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Gericht: Landesarbeitsgericht Bremen
Urteil verkündet am 21.02.2002
Aktenzeichen: 3 Sa 17/02
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, TVG, ArbeitszeitG, ATG, BeschFG, JuArbeitsSchG, ArbGG, BUrlG, BetrVG


Vorschriften:

BGB § 317 Abs. 1
BGB § 319 Abs. 1 Satz 1
BGB § 613 Abs. 1 Satz 2
BGB § 613 Abs. 1 Satz 3
BGB § 613 a
BGB § 613 a Abs. 1 Satz 1
BGB § 613 a Abs. 1 Satz 2
BGB § 613 a Abs. 1 Satz 3
BGB § 622 Abs. 4
ZPO § 97
ZPO § 256
TVG § 1
TVG § 2
TVG § 3
TVG § 4
ArbeitszeitG § 7 Abs. 4
ATG § 3 Abs. 1
BeschFG § 6 Abs. 3
JuArbeitsSchG § 21 a Abs. 3
ArbGG § 72 a Abs. 1 Nr. 1
ArbGG § 72 a Abs. 1 Nr. 2
BUrlG § 13 Abs. 1
BetrVG § 77 Abs. 1
BetrVG § 77 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Bremen Im Namen des Volkes

Aktenzeichen: 3 Sa 17/02

Verkündet am: 21. Februar 2002

In dem Berufungsverfahren

hat das Landesarbeitsgericht Bremen - Dritte Kammer - aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. Februar 2002 durch den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen vom 06.09.2001 - Az.: 5 Ca 5092/01 - wird auf ihre Kosten als unbegründet zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin macht mit der am 22.02.2001 beim Arbeitsgericht Bremen eingegangenen Klage die Fortgeltung der Richtlinien für Arbeitsverträge des Deutschen Caritasverbandes (AVR) in der jeweils geltenden Fassung für ihr Arbeitsverhältnis geltend.

Die Klägerin ist seit dem 11.06.1998 als Raumpflegerin im Krankenhaus St. in Bremen mit z. Zt. 22 Wochenstunden beschäftigt.

Das Arbeitsverhältnis wurde begründet zwischen dem Krankenhaus St. Bremen, einer Einrichtung der katholischen Kirche, durch den Arbeitsvertrag vom 11.06.1998. In diesem Arbeitsvertrag heißt es u. a.:

"Zischen dem Krankenhaus St. Bremen und Frau R. ... wird folgender Dienst-/Arbeitsvertrag geschlossen, dem die Arbeitsvertragsrichtlinien des Deutschen Caritasverbandes zugrunde liegen.

...

4. Arbeitszeit

Die Arbeitszeit richtet sich nach den jeweiligen tariflichen Bestimmungen und beträgt zur Zeit 20,0 Std. in der Woche.

5. Vergütung

Der/Die MitarbeiterZin wird in die Vergütungsgruppe AVR 11 Stufe 8 eingestuft.

Die Vergütung beträgt brutto DM 1.887,36 (siehe Anlage "Berechnung der Dienstbezüge").

...

8. Sonstiges

Der Arbeitnehmer ist gehalten, sich in den Rahmen der Haus- und Dienstgemeinschaft einzufügen und die für die Ordnung des Dienstes und des Zusammenlebens der Hausgemeinschaft erlassenen allgemeinen und besonderen Bestimmungen zu beachten.

...

Bei Änderungen der AVR gilt jeweils die in der "Caritas-Korrespondenz" veröffentlichte und in Kraft gesetzte Fassung, ohne dass es einer weiteren Vereinbarung bedarf.

..."

Im Januar 2001 wurde die Klägerin nach dem Tarif AVR Caritas West in Gruppe 11 Stufe 9 eingruppiert. Ihre durchschnittliche Bruttomonatsvergütung lag bei DM 1.982,76, was einem Stundenlohn von DM 20,87 pro Stunde brutto entspricht.

Bereits Ende 1999/Anfang 2000 war das Krankenhaus St. in eine GmbH umgewandelt worden, wobei allerdings die Zuordnung zur Kirche erhalten blieb und lediglich eine privatrechtliche Rechtsform gewählt wurde. Die weiterbestehende Zuordnung zur Kirche wurde u. a. durch die unveränderte Weitergeltung der AVR Caritas für die Arbeitsverträge mit den Beschäftigten dokumentiert.

