeitsverhältnis mit der Schuldnerin durch Aufhebung per 31. März 2007 wird das Arbeitsverhältnis bis zu diesem Tage ordnungsgemäß entsprechend den gesetzlichen und tarifvertraglichen Vorschriften abgerechnet und erfüllt. ...

§ 4 Personelle Maßnahmen

...

3. Betriebsbedingte Beendigung der Arbeitsverhältnisse

Den Mitarbeitern gemäß Anlage 1, welche im Rahmen des Auslaufbetriebes weiterbeschäftigt werden, wird betriebsbedingt zum nächstmöglichen Zeitpunkt gekündigt.

Soweit es zum Abschluss von Aufhebungsverträgen zwischen dem Insolvenzverwalter und betroffenen Arbeitnehmer/innen kommt, gelten die Arbeitsverhältnisse als betriebsbedingt aufgelöst. Einscheiden sich Arbeitnehmer/innen im Einzelfall, dem Aufhebungsvertrag nicht zuzustimmen, so wird das mit ihnen bestehende Arbeitsverhältnis vom Insolvenzverwalter unter Einhaltung der geltenden Kündigungsfristen betriebsbedingt gekündigt, wobei die Kündigungsfristen, soweit sie länger als drei Monate laufen, gem. § 113 InsO auf drei Monate verkürzt werden."

Dem Interessenausgleich war Listen derjenigen Arbeitnehmer beigefügt, die bis zum 30.06.2007 weiter beschäftigt werden sollten (19 Mitarbeiter) bzw. denen ein Angebot zum Wechsel in die Transfergesellschaft gemachten werden sollte (ebenfalls 19 Mitarbeiter). Auf der letztgenannten Liste war auch der Kläger aufgeführt.

Im Folgenden haben mit Ausnahme des Klägers alle nicht weiter beschäftigten Arbeitnehmern einem Übergang in die Transfergesellschaft zugestimmt und einen entsprechenden 3-seitigen Vertrag geschlossen.

Die Laufzeit der Transfergesellschaft betrug für die Arbeitnehmer, die nicht vorher auf Grund sonstiger Umstände dort ausgeschieden waren, letztlich fünf Monate bis 31.08.2007.

Das Arbeitsverhältnis derjenigen Arbeitnehmer, die bis zur Betriebsschließung weiterbeschäftigt wurden, ist vom Insolvenzverwalter ebenso zum 30.06.2007 gekündigt worden, wie das Arbeitsverhältnis des Klägers.

Eine Zustimmung des Integrationsamtes zu dieser Kündigung des Klägers vom 27.03.2007 war nicht eingeholt worden, so dass der Beklagte nach Erhebung einer Kündigungsschutzklage aus dieser Kündigung keine Rechte mehr hergeleitet hat und das Arbeitsverhältnis des Klägers nach Zustimmung des Integrationsamtes durch Schreiben vom 21.05.2007 zum 31.08.2007 erneut kündigte. Kündigungsschutzklage gegen diese Kündigung hat der Kläger nicht erhoben.

Der Kläger ist ab 04.04.2007 vom Beklagten von der Erbringung der Arbeitskraft freigestellt worden; Vergütung hat er bis zum 31.08.2007 erhalten.

Der Betrieb der Schuldnerin ist mit dem 30.06.2007 eingestellt worden; der Betriebsteil R. war bereits zum 31.03.2007 geschlossen worden.

Im Sozialplan vom 23.03.2007 heißt es u.a.:

"Teil A

§ 2 Transfergesellschaft

Allen Arbeitnehmer/innen, welche im Rahmen des "Auslaufbetriebes" nicht weiterbeschäftigt werden können, wird zur Milderung der sozialen Nachteile, die aus dem Verlust des Arbeitsplatzes entstehen, die Möglichkeit eröffnet, ab dem 01. April 2007 in eine Transfergesellschaft gem. §§ 216 a und 216 b SGB III zu wechseln die von der G. GmbH G. f. T. u. b. B. GmbH organisiert wird.

Die Laufzeit der Transfergesellschaft beträgt mindestens 4 Monate.

Der Insolvenzverwalter zahlt den zur Finanzierung der Transfergesellschaft notwendigen Betrag in Höhe von € 148.600,00 berechnet auf 21 Mitarbeiter auf eine separates Sondertrauhandkonto ein und gewährleistet damit die Finanzierung der Transfergesellschaft im vereinbarten Umfang und mit der vereinbarten Laufzeit. Für den Fall, dass eine geringere Zahl von Mitarbeitern in die Transfergesellschaft wechseln, wird dieser Betrag entsprechend angepasst.

Bei der Transfergesellschaft handelt es sich um eine betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit /beE) i.S.v. § 216 b SGB III.

In der Transfergesellschaft erhält der/die Arbeitnehmer/in Transferkurzarbeitergeld nach den geltenden gesetzlichen Vorschriften über Transferleistungen. Der Insolvenzverwalter stockt das individuelle Transferkurzarbeitergeld um 5 Prozentpunkte auf. Der Insolvenzverwalter trägt weiterhin die Remanenzkosten der Transfergesellschaft einschließlich weiterer Kosten wie Overheadkosten, anteilige Kosten der arbeitsmarktpolitischen Unterstützung (Qualifizierung), zu übernehmender weiterer Kosten für Feiertagsentlohnung, Urlaub usw. ...

