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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamburg
Urteil verkündet am 19.01.2005
Aktenzeichen: 5 Sa 32/04
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 66 Abs. 1 S. 2
ZPO § 258
ZPO § 264 Nr. 2
ZPO § 529
1. Eine betriebliche Altersversorgung, die auf einen Tarifvertrag beruht, steht selbst dann unter dem Vorbehalt der Änderung des Tarifvertrages, wenn der Versorgungsfall eingetreten ist.

2. Wegen Krankheit ist eine Tarifnorm nur dann unwirksam, wenn durch die Anwendung der anerkannten Auslegungsregeln kein Regelungssachverhalt ermittelt werden kann.

3. Eine Änderung des Tarifvertrages, welche sich lediglich auf das Ausmaß künftiger Erhöhungen beschränkt, bedarf keines triftigen oder sachlichen Grundes. Die Änderung ist lediglich am Willkürverbot zu messen.


Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 25. September 2003 - Az.: 26 Ca 86/03 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, in welcher Höhe dem Kläger monatliches Altersruhegeld und Weihnachtsgeld für die Jahre 2002 und 2003 zusteht.

Der 1934 geborene Kläger war vom 1. 10. 1966 bis zum 31. 5. 1997 bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden die zwischen der Beklagten und den Gewerkschaften abgeschlossenen Tarifverträge, u. a. der Manteltarifvertrag (TKT) in der jeweils gültigen Fassung kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung (Anl. B 1, Bl. 47 d. A.) Anwendung.

Die betriebliche Altersversorgung für Mitarbeiter, die vor dem 1. 5. 1977 in die Dienste der Beklagten getreten sind, ist in der Anlage 6a zum TKT geregelt. Die hier einschlägigen Regelungen lauten wie folgt (Anl. K 2, Bl. 14 ff der Ursprungsakte 26 Ca 86/03):

Nr. 8 Zuschuss an Angestellte

Die Kasse gewährleistet dem Angestellten als Gesamtruhegeld je nach Dauer der Beschäftigungszeit einen nach Nr. 9 ermittelten Vomhundertsatz des nach Nr. 10 festgesetzten ruhegeldfähigen Gehalts. Auf das Gesamtruhegeld werden die in Nr. 11 angeführten Bezüge angerechnet; der verbleibende Differenzbetrag wird als Zuschuss von der Kasse gezahlt.

Nr. 9 Höhe des Gesamtruhegeldes

Das Gesamtruhegeld beträgt nach erfüllter Wartezeit (Nr. 6 Ziffer 4) 35 v.H. des ruhegeldfähigen Gehalts (Nr. 10). Es erhöht sich

vom 6. bis 10. Beschäftigungsjahr um je 3,0 v.H.,

vom 11. bis 20. Beschäftigungsjahr um je 1,5 v.H.,

vom 21. Bis 25. Beschäftigungsjahr um je 1,0 v.H.

und für die folgenden Beschäftigungsjahre um je 0,5 v.H.

bis höchstens 75 v.H. des ruhegeldfähigen Gehalts.

Für die Berechnung der Beschäftigungsjahre sind die Zeiten nach Nr. 6 nach Jahren und Tagen zusammen zu zählen; ein Rest von mehr als 182 Tagen gilt als vollendetes Beschäftigungsjahr.

Nr. 10 Ruhegeldfähiges Gehalt

Das Gesamtruhegehalt wird vom Bruttogehalt (Anlage 2 TKT) und der Stellenzulage (§ 10 TKT) des Monats berechnet, in dem das Beschäftigungsverhältnis endet (ruhegeldfähiges Gehalt); wenn es für den Angestellten günstiger ist, wird jedoch der Durchschnittsverdienst der letzten fünf Jahre zugrundegelegt. ...

Nr. 11 Anzurechnende Bezüge

1. Auf das Gesamtruhegehalt werden angerechnet

a) die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in voller Höhe...

c) die Rente von der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder, und zwar auch dann in monatlichen Beträgen, wenn die Versicherungsrente der VBL in einer einmaligen Zahlung abgefunden wurde,...

