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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 27.09.2006
Aktenzeichen: 1 Ta 8/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 114 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 253 Abs. 2 Ziff. 2
1. Für die Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussicht einer Klage gem. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO kommt es auf den Zeitpunkt der Bewilligung von Prozesskostenhilfe an. Ist das Verfahren aber bereits zuvor abgeschlossen, ist auf den Zeitpunkt der Bewilligungsreife abzustellen.

2. Eine wegen eines unbestimmten Antrages nach § 253 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO zunächst unzulässige Klage hat hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn davon ausgegangen werden kann, dass in der mündlichen Verhandlung ein bestimmter, der Höhe nach bezifferter Antrag gestellt wird. Dies ist dann der Fall, wenn von der bezifferten Klagforderung das zunächst nicht der Höhe nach bezifferte Arbeitslosengeld abgezogen werden soll.


Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 22. Juli 2006 - 27 Ca 433/04 - abgeändert:

Der Klägerin wird für die erste Instanz Prozesskostenhilfe bewilligt.

Ihr wird als Prozessbevollmächtigte beigeordnet

Frau Rechtsanwältin G. L.,

O. Straße, H..

Auf Grund der glaubhaft gemachten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse werden weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Arbeitsentgelt, die sie später zurücknahm.

Mit ihrer am 16. August 2004 bei Gericht eingegangenen Klage verlangte die Klägerin die Zahlung von Arbeitsentgelt für die Zeit vom 20. Mai 2002 bis zum 22. September 2003. Dies gab sie mit insgesamt 16.953,30 Euro zzgl. Zinsen und "abzüglich übergegangener Ansprüche" an. Jene Ansprüche waren solche des Arbeitsamtes, das der Klägerin in dieser Zeit Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe gezahlt hat. Die genaue Bezifferung dieser Zahlungen stellte die Klägerin in Aussicht.

Zudem hat die Klägerin beantragt,

der Klägerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin G. L. zu bewilligen.

Die Erklärung der Klägerin über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 19. April 2004 ging am 02.September 2004 bei Gericht ein.

Mit Schreiben vom 13. Mai 2005 teilte die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigte dem Gericht mit, dass sich die Parteien um eine außergerichtliche Einigung bemühten. Sollte diese scheitern, würden die erforderlichen Angaben nachgeholt werden.

Schließlich einigten sich die Parteien außergerichtlich. Die Klägerin nahm daraufhin am 19. Juni 2006 die Klage zurück.

Das Arbeitsgericht Hamburg hat mit Beschluss vom 22. Juni 2006 - 27 Ca 433/04 - den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage böte keine hinreichende Aussicht auf Erfolg i. S. v. § 114 ZPO. Der Klagantrag habe keinen vollstreckungsfähigen Inhalt, weil er nicht hinreichend bestimmt sei und deshalb den Anforderungen des § 253 Abs. 1 Nr. 2 ZPO nicht genüge. Dies führe zur Unzulässigkeit der Klage und eine unzulässige Klage habe keine Erfolgsaussichten.

Die Klägerin hat gegen den ihrer Prozessbevollmächtigten am 26. Juni 2006 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg am 28. Juni 2006 sofortige Beschwerde beim Arbeitsgericht Hamburg eingelegt. Dabei rügt sie die fehlende Rechtsmittelbelehrung. Der Beschluss sei zudem unrichtig, da die Klage nicht unzulässig gewesen sei. Es sei bereits in der Antragsschrift darauf hingewiesen worden, dass der Klagantrag später näher konkretisiert werde. Unter Berücksichtigung des Anspruchsübergangs sei der Klägerin ein Bruttobetrag von 4.384,20 Euro verblieben, auf den die Beklagte zunächst 1.007,07 Euro und später den Restbetrag gezahlt habe.

Das Arbeitsgericht Hamburg hat der Klägerin am 30. Juni 2006 mitgeteilt, dass der Beschwerde gemäß richterlicher Verfügung aus den in dem Beschluss vom 22.06.2006 - 27 Ca 433/04 - genannten Gründen nicht abgeholfen werde. Zur Begründung hat es ergänzend darauf hingewiesen, dass es Sache der Klägerin gewesen sei, den Zwischenverdienst zu beziffern und einen zulässigen Klagantrag zu stellen.

II.

Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist zulässig (1.) und begründet (2.).

1. Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO i. V. m. § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG statthaft. Insbesondere übersteigt der Streitwert der Hauptsache nach der nun seitens der Klägerin erfolgten genauen Bezifferung des Klagantrags den in § 511 ZPO genannten Betrag. Die sofortige Beschwerde ist auch gemäß §§ 569 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 571 Abs. 1 ZPO formgerecht und gemäß § 127 Abs. 2 S. 3 ZPO i. V. m. § 9 Abs. 5 S. 4 ArbGG fristgerecht eingelegt worden und damit auch im Übrigen zulässig.