§ 3 Wirksamkeit des Sozialplans

Sofern nicht mindestens 16 Mitarbeiter der in der Anlage 3 benannten Arbeitnehmer/innen dem Abschluss des Aufhebungsvertrages und dem Wechsel in die Transfergesellschaft zustimmen, wird der Sozialplan Teil A gegenstandslos und der Sozialplan Teil B tritt in Kraft. Der Insolvenzverwalter behält sich für den Fall des Unterschreitens des Wechsels von mindestens 16 Mitarbeitern in die Transfergesellschaft vor, zu prüfen, ob der jeweilige Mitarbeiter/die jeweilige Mitarbeitern im Rahmen des Auslaufbetriebes beschäftigt werden kann und der Sozialplan Teil A somit wirksam bleiben kann. ...

§ 4 Sozialplanansprüche für gekündigte und bis 30. Juni 2007 weiterbeschäftigte Mitarbeiter

Die Betriebsparteien vereinbaren für die in der Auslaufproduktion bis zum 30. Juni 2007 beschäftigten Mitarbeiter folgenden Sozialplan:

Die Betriebsparteien sind sich darüber einig, dass nach Berücksichtigung der in die Kofinanzierung der Transfergesellschaft geflossenen Beträge gemäß § 2 Abs. 3 des Sozialplans für die dann noch verbleibenden Sozialplanansprüche der gekündigten Mitarbeiter nur noch ein Betrag in Höhe von € 81.345,83 zur Verfügung steht.

Anspruchsberechtigt sind alle gemäß Anlage 2 benannten Mitarbeiter soweit Sie bis zum 30. Juni 2007 tätig sind. Dies gilt nicht für die vorzeitige Betriebseinstellung durch den Insolvenzverwalter.

Die Berechnung des individuellen Abfindungsanspruches erfolgt nach folgender Formel:

Betriebszugehörigkeit x Lebensalter x Bruttomonatseinkommen = Punktzahl

100

..."

Der Kläger war in der Anlage 2 zu § 4 des Sozialplans nicht genannt.

Für den Fall, dass nicht genügend Arbeitnehmer gemäß § 3 des Sozialplans in die Transfergesellschaft gewechselt hätten, war in Teil B des Sozialplans vorgesehen, dass ein Abfindungsanspruch für alle dann zu kündigenden Beschäftigten gegeben ist. In einer Gesamtliste aller Arbeitnehmer ist dort eine Abfindungsanspruch für den Kläger von 2258,01 € bei einem Gesamtvolumen von 229.945,83 € genannt (Einzelheiten Bl. 89).

Der Beklagte hat außergerichtlich die Auffassung vertreten, dass dem Kläger kein Anspruch auf Sozialplanabfindung aus dem Sozialplan vom 23.03.2007 zustehe. Der Kläger hat daraufhin mit Schriftsatz vom 25. Februar 2008, eingegangen am 26. Februar 2008 und zugestellt am 12.03.2008, beim Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven die vorliegende Klage erhoben.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass der Sozialplan letztlich ausschließlich diejenigen Mitarbeiter begünstige, die ohnehin auf Grund ihrer tatsächlichen Beschäftigung als begünstigt angesehen werden könnten. Es sei unzulässig, Arbeitnehmer, die einen Wechsel in eine Transfergesellschaft ablehnten, die lediglich für vier Monate vorgesehen sei, vom Anspruch auf eine Sozialplanabfindung auszunehmen. Der Ausschluss des Klägers stelle sich mithin als Verstoß gegen das verfassungsrechtlich verankerte Gleichbehandlungsgebot dar. Eine Erhöhung des Sozialplanvolumens ergebe sich im Hinblick auf die insolvenzrechtlichen Vorschriften nicht, sondern es ändere sich lediglich der Verteilungsrahmen; im Übrigen wäre eine Erhöhung hinzunehmen.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger eine Abfindung aus dem Sozialplan vom 23.03.2007 auf der Grundlage der dort enthaltenen Berechnung als Masseforderung in dem Insolvenzverfahren mit dem Aktenzeichen 503 IN 25/06 (Amtsgericht Bremen) zu zahlen unter Berücksichtigung der insolvenzrechtlichen Bestimmungen,

hilfsweise:

Es wird festgestellt, dass dem Kläger eine Sozialplanforderung aus dem Sozialplan vom 23.03.2007 auf der Grundlage der dort enthaltenen Berechnungen als Masseforderung in dem Insolvenzverfahren mit dem Aktenzeichen 503 IN 25/06 (Amtsgericht Bremen) zusteht.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, dass eine unbillige Benachteiligung des Klägers oder ein Verstoß gegen § 75 BetrVG nicht vorliege.

Die mit dem Betriebsrat der Schuldnerin eingehend erörterte Entscheidung der Betriebseinstellung habe dazu geführt, dass der Geschäftsbetrieb bis zum 30.06.2007 lediglich noch habe abgewickelt werden sollen und hierfür nur noch ein reduzierter Stamm von Arbeitskräften benötigt worden sei. Diese seien im Rahmen der Sozialauswahl nach sozialen Aspekten ausgewählt worden und gegen diese Auswahl habe sich der Kläger nicht gewandt.