3. Ändern sich die nach Ziffer 1 anzurechnenden Bezüge, wird der Zuschuss der Kasse (Nr.8) neu festgesetzt.

Nr. 13 Weihnachtsgeld

1. Der Anspruchsberechtigte (Nr. 5) erhält nach einer Beschäftigungszeit (Nr. 6) von zehn Jahren in jedem Jahr ein Weihnachtsgeld in Höhe des am 15. November maßgeblichen Gesamtruhegeldes; es wird auch dann gezahlt, wenn wegen der nach Nr. 11 anzurechnenden Bezüge kein Zuschuss gezahlt wird.

...

Nr. 14 Anpassung des Gesamtruhegeldes

Ändern sich die Gehaltsbezüge der Angestellten, ändert sich das ruhegeldfähige Gehalt (Nr. 10 und Nr. 12) entsprechend.

Im Oktober 2002 schlossen die Tarifvertragsparteien rückwirkend zum 1. 10. 2002 den Änderungstarifvertrag Nr. 01/02 zum TKT (Anlage K 3, Bl. 27 d. Ursprungsakte.; im Folgenden: Änderungs-TV Oktober 2002). In Ziffer I. wurde eine Erhöhung der Gehälter und Ausbildungsvergütungen mit Wirkung vom 1. 10. 2002 um 2,9 % und mit Wirkung vom 1. 5. 2003 um weitere 0,6 % vereinbart.

Ziffer II Änderungs-TV Oktober 2002 lautet:

"II. Gesamtruhegeld

Der Zuschuss nach Anlage 6a und 6b zum TKT, ohne Anrechnung der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, wird abweichend von Nr. 14 der Anlagen 6a und 6b zum TKT um 2,16 % erhöht."

Am 28. 2. 2003 vereinbarten die Tarifvertragsparteien folgende Protokollnotiz zum Änderungs-TV Oktober 2002 (Anl. B 3, Bl. 49 d. Ursprungsakte):

"Die Tarifvertragsparteien waren sich zum Zeitpunkt des Abschlusses der Änderungstarifvertrages Nr. 01/02 darüber einig:

1. dass mit Zuschuss nach Ziffer II "Gesamtruhegeld" des Änderungstarifvertrages Nr. 01/02 zum TKT, ausschließlich der Zuschuss nach Ziffer 8 der Anlagen 6a und 6b zum TKT (ohne Leistungen anderer Träger gemäß Ziffer 11 der Anlagen 6a und 6b zum TKT) gemeint war,

2. dass mit dem Passus "ohne Anrechnung der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung" ausschließlich die Nichtanrechnung der aktuellen Rentenanpassungen der gesetzlichen Rentenversicherung für die Laufzeit des Änderungstarifvertrages Nr. 01/02 zum TKT gemeint war."

Ebenfalls am 28. 2. 2003 vereinbarten die Tarifvertragsparteien folgende Abänderung des Änderungs-TV Oktober 2002 (Anl. B 2, Bl. 48 d. Ursprungsakte; im Folgenden: Änderungs-TV 28.2.2003):

"Die Ziff. II Gesamtruhegeld wird wie folgt geändert:

Der Zuschuss nach Ziffer 8 der Anlagen 6a und 6b zum TKT (ohne Leistungen anderer Träger gemäß Ziffer 11 der Anlagen 6a und 6b zum TKT) wird ohne Anrechnung der aktuellen Rentenanpassungen der gesetzlichen Rentenversicherung für die Laufzeit des Änderungstarifvertrages Nr. 01/02 zum TKT abweichend von Nr. 14 der Anlagen 6a und 6b zum TKT um 2,16 % erhöht. Diese Vereinbarung tritt rückwirkend zum 1.10.2002 in Kraft."

Der Kläger erhält seit dem 1. 1. 1997 Versorgungsbezüge (Anl. K 1, Bl. 11 d. Ursprungsakte). Die Bezüge des Klägers vor der Tariferhöhung ergeben sich aus der Abrechnung für den Monat September 2002 (Anl. K 4, Bl. 28 d. Ursprungsakte) In Anwendung der Änderungstarifverträge erhöhte die Beklagte das Altersruhegeld des Klägers ab 1. 10. 2002 um 2,16 % (Anl. K 5, Bl. 9 d. Ursprungsakte).

