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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 13.02.2003
Aktenzeichen: 5 Ta 3/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 117 Abs. 2
ZPO § 118 Abs. 2 Satz 4
Belege über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse können zur Entscheidung über einen Prozesskostenhilfeantrag nach Abschluss der Instanz nicht mehr berücksichtigt werden, wenn sie nach Ablauf einer vom Gericht gesetzten Frist eingereicht werden.
Landesarbeitsgericht Hamburg Beschluss

Geschäftszeichen: 5 Ta 3/03

In dem Rechtsstreit

beschließt das Landesarbeitsgericht Hamburg, Fünfte Kammer, durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht xxxxxxxxxx als Vorsitzenden am 13. Februar 2003

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 30. Dezember 2002 (19 Ca 556/02) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss kann Rechtsbeschwerde bei dem Bundesarbeitsgericht eingelegt werden. Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass der Beschluss des Landesarbeitsgerichts auf der Nichtanwendung oder der unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm beruht.

Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:

- die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den die Rechtsbeschwerde gerichtet wird;

- die Erklärung, dass gegen diesen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt wird.

Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Beschlusses vorgelegt werden.

Die Rechtsbeschwerde ist zu begründen. Die Rechtsbeschwerdebegründung muss enthalten:

- die Erklärung, inwieweit der Beschluss angefochten und dessen Aufhebung beantragt wird (Rechtsbeschwerdeanträge),

- die Angabe der Gründe der Rechtsbeschwerde, und zwar,

a) die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt,

b) soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

Eine Rechtsbeschwerde kann nur ein Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin, der bzw. die bei einem deutschen Gericht zugelassen ist, einlegen und begründen.

Die Frist für die Einlegung der Rechtsbeschwerde (Notfrist) beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Rechtsbeschwerde zwei Monate. Die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde kann auf Antrag einmal bis zu einem weiteren Monat verlängert werden.

Die Rechtsbeschwerdefrist und die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde beginnen mit dem Tage der von Amts wegen erfolgten Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses des Landesarbeitsgerichts, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

Hinweis:

1. Die Anschrift des Bundesarbeitsgerichts lautet:

Hugo-Preuß-Platz 1 - 99084 Erfurt

2. Aus technischen Gründen sind die Rechtsbeschwerdeschrift, die Schrift zur Begründung der Rechtsbeschwerde und die sonstigen wechselseitigen Schriftsätze im Rechtsbeschwerdeverfahren in siebenfacher Ausfertigung (und für jeden weiteren Beteiligten eine Ausfertigung mehr) bei dem Bundesarbeitsgericht einzureichen.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

Im Ausgangsverfahren kündigte er mit seiner am 7. November 2002 beim Arbeitsgericht Hamburg eingegangenen Klage den Antrag an, festzustellen, dass eine Kündigung seines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten rechtsunwirksam ist und dieses über den Ablauf der Kündigungsfrist weiter fortbesteht. Mit Schriftsatz vom 14. November 2002, beim Arbeitsgericht eingegangen am 18. November 2002, stellte er den Antrag, ihm unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Zugleich reichte er eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ein, der er eine Entgeltabrechnung für August 2002 beifügte. Wegen der Einzelheiten der Erklärung und der Entgeltabrechnung wird auf Bl. 1 und 2 des PKH-Heftes verwiesen. Im Termin zur Güteverhandlung schlossen die Parteien einen Vergleich, mit dem der Rechtsstreit erledigt wurde. Das Arbeitsgericht setzte den Gegenstandswert durch einen in der Verhandlung verkündeten Beschluss auf € 6749,04 fest und gab dem Kläger durch den selben Beschluss auf, binnen vier Wochen Nachweise für die Miete, den geltend gemachten Unterhalt und die geltend gemachten Kreditbelastungen zur Akte zu reichen und darzulegen, wovon der Kläger angesichts der von ihm geltend gemachten Verbindlichkeiten seinen Lebensunterhalt bestreite. Mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2002 reichte der Kläger eine Aufstellung über seine Verbindlichkeiten ein, wegen deren Einzelheiten auf Bl. 3 des PKH-Heftes verwiesen wird, und kündigte an, dass die Zahlungsnachweise kurzfristig durch Kontoauszüge belegt würden.

Durch Beschluss vom 30. Dezember 2002 wies das Arbeitsgericht den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurück und führte zur Begründung aus, dass der Kläger innerhalb der von ihm gesetzten Frist keine ausreichenden Angaben zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen gemacht habe.

