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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamburg
Urteil verkündet am 21.09.2001
Aktenzeichen: 6 Sa 46/01
Rechtsgebiete: NachwG, TVG, BGB


Vorschriften:

NachwG § 2 Abs. 1
TVG § 8
BGB § 823 Abs. 2
1.

§ 2 Abs. 1 NachwG erfordert es nicht, dass auf die Geltung eines für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages hingewiesen wird, weil es sich dabei nicht um "Vertragsbedingungen" im Sinne des § 2 Abs. 1 NachwG handelt, sondern um Regelungen, die gesetzlichen Normen vergleichbar sind.

2.

§ 8 TVG ist kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB.


Landesarbeitsgericht Hamburg Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftszeichen: 6 Sa 46/01

In dem Rechtsstreit

Verkündet am: 21. September 2001

erkennt das Landesarbeitsgericht Hamburg, 6 Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 21. September 2001 durch

die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht xxxxxxxxxx als Vorsitzende d. ehrenamtliche Richter xxxxxxxxxxx d. ehrenamtliche Richter xxxxxxxxxxx

für Recht:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts vom 11. April 2001 ­ 16 Ca 370/00 ­ wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger war seit dem 15. Februar 2000 bei der Beklagten als Eisenflechter zu einem Akkordstundenlohn von DM 18,50 brutto tätig. Basis der Beschäftigung war der Einstellungsschein" vom 14. Februar 2000 (Anlage K 1, Bl. 5 d. A.).

Am 28. März 2000 wurde das Arbeitsverhältnis mündlich außerordentlich gekündigt, und zwar seitens eines Herrn xxxxxx für die Beklagte, wobei die Parteien darüber streiten, ob hierzu eine Bevollmächtigung gegeben war.

Ab dem 2. Mai 2000 hat der Kläger eine anderweitige Arbeitsstelle angetreten.

Mit der am 7. September 2000 bei Gericht eingegangenen Klage hat der Kläger zunächst restliches Arbeitsentgelt für April 2000 in Höhe von DM 2.331,00 brutto sowie Fahrtkosten für März 2000 geltend gemacht. Diese Zahlungen waren außergerichtlich mit Schreiben vom 4. Mai 2000 angemahnt worden. Mit der am 28. November 2000 bei Gericht eingegangenen Klagerweiterung hat der Kläger sich gegen die Kündigung vom 28. März 2000 zur Wehr gesetzt und neben der aufgeführten Bruttovergütung für April 2000 tarifliche Auslöse für Februar und März 2000 mit DM 3.133,20 sowie Reisezeitvergütung in Höhe von DM 2.849,00 geltend gemacht. Wegen der Berechnung im Einzelnen wird auf den Schriftsatz vom 27. November 2000 (Bl. 14 bis 16 d. A.) verwiesen. Der Kläger hat dabei die tariflichen Regelungen für die gewerblichen Arbeitnehmer des Baugewerbes zu Grunde gelegt.

Der Kläger hat in erster Instanz beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die fernmündlich seitens des Herrn xxxxx am 28. März 2000 ausgesprochene Kündigung nicht gelöst worden ist und über den 28. März 2000 fortbestand;

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 2.331,00 nebst 5 % Zinsen p. a. über den Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz- Überleitungsgesetzes vom 9. Juni 1998 seit dem 16. Mai 2000 zu zahlen;

3. die Beklagte zu verurteilen, an de Kläger DM 5.982,20 nebst gesetzlichen Zinsen seit Zustellung des Schriftsatzes vom 27. November 2000 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat geltend gemacht, das Arbeitsverhältnis sei wirksam durch die außerordentliche Kündigung beendet worden. Vergütungsansprüche des Klägers für den Zeitraum danach seien mithin nicht gegeben. Eine tarifvertragliche Auslöse stehe dem Kläger wegen abweichender Vereinbarungen zwischen den Parteien nicht zu. Fahrtkosten seien erstattet worden.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in 1. Instanz wird ergänzend auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Mit Urteil vom 11. April 2001 - 16 Ca 370/00 - hat das Arbeitsgericht Hamburg die Klage abgewiesen. Es hat die Feststellungsklage für unzulässig gehalten und sich im Übrigen auf den Standpunkt gestellt, dass eventuelle Zahlungsansprüche des Klägers gem. § 16 des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe verfallen sind. Auf die Entscheidungsgründe (Bl. 39 bis 42 d. A.) wird Bezug genommen.