Das Arbeitsverhältnis ging am 01.02.2001 durch Betriebsübergang auf die neu gegründete St. Dienstleistungs GmbH, die Beklagte, über. Sie ist in rein zivilrechtlicher Form organisiert. Durch die Neugründung der Beklagten und Übertragung des von der St. GmbH ausgegliederten Dienstleistungsbereichs wurde nach übereinstimmender Auffassung beider Parteien die Übertragung eines Betriebsteils im Sinne des § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB vorgenommen. Die Beklagte nahm dann ihre Tätigkeit auch zum 01.02.2001 auf.

Mit der Neugründung der Beklagten, deren Gesellschaftsanteile zu 51 % von der St. GmbH und zu 49 % von der Firma cleanik service GmbH gehalten werden, wurde der insbesondere für Glas- und Gebäudereinigung verantwortliche Betriebsteil der St. GmbH ausgegliedert und auf die Beklagte übertragen. Dementsprechend heißt es in der Satzung der Beklagten zu ihrem Unternehmensgegenstand:

"Der Gegenstand des Unternehmens ist die Erbringung von Dienstleistungen, insbesondere von Glas- und Gebäudereinigung, von Hol- und Bringediensten, von Pförtnerdiensten, von Hausmeisterdiensten, Müllentsorgung, die Bewachung, die Garten- und Grundpflege, das Betreiben der Bettenzentrale und der Zentralspüle, die Sicherung und Bewachung sowie die Grundstückspflege und Winterdienste, insbesondere für die Krankenhaus St. GmbH."

Auf einer Informationsveranstaltung am 26.01.2001 wurde die Klägerin u. a. darüber informiert, dass ab 01.02.2001 nicht mehr die AVR des Caritasverbandes, sondern die allgemeinverbindlichen Tarifverträge für das Gebäudereinigerhandwerk auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden würden.

Die Klägerin erhält seit dem 01.02.2001 einen um DM 6,25 niedrigeren Stundenlohn als bisher, die für allgemein verbindlich erklärten Tarifverträge des Gebäudereinigerhandwerkes werden auf ihr Arbeitsverhältnis von der Beklagten angewendet.

Mit Schreiben vom 02.02.2001 machte die Klägerin die Fortgeltung der AVR geltend. Auf Bl. 15 bis 17 d. A. wird verwiesen.

Mit Schreiben vom 13.02.2001 teilte die Beklagte mit, dass § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB nicht einschlägig sei, da die AVR als Tarifsurrogat den Rechtsnormen eines Tarifvertrages gleich stünden. Deshalb sei der allgemeinverbindliche Tarifvertrag für das Gebäudereinigerhandwerk auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden. Auf Bl. 18 und 19 d. A. wird verwiesen.

Die Klägerin hat in der ersten Instanz die Auffassung vertreten, dass nach wie vor die AVR des Caritasverbandes Anwendung finden. Sie hat ihre Auffassung ausführlich mit rechtlichen Erwägungen begründet.

Die Klägerin hat in erster Instanz zuletzt beantragt,

festzustellen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nach dem 31.01.2001 die Richtlinien für Arbeitsverträge des Deutschen Caritas-Verbandes in der jeweils gültigen Fassung Anwendung finden.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat unter Darlegung ihrer Rechtsauffassung die Auffassung vertreten, die AVR stellten ein Tarifsurrogat dar, sie seien gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB durch die allgemeinverbindlichen Tarifverträge für das Gebäudereinigerhandwerk abgelöst worden. Die Lohneinbußen seien Folge dieser Rechtslage.

Das Arbeitsgericht Bremen hat am 06.09.2001 folgendes Urteil verkündet:

1. Es wird festgestellt, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nach dem 31.01.2001 die Richtlinien für Arbeitsverträge des Deutschen Caritasverbandes (AVR) in der jeweils geltenden Fassung Anwendung finden.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Streitwert beträgt DM 21.450,00.

Wegen der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf Bl. 85 bis 89 d. A. verwiesen.