In den Verhandlungen über den Interessenausgleich und Sozialplan habe man sich sehr intensiv mit der Frage beschäftigt, ob es gelingen könnte, diejenigen Arbeitnehmer, die nicht mehr weiterbeschäftigt werden konnten und die so von einer Vertragsbeendigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt sehr aktuell betroffen gewesen seien, in eine Auffanggesellschaft im Sinne des Wortes "aufzufangen" und intensiv auf die Anforderungen für eine Arbeitsplatzsuche vorzubereiten. Auf einer Informationsveranstaltung vom 27.03.2007 habe sich der Kläger vehement ohne anerkennenswerten Grund geweigert, in die Transfergesellschaft zu wechseln und habe ausdrücklich auf den Ausspruch einer Kündigung bestanden. Da die Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers bei der Schuldnerin nicht bekannt gewesen sei, habe der Beklagte bei Ausspruch der Kündigung nicht von einer entsprechenden Zustimmungsbedürftigkeit ausgehen können.

Ein Verstoß gegen das arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgebot liege nicht vor: Während die im Auslaufbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer ihre Arbeit zu verrichten hatten und so selbstverständlich ihren ungekürzten Vergütungsanspruch behielten, erhielten die in der Transfergesellschaft Beschäftigten ein individuelles Transferkurzarbeitergeld, das um jeweils fünf Prozentpunkte aufzustocken war.

Zur Finanzierung der Transfergesellschaft sei rechnerisch knapp 7.100,00 € für jeden beschäftigten Arbeitnehmer bezahlt worden. Für die zu zahlenden Abfindungen habe rein rechnerisch einen durchschnittlichen Abfindungsbetrag von 4.300,00 € zur Verfügung gestanden. Schon dieses Verhältnis des Aufwandes spreche dafür, dass keine sachwidrige Bevorzugung der weiterbeschäftigten Arbeitnehmergruppe gegenüber denjenigen, die in die Transfergesellschaft gewechselt seien, bestanden habe. Zwar habe der Betrag, den der Beklagte für die Finanzierung der Transfergesellschaft aufzubringen gehabt habe, den dort Beschäftigten nicht unmittelbar zur Verfügung gestanden. Die entsprechende Finanzierung sei aber Grundvoraussetzung gewesen, um den Anspruch der betroffenen Arbeitnehmer auf Transferkurzarbeitergeld zu erhalten. Zur Kompensation sei die Transfergesellschaft auch für eine Laufzeit von mindestens einem Monat über den Stilllegungszeitpunkt des Auslaufbetriebes hinaus sichergestellt worden.

Da für den Kläger nach dessen Weigerung in die Transfergesellschaft zu wechseln kein Arbeitsplatz mehr zur Verfügung gestanden habe, sei es gerechtfertigt gewesen, diesen den Arbeitnehmern gleich zu stellen, die das Unternehmen freiwillig verließen und ihn deshalb von einem Sozialplananspruch auszunehmen. Im Übrigen habe der Kläger Vorteile gehabt, da er über den gesamten Zeitraum, für den die Transfergesellschaft existiert habe, bei vollem Lohnanspruch gänzlich freigestellt gewesen sei. Seine Kollegen in der Auslaufgesellschaft hätten demgegenüber der Arbeitspflicht unterlegen und selbstständig die Mittel für die Masse erwirtschaftet, die schließlich auch in deren Abfindung einflössen. Die Mitarbeiter in der Transfergesellschaft hätten durchgängig der Anwesenheitspflicht bei gekürzten Bezügen unterlegen.

Das Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven hat am 02.07.2008 folgendes Urteil verkündet:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.806,41 € festgesetzt.

Hinsichtlich der Einzelheiten der Entscheidung wird auf Bl. 101 bis 108 d. A. Bezug genommen.

Gegen dieses ihm am 06.08.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 03.09.2008, eingegangen vorab per Fax an diesem Tag, Berufung eingelegt und diese nach gewährter Fristverlängerung mit Schriftsatz vom 06.11.2008, eingegangen an diesem Tag, begründet.

Der Kläger vertieft und ergänzt seine erstinstanzlichen Ausführungen. Die Arbeitnehmer, die in die Beschäftigungsgesellschaft gewechselt seien, hätten einen nur um wenige Monate nach hinten verschobenen Beginn des Arbeitslosengeldanspruchs und die Laufzeit der Beschäftigungsgesellschaft sei kaum länger gewesen als die Kündigungsfrist. Hinzu komme, dass der Kläger nicht in die Transfergesellschaft gewechselt und daher freigestellt worden sei. Es sei der Beklagte gewesen, der die Arbeitskraft des Klägers nicht angenommen habe. Ein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung mit den tatsächlich im Betrieb Beschäftigten sei nicht ersichtlich, da Sinn und Zweck einer Abfindung eine an Beschäftigungsdauer und Gehaltshöhe orientierter Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes sei.

Der Kläger beantragt zuletzt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 02.07.2008 abzuändern und festzustellen, dass dem Kläger eine Sozialplanforderung aus dem Sozialplan vom 23.03.2007 auf Grundlage der dort enthaltenen Berechnung (Teil A § 4) als Masseforderung im Insolvenzverfahren mit dem Aktenzeichen 503 IN 25/06 (Amtsgericht Bremen) zusteht.

Der Beklagte beantragt,

die Zurückweisung der Berufung.