Gegen das dem Kläger am 14. Mai 2001 zugestellte Urteil wendet sich dieser mit seiner am 12 Juni 2001 bei Gericht eingegangenen und am 9. Juli 2001 begründeten Berufung. Der Kläger macht geltend, der Arbeitsvertrag der Parteien genüge § 2 Abs. 1 Nachweisgesetz (NachWG) nicht. Es fehle jeder Hinweis auf Tarifverträge, die auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sind. Die Beklagte habe im Übrigen gegen § 8 TVG verstoßen, was nicht verwunderlich sei, weil sie selbst von der Nichtgeltung des Tarifvertrages ausgehe. Sowohl § 2 NachWG als § 8 TVG seien als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB zu werten. Der Kläger sei so zu stellen, als wenn die im Tarifvertrag enthaltene Ausschlussfrist auf ihn keine Anwendung fände.

Nach Rücknahme der Berufung bezüglich der Abweisung des Feststellungsantages beantragt der Kläger, unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteiles die Beklagte zu verurteilen,

1. an den Kläger DM 2.331,00 nebst 5 % Zinsen p. a. über den Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungsgesetzes vom 9. Juni 1998 seit dem 16. Mai 2000 zu zahlen;

2. an den Kläger DM 5.982,20 nebst gesetzlichen Zinsen seit Zustellung des Schriftsatzes vom 27. November 2000 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und ist der Auffassung, dass weder § 8 TVG noch § 2 NachWG ein Schutzgesetz im Sinne der Vorschrift des § 823 Abs. 2 BGB sei. Es sei auch nicht rechtsmissbräulich, dass bei dem Einstellungsschein kein Hinweis auf die Anwendung eines Tarifvertrages enthalten war.

Auf die Berufungsbegründung vom 9. Juli 2001 und die Berufungserwiderung vom 13. August 2001 wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zwar an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und, weil sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 64 Abs. 6 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, §§ 518, 519 ZPO) auch im Übrigen zulässig.

Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet, soweit sie nicht ohnehin zurückgenommen worden ist.

Das Arbeitsgericht hat die Klage bezüglich der Zahlungsansprüche aus Annahmeverzug für den Monat April 2000 sowie wegen der tariflichen Auslösungsansprüche aus Februar und März 2000 und wegen der beanspruchten Reisezeitvergütung zu Recht als unbegründet abgewiesen.

Etwaige Ansprüche des Klägers sind jedenfalls gem. § 16 des allgemeinverbindlichen Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe verfallen.

Dass der Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung fand, ist in der Berufungsinstanz zwischen den Parteien nicht mehr streitig gewesen. Das Arbeitsgericht hat hierzu festgestellt, dass der Betrieb der Beklagten in den Geltungsbereich gem. § 1 Ziff. 2 Abschnitt IV Ziff. 2 und Abschnitt V Ziff. 3 BRTV Bau und der Kläger unter den persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages fällt, wobei hinsichtlich des persönlichen Geltungsbereichs das Arbeitsgericht versehentlich § 1 Ziff. 2 BRTV Bau zitiert, richtigerweise ist auf § 1 Ziff. 3 BRTV Bau Bezug zu nehmen.

Die Ausschlussfristen in dem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag sind in § 16 wie folgt geregelt:

1. Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von 2 Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden.

2. Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von 2 Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von 2 Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird. Dies gilt nicht für Zahlungsansprüche des Arbeitnehmers, die während eines Kündigungsschutzprozesses fällig werden und von seinem Ausgang abhängen. Für diese Ansprüche beginnt die Verfallfrist von 2 Monaten nach rechtskräftiger Beendigung des Kündigungsschutzverfahrens."