Dies beanstandete der Kläger mehrfach schriftlich gegenüber der Beklagten (Anl. K 8, Bl. 34 ff d. Ursprungsakte) und verfolgte seine Forderung mit der Klage (Differenz für die Monate ab Oktober 2002 bis März 2003 jeweils 41,17 EUR brutto einschließlich Differenz beim Weihnachtsgeld 79,20 EUR, für April 2003 41,17 EUR, sowie ab Mai 2003 zusätzlich 71,63 EUR monatlich bis Dezember 2003) weiter.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, gemäß Nr. 14 Anlage 6a zum TKT sei sein ruhegeldfähiges Gehalt genauso anzuheben wie die Gehälter der im aktiven Beschäftigungsverhältnis stehenden Angestellten, nämlich gemäß Änderungs-TV Oktober 2002 um 2,9 % zum 1. 10. 2002 und zum 1. 5. 2003 um weitere 0,6 %. Die Tarifvertragsparteien hätten die beabsichtigte Abkoppelung des Ruhegeldes von der Gehaltsentwicklung unter Ziffer II der Änderungstarifverträge nicht wirksam vorgenommen bzw. vornehmen dürfen und zwar weder in der Fassung von Oktober 2002 noch in der Fassung vom 28. 2. 2003.

Beide Fassungen verstießen gegen das Gebot der Normenklarheit, weil eine völlig neue und in sich inkonsistente Systematik der Erhöhung der betrieblichen Altersversorgungsbezüge geschaffen werde, die weder hinreichend erläutert werde noch klarstelle, wie nach Ablauf der Geltungsdauer des Änderungstarifvertrages die alte Systematik wieder in Kraft gesetzt werden solle. Ein Verstoß gegen das Gebot der Normenklarheit liege hinsichtlich des Änderungs-TV Oktober 2002 auch deshalb vor, weil der Zuschuss selbst nicht in Nr. 14 der Anlage 6a zum TKT, sondern in Nr. 8 der Anlage 6a zum TKT definiert sei. Entsprechendes gelte für den Änderungs-TV 28. 2. 2003 wegen der Überschrift "Gesamtruhegeld" und wegen des Klammerzusatzes, wonach kein Abzug von Leistungen anderer Träger vorzunehmen sei.

Darüber hinaus werde durch die Änderungstarifverträge in unzulässiger Weise rückwirkend und unter Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes in bereits erworbene und geschützte Anwartschaften, nämlich in die in Nr. 14 der Anlage 6a zum TKT geregelte Anwartschaft auf ein bestimmtes System der Erhöhung seiner Ansprüche eingegriffen. Es handele sich um einen Eingriff in einen erdienten Besitzstand, was sich insbesondere auch aus der Historie des seit 1. 5. 1977 bestehenden Versorgungssystems ergebe. Im Rahmen der ursprünglich bei der VBL begründeten Gesamtversorgung hätte er, der Kläger, eine höhere Altersversorgung zu erwarten gehabt, als die jetzt von der Beklagten gewährte. Wegen der Berechnung der Ansprüche im Einzelnen wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 24. 7. 2003 (Bl. 128 des führenden Verfahrens 26 Ca 85/03) verwiesen.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn EUR 326,22 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit 1. 4. 2003 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn EUR 41,17 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit 1. 5. 2003 zu zahlen,

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab 1. 5. 2003 über die gezahlte Tariferhöhung in Höhe von EUR 68,03 hinaus einen weiteren Betrag von EUR 71,63 pro Monat bis zum 31.12.2003 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, dem Kläger stehe weder ein tarifvertraglicher noch ein individualvertraglicher Anspruch auf weitergehendes Altersruhegeld zu. Durch die Änderungstarifverträge hätten die Tarifvertragsparteien wirksam und zwar zeitlich befristet für deren Laufzeit bis zum 31.12.2003 eine von der Anlage 6a zum TKT abweichende Anpassungsregelung vereinbart. Der Änderungs-TV Oktober 2002 sei durch die erläuternde Protokollnotiz vom 28.2.2003 eindeutig, der Änderungs-TV 28.2.2003 erst Recht. Durch diese Regelung werde der Besitzstand des Klägers gewahrt und nicht gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen, schließlich zahle sie ihm einen um 2,16 % höheren Zuschuss und rechne die BfA-Rente nicht in voller Höhe an. Das Vertrauen des Klägers auf eine bestimmte Tarifsystematik sei nicht geschützt. Im Übrigen werde eine bestehende Überversorgung in moderater Form auf das im öffentlichen Dienst übliche Niveau zurückgeführt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.