Auch er vertieft und ergänzt seine erstinstanzlichen Ausführungen und trägt vor, dass ein tatsächliches Interesse des Klägers an einer Weiterbeschäftigung nicht bestanden habe, nachdem er lauthals verkündet habe, dass ihm doch bitte gekündigt werden möge.

Eine Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger habe wegen der schon frühzeitig erfolgten Schließung des Betriebsteils R. nicht mehr bestanden; Autos seien mangels Kundennachfrage nicht mehr verkauft worden.

Tatsächlich habe der Kläger gegenüber allen anderen Belegschaftsmitgliedern nur Vorteile gehabt: Er sei freigestellt gewesen und habe durch geschicktes taktisches Vorgehen - indem er die Schwerbehinderteneigenschaft verschwiegen habe - sogar noch eine verlängerte Kündigungsfrist für sich erreicht. Das Unternehmen habe in der Vergangenheit immer Abgaben zahlen müssen, weil die Zahl der schwerbehinderten Mitarbeiter, die zu beschäftigen waren, nicht erreicht worden sei.

Die Betriebsparteien hätten sich außerordentliche Mühe gegeben, eine für die Gesamtbelegschaft optimale Lösung zu finden, um allen von Kündigung oder Verlust des Arbeitsplatzes betroffenen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen eine sozialverträgliche Lösung anbieten zu können. Hinzu komme, dass die Finanzierung der Transfergesellschaft durch die Einzahlung des Insolvenzverwalters gesichert gewesen sei, während für die weiterbeschäftigten Arbeitnehmer eine sichere Gehaltszahlung nur dann tatsächlich gewährleistet gewesen sei, wenn die gesteckten betriebswirtschaftlichen Ziele erreicht werden konnten. Dies sei damals keineswegs sicher gewesen. Wäre es mit der verbliebenen Belegschaft nicht gelungen, diese betriebswirtschaftlichen Ziele zu erreichen, hätte der Beklagte möglicherweise Masseunzulänglichkeit anzeigen müssen. Dies hätte zur sofortigen Freistellung dieser Arbeitnehmer und dazu geführt, dass der Sozialplan wirtschaftlich völlig leer gelaufen wäre. Ohne eine Aufspaltung der Belegschaft hätte es weder eine Weiterbeschäftigung der tatsächlich beschäftigten Mitarbeiter gegeben, noch hätte die Möglichkeit bestanden, die Transfergesellschaft zu finanzieren.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Protokolle der mündlichen Verhandlungen sowie den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und damit insgesamt zulässige Berufung ist in vollem Umfang begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf eine Sozialplanabfindung aus dem Sozialplan vom 23.03.2007 nach den dortigen Berechnungen und unter Beachtung der insolvenzrechtlichen Vorschriften unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu. Die arbeitsgerichtliche Entscheidung war insoweit abzuändern.

I.

Die Klage ist als Feststellungsklage zulässig; insbesondere besteht das gemäß § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse trotz des grundsätzlichen Vorrangs der Leistungsklage.

Nach allgemeiner Auffassung ist eine Leistungsklage gegen den Insolvenzverwalter wegen Forderungen aus einem von ihm abgeschlossenen Sozialplan wegen des Vollstreckungsverbotes nach § 123 Abs. 3 Satz 2 InsO unzulässig. Damit bleibt dem Gläubiger nur die Möglichkeit entsprechende Forderungen im Wege der Feststellungsklage zu verfolgen (BAG, Urteile vom 22.11.2005, 1 AZR 458/04, AP Nr. 176 zu § 112 BetrVG 1972 m. w. N.).

Um einen solchen zulässigen Feststellungsantrag handelt es sich bei dem Klageantrag in der in der Berufungsinstanz zuletzt gestellten Fassung. Durch eine entsprechende Feststellung wird auch der zwischen den Parteien bestehende Streit umfassend gelöst. Sowohl die Tatsachengrundlagen für die Berechnung der Abfindung als auch die Berechnungsweise selbst stehen zwischen den Prozessparteien nicht im Streit. Differenzen zwischen erstinstanzlichen Angaben der Klägerseite zur Höhe des Bruttoeinkommens und den Angaben in der Anlage 4 zum Sozialplan (Bl. 89 d. A.) sind durch übereinstimmende Erklärung der Parteien in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren geklärt worden.

II.

Die Klage ist in vollem Umfang begründet. Der Kläger hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf eine Sozialplanabfindung nach den Bestimmungen des Sozialplans vom 23.03.2007 als Masseforderung unter Berücksichtigung der insolvenzrechtlichen Vorschriften.

1. Ein Anspruch des Klägers ergibt sich nicht bereits aus den Bestimmungen des Sozialplans vom 23.03.2007 selbst.

Mitarbeiter, die einen Wechsel in die Transfergesellschaft abgelehnt haben, werden nicht ausdrücklich im Sozialplan erwähnt und sie werden auch von einem Abfindungsanspruch nicht ausdrücklich ausgenommen. Solche Mitarbeiter erfüllen aber die Anspruchsvoraussetzungen nicht. Nach dem klaren Wortlaut der Regelungen in Teil A § 4 sind anspruchsberechtigt nur die Mitarbeiter, die in Anlage 2 zum Sozialplan benannt sind und darüber hinaus - abgesehen vom Fall einer vorzeitiger Betriebseinstellung durch den Insolvenzverwalter - auch tatsächlich bis zum 30. Juni 2007 beschäftigt worden sind. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger unstreitig nicht, da sein Arbeitsverhältnis zum Insolvenzverwalter zwar bis zum 31.08.2007 bestand, aber eine tatsächliche Beschäftigung nach dem 04.04.2007 durch die ausdrückliche Freistellung nicht mehr erfolgt ist. Der Kläger ist auch nicht in Anlage 2 zum Sozialplan als weiterzubeschäftigender Arbeitnehmer benannt (Bl. 87 d. A.).