Gegen diesen Beschluss, der dem Kläger am 3. Januar 2003 zugestellt wurde, legte dieser mit Schriftsatz vom 24. Januar 2003, beim Arbeitsgericht eingegangen am 28. Januar 2003, Beschwerde ein und fügte dieser in Kopie weitere Unterlagen zu Miete, Unterhaltsleistungen und Kreditbelastungen bei, wegen deren Einzelheiten auf Bl. 7 bis 22 des PKH-Heftes verwiesen wird.

Das Arbeitsgericht entschied, der Beschwerde nicht abzuhelfen, weil die vom Kläger eingereichten Unterlagen allenfalls einen neuen Antrag rechtfertigen könnten, der aber abzulehnen wäre, weil die Instanz beendet sei.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

1) Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie ist gemäß §§ 128 Abs. 2 Satz 2, 567 Abs. 1 Ziffer 1 ZPO statthaft, weil der Streitwert der Hauptsache den in § 511 ZPO genannten Betrag überschreitet und das Arbeitsgericht in dem angegriffenen Beschluss ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint hat. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob im arbeitsgerichtlichen Verfahren die sofortige Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe außerdem immer dann statthaft ist, wenn in der Hauptsache gemäß § 64 Abs. 2 lit. c ArbGG um den Bestand des Arbeitsverhältnisses gestritten wird.

Die sofortige Beschwerde ist formgerecht im Sinne des § 569 Abs. 2 ZPO eingelegt worden. Die Beschwerdefrist ist eingehalten, weil die angefochtene Entscheidung dem Beschwerdeführer am 3. Januar 2003 zugestellt worden ist und die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde innerhalb der in § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO vorgesehenen Frist von einem Monat nach Zustellung, nämlich am 28. Januar 2003, beim Arbeitsgericht, an das die sofortige Beschwerde nach § 569 Abs. 1 ZPO gerichtet werden konnte, eingegangen ist.

Bedenken gegen die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde sind nicht ersichtlich.

2) Die Beschwerde ist unbegründet. Dem Kläger kann für das Verfahren vor dem Arbeitsgericht keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden, weil er innerhalb der ihm vom Arbeitsgericht im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 29. November 2002 gesetzten Frist von vier Wochen Miete, Unterhaltsleistungen und Kreditbelastungen nicht belegt hat. Ohne Berücksichtigung dieser Belastungen sind die Voraussetzungen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Kläger nicht erfüllt. Ein beachtlicher Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, der diese Positionen umfasst, ist vor Ende der vom Arbeitsgericht gesetzten Frist von vier Wochen nach der mündlichen Verhandlung vom 29. November 2002 nicht eingegangen. Die nach Ablauf der vom Arbeitsgericht gesetzten Frist mit der sofortigen Beschwerde erfolgte Einreichung der fehlenden Unterlagen ist für die Entscheidung über den ursprünglichen Antrag ohne Bedeutung. Sie kann allenfalls als neuer Antrag gewertet werden, der jedoch unbegründet ist, weil nach Instanzende kein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mehr gestellt werden kann. Im Einzelnen gilt Folgendes:

1) Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist unbegründet, wenn die den Kläger belastenden Positionen Miete, Unterhaltsleistungen und Kreditbelastungen unberücksichtigt bleiben. Ausgehend vom Nettoeinkommen des Klägers in Höhe von € 1923,35, von dem eine Erwerbstätigenpauschale von € 6 und ein Freibetrag für Erwerbstätige in Höhe von € 147 sowie ein Unterhaltsfreibetrag in Höhe von € 360 abzuziehen ist, ergibt sich ein einzusetzendes Einkommen in Höhe von € 1410. Nach § 115 Abs. 1 Satz 4 ZPO ergibt sich daraus eine monatliche Ratenhöhe von € 960. Da § 115 Abs. 3 ZPO anordnet, dass Prozesskostenhilfe nicht zu bewilligen ist, wenn die Kosten der Prozessführung der Partei vier Monatsraten voraussichtlich nicht übersteigen, ist der Prozesskostenhilfeantrag unbegründet. Der Gebührenanspruch seiner Prozessbevollmächtigten beträgt nämlich € 1519,60 (Prozess-, Erörterungs- und Vergleichsgebühr zu je € 430, € 20 Pauschale nach § 26 BRAGO, € 209,60 MwSt) und damit weniger als das Vierfache der vom Kläger zu leistenden Raten. Gerichtliche Auslagen fallen allenfalls in Höhe der Hälfte (§ 98 Satz 2 ZPO) der Kosten einer Zustellung mittels Zustellungsurkunde an, so dass auch dadurch zusammen mit dem Gebührenanspruch der Prozessbevollmächtigten des Klägers der maßgebliche Betrag nicht erreicht wird.