Das Arbeitsgericht hat im Einzelnen ausgeführt, dass bezüglich der Ansprüche aus der ursprünglichen Klage betreffend die Vergütung für April 2000 und die Auslöse (Fahrtkosten) für März 2000 zwar die 1. Stufe der tariflichen Ausschlussfrist gem. § 16 Abs. 1 BRTV Bau gewahrt ist. Der Kläger hat nämlich mit Schreiben vom 4. Mai 2000 seine Ansprüche schriftlich geltend gemacht. Nicht gewahrt ist jedoch die 2. Stufe für die gerichtliche Geltendmachung. Nach dem eigenen Vortrag des Klägers befand sich die Beklagte seit 16. Mai 2000 in Verzug. Die Klage ist jedoch erst am 7. September 2000 bei Gericht eingegangen. Soweit der Kläger seine Klage mit Schriftsatz vom 27. November 2000 erweitert hat, hat das Arbeitsgericht darauf verwiesen, dass bezüglich dieser Ansprüche aus Februar und März 2000 bereits die 1. Stufe der tariflichen Ausschlussfrist nicht gewahrt ist. Die Feststellungen hat der Kläger in seiner Berufungsbegründung auch nicht angegriffen.

Der Kläger stellt sich im Berufungsverfahren vielmehr auf den Standpunkt, er sei wegen Verstoßes der Beklagten gegen § 8 TVG bzw. § 2 NachWG so zu stellen, als fänden auf seine Ansprüche die tariflichen Ausschlussfristen keine Anwendung. Dieser Argumentation des Klägers ist die Berufungskammer nicht gefolgt.

Der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe enthält nicht - wie einige neuere Tarifverträge - eine Regelung dahingehend, dass es dem Arbeitgeber versagt ist, sich auf tarifliche Ausschlussfristen zu berufen, wenn er den Tarifvertrag nicht gem. § 8 TVG ausgelegt hat. Ohne eine solche ausdrückliche tarifvertragliche Regelung sind nach herrschender Meinung und der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Wirkungen des Tarifvertrages nicht von der Auslegung gem. § 8 TVG abhängig. Diese herrschende Meinung, der sich die Berufungskammer anschließt, sieht in der Bekanntgabeverpflichtung eine reine Ordnungsvorschrift, die weder arbeitsvertragliche Verpflichtungen des Arbeitgebers konkretisiere, noch ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB darstelle (BAG AP Nr. 1 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag; BAG AP Nr. 1 zu § 8 TVG 1969).

Ein Schutzgesetz im Sinn des § 823 Abs. 2 BGB liegt nur dann vor, wenn der Gesetzgeber beabsichtigt, an eine Verletzung der Norm gerade einen individuellen deliktischen Schadensersatzanspruch zu knüpfen, oder wenn bei mangelnder Erkennbarkeit eines derartigen gesetzgeberischen Willens ein solcher Schadensersatzanspruch sinnvoll und im Lichte des haftpflichtrechtlichen Gesamtsystems geboten erscheint. Nur so lässt sich die Tendenz zu einer Haftungserweiterung auf alle Vermögensschäden über den Umweg des § 823 Abs. 2 BGB, durch die die Entscheidung des Gesetzgebers gegen eine allgemeine Haftung für Vermögensschäden unterlaufen wird, vermeiden (BGH NJW 1976, 1740). An diesem Maßstab gemessen ist § 8 TVG kein Schutzgesetz. Der Gesetzgeber wollte an eine Verletzung der Norm gerade keinen individuellen Schadensersatzanspruch knüpfen, sondern die Festlegung der Sanktion dem Zivil- bzw. Tarifvertragsrecht überlassen (BAG a. a. O.; LAG Niedersachsen NZA - RR 2001, 145; LAG Bremen NZA - RR 2001, 98; Wiedemann / Oetker, Tarifvertragsgesetz, 6. Auflage, § 8 Rdn. 16).

