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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamburg
Urteil verkündet am 19.06.2003
Aktenzeichen: 7 Sa 45/02
Rechtsgebiete: KSchG, ArbGG, ZPO, UmwG, BGB


Vorschriften:

KSchG § 9
KSchG § 23
KSchG § 23 Abs. 1
KSchG § 23 Abs. 1 Satz 2
KSchG § 23 Abs. 1 Satz 3
ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 517
ZPO § 519
ZPO § 520
UmwG § 322 Abs. 2
BGB § 242
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Hamburg Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftszeichen: 7 Sa 45/02

In dem Rechtsstreit

Verkündet am: 19. Juni 2003

erkennt das Landesarbeitsgericht Hamburg, 7. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 17. März 2003

durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Loets als Vorsitzende d. ehrenamtlichen Richter Kilian d. ehrenamtlichen Richter Wagner

für Recht:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 26. April 2002 - 11 Ca 470/00 - abgeändert und die Klage hinsichtlich der Anträge 1) - 3) abgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger. Die Entscheidung über die weiteren Kosten bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der mit Schreiben der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 18. Oktober 2000 zum 30. April 2001 und mit einem weiteren Schreiben vom 22. März 2001 zum 30. September 2001 ausgesprochenen ordentlichen Kündigungen sowie den Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers.

Der Kläger ist aufgrund des undatierten schriftlichen Arbeitsvertrages (Anlage K 1, Bl. 4 f. d.A.) seit dem 1. Juni 1999 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten ( im folgenden: Beklagte ) als Business Development Executive ( BDE) beschäftigt. Gesellschafterin der Beklagten ist ein englisches Unternehmen, das sich weltweit in der Branche der Unternehmensberatung betätigt .

Mit dem Kläger wurde ein Festgehalt von jährlich DM 291.000,00 vereinbart. Zusätzlich war ihm im ersten Jahr seiner Beschäftigung ein Provisionseinkommen in der gleichen Höhe garantiert. Seit dem 1. Oktober 2000 bezieht der Kläger ausschließlich das Festgehalt.

Mit Schreiben vom 18. Oktober 2000, dem Kläger am selben Tag zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien fristgemäß zum 30. April 2001. Mit einem weiteren Schreiben vom 22. März 2001 kündigte die Beklagte vorsorglich erneut zum 30. September 2001.

Mit der bei Gericht am 7. November 2000 eingegangenen Klage und der Klagerweiterung vom 27. März 2001 hat sich der Kläger u.a. gegen die Kündigungen gewandt, die er für sozial ungerechtfertigt und daher unwirksam hält. Ferner hat er seine Weiterbeschäftigung zu den im Arbeitsvertrag geregelten Arbeitsbedingungen als Business Development Executive begehrt.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristgerechte Kündigung vom 18. Oktober 2000, zugegangen am 18. Oktober 2000, nicht zum 30. April 2001 beendet worden ist, sondern zu unveränderten Bedingungen über diesen Termin hinaus fortbesteht;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 22. März 2001 nicht zum 30. September 2001 beendet worden ist, sondern zu unveränderten Bedingungen über diesen Termin hinaus fortbesteht; 3. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu den im Arbeitsvertrag geregelten Arbeitsbedingungen als Business Development Executive bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiterzubeschäftigen;

4.

a. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger schriftlich umfassend und detailliert Auskünfte über die in der Zeit vom 1.1.2001 bis zum 31.12.2001 verdienten Provisionen zu erteilen und hierbei insbesondere Auskunft über die Höhe des Umsatzes zu erteilen, den die Beklagte mit dem Geschäft Firma E. aus M. erzielt hat;

b. die Beklagte zu verurteilen, die eidesstattliche Versicherung auf die nach Ziff. a abgelegte Auskunft/Rechenschaft zu leisten;

c. die Beklagte zu verurteilen, die sich aus der Auskunft ergebenden Provisionen an den Kläger zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen: Das Kündigungsschutzgesetz sei nicht anwendbar. Die Beklagte unterhalte in Deutschland keinen Betrieb, weder im Sinne des betriebsverfassungsrechtlichen noch des kündigungsschutzrechtlichen Betriebsbegriffs. Sie bilde keine organisatorische Einheit. Die Beklagte sei zwar im Handelsregister eingetragen. Dies habe aber allein steuerrechtliche Hintergründe. Weder gäbe es ein Büro, von welchem aus der Einsatz der Mitarbeiter zentral gesteuert wird, noch finde eine irgendwie geartete organisatorische Abstimmung zwischen den Mitarbeitern statt. Am Unternehmenssitz in Frankfurt werde lediglich ein Postfach unterhalten. Die Mitarbeiter des Unternehmens arbeiteten eigenständig von zu Hause aus bzw. in den jeweiligen Geschäftsräumen der (potentiellen) Kunden der Beklagten. Zwar sei Frau P.B. eingetragene Geschäftsführerin der Beklagten. Sie habe jedoch keinerlei Weisungsbefugnisse hinsichtlich des operativen Geschäfts in der Bundesrepublik Deutschland. Sie sei Angestellte der P.C.Ltd. und dort zunächst im Bereich Human Resources tätig gewesen. Seit März 2000 sei sie ausschließlich für Trainingsmaßnahmen zuständig. Das europäische Geschäft der P.-Gruppe werde als Einheit gemanagt von Herrn P.G. als Präsident und Verkaufschef, Herrn T. als Chef der Analysten und Herrn M.C. als Leiter der operativen Einsätze. Das Management bespreche wöchentlich die gesamteuropäische Entwicklung. Der Kläger habe - wie alle anderen BDEs in Europa - ausschließlich direkt an Herrn G. berichtet, nie an P.B., Herr G., Herr T. und Herr M.C. hätten ihren Sitz in L..