2) Ein beachtlicher Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, der die Positionen Miete, Unterhaltsleistungen und Kreditbelastungen umfasst, ist vor Ende der vom Arbeitsgericht gesetzten Frist von vier Wochen nicht eingegangen. Die Stellung eines Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist nach § 117 Abs. 2 ZPO nämlich erst dann in beachtlicher Weise erfolgt, wenn dem Antrag eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen beigefügt ist. Ohne Beifügung der Belege ist das Prozesskostenhilfegesuch unvollständig und kann zurückgewiesen werden (Baumbach-Hartmann, ZPO, § 117, Rdnr. 24; Zöller-Philippi, ZPO, § 117, Rdnr. 19 a). Das bedeutet, dass zu dem Zeitpunkt, zu dem die vom Arbeitsgericht gesetzte Frist ablief, der Antrag auf Prozesskostenhilfe nur berücksichtigt werden konnte, soweit auch Belege für die in der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse angegebenen Verhältnisse eingereicht worden waren. Da Miete, Unterhaltsleistungen und Kreditbelastungen zu diesem Zeitpunkt noch nicht belegt worden waren, können sie einer Entscheidung über Prozesskostenhilfe, die auf diesen Zeitpunkt abstellt, nicht zugrunde gelegt werden.

3) Die nach Ablauf der vom Arbeitsgericht gesetzten Frist mit der sofortigen Beschwerde erfolgte Einreichung der fehlenden Unterlagen führt nicht dazu, dass die nunmehr belegten Belastungen durch Miete, Unterhaltsleistungen und Kreditverpflichtungen bei der Entscheidung über den ursprünglichen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe berücksichtigt werden konnten. Jedenfalls durch Ablauf der vom Arbeitsgericht gesetzten Frist war die Möglichkeit beendet, den ursprünglichen Antrag mit einer Wirkung vor Instanzende zu vervollständigen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Versäumung einer nach § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO gesetzten Frist dazu führt, dass der Antragsteller mit nicht fristgerechtem Vorbringen auch im Beschwerdeverfahren ausgeschlossen ist (zum Streitstand: Baumbach-Lauterbach, ZPO, § 118, Rdnr. 42, einerseits und Zöller-Philippi, ZPO, § 118, Rdnr. 17, andererseits, beide m.w.N.). Vorliegend geht es nicht darum, ob eine derartige Frist ausschließenden Charakter für nicht fristgerechtes Vorbringen hat. Maßgeblich ist vielmehr, dass ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe bis zum Ende der Instanz gestellt werden muss. Dieses folgt daraus, dass Zweck der Prozesskostenhilfe ist, die Prozessführung zu ermöglichen, nicht aber, einen bereits geführten Prozess nachträglich für die Partei oder ihren Anwalt wirtschaftlich abzusichern (Zöller-Philippi, ZPO, § 114, Rdnr. 20 a). Zwar kann Prozesskostenhilfe bewilligt werden, wenn das Gericht der antragstellenden Partei nachlässt, fehlende Unterlagen innerhalb einer Frist nach Instanzende nachzureichen und diese Frist gewahrt wird (Zöller-Philippi, ZPO, § 117, Rdnr. 2 b). Erklärungen nach Beendigung der Instanz kommen zu spät und bleiben unberücksichtigt (Zöller-Philippi, ZPO, § 117, Rdnr. 17). Wird eine vom Arbeitsgericht über das Instanzende hinaus gesetzte Frist nicht gewahrt, bleiben die nach Ablauf der Frist eingereichten Unterlagen unberücksichtigt, weil ein diese Unterlagen umfassender Antrag erst nach Instanzende eingereicht worden ist. Dieser ist jedoch unbegründet, weil, wie bereits ausgeführt, nach Instanzende kein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mehr gestellt werden kann.

3) Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Gegen diesen Beschluss ist nach §§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG die Rechtsbeschwerde zuzulassen, weil bislang kein höchstrichterliche Rechtsprechung dazu ersichtlich ist, ob Belege, die nach einer vom Gericht gesetzten Frist und nach Instanzende eingereicht werden, für die Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe noch zu berücksichtigen sind. Diese Rechtsfrage hat für eine unbestimmte Vielzahl von Prozesskostenhilfeverfahren Bedeutung und ist klärungsbedürftig und -fähig.



Ende der Entscheidung

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