2. Zu Recht begehrt die Klägerin die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 114 S. 1 ZPO i. V. m. § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG. Die von der Klägerin beabsichtigte Rechtsverfolgung hatte hinreichende Aussicht auf Erfolg (hierzu sogleich unter a) und war nicht mutwillig (b). Die Klägerin kann zudem nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen (c).

a) Die Klage hatte hinreichende Erfolgsaussichten i. S. d. § 114 S. 1 ZPO. Grundsätzlich kommt es dabei auf den Zeitpunkt der Bewilligung von Prozesskostenhilfe an. Ist das Verfahren allerdings bereits zuvor abgeschlossen, ist auf den Zeitpunkt der Bewilligungsreife abzustellen, wenn der Antrag vor der Verfahrensbeendigung gestellt worden ist (vgl. Musielak- Fischer , ZPO, 4. Aufl. 2005, § 114 Rn. 14). Dies ist hier der Fall. Die Klägerin hatte den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe bereits in ihrer Klagschrift gestellt. Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hatte sie am 02. September 2004 eingereicht. Die Klagrücknahme erfolgte erst am 19. Juni 2006. Der Antrag war damit im September 2004 bewilligungsreif und hätte vom Gericht beschieden werden müssen, weil er hinreichende Erfolgsaussichten hatte.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts Hamburg geht das Landesarbeitsgericht nicht davon aus, dass die Erfolgsaussichten der Klage an dem nicht genau bezifferten Antrag der Klägerin auf Zahlung von Arbeitsentgelt scheiterten. Bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten einer Rechtsverfolgung ist eine gewisse Großzügigkeit an den Tag zu legen, da Prozesskostenhilfe auf der in Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 und Art. 19 Abs. 4 GG verbürgten Rechtsschutzgleichheit beruht. Das Prozesskostenhilfeverfahren dient nicht der abschließenden Klärung des Erfolgs oder Misserfolgs des Prozesses. Für hinreichende Erfolgsaussichten genügt es bereits, wenn ein Erfolg nicht fern liegend ist (s. BVerfG v. 07.04.2000 - 1 BvR 81/00 - AP Nr. 12 zu § 114 ZPO).

Zu Recht ist das Arbeitsgericht zunächst davon ausgegangen, dass für den Erfolg einer Zahlungsklage deren Zulässigkeit und Begründetheit maßgebend sind. Zweifel an der Zulässigkeit ergaben sich hier aus § 253 Abs. 2 Nr. 2 a. E. ZPO, der einen bestimmten Antrag voraussetzt. Hätte die Klägerin ihren Antrag nicht bis zur mündlichen Verhandlung konkretisiert, wäre die Klage demzufolge unzulässig gewesen und hätte abgewiesen werden müssen. Das Arbeitsgericht hätte der Klägerin hierfür auch bereits zuvor eine Frist setzen können. Das hat es indes nicht getan und zu einer mündlichen Verhandlung, in der die Klägerin ihren Antrag hätte stellen können, kam es nicht. Insofern kommt es darauf an, ob im Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Prozesskostenhilfeantrags eine hinreichende Aussicht darauf bestand, dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung einen zulässigen Antrag stellen werde. Davon geht das Landesarbeitsgericht im vorliegenden Falle aus. Zwar kann nicht bei jeder der Höhe nach unbezifferten Klagforderung davon ausgegangen werden, die Klägerin werde ihren Antrag schon noch hinreichend konkretisieren. Vielmehr obliegt der Klägerin dies bereits in der Klagschrift, wie § 253 Abs. 2 Nr. 2 a. E. ZPO klarstellt. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin ihren Antrag aber zumindest der maximalen Höhe nach beziffert und lediglich Abzüge hiervon offen gelassen. Jene Abzüge beruhten dabei auf gesetzlichen Vorgaben, die jederzeit nachvollziehbar zu beziffern sind. Es ist deshalb nicht fern liegend, sondern vielmehr überwiegend wahrscheinlich, dass die Klägerin ihren Antrag bis zur mündlichen Verhandlung oder innerhalb einer vom Gericht gesetzten Frist noch hinreichend konkretisiert hätte. Daran, dass es wahrscheinlich ist, dass die Klägerin auch in der Sache Erfolg gehabt hätte, hat das Arbeitsgericht zu Recht keine Zweifel geäußert.

b) Die Rechtsverfolgung der Klägerin erscheint auch nicht mutwillig i. S. d. § 114 S. 1 ZPO. Ihr ist nicht vorzuwerfen, eine unbedingte Klage statt einer Klage unter der Bedingung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe erhoben zu haben. Zwar ist eine solche innerprozessuale Bedingung möglich. Forderte man allerdings stets eine bedingte Klagerhebung, läge hierin ein Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtsschutzgleichheit (Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 und Art. 19 Abs. 4 GG), denn eine nicht bedürftige Partei ist demgegenüber in der Lage, sofort eine unbedingte Klage zu erheben (OLG Karlsruhe v. 21.12.1993 - 2 WF 65/93 - FamRZ 1994, 1123, 1124; Musielak- Fischer , ZPO, 4. Aufl. 2005, § 114 Rn. 44).

c) Die Klägerin kann nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht tragen. Nach ihrer Erklärung vom 19. August 2004 hat sie monatliche Einkünfte in Höhe von 962,50 Euro. Davon sind Freibeträge gemäß § 115 Abs. 1 Nr. 2 ZPO in Höhe von 380,- Euro und Wohnkosten in Höhe von 597,54 Euro abzuziehen. Das einzusetzende Einkommen liegt damit unter 0,- Euro. Ihr ist deshalb Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu gewähren.

3. Die Beiordnung beruht auf § 121 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG.

4. Anlass, gem. § 574 Abs. 2 u. 3 ZPO die Rechtsbeschwerde zuzulassen, bestand nicht.

Ende der Entscheidung

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