Die hier ausgesprochenen Kündigungen seien aus verhaltensbedingten Gründen gerechtfertigt. Der Kläger habe trotz Abmahnung keine Leistungen mindestens mittlerer Art erbracht. Er habe nicht einen einzigen Auftrag akquiriert. In einer Analyse von Februar 2000 habe der Kläger selbst Geschäftserwartungen dargestellt. Die Vorgaben seien gerechtfertigt, was sich aus der vergleichbaren Tätigkeit anderer Verkäufer ergebe. Der Kläger sei für die Tätigkeit wahrscheinlich nicht geeignet.

Der Kläger hat erwidert: Das Kündigungsschutzgesetz finde vorliegend Anwendung. Der Kläger sei Arbeitnehmer. Die Beklagte ein Betrieb im Sinne von § 23 Abs. 1 KSchG und beschäftige mehr als 5 Arbeitnehmer.

Der Betriebsbegriff sei, um der gesetzlichen Intention umfassenden Bestandsschutzes von Arbeitsverhältnissen gerecht zu werden, besonders weit auszulegen. Zunächst einmal bestehe kein Zweifel daran, dass auch die Beklagte einen einheitlichen Leitungsapparat unterhalte. An der Spitze der Leitung stehe die Geschäftsführerin der Beklagten, Frau P.B.. Sie sei ordnungsgemäß zur Geschäftsführerin der Beklagten bestellt und im Handelsregister eingetragen. Es folgten die von der Beklagten in Deutschland beschäftigten 8 Arbeitnehmer. Weitere organisatorische Leitungsebenen existierten bei der Beklagten nicht, was hinsichtlich der Beurteilung als Betrieb jedoch unschädlich sei.

Es liege auch eine einheitliche Organisation vor. Hierzu bedürfe es zwingend nicht einer räumlichen Einheit oder gar zur Verfügung gestellter Büroräumlichkeiten.

Ein Kündigungsgrund sei nicht gegeben. Das Ausbleiben der erwarteten Erfolge liege nicht an ihm, dem Kläger, was ein Vergleich mit anderen zeige. Er schulde keinen bestimmten Erfolg. Ihm seien ausschließlich Neukunden übertragen worden. Im Übrigen fehle es an einer Abmahnung.

Mit Teilurteil vom 26. April 2002 - 11 Ca 470/00 - hat das Arbeitsgericht Hamburg festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigungen der Beklagten vom 18. Oktober 2000 und vom 22. März 2001 nicht beendet worden ist, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht und die Beklagte verurteilt, den Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Feststellungsanträge weiterzubeschäftigen.

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien sei das Kündigungsschutzgesetz anwendbar. Die Beklagte habe im Inland einen Betrieb, in dem ein Arbeitsverhältnis mit dem Kläger bestehe. Der Kläger sei nach dem Vorbringen der Beklagten in eine arbeitsmäßige Organisation eingebunden, innerhalb derer er Weisungen jeder Art unterliege. Dass der Kläger nicht in einem von der Beklagten eingerichteten Büro arbeite, sei unerheblich und im Übrigen für bestimmte Verkaufstätigkeiten typisch. Für den Betriebsbegriff sei nicht erforderlich, dass eine organisatorische Einheit und eine einheitliche Leitung bestehe. Im Übrigen sei es unvorstellbar, dass eine Arbeitsleistung mit Weisungsgebundenheit hinsichtlich Inhalt, Ort und Art der Arbeitsleistung ohne Betrieb erbracht werde.

Die Kündigung sei nicht durch verhaltensbedingte Gründe sozial gerechtfertigt. Es werde die Arbeit als solche und nicht ein bestimmter Erfolg geschuldet. Es sei insoweit zwischen den Parteien auch keine Vereinbarung getroffen worden, wonach, abweichend von der gesetzlichen Regelung, ein bestimmter Erfolg geschuldet werde. Dem stehe bereits das arbeitsvertragliche Schriftformerfordernis entgegen. Die Kündigung könnte daher nur gerechtfertigt sein, wenn der Kläger arbeitsvertragswidrig Tätigkeiten unterlassen oder/und arbeitsvertragswidrig nicht vereinbarte Tätigkeiten wahrgenommen habe. Etwas Derartiges werde von der Beklagten nicht behauptet. Im Übrigen fehle es am Ausspruch einer Abmahnung. Auch die vorsorgliche weitere Kündigung sei unwirksam aus den oben genannten Gründen.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 3. Mai 2002 zugestellte Teilurteil des Arbeitsgerichts am 27. Mai 2002 Berufung eingelegt und ihre Berufung am 12. Juli 2002 begründet, nachdem ihr durch Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 2. Juli 2002 die Berufungsbegründungsfrist antragsgemäß bis dahin verlängert worden ist.

Die Beklagte trägt zur Begründung ihrer Berufung vor:

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei das Kündigungsschutzgesetz im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Die Beklagte habe keinen Betrieb in der Bundesrepublik Deutschland. Entscheidend für den Betrieb als betriebsverfassungsrechtliche Einheit sei der einheitliche Leitungsapparat im Inland. Eine organisatorische Einheit scheide als Betrieb aus, wenn dort die Arbeitgeberfunktionen im Bereich der personellen und sozialen Mitbestimmung nicht zumindest im Kern ausgeübt werden. Diese Voraussetzungen erfülle die Beklagte in der Bundesrepublik Deutschland nicht. Zwar sei im Inland das Unternehmen der Beklagten eingetragen und als GmbH rechtswirksam errichtet. Es seien auch 8 Mitarbeiter einschließlich des Klägers zum Kündigungszeitpunkt beschäftigt gewesen. Eine einheitliche Leitung oder eine Personalkompetenz habe jedoch im Inland gerade nicht bestanden. Die Mitarbeiter hätten in der Bundesrepublik Deutschland und im europäischen Ausland - je nach Projekt und Bedarf - gearbeitet. Sie hätte nicht den Weisungen der inländischen Geschäftsführerin P.B. unterlegen, sondern seien direkt organisatorisch und personell bei dem Zeugen G. (Präsident und Verkaufschef) und der Zeugin M.L. (Personalleiterin) angesiedelt gewesen und hätten auch von dort Weisungen erhalten. Die gesamte Organisation und personelle Anbindung habe nicht in Deutschland, sondern mit der P.C.Ltd. in L. stattgefunden. Auch der Kläger habe nie in Deutschland berichtet oder Weisungen empfangen. Die Beklagte habe keine Organisationsstruktur in der Bundesrepublik Deutschland unterhalten, sondern lediglich eine Briefkastenadresse im F.M.. Der Kläger sei auch im Rechtsverkehr (Briefbögen, Visitenkarte) für die P.C.Ltd. und nicht für die Beklagte aufgetreten.