Gegen das am 25. 9. 2003 verkündete Urteil hat der Kläger am 12. 3. 2004 Berufung eingelegt und diese am 23. 4. 2004 begründet.

Der Kläger wiederholt und vertieft seine erstinstanzlichen Ausführungen. Das Regelungswerk genüge nicht dem Gebot der Normenklarheit. Es sei zu beachten, dass Erhöhungen künftig niedriger ausfallen würden, weil durch die Änderung der Zuschuss selbst, also eine sekundäre Rechengröße, Bezugspunkt für Erhöhungen sei. Die Änderung greife auch in geschützte Besitzstände des Klägers ein. Auch wenn das vom BAG für Eingriffe in die Dynamisierung von Versorgungsanwartschaften entwickelte dreistufige Prüfungsschema auf Eingriffe in die Dynamisierung laufender Betriebsrenten möglicherweise nicht uneingeschränkt anzuwenden sei, könne dies als Orientierung herangezogen werden. Danach bedürfte es hier eines triftigen Grundes. Für die Änderung bestehe aber weder ein triftiger noch ein sachlicher Grund. Von einer Überversorgung könne angesichts des Umstandes, dass der Kläger, da ihm kein 14. Gehalt zustehe, nur 69, 64 % des Gehalts eines Aktiven erhalte, keine Rede sein. Unabhängig davon verfüge er über eine individualvertragliche Zusage, da die Schreiben der Beklagten an die Versorgungsempfänger keine Formschreiben, sondern individuelle auf den jeweiligen Empfänger ausgerichtet gewesen seien. In diese individuelle Rechtsposition hätten die Tarifvertragsparteien nicht eingreifen können. Bei der Berechnung der Höhe der Ansprüche habe er die Rentenerhöhung zum 1. 7. 2002 berücksichtigt. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 22. 4. 2004 Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 12. 9. 2004 - 26 Ca 85/03 - abzuändern und

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn EUR 326,22 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 1. 4. 2003 zu zahlen,

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn EUR 41,17 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 1. 5. 2003 zu zahlen,

4. die Beklagte zu verurteilen, an ihn EUR 512,93 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 1. 1. 2004 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und behauptet, für die Rentner der Beklagten bestehe sowohl eine absolute als auch eine relative Überversorgung. Die absolute Überversorgung ergebe sich daraus, dass die Rentner im September 2002 einen Versorgungsgrad von mehr als 110 % erreicht hätten. Auf die Berechnungen der Beklagten als Anlage zum Schriftsatz vom 1. 6. 2004 wird verwiesen. Der Kläger habe im September 2002 über ein Nettoeinkommen in Höhe von EUR 4626,25 verfügt, während er als aktiv Beschäftigter nur rund EUR 4390,- netto erhalten hätte.

Die gemeinsame Erklärung der Tarifvertragsparteien vom 19.4.2004 (zum Parallelverfahren LAG Hamburg 3 Sa 95/03, Anlage B 6) wurde zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien, ihrer Beweisantritte und der von ihnen überreichten Unterlagen sowie ihrer Rechtsausführungen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist zulässig. Da die am 25. 9. 2003 verkündete Entscheidung nicht mit Gründen zugestellt wurde, liefen die Fristen zur Berufungseinlegung und Begründung ab dem 25. 2. 2004, § 66 Abs. 1 S. 2 ArbGG, und wurden eingehalten.

Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig. Das gilt auch für die in der zweiten Instanz vorgenommenen Änderungen des Antrags zu 4.

