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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 15.02.2007
Aktenzeichen: 7 TaBV 9/06
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 118 Abs. 1
BetrVG § 118 Abs. 2
1. Zu den Zuordnungskriterien für die Annahme einer Einrichtung einer Religionsgemeinschaft i.S.des § 118 Abs. 2 BetrVG.

2. Zum Begriff der karitativen Einrichtung in § 118 Abs. 2 BetrVG und, der aus dem verfassungsrechtlich gebotenen Selbstverwaltungsrecht der Kirche gegenüber § 118 Abs.1 BetrVG gebotenen ausweitenden Interpretation.


Tenor:

1. Auf die Beschwerden der Beteiligten zu 1) und 4) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 10. April 2006 - 21 BV 10/05 - abgeändert:

Es wird festgestellt, dass die unter dem 08. April 2005 im Betrieb der Beteiligten zu 4) durchgeführte Betriebsratswahl unwirksam ist.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.

Die Beteiligte zu 4. ist eine gemeinnützige GmbH, die ausschließlich steuerbegünstigte Zwecke im Sinne der Abgabenordnung verfolgt.

Für ihre Einrichtungen ist sie Mitglied im D. Werk H. e.V.. Ihre Gesellschafter sind mehrere kirchliche Einrichtungen und Untergliederungen. Sie ist im Vertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche vom 29. November 2005 (Anlage ASt 9, Bl. 133 f. d. A., Schlussprotokoll zu Art. 3) als selbständige Einrichtung der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Freien und Hansestadt Hamburg aufgeführt.

Die Beteiligte zu 4. betreibt mit Geldern der Bundesagentur für Arbeit mehrere Arbeitslosenprojekte. Sie befasst sich mit der beruflichen Qualifizierung von Erwerbslosen. Gegenwärtig arbeitet sie mit rd. 600 Langzeitarbeitslosen.

Dies ist auch ihr festgelegter Zweck, der unter Ziffer 4 des Gesellschaftsvertrags wie folgt beschrieben ist:

"Zweck der Gesellschaft ist die berufliche Qualifizierung von Erwerbslosen und von Erwerbslosigkeit Bedrohter, um deren Beschäftigungsfähigkeit zu verbessern und Zugänge zu Arbeit und Ausbildung zu ermöglichen".

Die Beteiligten zu 1., 2. und 3. sind Arbeitnehmer der Beteiligten zu 4.

Am 8. April 2005 wählten die bei der Beteiligten zu 4. beschäftigten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen einen Betriebsrat, den Beteiligten zu 5. Der Wahlvorstand gab am 14. April 2005 das Ergebnis bekannt.

Die Beteiligten zu 1., 2. und 3. haben, ebenso wie ihre Arbeitgeberin, die Auffassung vertreten, dass die Beteiligte zu 4. eine Einrichtung nach § 118 Abs. 2 BetrVG sei. Deswegen finde das Mitarbeitervertretungsgesetz (MVG) der evangelischen Kirche Anwendung. Die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen der Beteiligten zu 4. hätten daher keinen Betriebsrat wählen dürfen.

Mit ihrem Antrag vom 25. April 2005 haben die Beteiligten zu 1., 2. und 3. geltend gemacht, dass die Betriebsratswahl vom 8. April 2005 für unwirksam zu erklären sei. Die Beteiligte zu 4. hat sich dem Antrag angeschlossen.

Die Beteiligten zu 1. bis 4. haben insbesondere gemeint, die Beteiligte zu 4. sei auch karitativ im Sinne des § 118 Abs. 2 BetrVG. Der Begriff der karitativen Einrichtung in § 118 Abs. 2 BetrVG sei nach dem Selbstverständnis der Kirche von dieser zu bestimmen. Dies folge aus dem den Kirchen durch Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 Weimarer Reichsverfassung (WRV) garantierten Selbstverwaltungsrecht. Dies umfasse auch die Befugnis der Kirche, selbst darüber zu entscheiden, durch welche Mittel und Einrichtungen sie ihren Auftrag in der Welt wahrnehmen will. Die Beurteilung, ob eine Betätigung karitativ ist, obliege daher allein der Kirche. Eine Vorgabe des Staates, welche kirchliche Betätigung karitativ sei, wäre ein unzulässiger Eingriff in das verfassungsrechtlich garantierte Selbstverwaltungsrecht der Kirche.