Das Kündigungsschutzgesetz gelte daher vorliegend nicht.

Im Übrigen sei die Kündigung vom 18. Oktober 2000, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts, aus verhaltensbedingten Gründen gerechtfertigt. Der Kläger habe nicht einen einzigen Verkauf oder ein einziges Geschäft getätigt. Daher seien die zwischen den Parteien vereinbarten Ziele nicht erreicht, trotz der durch den Kläger genutzten Kontakte und geführten Gespräche. Eine Null-Leistung sei in keinem Fall eine Leistung mittlerer Art und Güte.

In der E-Mail des Zeugen G. vom 2. Juli 2000 sei sehr wohl eine Abmahnung des Klägers zu sehen. Herr G. habe darin darauf hingewiesen, daß mindestens ein nennenswertes Projekt pro Quartal akquiriert werden müsse, ansonsten seien weitere Investitionen in das Gehalt des Klägers nicht gerechtfertigt.

Ferner sei die ausgesprochene Kündigung aus personenbedingten Gründen gerechtfertigt. Es müsse am Kläger liegen, dass er nicht verkaufe und nicht am Produkt der Beklagten.

Schließlich sei die Kündigung auch aus betriebsbedingten Gründen gerechtfertigt. Die Beklagte benötige zwar weiter in der Bundesrepublik Deutschland Business Development Executives. Es sei ihr aber nicht möglich, den Arbeitsplatz des Klägers zu diesen Kosten weiter aufrecht zu erhalten.

Auch die vorsorglich ausgesprochene Kündigung vom 22. März 2001 sei aus den Gründen der Kündigung vom 18. Oktober 2000 sozial gerechtfertigt. Der Kläger habe auch während der Kündigungsfrist bis 22. März 2001 nicht ein einziges Projekt für die Beklagte akquiriert. Insoweit stelle die Kündigung vom 18. Oktober 2000 zugleich eine Abmahnung dar.

Sollte die Kündigung dennoch sozial ungerechtfertigt sein, so sei der Auflösungsantrag der Beklagten nach § 9 KSchG gerechtfertigt. Eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit mit dem Kläger sei nicht zu erwarten. Der Kläger sei durch die ausgesprochenen Kündigungen aus seinen Kontakten herausgerissen. Es sei völlig unrealistisch, dass er nach Ablauf von 2 Jahren wieder wie früher anfangen könne. Er würde bei der Beklagten auch ein völlig neues Gefüge vorfinden. Die Beklagte sei gemäß Verschmelzungsvertrag vom 23. August 2001 mit 2 weiteren Unternehmen zur C. & P. C. GmbH verschmolzen und habe ihren Firmensitz nach M. verlegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf deren Berufungsbegründung vom 11. Juli 2002 (Bl. 244 f. d.A.) sowie deren Schriftsätze vom 30. Oktober 2002 (Bl. 334 f. d. A.), vom 31. Januar 2003 (Bl. 380 f. d.A.), vom 10. März 2003 (Bl. 419 f. d.A.) und vom 11. April 2003 (Bl. 500 f. d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

1. das Teilurteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 26. April 2002 (Az.: 11 Ca 470/00) aufzuheben und die Klage abzuweisen.

2. Vorsorglich: Das Anstellungsverhältnis gemäß Anstellungsvertrag vom 1. Juni 1999 gegen Zahlung einer Sozialabfindung in Höhe von EUR 25.000 zum 30. April 2001 aufzulösen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags.

Der Kläger trägt weiter vor:

Entgegen der Auffassung der Beklagten stimme der Betriebsbegriff des Kündigungsschutzgesetzes nicht mit dem Betriebsbegriff des Betriebsverfassungsgesetzes überein. Die Verwendung des Begriffs "Betrieb" in § 23 KSchG sei überholt und bedürfe der verfassungskonformen Auslegung. Das Bundesverfassungsgericht gehe in mehreren Entscheidungen von einer arbeitgeberbezogenen Betrachtungsweise aus. Auf den Betrieb als organisatorische Arbeit könne es im Rahmen des Kündigungsschutzgesetzes nicht ankommen. Vielmehr sei auf die Unternehmensebene abzustellen. Aber selbst wenn eine unternehmensbezogene Betrachtungsweise vom Gericht nicht geteilt werde, gelange man vorliegend zur Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes, da zum Kündigungszeitpunkt eine einheitliche Organisation und Leitung der Beklagten in Deutschland bestanden habe. Die Organisation sei durch die Geschäftsführerin Frau P.B. angeführt worden. Auf der nächsten Ebene folgten 6 Berater, die durch Herrn T.Z. angeführt wurden und 2 Business Development Executives (darunter der Kläger), die zunächst unmittelbar der Geschäftsleitung unterstellt waren. Im Hebst 2000 habe die Beklagte einen Verkaufsleiter, Herrn C.G. eingestellt, der Vorgesetzter des Klägers und des weiteren BDE, Herrn H., wurde und blieb. Gleichzeitig habe sie im Flughafen F. im Airporttower Büroräumlichkeiten angemietet. Der Kläger haben vom Zeugen G. konkrete Weisungen erhalten und mit ihm angelaufene Projekte und die Fortführung der aufgenommenen Geschäftskontakte besprochen.