Soweit der Kläger die beanspruchte Zahlung in einer Summe zusammenfasst, handelt es sich lediglich um eine Konsequenz aus dem Umstand, dass er nach Ablauf des Bezugszeitraums keine zukünftigen Leistungen i. S. v. § 258 ZPO mehr geltend macht.

Die Erhöhung der Klageforderung um den Differenzbetrag für das Weihnachtsgeld 2003 stellt gemäß § 264 Nr. 2 ZPO keine Klageänderung dar und ist auch unter dem Gesichtspunkt des § 529 ZPO nicht zu beanstanden, da kein neuer Sachvortrag erforderlich ist.

II. Die Berufung ist jedoch nicht begründet, da der geltend gemachte Zahlungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet ist. Die Kammer folgt den überzeugenden Ausführungen der 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts im Urteil vom 19. 4. 2004 (8 Sa 119/03):

1. Der Kläger kann seine Ansprüche nicht auf eine individualvertragliche Zusage der Beklagten stützen.

Eine solche Zusage ist dem Schreiben der Beklagten vom 31. 1. 1997 (Anklage K 1, Bl. 11 d. Ursprungsakte) nicht zu entnehmen. Schon seinem Wortlaut nach enthält das Schreiben einen eindeutigen Bezug auf Anlage 6 a TKT. Der Satz, bei zukünftigen Tarifänderungen werde "das Gesamtruhegeld entsprechend berichtigt" kann nach Auffassung der Kammer nicht so verstanden werden, dass die Beklagte sich damit gegenüber dem Kläger verpflichten wollte, ihn von Änderungen des Tarifsystems freizustellen, die nicht am Gesamtruhegeld anknüpfen. Um eine derart weitreichende Zusage annehmen zu können, wären eindeutige Anzeichen erforderlich (vgl. BAG, Urt. v. 20. 2. 2001 - 3 AZR 515/99 - ZTR 02, 937), da aus der Sicht eines redlichen Empfängers nicht ernsthaft damit gerechnet werden konnte, eine Organisation von der Größe der Beklagten wolle mit einzelnen Versorgungsempfängern Regelungen treffen, die vom tariflich festgelegten Gesamtsystem abwichen.

Da sich das Fehlen einer individuellen Zusage somit aus dem Wortlaut der Mitteilung selbst ergibt, kommt es nicht darauf an, ob es sich um eine Formschreiben handelt oder, wofür die als Anlagenkonvolut K 12 vorgelegten Schriftstücke sprechen, die Mitteilung der Beurlaubungs- und Versorgungsbezüge bei anderen Mitarbeitern der Beklagten einen abweichenden Wortlaut hatte.

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die von ihm berechneten Versorgungsbezüge nach der bis zum 30. 9. 2002 geltenden Fassung der Anlage 6a zum TKT, denn Rechtsgrundlage für die Höhe der dem Kläger zustehenden Versorgungsbezüge ist seit dem 1. 10. 2002 der Änderungs-TV 28. 2. 2003.

Eine betriebliche Altersversorgung, die sich nach tarifvertraglichen Vorschriften richtet, steht in der Regel selbst dann unter dem Vorbehalt der Änderung des Tarifvertrages, wenn der Versorgungsfall - wie hier - bereits eingetreten ist. Die im Arbeitsvertrag vereinbarte sog. Jeweiligkeitsklausel gilt über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus auch noch nach dem Eintritt des Arbeitnehmers in den Ruhestand (vgl. BAG, Urt. v. 20. 2. 2001 - 3 AZR 515/99 - ZTR 02, 937). Daher gelten die tarifvertraglichen Änderungen bereits auf Grund der Bezugnahme im Arbeitsvertrag.

Die Dynamisierung der Altersversorgung gemäß Nr. 14 der Anlage 6a zum TKT ist durch den Änderungs-TV 28. 2. 2003 geändert worden, da dieser als der zeitjüngste Tarifvertrag, der Regelungen für die Höhe des Altersruhegeldes seit 1.10.2002 enthält, nach der Zeit-Kollisionsregel früher vereinbarte tarifvertragliche Regelungen abgelöst hat. Die jüngere Norm ersetzt die ältere (st. Rspr.: BAG, Urt. v. 24. 8. 1993 - 3 AZR 313/93 - NZA 94, 807). Es steht den Tarifvertragsparteien frei, frühere Vereinbarungen abzuändern, einzuschränken oder aufzuheben (vgl. Wiedemann-Stumpf, TVG, 5. Aufl. § 4 Rz. 149).