Es sei daher irrelevant, dass sich die Arbeit der Gesellschaft äußerlich nicht von Arbeitslosenprojekten anderer Träger unterscheide. Maßgebend sei, dass nach dem Selbstverständnis der evangelischen Kirche die Ausübung der Religion nicht nur die Bereiche des Glaubens und des Gottesdienstes umfasse, sondern auch die Freiheit zur Entfaltung und zur Wirksamkeit in der Welt, wie es der religiösen Aufgabe der Kirche entspreche. Hierzu würden auch die praktischen Hilfsangebote der Gesellschaft für Langzeitarbeitslose zählen.

Für ein solches Selbstverständnis der Evangelischen Kirche und des D. Werk spreche das Leitbild der Diakonie (Anlage B 6 der Beteiligten zu 4, Bl. 42 d. A.). Danach begleitet und berät die Diakonie Menschen in allen Lebenslagen; sie pflegt und heilt, tröstet, stärkt und fördert sie und bildet sie aus.

Weiter heißt es dort u.a.:

" Wir verstehen helfende Beziehungen umfassend als Für-, Vor- und Nachsorge. Dabei geht es uns sowohl um den Menschen in seiner persönlichen Situation als auch in seinen sozialen Verhältnissen. Deshalb ist die Integration Ausgegrenzter, Armer und Schwacher in der Gesellschaft - insbesondere die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit - Anliegen vielfältiger diakonischer Initiativen. Die Teilnahme aller am Leben in der Gemeinschaft ist unser Ziel".

Die Beteiligten zu 1. bis 4. haben geltend gemacht, die Gesellschaft (Beteiligte zu 4.) habe sich dafür entschieden, ihre Einrichtungen nach christlichen Grundsätzen zu betreiben.

Die Gesellschaft leiste intensive Unterstützung bei der Bewältigung von Problemen, die sich aus der persönlichen Biographie, Alter, Geschlecht, Nationalität, langfristiger Arbeitslosigkeit und/oder Behinderung ergeben. Da sich die Gesellschaft im vorliegenden Fall leitbildorientiert an bedürftige Menschen richte und keine Gewinnerzielungsabsicht verfolge, sei ihre Arbeit karitativ. Zudem müsse beachtet werden, das die Kirche schon immer und damit traditionell derartige Aufgaben wahrnehme.

Das Nordelbische Kirchenamt bestätigte in einer Bescheinigung vom 7. März 2006, dass die Gesellschaft nach dem Selbstverständnis der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche eine karitative Einrichtung ist.

Die Beteiligten zu 1. bis 4. haben beantragt,

die unter dem 8. April 2005 im Betrieb der Beteiligten zu 4. durchgeführte Betriebsratswahl für unwirksam zu erklären.

Der Beteiligte zu 5. hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, die Gesellschaft sei nicht karitativ im Sinne des § 118 Abs. 2 BetrVG. Die Möglichkeit kirchlicher Einflussnahme reiche nicht aus. Erforderlich sei zusätzlich die Bindung an einen kirchlichen Auftrag. Im Übrigen teile er, der Beteiligte zu 5., die Rechtsauffassung, dass die Kirche selbst bestimmen könne, was karitativ sei. Das Gericht habe jedoch festzustellen, ob die betreffende Einrichtung die eigenen Vorgaben der Kirche für Caritas erfülle.

Bei Anwendung dieses Maßstabes könne vorliegend nicht von einer karitativen Einrichtung gesprochen werden. Die Aufgabe, die die Beteiligte zu 4. wahrnehme, sei nicht von vornherein kirchenspezifisch. Es sei vielmehr denkbar, dass auch nicht kirchliche Einrichtungen Arbeitslosenprojekte betreiben würden. So geschehe es hier auch. Die Beteiligte zu 4. würde des Weiteren nur von der öffentlichen Hand gefördert. Im Vordergrund stünden zweckgebundene öffentliche Mittel. Die alltägliche Arbeit gebiete keinen Anlass für die Annahme, dass es sich um eine kirchliche Einrichtung handele. Die Betreuung werde nicht vom kirchlichen Verständnis geprägt. Die eigene Bezugnahme auf das Leitbild Diakonie spiegele lediglich das Motiv der Evangelischen Kirchen für die Betreibung der Einrichtung wieder.