Der Kläger bestreitet, dass er organisatorisch und unmittelbar an Herrn G. und Frau M.L. angebunden war. Es sei zutreffend, dass die Beklagte bis September 2001 in Deutschland nur eine Briefkastenadresse unterhielt. Dies führe aber zu keiner anderen Bewertung.

Dem Arbeitsgericht sei auch zu folgen, dass die Kündigung vom 18. Oktober 2000 sozial ungerechtfertigt sei. Insoweit mangele es an einer vorherigen einschlägigen Abmahnung. Das Schreiben vom 2. Juli 2000 enthalte keinen Hinweis darauf, dass der Bestand des Arbeitsverhältnisses des Klägers in Gefahr sei. Im Übrigen habe der Kläger auch keine Pflichtverletzung begangen. Er habe keinen Erfolg geschuldet. Es lägen auch keine personenbedingten oder betriebsbedingten Gründe vor. Aus den oben genannten Gründen sei auch die Kündigung vom 22. März 2001 sozial ungerechtfertigt.

Für den hilfsweise gestellten Auflösungsantrag bestünden keinerlei Gründe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags des Klägers im Berufungsverfahren wird auf dessen Berufungsbeantwortung vom 16. August 2002 (Bl. 306 f. d.A.) sowie dessen Schriftsätze vom 12. Dezember 2002 (Bl. 359 f. d.A.), vom 10. März 2003 (Bl. 438 f. d.A.), vom 14. April 2003 (Bl. 482 f. d.A.) verwiesen.

Das erkennende Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 14. November 2002 durch uneidliche Vernehmung der Zeugen T.Z., C. G., B.S., G.K. und K. M.L.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 17. Februar 2003 (Bl. 400-411 d.A.) und vom 17. März 2003 (Bl. 463-471 d.A.) Bezug genommen.

Ergänzend wird auf den erstinstanzlichen Vortrag der Parteien nebst Anlagen und auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 26. April 2002 - 11 Ca 470/00 - ist gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Arbeitsgerichtsgesetz statthaft und auch im Übrigen zulässig, da sie gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 517, 519, 520 ZPO n.F. form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist.

II.

Die Berufung der Beklagten ist auch begründet.

Das Arbeitsgericht hat zu Unrecht der Klage stattgegeben. Die Klage ist zwar zulässig. Sie ist jedoch unbegründet.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 18. Oktober 2000, zugegangen am 18. Oktober 2000, zum 30. April 2001 rechtswirksam beendet worden. Denn das Kündigungsschutzgesetz ist auf das Arbeitsverhältnis nicht anwendbar. Auch sonst sind keine Gründe für die Unwirksamkeit der Kündigung gegeben.

Im Einzelnen gilt Folgendes:

1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 18. Oktober 2000 rechtswirksam mit dem 30. April 2001 beendet worden.

a) Das Kündigungsschutzgesetz findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung.

Die Vorschriften des ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes, die die gerichtliche Überprüfung der sozialen Rechtfertigung einer Kündigung regeln, gelangen nur dann zur Anwendung, wenn im Inland die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 KSchG erfüllt sind (BAG, Urteil vom 9.10.1997 - 2 AZR 64/97 - EzA § 23 KSchG Nr. 16; BAG, Urteil vom 7.11.1996 - 2 AZR 648/95 n.v. -; LAG Köln vom 27.5.1994, LAGE § 23 KSchG Nr. 10; LAG Hamburg vom 11.7.1995 - 2 Sa 4/95 n.v. -; LAG Hamm, Urteil vom 5.4.1989 - 2 (13) Sa 1280/88 - LAGE § 23 KSchG Nr. 4; LAG Düsseldorf vom 21.5.1996 - 8 Sa 366/96 - BB 1996, 2411; KR-Weigand, Gemeinschaftskommentar zum KSchG, 5. Aufl., § 23 KSchG Rz. 19; ErfK/Ascheid, 3. Aufl., § 23 KSchG, Rn. 3).

Nach dem Wortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG muss die geforderte Mindestzahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer in einem Betrieb erreicht werden, der generell vom räumlichen Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes erfasst wird. Der räumliche Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes ist aber auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt. Die räumliche Geltung eines Gesetzes erstreckt sich maximal auf den örtlichen Zuständigkeitsbereich des rechtssetzenden Organs (BAG vom 9.10.1997 a.a.O. m.w.N.). Die Rechtssetzungsbefugnis der deutschen Gesetzgebungsorgane beschränkt sich im Grundsatz (vgl. dazu BAG vom 21.11.1996 - 2 AZR 832/95 - AP Nr. 10 zu § 79 BPersVG) auf den Geltungsbereich des Grundgesetzes und damit auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Das KSchG gilt somit grundsätzlich nur für Betriebe auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.

Maßgebend für die Auslösung des Kündigungsschutzes ist im Streitfall danach die Anzahl der Arbeitnehmer eines in Deutschland gelegenen Betriebes. § 23 KSchG stellt seinem Wortlaut nach auf den Betrieb und nicht auf das Unternehmen ab, zu dem unter Umständen mehrere Betriebe gehören können (ErfK/Ascheid a.a.O. § 23 KSchG Rn. 4; Bader NZA 1999, 64, 66). Wie der bei der Neufassung der Vorschrift durch das arbeitsrechtliche AFG vom 25. September 1996 (BGBl. I S. 1476) noch bei der Neufassung durch das Gesetz zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte vom 19. Dezember 1998 (BGBl. I S. 3843) ist der Begriff Betrieb durch den des Unternehmens ersetzt worden (vgl. Schwedes BB 1996, Beilage 17,2; Preis RdA 1999, 311).