Dieses Urteil wurde der Beklagten am 16.10.2001 zugestellt. Die Beklagte hat mit einem am 15.11.2001 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem Montag, den 17.12.2001 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte greift das erstinstanzliche Urteil mit Rechtsausführungen an, wobei sie sich insbesondere auf den Aufsatz von Richardi in Neue Caritas Heft 4/2000, S. 33 ff., bezieht.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen vom 06.09.2001, Az.: 5 Ca 5092/01, zugestellt am 16.10.2001, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten und Berufungsklägerin kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil mit Rechtsausführungen.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze, insbesondere auf den Berufungsbegründungsschriftsatz Bl. 93 ff. d. A. und den Berufungserwiderungsschriftsatz Bl. 133 ff. d. A. verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I

Die Berufung ist bei dem vom Arbeitsgericht festgesetzten Streitwert, der dem Beschwerdewert entspricht, statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig.

II

In der Sache hatte die Berufung keinen Erfolg.

1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere liegt das erforderliche Feststellungsinteresse vor.

Es können als feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Rahmen von § 256 ZPO auch einzelne Beziehungen oder Folgen eines einheitlichen Rechtsverhältnisses wie einzelne Rechte, Ansprüche und Pflichten Gegenstand einer Feststellungsklage sein. Die Anwendbarkeit eines bestimmten Tarifvertrages als Gegenstand einer Feststellungsklage wird anerkannt, obwohl es sich nicht um das Rechtsverhältnis der Parteien insgesamt, sondern nur um einen rechtlichen Aspekt dieses Rechtsverhältnisses handelt. Auch die Frage, ob die Tarifverträge des Gebäudereinigerhandwerkes gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB Inhalt des Arbeitsverhältnisses geworden sind oder ob die AVR weiter gelten, ist eine Frage der Anwendbarkeit von Tarifverträgen bzw. von arbeitsvertraglichen Richtlinien.

Das nötige Feststellungsinteresse setzt voraus, dass durch die Entscheidung über die Anwendbarkeit der Tarifverträge eine sinnvolle und sachgemäße Erledigung der Streitpunkte herbeigeführt werden kann, d. h. dass eine Vielzahl von Einzelfragen dem Streit der Parteien endgültig entzogen und so weiter einzelne Leistungsklagen vermieden werden können (vgl. zum Ganzen: BAG SAE 1993 S. 74; BAG SAE 2002 S. 19).

Diese von der Rechtsprechung zu Recht aufgestellten Voraussetzungen sind erfüllt. Die Parteien streiten darüber, ob aufgrund des unstreitigen Betriebsübergangs des Arbeitsverhältnisses der Klägerin von der St. GmbH auf die Beklagte die im Arbeitsverhältnis zur St. GmbH geltenden AVR Caritas gemäß § 613 Abs. 1 Satz 2 BGB weiter gelten oder ob sie gemäß § 613 Abs. 1 Satz 3 BGB durch die für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge des Gebäudereinigerhandwerks abgelöst worden sind.

Sobald diese Frage, ob die AVR Caritas weiter gelten oder ob die Tarifverträge für das Gebäudereinigerhandwerk Geltung haben geklärt ist, ist der entscheidende Teil der Unsicherheiten über das Bestehen der Ansprüche der Klägerin entfallen.

2. Zu Recht hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass die AVR Caritas weiter gelten, da die Voraussetzungen des § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB nicht vorliegen.

a) Bei den AVR Caritas handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts um kirchliche Arbeitsvertagsregelungen, die das einzelne Arbeitsverhältnis nur in dem zwischen den Parteien vereinbarten Umfange gestalten können (vgl. BAG NZA 1997 S. 1288). Kirchliche Arbeitsvertragsregelungen stellen nach dieser Rechtsprechung keinen Tarifvertrag im Sinne des § 1 TVG dar. Tarifverträge im Rechtssinne sind nur solche Vereinbarungen, die nach Maßgabe des Tarifvertragsgesetzes zustande gekommen sind und dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Begriff des Tarifvertrages entsprechen. Es muss sich demnach um Vereinbarungen handeln, welche in Vollzug der durch Art. 9 Abs. 3 GG den Gewerkschaften und Arbeitgebern bzw. Arbeitgeberverbänden eingeräumten Rechtssetzungsautonomie von diesen nach den Grundsätzen des im Tarifvertragsgesetz näher geregelten staatlichen Tarifrechts aufgrund entsprechender Verhandlungen freier und voneinander unabhängiger Tarifvertragsparteien mit Normencharakter zustande gekommen sind (vgl. BAG AP Nr. 24 zu § 611 BGB Kirchendienst).