Die grundsätzliche Möglichkeit der Änderung stellt auch der Kläger nicht in Abrede.

3. Die ablösende tarifliche Regelung ist auch wirksam. Die vom Kläger dagegen erhobenen Bedenken greifen nicht durch.

a) Die Neufassung verstößt nicht gegen den Grundsatz der Normenklarheit.

Nach dem aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Gebot der Normenklarheit (vgl. BVerfG, v. 24. 11. 1981 - 2 BvL 4/80 - BVerfGE 59, 104 = ZIP 82, 342) sind Rechtsnormen so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte und mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (BVerfG v. 26. 9. 1978 - 1 BvR 525/77 - BVerfGE 49, 168 (181) = NJW 78, 2446). Die Rechtsunterworfenen müssen in zumutbarer Weise feststellen können, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die in der Rechtsnorm ausgesprochene Rechtsfolge vorliegen (BVerfG v. 23. 4. 1974 - 1 BvR 6/74 - BVerfGE 37, 132 (142) = NJW 74, 1499; BAG v. 29. 1. 1980 - 1 ABR 45/79 - BAGE 32, 381 = NJW 80, 2724). Der Grundsatz gilt auch für tarifvertragliche Regelungen (BAG, Urt. v. 4. 12. 1997 - 2 AZR 809/96 - BAGE 87, 210 = NZA 98, 431, zu II 3 d. Gr.; Urt. v. 29. 1. 1986 - 4 AZR 465/84 - BAGE 51, 59).

Wie beim Inhalt einer Regelung (vgl. BVerfG v. 18. 11. 2003 - 1 BvR 302/96 - NZA 04, 33) muss dem Normgeber auch bei deren gesetzestechnischer Umsetzung ein weites Gestaltungsermessen zugestanden werden. Es kann nicht Aufgabe der Gerichte sein, darüber zu entscheiden, ob der Normgeber zur Erreichung eines bestimmten Regelungszwecks den einfachsten oder klarsten Weg beschritten hat. Wegen Unklarheit ist eine Norm daher allenfalls dann unwirksam, wenn auch bei Anwendung der anerkannten Auslegungsregeln kein Regelungsinhalt ermittelt werden kann.

Das ist vorliegend nicht der Fall. In Anwendung der für Tarifverträge geltenden Auslegungsregeln lässt sich der Sinngehalt der Änderungstarifverträge mit der gebotenen Eindeutigkeit erschließen. Auch wenn einiges für die Auffassung des Klägers spricht, die von den Tarifvertragsparteien beabsichtige Abkopplung der Altersversorgung von den Gehältern der aktiv Beschäftigten hätte durch eine Neuregelung des Gesamtruhegeldes in Nr. 14 der Anlage 6a zum TKT einfacher und systemkonformer erreicht werden können, führt dies nicht zur Unwirksamkeit der getroffenen Regelung. Gegen eine verfassungswidrige Normunklarheit spricht im Übrigen auch, dass soweit ersichtlich alle mit der Auslegung der Änderungstarifverträge befassten Kammern zum gleichen Ergebnis gelangt sind. Wäre die Norm tatsächlich so unklar, wie der Kläger meint, hätten hier divergierende Entscheidungen nahe gelegen.

b) Die Neuregelung ist auch nicht rechtswidrig, weil in geschützte Rechtspositionen des Klägers eingegriffen worden ist.

Nr. 14 der Anlage 6a zum TKT sah eine Änderung des ruhegeldfähigen Gehalts entsprechend den Gehaltsbezügen der Angestellten vor. Ein originärer Rechtsanspruch auf eine Steigerung seiner Versorgungsbezüge wurde damit nicht begründet, denn wenn das Gehalt der aktiv Beschäftigten über mehrere Jahre eingefroren worden wäre, hätte der Kläger nach der alten Regelung keinen Anspruch auf eine Erhöhung seiner Bezüge gehabt.