Der Begriff des Betriebes ist im Kündigungsschutzgesetz nicht definiert. Zur Auslegung des dem KSchG zugrunde liegenden Betriebsbegriffs können zunächst die allgemeinen Grundsätze herangezogen werden, wie sie insbesondere im Bereich des Betriebsverfassungsrechts entwickelt worden sind (BAG, Urteil vom 23.3.1984, EzA § 23 KSchG Nr. 7; BAG vom 18.1.1990 - 2 AZR 355/89 - EzA § 23 KSchG Nr. 9; KR-Etzel a.a.O., § 1 KSchG Rn. 143 m.w.N.).

Danach ist als Betrieb die organisatorische Einheit anzusehen, innerhalb derer der Unternehmer allein oder zusammen mit seinen Mitarbeitern mit Hilfe sächlicher und immaterieller Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. In erster Linie kommt es dabei auf die Einheit der Organisation, weniger auf die Einheitlichkeit der arbeitstechnischen Zweckbestimmung an. Regelmäßig liegt ein einheitlicher Betrieb vor, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen oder immateriellen Betriebsmittel für den oder die verfolgten arbeitstechnischen Zwecke zusammengefasst geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird (vgl. nur: BAG, Beschluss vom 18.3.1997 AP Nr. 16 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung; ErfK/Eisemann a.a.O., 3. Aufl., § 4 BetrVG Rn. 2 u. 3 m.w.N.). Entscheidend für den Betrieb als betriebsverfassungsrechtliche Einheit ist der einheitliche Leitungsapparat im Inland. Eine organisatorische Einheit scheidet als Betrieb aus, wenn dort die Arbeitgeberfunktionen im Bereich der personellen und sozialen Mitbestimmung nicht zumindest im Kern ausgeübt werden (ErfK/Eisemann a.a.O., Rn. 4 m.w.N.).

Soweit der Kläger mit Teilen des Schrifttums (vgl. Bepler, AuR 1997, 54, 58 f.; Buschmann AuR 1998, 210 f.; Kittner NZA 1998, 731 f.) und der Judikatur (vgl. ArbG Hamburg, v. 10.3.1997, DB 1997, 2439) die Auffassung vertritt, dass in Anlehnung an den Schutzzweck des KSchG der kündigungsrechtliche Betriebsbegriff teleologisch dahingehend zu reduzieren ist, dass der Arbeitgeber bzw. das Unternehmen Anknüpfungspunkt für den Kündigungsschutz ist, vermag die Berufungskammer dem nicht zu folgen. Wie das Bundesarbeitsgericht (vgl. Urteil vom 12.11.1998 - 2 AZR 459/97 - EzA § 23 KSchG Nr. 20; Urteil vom 29.4.1999 - 2 AZR 352/98 - EzA § 23 KSchG Nr. 21) zutreffend ausführt, ist eine derartige "teleologische Reduktion" grundsätzlich als nicht mehr gesetzeskonform abzulehnen. Der Kündigungsschutz nach dem KSchG ist nicht unternehmensübergreifend ausgestaltet. Ein unternehmensübergreifender "Berechnungsdurchgriff" ist de lege lata nicht möglich, weil der Gesetzgeber am Betriebsbegriff festgehalten hat, obgleich im Gesetzgebungsverfahren ein Abstellen auf das Unternehmen diskutiert wurde (vgl. Schwedes, BB 1996, Beilage 17, S. 2 f.; Bepler, AuR 1997, 54, 57) und auch dem Bundesrat vorliegende Entwürfe für ein Arbeitsvertragsgesetz (BR-Drucks. 293/95 und 671/96) dies vorsahen. Dass das Gesetz für seinen Anwendungsbereich am Betriebsbegriff festhält, statt auf den in der Regel weiteren Unternehmensbegriff abzustellen, belegt auch § 322 Abs. 2 UmwG. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber die schon genannte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 18.1.1990 - 2 AZR 355/89 - a.a.O.) bestätigt, nach der es für einen ausnahmsweise unternehmensübergreifenden Kündigungsschutz auf eine Führungsvereinbarung und einheitliche institutionelle Leitung, insbesondere hinsichtlich des Kerns der Arbeitgeberfunktionen, im sozialen und personellen Bereich ankommt. Indem der Gesetzgeber sich in § 322 Abs. 2 UmwG der Konstruktion einer Fiktion ("gilt... als Betrieb im Sinne des Kündigungsschutzrechts") bedient hat, hat er zugleich zum Ausdruck gebracht, dass er den Fall eines gemeinsamen Betriebes mehrerer Unternehmen an sich nicht mehr vom Normgehalt des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG umfasst sieht. Von daher wäre ein über diese Fallgestaltung hinausgehender "Berechnungsdurchgriff" ein solch massiver Eingriff in die gesetzgeberische Entscheidung, dass er grundsätzlich nicht mehr im Wege der Auslegung erfolgen könnte.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den vom Kläger zitierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 27. Januar 1998 - 1 BvL 15/87 - (EzA § 23 KSchG Nr. 18) den hier einschlägigen § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG a.F. sowohl hinsichtlich der Größe des Kleinbetriebes als auch hinsichtlich der Anknüpfung an den Begriff "Betrieb" unbeanstandet gelassen und nur im Wege einer verfassungskonformen Auslegung eine Beschränkung auf solche Einheiten verlangt, für deren Schutz die Kleinbetriebsklausel allein bestimmt ist. Unter solchen "Einheiten" hat das Bundesverfassungsgericht aber nicht etwa auch solche mit eigener Rechtspersönlichkeit, d.h. Unternehmen verstanden, sondern, ausgehend vom betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff, organisatorische Einheiten, innerhalb derer der Arbeitgeber bestimmte arbeitstechnische Zwecke verfolgt. Darunter, so das Bundesverfassungsgericht weiter, könnten im Einzelfall auch Teile größerer Unternehmen fallen, für die die Gesichtpunkte nicht zutreffen, die eine Benachteiligung der Arbeitnehmer von Kleinbetrieben bei der Ausgestaltung des Kündigungsschutzrechts rechtfertigen. Davon abgesehen, dass die oben genannte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht die vorliegende Fallkonstellation betraf, sondern vielmehr die Problematik der kündigungsrechtlichen Ausgrenzung von Kleinbetrieben als Teile größerer Unternehmen, lässt sich diesem Beschluss nicht entnehmen, dass das Bundesverfassungsgericht faktisch für eine Korrektur des Wortlauts in § 23 KSchG gesorgt hat, zu der sich der Gesetzgeber bislang nicht durchringen konnte.