2. Der Kläger hat einen Anspruch auf Sozialplanabfindung entsprechend den Regelungen des Sozialplans vom 23.03.2007 unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten, da die Betriebsparteien mit der faktischen Herausnahme der Arbeitnehmer, die einem Wechsel in die Transfergesellschaft widersprochen haben und durch den Insolvenzverwalter nicht tatsächlich weiterbeschäftigt worden sind, gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen haben.

a) Die Betriebsparteien haben bei Sozialplänen - wie auch sonst bei Betriebsvereinbarungen - den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zu beachten, dem wiederum der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu Grunde liegt. Dieser zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicher zu stellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblich für das Vorliegen eines die Bildung unterschiedlicher Gruppen rechtfertigenden Sachgrundes ist dabei vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck (vgl. zuletzt BAG, Urteil vom 06.11.2007, 1 AZR 960/06, AP Nr. 190 zu § 112 BetrVG 1972 Rz. 12 m. w. N.).

Zweck eines Sozialplans ist gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, die den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehenden wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen oder abzumildern. Bei deren Einschätzung haben die Betriebsparteien einen erheblichen Beurteilungs- und Ermessensspielraum und können daher in Sozialplänen Differenzierungen im Rahmen des gesetzlichen Zwecks vornehmen (BAG a. a. O., Rz. 14).

b) Geht man von diesen Grundsätzen aus, so liegt ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor. Die Betriebsparteien haben den Kläger von Leistungen aus dem Sozialplan ausgenommen, ohne dass es hierfür einen rechtfertigenden Grund gibt und ohne dass dem Kläger ein Ausgleich oder zumindest eine Milderung der durch die betriebsändernde Maßnahme entstehenden Folgen gewährt wird. Weder die Nichtbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist noch die Ablehnung des Übergangs in die Transfergesellschaft stellen einen solchen rechtfertigenden Grund dar.

aa) Die Betriebsparteien haben für den Fall des Zustandekommens der Transfergesellschaft und damit des Wirksamwerdens des Teils A des Sozialplans vom 23.03.2007 faktisch drei Gruppen gebildet:

Zum einen ist dies die Gruppe der Arbeitnehmer, die im Wege des 3-seitigen Vertrages das Arbeitsverhältnis mit dem Insolvenzverwalter beendet hat und in die Transfergesellschaft gewechselt ist. Zugunsten dieser Arbeitnehmer hat der Beklagte aufgrund der Regelungen in Interessenausgleich und Sozialplan eine finanzielle Ausstattung der Transfergesellschaft vorgenommen. Damit war sichergestellt, dass diese Arbeitnehmer während der geplanten Laufzeit von mindestens vier Monaten Transferkurzarbeitergeld von der Bundesagentur für Arbeit, Feiertags- und Urlaubsentlohnung und eine Aufstockungsleistung von 5 % erhalten konnten. Darüber hinaus waren für diese Arbeitnehmer Beratungs- und Qualifizierungsangebote durch die Transfergesellschaft vorgesehen. Eine Abfindung steht diesen Mitarbeitern nach den Regelungen des Sozialplans nicht zu.

Die zweite Gruppe bilden diejenigen Arbeitnehmer, die zur Weiterbeschäftigung bis zur endgültigen Betriebsschließung am 30.06.2007 vorgesehen waren und tatsächlich weiterbeschäftigt worden sind. Diese erhalten gemäß § 4 des Sozialplans eine dort und in Anlage 4 näher bezifferte Abfindung aus der Insolvenzmasse unter Beachtung der Regelungen der Insolvenzordnung.

Die dritte - wenn auch nicht ausdrücklich genannte - Gruppe bilden die Arbeitnehmer, die - wie der Kläger - das Angebot zum Wechsel in die Transfergesellschaft ablehnt haben, aber auch nicht weiterbeschäftigt wurden. Wie bereits dargelegt, besteht für diese Arbeitnehmer kein Abfindungsanspruch aus § 4 des Sozialplans und es sind im Sozialplan auch keine anderweitigen Leistungen zur Milderung oder zum Ausgleich der durch die Kündigung des Arbeitsverhältnisses entstehenden wirtschaftlichen Nachteile vorgesehen. Die Betriebsparteien haben dabei die Möglichkeit, dass eine solche dritte Gruppe von Arbeitnehmer entsteht, bei der Vereinbarung der Regelungen des Teils A des Sozialplans durchaus gesehen: Voraussetzung für die Wirksamkeit des Teil A war gemäß § 3 Abs. 1 des Sozialplans, dass (nur) 16 von 19 Arbeitnehmern, denen ein Angebot zum Wechsel in die Transfergesellschaft gemacht wird, dieses Angebot annehmen. Gleichzeitig war durch die Regelung in § 4 Abs. 3 i.V.m. der dort genannten Anlage 2 ebenfalls von vorneherein wahrscheinlich, dass diesen Arbeitnehmern eine tatsächliche Beschäftigung nicht angeboten wird und dass sie dementsprechend auch keine Sozialplanleistung nach dieser Vorschrift erhalten würden. Damit wurde bei der Vereinbarung des Sozialplans in Kauf genommen, dass bis zu 3 Arbeitnehmer im Falle der Weigerung zum Übertritt in die Transfergesellschaft ohne Leistungen bleiben würden.