Unabhängig von der Frage, ob § 8 TVG ein Schutzgesetz im Sinn des § 823 Abs. 2 BGB darstellt, kann zwar unter Umständen ein Verstoß des Arbeitgebers gegen die Auslegungspflicht dazu führen, dass er sich wegen des Grundsatzes von Treu und Glauben nicht auf die Verfallfristen berufen kann. Hierzu müssen jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Berufungskammer anschließt, besondere Umstände hinzutreten. Allein der Verstoß gegen die Verpflichtung aus § 8 TVG rechtfertigt den Vorwurf des treuwidrigen Verhaltens des Arbeitgebers nicht. Die erforderlichen besonderen Umstände sind dann gegeben, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer böswillig von der rechtzeitigen Geltendmachung seiner Ansprüche abgehalten hat, zum Beispiel dem ausdrücklichen Verlangen des Arbeitnehmers nach Bekanntgabe des Tarifvertrages nicht entsprochen hatte (BAG AP Nr. 1 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag). Auch die Entscheidung des LAG Niedersachsen vom 7. Dezember 2000 (NZA - RR 2001, 145) geht von diesen Grundsätzen aus. Das LAG hat keineswegs die These aufgestellt, dass bei fehlendem Hinweis im Arbeitsvertrag auf den Tarifvertrag automatisch ein Verstoß gegen Treu und Glauben gegeben ist. Vielmehr hat es nur umgekehrt argumentiert, dass ein treuwidriges Verhalten des Arbeitgebers ausscheidet, wenn ein solcher Hinweis vorliegt.

Im vorliegenden Fall ist ein gegen Treu und Glauben verstoßendes Verhalten der Beklagten im Zusammenhang mit der Verpflichtung nach § 8 TVG schon deshalb zu verneinen, weil die Beklagte selbst ursprünglich von der Anwendbarkeit des allgemein verbindlichen Tarifvertrages gar nicht ausging. Ihr kann mithin nicht vorgeworfen werden, den Kläger böswillig von der Geltendmachung eventueller Ansprüche abgehalten zu haben.

Zusammenfassend bleibt also festzuhalten, dass ein Verstoß der Beklagten gegen § 8 TVG nicht geeignet ist, den Kläger von der Einhaltung der tariflichen Ausschlussfristen zu entbinden.

Der Kläger kann sich für die von ihm geltend gemachte Unanwendbarkeit der tariflichen Ausschlussfristen auch nicht auf einen Verstoß der Beklagten gegen § 2 Abs. 1 NachWG berufen.

Die Berufungskammer konnte nach dem von ihr eingenommenen Rechtsstandpunkt dahingestellt lassen, ob bei einem Verstoß des Arbeitgebers gegen § 2 Abs. 1 NachWG eine schuldhafte positive Vertragsverletzung vorliegt bzw. ob die Bestimmung des NachWG Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB ist und dies in der Konsequenz zu einem Absehen von tariflichen Verfallfristen führt (vgl. dazu Birk NZA 1996, 281; Preis NZA 1997, 10; Arbeitsgericht Frankfurt NZA - RR 1999, 648). In diesem Zusammenhang wäre vorliegend zu erörtern, ob die Unkenntnis der Beklag- ten von der Anwendbarkeit des Tarifvertrages dem für den Schadensersatzanspruch erforderlichen Verschulden entgegensteht.

Das gleiche Problem würde sich stellen, wenn man aus einem Verstoß gegen § 2 Abs. 1 NachWG ein treuwidriges Verhalten des Arbeitgebers und die Nichtanwendbarkeit der Verfallfristen herleiten will (vgl. LAG Düsseldorf DB 2001, 1995). Auch hier wäre zu erwägen, ob ein Verstoß gegen Treu und Glauben bei Unkenntnis der Tarifbindung ausscheidet.

Die geschilderten rechtlichen Probleme konnte die Berufungskammer dahinstehen lassen, weil sie bereits einen Verstoß der Beklagten gegen § 2 Abs. 1 NachWG im Ergebnis verneint.