Die Absage des Gesetzgebers an eine von der einheitlichen institutionellen Leitung auch im sozialen und personellen Bereich unabhängige unternehmensübergreifende Berechnung der für die Anwendung des KSchG maßgeblichen Beschäftigtenzahl ist nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts, die die Kammer teilt, verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie verletzt weder Art. 12 Abs. 1 GG noch Art. 3 Abs. 3 GG. Wie das Bundesverfassungsgericht (a.a.O.) ausgeführt hat, hat der Gesetzgeber bei einer allein am objektiven Gehalt der Grundrechte zu messenden, das private Vertragsrecht ausgestaltenden Norm wie § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG einen weiten Gestaltungsfreiraum. Die Einschätzung der für die Konfliktlage maßgeblichen ökonomischen und sozialen Rahmenbedingungen liegt in seiner politischen Verantwortung, ebenso die Vorausschau auf die künftige Entwicklung und die Wirkung seiner Regelung. Dasselbe gilt für die Bewertung der Interessenlage, d.h. die Gewichtung der einander entgegenstehenden Belange und die Bestimmung ihrer Schutzbedürftigkeit. Eine Verletzung grundrechtlicher Schutzpflichten kann daher in einer solchen Lage nur festgestellt werden, wenn eine Grundrechtsposition den Interessen des anderen Vertragspartners in einer Weise untergeordnet wird, dass in Anbetracht der Bedeutung und der Tragweite des betroffenen Grundrechts von einem angemessenen Ausgleich nicht mehr gesprochen werden kann.

Daran gemessen verletzt ein regelmäßiges Abstellen auf die Beschäftigtenzahl des Betriebes und die Voraussetzung einer einheitlichen Leitung im Kernbereich der Arbeitgeberfunktionen für eine ausnahmsweise unternehmensübergreifende Berechnung der Beschäftigtenzahl Art. 12 Abs.1 und 3 Abs. 3 GG nicht. Zwar sind auch auf Seiten des Arbeitnehmers gewichtige Belange in die Waagschale zu werfen. Der Gesetzgeber hat jedoch den Interessengegensatz in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu einem Ausgleich gebracht.

Dabei fällt ins Gewicht, dass die Arbeitnehmer durch ihre Herausnahme aus dem gesetzlichen Kündigungsschutz nicht völlig schutzlos gestellt sind. Wo die Bestimmungen des KSchG nicht greifen, sind die Arbeitnehmer durch die zivilrechtlichen Generalklauseln vor einer sitten- oder treuwidrigen Ausübung des Kündigungsrechts des Arbeitgebers geschützt. Der verfassungsrechtlich gebotene Mindestschutz des Arbeitsplatzes vor Verlust durch private Disposition ist damit in jedem Fall gewährleistet.

Auch wenn dem Kläger zuzugeben ist, dass es einem Unternehmen auch möglich ist, sich so zu organisieren und zu strukturieren, dass die maßgeblichen Entscheidungen in personellen und sozialen Angelegenheiten vom Ausland aus erfolgen, ist eine einschränkende Auslegung des Gesetzeswortlauts des § 23 Abs. 1 KSchG bei der vorliegenden Fallkonstellation nicht geboten, weil der verfassungsrechtlich gebotene Mindestschutz des Arbeitsplatzes vor Verlust durch private Disposition durch die zivilrechtlichen Generalklauseln geschützt ist. Die gerade auch im Interesse der Rechtssicherheit grundsätzlich zu achtende Grenzziehung des Gesetzgebers steht einer sachgerechten Lösung von Missbrauchsfällen nach allem nicht entgegen.

b) Die Berufungskammer ist aufgrund der durchgeführte Beweisaufnahme nicht davon überzeugt, dass die Beklagte zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vom 18. Oktober 2000 am 18. Oktober 2000 im Inland einen Betrieb im Sinne des § 23 Abs. 1 KSchG unterhielt. Dies geht zu Lasten des für die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes darlegungs- und beweispflichtigen Klägers.

Zwar war die Rechtsvorgängerin der jetzigen Beklagten ( im folgenden: Beklagte ) im Inland als GmbH rechtswirksam errichtet und im Handelsregister eingetragen. Frau P.B. ist auch zur Geschäftsführerin der Beklagten bestellt worden. Ferner wurden zum streitgegenständlichen Zeitpunkt insgesamt 8 Mitarbeiter in Deutschland beschäftigt. Dennoch hat die Beweisaufnahme nicht zweifelsfrei ergeben, dass die Beklagte, die in der Bundesrepublik Deutschland über keine räumliche Organisationsstruktur verfügte, dort eine verwaltungsmäßige, arbeitstechnische Organisation und einen einheitlichen Leitungsapparat betrieb.

Die Beklagte unterhielt in Deutschland lediglich eine "Briefkastenadresse" im F.M.. Über ein Büro verfügte sie nicht. Die deutschen Angestellten arbeiteten von zu Hause aus bzw. vor Ort bei den Kunden. So hat die Zeugin K. bekundet, dass selbst die Kunden die Beklagte nur über die Telefonnummer eines Call-Centers kontaktieren konnten.

Des Weiteren haben die Zeugen S., K. und M.L. übereinstimmend vorgetragen, dass Besprechungen im Inland, an denen alle deutschen Mitarbeiter körperlich anwesend waren, praktisch nicht stattfanden. Vieles lief über Konferenzschaltungen. Es gab dagegen häufig Meetings in L., an denen auch der Kläger teilnahm. Dies hat die Zeugin K. nachdrücklich bestätigt. Sofern es Zusammenkünfte im Inland gab, handelte es sich um projektbezogene Treffen, die entweder von Herrn Z. als zuständigenm Projektverantwortlichen oder von den Mitarbeitern in eigener Regie organisiert wurden. An diesen Treffen nahm kein in Deutschland angesiedelter leitender Angestellter mit Personalverantwortung teil.