Arbeitsvertragsregelungen, auch die AVR Caritas, beruhen auf kirchenrechtlichen Bestimmungen und innerkirchlichen Vereinbarungen, die ohne Vereinbarung mit einer Gewerkschaft oder einem Zusammenschluss von Gewerkschaften als Tarifvertragsparteien im Sinne des § 2 TVG zustande gekommen sind. Deshalb stellen Arbeitsvertragsrichtlinien und Anstellungsordnungen der Kirchen keine Tarifverträge dar. Aus diesem Grunde können die Regelungen niemals ein Arbeitsverhältnis unmittelbar und zwingend wie ein Tarifvertrag gestalten. Es bedarf vielmehr stets der vertraglichen Transformation durch Einzelvertrag, Gesamtzusage oder Einheitsregelung, wenn die AVR in dem Arbeitsverhältnis gelten sollen (vgl. BAG NZA 1997 S. 659, 660; BAG NZA 1991 S. 350; BAG AP Nr. 24 zu § 611 BGB Kirchendienst; BAG AP Nr. 7 und 8 zu § 12 AVR Caritasverband; LAG Hamm Urt. v. 17.10.2000 - Az.: 7 Sa 1122/00).

b) Die Arbeitsvertragsrichtlinien sind auch nicht einem Tarifvertrag gleichgesetzt, sie sind nicht Tarifsurrogat.

Die beschließenden Organe der arbeitsrechtlichen Kommissionen haben nicht die unabhängige Stellung einer Tarifvertragspartei. Die arbeitsrechtliche Kommission ist vielmehr Dritter im Sinne des § 317 Abs. 1 BGB (vgl. BAG AP Nr. 24 zu § 611 BGB Kirchendienst; BAG AP Nr. 17 zu §§ 22, 23 BAT Zuwendungs-TV). Den arbeitsrechtlichen Kommissionen wurde durch Unterwerfung der Arbeitnehmer über den Einzelarbeitsvertrag das Leistungsbestimmungsrecht für ihre Arbeitsverhältnisse übertragen. Im Gegensatz zum Tarifbereich unterliegt dieses Recht der Billigkeitskontrolle des § 319 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dieser Billigkeitskontrolle steht das Selbstordnungs- bzw. Selbstverwirklichungsrecht der Kirchen gemäß Art. 140 GG nicht entgegen. Die Gestaltungsfreiheit des kirchlichen Arbeitgebers steht für die auf der Vertragsebene begründeten Arbeitsverhältnisse unter dem Vorbehalt der für alle geltenden Gesetze. Die für Tarifverträge geltenden Maßstäbe können demzufolge nur eingeschränkt herangezogen werden. Dieses beschränkte Überprüfungsrecht ist auf Bestimmungen beschränkt, die Tarifvertragsregelungen des öffentlichen Dienstrechts gänzlich zumindest mit wesentlich gleichem Inhalt übernehmen (vgl. BAG AP Nr. 17 zu §§ 22, 23 BAT Zuwendungs-TV; BAG AP Nr. 11 zu § 12 AVR Caritas).

Richtig ist allerdings die Bemerkung der Beklagten, dass der Gesetzgeber in einzelnen Gesetzen in Öffnungsklauseln neben Tarifverträgen auch Kirchen und öffentliche Religionsgemeinschaften erwähnt. Diese Öffnungsklausel hat der Gesetzgeber allerdings bisher nur in Einzelfällen wie in § 7 Abs. 4 ArbeitszeitG, § 3 Abs. 1 ATG, § 6 Abs. 3 BeschFG und § 21 a Abs. 3 JuArbeitsSchG angewandt. Andere wichtige Bereiche wie z. B. § 72 a Abs. 1 Nr. 1 und 2 ArbGG, § 13 Abs. 1 BUrlG, § 622 Abs. 4 BGB und § 613 a Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB bleiben ausgenommen. Es kann deshalb nicht unterstellt werden, dass der Gesetzgeber generell die Arbeitsvertragsrichtlinien der Kirchen als Tarifsurrogat anerkennt. Dies ist auch nicht erforderlich, zumal auch Kirchen Tarifverträge abschließen können (vgl. dazu: Hammer, Die Rechtsqualität kirchlicher Arbeitsvertragsordnungen im Spiegel der BAG-Rechtsprechung, AuR 2002 S. 49 (57)).