bb) Maßgebliche Vergleichsgruppe sind vorliegend nicht die Arbeitnehmer, die in die Transfergesellschaft gewechselt sind. Diese erhalten ebenfalls keine Sozialplanleistung und auf diese bezieht sich der Kläger auch nicht. Diese sind auch nicht mit dem Kläger vergleichbar, weil sie das Arbeitsverhältnis im Wege des 3-seitigen Vertrages mit dem beklagten Insolvenzverwalter selbst beendet und dem Wechsel zugestimmt haben.

Deshalb spielt es vorliegend auch keine Rolle, ob diese Arbeitnehmer gegenüber den Arbeitnehmern, die beim Insolvenzverwalter verblieben sind, einen Vorteil hatten. Unerheblich ist auch, ob der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zum Beklagten eigenem Wunsch entsprach - wie beim Kläger - oder deshalb erfolgte, weil wegen Beschäftigungsbedarfs kein Angebot zum Wechsel in die Transfergesellschaft gemacht wurde. Zwar ist der Hinweis des Beklagten durchaus zutreffend, dass die Arbeitnehmer, die sich für einen Wechsel in die Transfergesellschaft entschieden haben, wegen der bereits erfolgten Finanzierung durch den Beklagten und den Leistungen der Bundesagentur für Arbeit jedenfalls für die Laufzeit von mindestens vier Monaten ein gesichertes Einkommen hatten und eine drohende Arbeitslosigkeit mindestens um diesen Zeitraum hinausgeschoben war. In einer solchen Situation befanden sich die Arbeitnehmer, die freiwillig oder unfreiwillig beim Beklagten verblieben sind, nicht, da sie tatsächlich das Risiko trugen, ob die Insolvenzmasse für ihre Vergütung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist und für die Sozialplansansprüche ausreichen würde. Da sich der Kläger aber selbst dafür entschieden hat, dass Angebot auf Übertritt in die Transfergesellschaft abzulehnen, hat er dieses Risiko in Kauf genommen und steht damit nicht besser oder schlechter als die anderen Mitarbeiter, die beim Insolvenzverwalter verblieben sind.

cc) Vergleichsgruppe für die Prüfung, ob eine sachwidrige Ungleichbehandlung vorliegt, sind daher die Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnisse beim Insolvenzverwalter verblieben sind, die durch diesen wegen der Schließung des Betriebes gekündigt wurden und denen ein Abfindungsanspruch nach § 4 des Sozialplans zusteht.

Der Kläger erleidet dieselben Nachteile wie diese Arbeitnehmer, nämlich einen Verlust des Arbeitsplatzes nach nicht unerheblicher Beschäftigungsdauer. Für diesen Nachteil erhält er aber - anders als diese Arbeitnehmer - keinerlei Ausgleich. Hierfür gibt es keinen sachlichen Grund.

(1) Entgegen der Auffassung des Beklagten - und auch des Arbeitsgerichts - kann der Umstand, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger tatsächlich erst zum 31.08.2007 beendet wurde und nicht, wie bei den anderen Arbeitnehmern, bereits zum 30.06.2007, nicht als sachlicher Differenzierungsgrund herangezogen werden.

Diese Tatsache ist allein der Situation geschuldet, dass der Beklagte vor Ausspruch der ersten Kündigung die gesetzlich notwendige Zustimmung des Integrationsamts nicht eingeholt hatte und er deswegen im Folgenden aus dieser Kündigung keine Rechte mehr hergeleitet hat. Dieser Umstand hat allein mit der Schwerbehinderung des Klägers und der individuellen Wirksamkeit der Kündigung zu tun und ist nicht in den Regelungen des Interessensausgleichs oder Sozialplans als besondere Maßnahme zum Ausgleich oder zum Hinausschieben wirtschaftlicher Nachteile angelegt. Sie kann daher auch nicht als sachliche Rechtfertigung für einen Ausschluss von Abfindungsleistungen in einer generellen, nicht auf den Kläger bezogenen Regelung, herangezogen werden

Soweit der Beklagte - vom Kläger bestritten - darauf hinweist, dass der Schuldnerin der Umstand der Schwerbehinderung nicht bekannt gewesen sei und dass das Verhalten des Klägers treuwidrig gewesen sei, könnte dies zu keinem anderen Ergebnis führen. Es erscheint bereits höchst zweifelhaft, ob der Beklagte konkrete Umstände genannt hat, die zur Annahme eines treuwidrigen Verhaltens führen könnten. Auch wenn man dies aber unterstellen würde, so wäre dies allenfalls für die Frage relevant gewesen, ob sich der Kläger im Kündigungsschutzprozess auf die Unwirksamkeit der ersten ausgesprochenen Kündigung wegen des Verstoßes gegen § 85 SGB IX hätte berufen können (vgl. dazu: LAG Hamm, Urteil v. 31.05.2007, 8 Sa 139/07, und LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 09.10.2003, 4 Sa 711/03, jeweils juris). Diese Fragestellung ist aber nicht mehr relevant, da der Beklagte aus der Kündigung vom 27.03.2007 bereits im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses keine Rechte mehr hergeleitet hat.