Die Beweisaufnahme hat auch nicht ergeben, dass die Beklagte einen einheitlichen Leitungsapparat im Inland hatte. Vielmehr geht die Kammer davon aus, dass die Steuerung der personellen Aktivitäten wurde von Funktionsträgern im Ausland wahrgenommen wurde. So hat der Zeuge Z. ausgesagt, dass die Berater in einem Projekt zwar dem jeweiligen Projektmanager für die Dauer des Projekts unterstellt seien. Sie berichteten aber direkt an den Vizepräsidenten, d.h. zum maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung an Herrn G. in L.. Herr Z. hat betont, dass dieses auch für die BDE's gelte, die direkt von Herrn G. Weisungen erhalten hätten, nach der Fusionierung der Beklagten mit der Firma I., die nach Angaben des Zeugen G. erst am 18. Dezember 2000 erfolgte, und damit nach Ausspruch der Kündigung gegenüber dem Kläger, von Herrn G.. Der Zeuge Z. hat ausgeführt, dass er weder Vorgesetzter des Klägers war noch für Entlassungen und Einstellungen in Deutschland zuständig gewesen sei.

Der Zeuge Z. hat zwar bekundet, im Jahr 2000 sei dies über Frau B. gelaufen. Er hat jedoch nicht bestätigt, dass dies in deren Eigenschaft als Geschäftsführerin der Beklagten geschah. Vielmehr hat er erklärt, dass Entscheidungen über Entlassungen von L. aus entschieden wurden. Frau B. habe hauptberuflich die Personalverantwortung für Europa getragen. Sie habe Assessmentcenter für Kandidaten entwickelt und Entlassungen abgewickelt. Später habe es einen Wechsel in dieser Funktion von Frau B. zu Frau M.L. gegeben. Die eigentliche Leitung sei immer über L. gelaufen.

Diese Angaben des Zeugen Z. werden im Kern auch von der Zeugin M.L. bestätigt. Sie hat erklärt, es habe keine betriebliche Organisation der Firma P. in Deutschland gegeben. Diese habe sich in L. befunden. Die Zeugin hat zwar bestätigt, dass Frau B. an Einstellungen beteiligt war und Kündigungen unterschrieben hat. Nach Angaben von Frau M.L. geschah dies aber in deren Funktion als Direktorin der Gruppe "Human Resources" und nicht als Geschäftsführerin der Beklagten in Deutschland. Für die Richtigkeit dieser Angaben spricht, dass Frau B. das an den Kläger gerichtete Anschreiben zum Arbeitsvertrag vom 16. September 1999 ( Anl. BK 10, Bl. 436 d. A. ) auf dem Briefbogen der P.Ltd L., mit "P.B., Group HR Director" unterzeichnet hat.

Die Zeugin hat ferner erklärt, Frau B. sei nicht vor Ort in Deutschland tätig gewesen. Diese Angaben stehen in Übereinstimmung mit der Aussage des Zeugen S., Frau B. sei ihm gegenüber in der Funktion als Geschäftsführerin nicht in Erscheinung getreten.

Nach der Aussage der Zeugin M.L. ist Frau B. im fraglichen Zeitraum Herrn G. unterstellt gewesen und hat von diesem Anweisungen bekommen. Die Vorgespräche für eine Einstellung seien zwar von Frau B. geführt worden, die Entscheidung sei aber von Herrn G. getroffen worden.

Auch die Zeugin K. hat erklärt, in Deutschland habe niemand Organisations- und Leitungsaufgaben durchgeführt. Dies sei von L. aus gemacht worden. Der Kläger sei gegenüber L. verantwortlich gewesen. Die Zeugin K. hat zur Funktion von Frau B. erklärt, sie wisse, dass diese Arbeitsverträge und Kündigungen unterzeichnet habe, aber nicht in welcher Funktion. Frau B. habe Weisungen erteilt z.B. ihr gegenüber. Ob Frau B. auch gegenüber dem Kläger Weisungen erteilt hat, vermochte die Zeugin nicht aus eigener Kenntnis zu sagen.

Die Zeugin hat bestätigt, dass die Weisungen, die sie von Frau B. erhielt, von L. aus kamen und dass in der Zeit von 1999 bis 2000 für Deutschland von L. aus durch Mr. P. Leitungs- und Organisationsaufgaben durchgeführt wurden.

Diese Angaben der Zeugen K., M.L. und Z. zur Personalverantwortung, die durch die P.C. ausgeübt wurde, werden auch von dem Zeugen S. bestätigt. Der Zeuge S. hat ausgesagt, seine schriftliche Kündigung habe er bei Herrn G. in L. eingereicht. Die Details des Ausscheidens habe er mit Herrn G. besprochen. Frau B. sei in der Funktion als Geschäftsführerin der Beklagten ihm gegenüber nicht in Erscheinung getreten.

Die Berufungskammer hat keine Veranlassung an der Glaubwürdigkeit der Zeugen K., M.L., S. und Z. und der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben zu zweifeln. Auch wenn man mit dem Kläger einen Interessenkonflikt bei der Zeugin M.L. im Hinblick auf deren berufliche Stellung unterstellen wollte, macht dies die Zeugin nicht von vornherein unglaubwürdig.