Eine Änderung des Tarifvertrages, welche sich lediglich auf das Ausmaß künftiger Erhöhungen beschränkte, bedurfte daher nach dem dreistufigen System des BAG (BAG, Urt. v. 18. 9. 2001 - 3 AZR 728/00 - DB 2002, 1114; BAGE 91, 310, 318 ff. = NZA 2000, 322; ähnlich bereits BAGE 65, 157, 160 f. = NZA 90, 813; BAGE 54, 261 = NZA 87, 855; BAGE 49, 57 = NZA 86, 57) weder eines triftigen noch eines sachlichen Grundes. Die Änderung ist lediglich am Willkürverbot zu messen, wobei nach Auffassung der Kammer eine Abkopplung der Steigerung der Versorgungsbezüge von den Gehältern der aktiv Beschäftigten schon deshalb nicht willkürlich ist, weil es kein rechtliches Gebot gibt, welches die Verknüpfung beider Größen gebietet. Versorgungsempfänger sind gegen die Auszehrung ihrer Versorgung nur durch das BetrAVG, insbesondere durch dessen § 16 geschützt.

Abgesehen davon diente die Neufassung der Versorgungsregelung dem Abbau einer objektiven Überversorgung der Ruhegeldempfänger. Die Beklagte hat als Anstalt des öffentlichen Rechts das haushaltsrechtliche Gebot des sparsamen und wirtschaftlichen Handelns zu beachten. Wegen dieses Gebots darf im öffentlichen Dienst auch eine planmäßige Überversorgung abgebaut werden. Die betriebliche Altersversorgung darf auf das im öffentlichen Dienst übliche Niveau zurückgeführt werden (vgl. BAG, Urt. v. 3. 9. 1991 - 3 AZR 369/90 - BAGE 68, 248, 260 = NZA 92, 515). Die Beklagte hat in der Berufungsinstanz durch Auswertung einer Stichprobe von 20 Ruhegeldempfängern (Anl. B 7 a - c) belegt, dass deren Nettoeinkünfte um 8, 5 % über dem Nettogehalt liegen, welches sie als aktiv Beschäftigte bezogen hätten. Das pauschale Bestreiten des Klägers genügt nicht, um den Tatbestand einer objektiven Überversorgung in Frage zu stellen.

c) Auch eine Unwirksamkeit des Änderungs-TV 28. 2. 2003 wegen Eingriffs in eine durch den Änderungs-TV Oktober 2002 geschaffene Rechtsposition liegt nicht vor. Dies ist schon deshalb ausgeschlossen, weil beide Änderungstarifverträge inhaltlich nicht voneinander abweichen. Der Änderungs-TV 28. 2. 2003 setzt lediglich Klarstellungen um, welche hinsichtlich des Änderungs-TV Oktober 2002 jedenfalls durch die Protokollnotizen vorgenommen worden waren.

4. Der Kläger kann auch kein höheres Weihnachtsgeld für die Jahre 2002 und 2003 verlangen.

Anknüpfungspunkt für das Weihnachtsgeld ist gemäß Ziffer 13 der Anlage 6a zum TKT das Gesamtruhegeld. Dessen Anpassung an die Bezüge der aktiv Beschäftigten ist durch die Änderungstarifverträge Oktober 2002 bzw. 28. 2. 2003 für deren Laufzeit ausgesetzt worden. Ob sich daraus als Rechtsfolge ableiten lässt, dass das Weihnachtsgeld nicht weiter erhöht werden musste, oder ob es um den in den Änderungs-TV genannten geringeren Prozentsatz zu erhöhen war, bedarf keiner Entscheidung, da die Beklagte die zuletzt genannte Vorgehensweise gewählt hat.

Für eine Regelung, wonach es jedenfalls für das Weihnachtsgeld bei der dynamischen Anpassung des Gesamtruhegeldes bleiben sollte, hat der Kläger keine konkreten Anhaltspunkte vorgetragen.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 VI ArbGG i. V. m. § 97 ZPO.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 II Nr. 1 ArbGG, da die angewendeten Tarifverträge über den Bezirk des Landesarbeitsgerichts Hamburg hinaus gelten.

Ende der Entscheidung

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