(2) Auch die Freistellung und Nichtbeschäftigung bis zum 30.06.2007 stellt keinen sachlichen Grund für Herausnahme aus dem Kreis der Anspruchsberechtigten Arbeitnehmer dar.

Der Kläger hatte - wie die anderen Arbeitnehmer auch - aus seinem Arbeitsvertrag grundsätzlich einen Beschäftigungs- und Vergütungsanspruch gegen seinen Arbeitgeber. Hierdurch ist durch die Insolvenzeröffnung zunächst keine Veränderung eingetreten. Die Frage, ob eine Beschäftigungsmöglichkeit bestand oder nicht, lag im Risikobereich des Beklagten. Dieser hat den Kläger ab 04.04.2007 freigestellt und - wie in § 615 BGB vorgesehen - vergütet; der Kläger hat sich gegen die Freistellung nicht gewandt. Damit erhielt der Kläger zwar - anders als die tatsächlich Beschäftigten - seine Vergütung, ohne Arbeitsleistung erbringen zu müssen. Dieser Vergütungsanspruch ergab sich aber aus § 615 BGB und ein Vergütungsanspruch hätte auch bestanden, wenn der Kläger zur Arbeitsleistung herangezogen worden wäre. In beiden Fällen stellt der Anspruch auf die reguläre Arbeitsvergütung jedenfalls keinen Ausgleich und keine Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die durch eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses eintreten (§ 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG), dar.

Soweit der Beklagte darauf hinweist, dass die tatsächlich beschäftigten Arbeitnehmer die Masse, die auch zur Finanzierung der Abfindungen dient, erwirtschafteten, kann dies schon deshalb zu keinem anderen Ergebnis führen, da er dem Kläger durch die erfolgte einseitige Freistellung die Möglichkeit genommen hat, selbst zur Erwirtschaftung weiterer Masse beizutragen.

(3) Auch die Ablehnung des Übergangs in die Transfergesellschaft durch den Kläger stellt jedenfalls deshalb keinen sachlichen Grund für die Nichtgewährung einer Sozialplanleistung dar, weil ein anderer Teil der Belegschaft, der ebenfalls nicht die Transfergesellschaft gewechselt ist, Leistungen erhält.

Zwar können die Betriebsparteien in Sozialplänen bei Abfindungen differenzieren zwischen Arbeitnehmern, denen kein zumutbares Angebot einer Weiterbeschäftigung gemacht wird und denjenigen, die ein solches Angebot ablehnen. Arbeitnehmern, die einen zumutbaren Arbeitsplatz ablehnen, kann der Abfindungsanspruch ganz entzogen oder entsprechend gemindert werden, da die Betriebsparteien in solchen Fällen zu Recht davon ausgehen dürfen, dass ein Arbeitnehmer, der eine zumutbare Weiterbeschäftigung ausschlägt, keine oder nur geringe wirtschaftliche Nachteile erleiden wird (vgl. BAG vom 06.11.2007 a.a.O.). Auch können die Betriebsparteien Arbeitnehmer, von denen aufgrund bestimmter Umstände (z. B. vorzeitiges Ausscheiden auf eigenen Wunsch) angenommen werden kann, dass sie einen neuen Arbeitsplatz haben, von Leistungen ganz oder teilweise ausnehmen (vgl. BAG, Beschluss v. 19.02.2008, 1 AZR 1004/06, AP Nr. 191 zu § 112 BetrVG, Rz. 26 m. w. N.).

Eine solche Situation ist vorliegend nicht gegeben: Das Angebot zum Übertritt in eine Transfergesellschaft ist kein zumutbares Arbeitsplatzangebot im Sinne des § 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BetrVG (DKK-Däubler, BetrVG, 11. Aufl., § 112 Rdnr. 192). Weder handelt es sich bei der Transfergesellschaft um einen anderen Betrieb des Unternehmens noch um ein anderes konzernabhängiges Unternehmen. Darüber hinaus zielt eine Transfergesellschaft gerade nicht darauf, dem Arbeitnehmer auf Dauer einen Ersatzarbeitsplatz für den verlorenen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Aus einer Ablehnung des Wechsels kann daher nicht generell die Schlussfolgerung gezogen werden, dass der ablehnende Arbeitnehmer über einen anderen Ersatzarbeitsplatz verfügt. Bei der Transfergesellschaft handelt es sich vielmehr um eine - häufig sinnvolle - arbeitsmarktpolitische Maßnahme, um den Arbeitnehmern unter Einbeziehung von Leistungen der Bundesagentur für Arbeit einen gewissen Übergangszeitraum zu sichern, die Arbeitslosigkeit um diesen Zeitraum hinauszuschieben und durch Qualifizierungs- und Vermittlungsmaßnahmen den Weg zu einem neuen Arbeitsplatz zu ebnen. Dies wird allerdings regelmäßig durch den Verzicht auf gesetzliche oder tarifvertragliche Kündigungsfristen und eine Verminderung des Einkommens auf das Transferkurzarbeitergeld zuzüglich gewisser Aufstockungsleistungen erkauft. Gegebenfalls steht den Leistungen aus der Transfergesellschaft auch noch der Verzicht auf Abfindungszahlungen gegenüber, wie dies auch vorliegend der Fall ist (vgl. beispielhaft auch: BAG, Urteil vom 30.03.2004, 1 AR 85/03, AP Nr. 170 zu § 112 BetrVG).