Soweit der Kläger geltend macht, dass es zu einem unerträglichen Wertungswiderspruch führe, wenn man Frau B., die als im Handelsregister eingetragene Geschäftsführerin die Beklagte nach außen uneingeschränkt vertrete und ein nicht unerhebliches ( z.B. sozialversicherungsrechtliches) Haftungsrisiko trage, dieses Risiko aufbürde, ihr andererseits aber jedwede betriebliche Leitungsmacht abspreche, vermag dem die Kammer nicht zu folgen. Der Kläger verkennt, dass es für die Frage, ob ein Betrieb der Beklagten im Inland vorliegt, allein auf die tatsächliche Ausübung von Leitungsmacht ankommt und nicht auf die formale Vertretungsbefugnis.

Auch hinsichtlich der Entscheidungsfindung in anderen wesentlichen personellen Fragen ist die Kammer aufgrund der Beweisaufnahme nicht davon überzeugt, dass insoweit im Inland eine einheitliche Leitungsmacht bestand. So hat der Zeuge Z. bekundet, im Jahr 2000 habe die Zeugin M.L. alles Organisatorische, betreffend Krankmeldung, Urlaub usw., erledigt. Die Entscheidungen in Organisationsfragen habe Herr G. getroffen. Im Falle der Erkrankung eines Mitarbeiters seien schriftliche Krankmeldungen nach L. geschickt worden mit der Reisekostenabrechnung. Im Falle längerer Krankheit, wenn eine Nachbesetzung erfolgten musste, habe es keinen deutschen Personalpool gegeben, nur einen europäischen Pool. Es habe mit Herrn G. geklärt werden müssen, wer eingesetzt wurde. Herrn G. habe über die Nachbesetzung entschieden.

Dass die Verwaltung der Personaldaten ebenso in England erfolgte wie die Abrechnung der Reisekosten und Gehälter, hat auch der Zeuge S. bestätigt. Er hat ausgeführt, Herr Z. habe Urlaubswünsche in den "Directors-meetings" in L. abgestimmt. Wenn er krank gewesen sei, habe er Herrn Z. verständigt und seine Krankmeldung nach L. geschickt. Die Daten für die Berechnung seiner Gehälter seien in L. verwaltet worden. Die Mitteilung darüber, welche Boni er erhalten habe, habe er aus L. bekommen. Auch bei Urlaubsanträgen sei im Fall terminlicher Probleme L. einzuschalten gewesen.

Die Beweisaufnahme hat auch nicht ergeben, dass Herr T.Z. Personalverantwortung trug. Wie der Zeuge Z. selbst ausgeführt hat, besaß er ausschließlich projektbezogene Befugnisse, aber keine Entscheidungskompetenzen in personellen und administrativen Fragen. So hat auch der Zeuge S. ausgesagt, er könne nicht bestätigen, dass Herr Z. Entscheidungen über Marktentwicklung oder Kunden traf. Auch aus den Angaben des Zeugen S., er habe fachliche Weisungen von Herrn Z. erhalten, ergibt sich nicht, dass dieser Arbeitgeberfunktionen in personellen Angelegenheiten ausübte. Sofern er nach Aussage des Zeugen in Einzelfällen in Personalmaßnahmen involviert war, wie z.B. die Erstellung von Beurteilungen , die Entgegennahme von kurzfristigen Krankmeldungen, trat er, wie er selbst bestätigt hat, nur als Vermittler zwischen den deutschen Mitarbeitern und der englischen Zentrale auf.

Nach allen ist die Kammer nicht davon überzeugt, dass die Beklagte in der Bundesrepublik Deutschland einen Betrieb im Sinne des § 23 Abs. 1 KSchG unterhielt. Das Kündigungsschutzgesetz ist daher vorliegend nicht anwendbar.

c) Sonstige Bedenken gegen die Wirksamkeit der Kündigung vom 18.Oktober 2000 sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist die Ausübung des Kündigungsrechts durch die Beklagte nicht treuwidrig im Sinne des § 242 BGB. Einen Anhaltspunkt dafür, dass die Beklagte ihre Organisationsfreiheit missbräuchlich ausgeübt hat, um den u.a. in Deutschland tätigen Mitarbeitern, die aber auch europaweit eingesetzt wurden, den Kündigungsschutz zu entziehen, ist nicht ersichtlich und vom Kläger auch nicht dargetan. So ist auch der Kläger selbst im Rahmen seiner Tätigkeit nach außen hin nicht für die Beklagte, sondern vielmehr für die P.C.Ltd. aufgetreten. Er hat die Briefbögen mit dieser Firmierung benutzt. Seine Visitenkarte hat die Geschäftsadresse der P.C.Ltd. gezeigt (Anlage BK 3 und BK 4). Auch sämtliche Kontakte des Klägers liefen nicht mit der Beklagten in Deutschland, sondern über die englische Muttergesellschaft. So hat Herr G. in der E-Mail vom 24. Februar 2000 und der E-Mail vom 2. Juli 2000 ( Anl. BK 5 und 5a, Bl.279 und 280 d.A.) nicht nur präzise Angaben des Klägers über die von ihm geplanten Projekte angefragt, sondern auch präzise mitgeteilt, welche Ziele realistischerweise pro Quartal durch einen Angestellten in vergleichbarer Position und mit vergleichbaren Bezügen wie der Kläger erreicht werden sollten.

Der Kläger hat sich auch selbst, wie sich aus dem Schreiben vom 14. August 2000 (Anlage B 5, Bl. 47 f. d.A.) ergibt, gegenüber Kunden auf dem Briefbogen der P.C.Ltd. L., als Vizepräsident P. Europe vorgestellt.

Der Kläger kann sich daher nicht darauf berufen, er habe auf die Anwendung des allgemeinen Kündigungsschutzes vertraut, weil er in Ansehung der Zahl der Arbeitnehmer, der Einrichtung der Heimatbüros in Deutschland durch die Beklagte und weil es sich um eine in Deutschland operierende deutsche Gesellschaft handelte, ohne Weiteres habe davon ausgehen dürfen, dass sein Arbeitsverhältnis Bestandsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz genießt.

Nach allem war das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klaganträge 1) - 3) abzuweisen.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

3. Die Kammer hat die Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Ende der Entscheidung

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