Entgegen der vom LAG Schleswig-Holstein (NZA - RR 2000, 196 = DB 2000, 725) geäußerten Auffassung muss der Arbeitgeber tarifliche Verfallfristen nicht ausdrücklich in den Nachweis bzw. den Arbeitsvertrag aufnehmen. Der Kritik an dieser Entscheidung in den Entscheidungen des LAG Niedersachsen vom 7. Dezember 2000 (NZA - RR 2001, 145), LAG Bremen vom 9. November 2000 (NZA - RR 2001, 98) und LAG Köln vom 6. Dezember 2000 (NZA - RR 2001, 261) schließt sich die Berufungskammer im vorliegenden Fall an. § 2 Abs. 1 Satz 1 NachWG verpflichtet den Arbeitgeber, die wesentlichen Vertragsbedingungen" schriftlich niederzulegen. Was wesentlich ist, ergibt sich aus Satz 2 des § 2, wobei davon auszugehen ist, dass die unter Nr. 1 bis 10 genannten Inhalte nicht abschließend gemeint sind, sondern nur den Mindestinhalt bezeichnen, wie aus dem Wort mindestens" hervorgeht. Die Positionen 1 bis 10 muss der Arbeitgeber mithin erfüllen. Wenn über den Mindestkatalog hinausgehende wesentliche Vertragsbedingungen denkbar sind, unterliegen sie ebenfalls der Nachweispflicht. Das Wort wesentlich" gibt keinen eindeutigen Hinweis, welche Bestimmungen zusätzlich zu dokumentieren sind, so dass die systematische und die teleologische Auslegung heranzuziehen sind. Der Bedeutungszusammenhang spricht gegen die vom LAG Schleswig-Holstein vertretene Auffassung. Wenn der Arbeitgeber in Nr. 10 einen in allgemeiner Form gehaltenen Hinweis auf Tarifverträge als ausreichend für die Erfüllung der Nachweispflicht ansieht, muss davon ausgegangen werden, dass er unter Berücksichtigung der Bestimmungen des Tarifvertragsgesetzes nicht verlangen will, dass weitere - in den Tarifverträgen enthaltene - Bestimmungen gesondert aufgeführt werden müssen. Der Gesetzgeber geht offensichtlich davon aus, dass der Arbeitnehmer, der in seinem Arbeitsvertrag den Hinweis auf die Geltung von Tarifverträgen findet, sich selbst um den Inhalt dieser Tarifverträge kümmern muss (vgl. LAG Niedersachsen; LAG Bremen; LAG Köln a.a.O.).

Die Berufungskammer geht weitergehend im vorliegenden Fall davon aus, dass es auch eines allgemeinen Hinweises gem. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 NachWG auf die Geltung des BRTV Bau nicht bedurfte. § 2 Abs. 1 NachWG verpflichtet den Arbeitgeber zur Niederlegung der wesentlichen Vertragsbedingungen". In § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 10 NachWG sind konkrete Einzelpunkte dieser Vertragsbedingungen" aufgeführt. Auch der allgemeine Hinweis auf Tarifverträge gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 NachWG ist mithin ein Unterfall des Dokumentierens von Vertragsbedingungen". Tarifverträge, die für allgemein verbindlich erklärt worden sind, wirken aber mit Normwirkung auf das Arbeitsverhältnis ein, ohne dass dafür ein rechtsgeschäftlicher Konsens zwischen den Arbeitsvertragsparteien erforderlich wäre; insoweit handelt es sich nicht um Vertragsbedingungen" im Sinne des § 2 Abs. 1 NachWG. Vielmehr sind die Bestimmungen eines für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrages ihrem Charakter nach gesetzlichen Normen vergleichbar, auf die nach § 2 Abs. 1 NachWG ein Hinweis nicht zu erfolgen braucht. Das LAG Köln (NZA RR 2001, 261) verweist in dem Zusammenhang zu Recht darauf, dass das Bundesverfassungsgericht die Allgemeinverbindlichkeitserklärung im Verhältnis zu den nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern als einen Rechtssetzungsakt eigener Art zwischen autonomer Regelung und staatlicher Rechtssetzung charakterisiert (NJW 1977, 2255). Soweit gesetzliche Normen oder entsprechend normenähnliche Grundlagen auf das Arbeitsverhältnis einwirken, ist der Arbeitgeber gem. § 2 Abs. 1 NachWG nicht verpflichtet, beim Arbeitnehmer Klarheit über den geltenden Normenkomplex herzustellen (LAG Köln a.a.O.; abweichend LAG Düsseldorf DB 2001, 1995).

Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 515 Abs. 3 Satz 1 ZPO. Nach der teilweisen Berufungsrücknahme war eine einheitliche Kostenentscheidung zu treffen.

Die Revision ist gem. § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG zugelassen worden.

Ende der Entscheidung

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