Zwar bestehen keine generellen Bedenken, solche Regelungen in einen Sozialplan aufzunehmen; § 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 a BetrVG weist vielmehr ausdrücklich auf die Berücksichtigung entsprechender Förderungsmöglichkeiten zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit hin (vgl. dazu Fitting, BetrVG, 23. Aufl., § 112 Rdnr. 234). Auch individualrechtlich begegnet es keine grundsätzlichen Bedenken, im Wege des dreiseitigen Vertrages das Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Arbeitgeber zu beenden und in Transfer- oder Beschäftigungsgesellschaften zu wechseln (vgl. dazu zuletzt: BAG, Urteile v. 25.04.2007, 6 AZR 622/07, AP Nr. 23 zu § 113 InsO oder v. 23.11.2006, 8 AUR 349/06, AP Nr. 1 zu § 613 a BGB Wiedereinstellung).

Verbleibt aber eine Arbeitnehmergruppe beim Arbeitgeber und erhält Sozialplanleistungen, ist es wegen eines Verstoßes gegen § 75 BetrVG unzulässig, mittelbaren Zwangs zum Übergang in eine Transfergesellschaft dadurch auszuüben, dass bei einer Ablehnung keinerlei Leistungen an den widersprechenden Arbeitnehmer gewährt werden. Zwar mag es gerade bei Sozialplänen in der Insolvenz, bei denen nur eine begrenzte Masse zur Verfügung steht, durchaus denkbar sein, wegen der Notwendigkeit der Aufbringung der Finanzierung der Remanenzkosten, die auch dann anfallen, wenn einzelne Arbeitnehmer nicht übergehen, deren Abfindungsansprüche zu reduzieren und insoweit den Umstand, dass eine Transfergesellschaft errichtet wurde und ein entsprechendes Angebot gemacht wurde, zu berücksichtigen (vgl. zu differenzierten Abfindungsansprüche bei Übertritt in die Transfergesellschaft: BAG, Urteil v. 18.07.2006, 1 AZR 521/05, n. v., juris). Der Ausschluss von jeglicher Leistung übersieht jedoch den Zweck des § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG und berücksichtigt nicht, dass auch diese Arbeitnehmer wirtschaftliche Nachteile durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erleiden. Die vorrangig zukunftsorientierte Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion von Sozialplänen (vgl. BAG, Urteil v. 13.03.2007, 1 AZR 262/06, AP Nr. 183 zu § 112 BetrVG, Rz. 18) würde in diesem Fall nicht zur Geltung gebracht werden. Dies gilt insbesondere, wenn die Transfergesellschaft nach den Regelungen in Interessenausgleich und Sozialplan nur zeitlich geringfügig (hier: 1 Monat) länger angelegt ist, als die Kündigungsfristen für die große Mehrzahl der Arbeitnehmer wären.

Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht noch darauf hingewiesen hat, dass dann, wenn die Transfergesellschaft nicht zu Stande gekommen wäre, für die Belegschaft in ihrer Gesamtheit eine deutlich schlechtere Lösung erzielt worden wäre und jeder einzelne für sich genommen geringere Leistungen erhalten hätte, kann dies kein anderes Ergebnis rechtfertigen. Zwar mag es zutreffen, dass die gefundene Lösung für die Masse der betroffenen Arbeitnehmer in der konkreten Situation prognostisch die günstigste gewesen ist. Dies lässt aber nicht zu, einzelne Arbeitnehmer ohne sachlich gerechtfertigten Grund völlig von Leistungen auszunehmen.

3. Dem Kläger steht daher ein Abfindungsanspruch nach den Regelungen des Sozialplans vom 23.03.2007 unter Beachtung der insolvenzrechtlichen Vorschriften zu.

Es kann dabei dahinstehen, ob dieser Anspruch des Klägers wegen der Begrenzung in § 123 Abs. 2 Satz 2 InsO überhaupt zu einer Ausweitung des Sozialplanvolumens führen würde. Sollte dies der Fall sein, so wäre eine solche Ausweitung unter Berücksichtigung des Umstandes, dass nur der Kläger betroffen ist und angesichts der relativ geringen Höhe der sich rechnerisch ergebenden Abfindung jedenfalls nicht so erheblich, dass sie nicht hinzunehmen wäre (vgl. allg. dazu BAG, Urteil v. 12.11.2002, 1 AZR 58/02, AP Nr. 159 zu § 112 BetrVG, IV. der Gründe).

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen, da die Fragestellung, ob ein Arbeitnehmer, der ein Angebot zum Wechsel in eine Transfergesellschaft ablehnt, völlig von Sozialplanleistungen ausgenommen werden kann, bisher soweit ersichtlich in der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt ist und über den Einzelfall hinaus Bedeutung hat.

Ende der Entscheidung

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