c) Die Arbeitsvertragsrichtlinien werden entgegen der von der Beklagten vertretenen Rechtsansicht nicht von Art. 3 Abs. 2 RL 77/187/EWG vom 14.02.1977 erfasst. Die Betriebsübergangsrichtlinie, auf der § 613 a BGB beruht, beabsichtigt den Schutz eines Kollektivvertrages beim Veräußerer und Erwerber. Der beim Veräußerer bestehende Kollektivvertrag wird in das Arbeitsverhältnis beim Erwerber übernommen, sofern nicht beim Erwerber schon ein anderer Kollektivvertrag besteht. Sinn und Zweck der Regelung besteht darin, die fortbestehenden Arbeitsverhältnisse inhaltlich durch beim Erwerber schon bestehende Kollektivvertragsregelungen bestimmen zu lassen, auch wenn diese im Vergleich zu den zuvor bestehenden Kollektivvertragsregelungen nachteilig sein sollten (vgl. Palandt-Putzo 60. Aufl. § 613 a BGB Rdz. 24; LAG Hamm a.a.O.). Kollektivverträge im Sinne der EG-Betriebsübergangsrichtlinie sind Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen. Sie erfahren den gesetzlichen Schutz der §§ 3 und 4 TVG bzw. des § 77 Abs. 1 und Abs. 4 BetrVG. Tarifverträge sind nur solche Vereinbarungen, die nach Maßgabe des Tarifvertragsgesetzes zustande gekommen sind und dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Begriff des Tarifvertrages entsprechen. Gefordert sind, wie schon erwähnt, Vereinbarungen, die in Vollzug der durch Art. 9 Abs. 3 GG den Gewerkschaften und Arbeitgebern bzw. Arbeitgeberverbänden eingeräumten Rechtssetzungsautonomie von diesen nach den Grundsätzen des im Tarifvertragsgesetz näher geregelten staatlichen Tarifrechts aufgrund entsprechender Verhandlungen voneinander unabhängiger Tarifvertragsparteien mit Normencharakter zustande gekommen sind (vgl. BAG NZA 1989 S. 769).

Trotz der rechtlichen Unabhängigkeit der Mitglieder der arbeitsrechtlichen Kommissionen und trotz des ausgestalteten Rechtsschutzes der bestimmten Mitglieder sowie des Mehrheitsprinzips sind die Beschlüsse der arbeitsrechtlichen Kommission nicht mit Rechtssetzungsautonomie ausgestaltet. Die Arbeitsvertragsrichtlinien wirken deshalb nicht unmittelbar und zwingend wie ein Tarifvertrag auf die kirchlichen Arbeitsverhältnisse ein. Sie bedürfen zur inhaltlichen Vertragsgestaltung der ausdrücklichen vertraglichen Transformation.

d) Dadurch dass der Gesetzgeber in § 613 a Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB nicht auch die Arbeitsvertragsrichtlinien erwähnt hat, ist diese gesetzliche Bestimmung nicht von Anfang an lückenhaft. Der Gesetzgeber hat sich bewusst dafür entschieden, nur die gesetzlich geschützten Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen in § 613 a BGB zu erwähnen. Eine Gleichstellung von Arbeitsvertragsrichtlinien mit Tarifverträgen scheidet aus, weil den beiden Vertretungsbereichen nicht die Unabhängigkeit des Art. 9 Abs. 3 GG eingeräumt wird. Auch wenn es auf die Form des Kollektivvertrages nicht ankommen sollte, ist eine richtlinienkonforme Interpretation dergestalt ausgeschlossen, dass die Arbeitsvertragsrichtlinien Kollektivverträge im Sinne der EG-Betriebsübergangsrichtlinie sind. Die Unterschiede zwischen den Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen einerseits und den Arbeitsvertragsrichtlinien andererseits sind zu groß, die Interessenlage in den angesprochenen Bereichen ist zu unterschiedlich, so dass eine Gleichstellung nicht vertretbar ist (vgl. auch: LAG Hamm a.a.O.).

3. Da die Voraussetzungen des § 613 Abs. 1 Satz 3 BGB mithin nicht gegeben sind, hatte die Feststellungsklage Erfolg. Die AVR gelten, solange sie nicht durch individualrechtliche Maßnahmen beseitigt werden, im Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB weiter.

III

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Wegen grundsätzlicher Bedeutung hat die Kammer die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Ende der Entscheidung

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