Mit Beschluss vom 10. April 2006 - 21 BV 10/05 - hat das Arbeitsgericht Hamburg den Antrag zurückgewiesen.

Wegen der Begründung wird auf die Gründe des erstinstanzlichen Beschlusses unter II. (Bl. 7-20, Bl. 173-186 d. A.) verwiesen.

Der Beteiligte zu 1. hat gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 11. Mai 2006 zugestellten Beschluss am 8. Juni 2006 Beschwerde eingelegt und seine Beschwerde am 31. August 2006 begründet, nachdem ihm durch Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 10. Juli 2006 die Beschwerdebegründungsfrist antragsgemäß verlängert worden ist.

Die Beteiligte zu 3. hat gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 11. Mai 2006 zugestellten Beschluss am 9. Juni 2006 Beschwerde eingelegt und mit Schriftsatz vom 13. Juli 2006 ihre Beschwerde zurückgenommen.

Die Beteiligte zu 4. hat gegen den ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 12. Mai 2006 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts am 9. Juni 2006 Beschwerde eingelegt und ihre Beschwerde am 9. Juli 2006 begründet.

Der Beteiligte zu 1. trägt zur Begründung seiner Beschwerde vor: Das Arbeitsgericht prüfe die Einordnung der Beteiligten zu 4. als Einrichtung einer Religionsgemeinschaft im Sinne von § 118 Abs. 2 BetrVG an Zuordnungskriterien, die derart eng bemessen seien, dass der verfassungsrechtliche Schutz nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Weimarer Reichsverfassung unterlaufen werde. Zu Unrecht schränke das Arbeitsgericht den Prüfungsmaßstab für den Status "Einrichtung einer Religionsgemeinschaft im Sinne des § 118 Abs. 2 BetrVG ein, indem es von der Einrichtung "eine tatsächliche Prägung im Sinne einer Einrichtung einer Religionsgemeinschaft verlange". Nach der Rechtsprechung genüge es, dass die Religionsgemeinschaft nach ihrem Selbstverständnis die Einrichtung als die ihre begreife. Zusätzlich komme es darauf an, ob die Kirche einen ordnenden und verwaltenden Einfluss auf die Einrichtung habe. Entscheidend sei das "Ob" des Einflusses, nicht das "Wie". Jedenfalls sei nach diesen Kriterien bei einer kirchlichen Eigentümerschaft von einer Einrichtung einer Religionsgemeinschaft auszugehen.

Bei der Beurteilung der karitativen Betätigung entferne sich das Arbeitsgericht von der herrschenden Meinung, insbesondere der Rechtsprechung des BAG und entwickele eine singuläre Rechtsprechung. Die Auffassung, die in § 118 Abs. 2 BetrVG normierte Bereichsausnahme, müsse eng ausgelegt werden, sei mit dem besonderen Verfassungsschutz für die in Abs. 1 und 2 des § 118 BetrVG genannten Zweckbestimmungen nicht vereinbar. Entscheidend sei in § 118 Abs. 2 BetrVG die Verwirklichung des kirchlichen Sendungsauftrages, weshalb der Begriff "karitativ" in Abs. 2 weiter zu verstehen sei als in Abs. 1. Dem Arbeitsgericht sei zuzubilligen, dass den Gerichten die Prüfungskompetenz verbleibe, festzustellen, ob die jeweilige Einrichtung die Vorgabe "karitativ" bei ihrer Tätigkeit erfülle. Dafür spreche aber bereits, dass, wie vorliegend, die Einrichtung bedürftigen Menschen diene und keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt werde. Es handele um tätige Nächstenliebe und damit Ausführung des Sendungsauftrag der christlichen Kirche.

Wegen des weiteren Vortrages des Beteiligten zu 1. im Beschwerdeverfahren wird auf seine Beschwerdebegründung vom 31. August 2006 (Bl. 277 f. d. A.) und seinen Schriftsatz vom 19. Dezember 2006 (Bl. 315 f. d. A.) verwiesen.

Die Beteiligte zu 4. trägt zur Begründung ihrer Beschwerde vor:

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei ihr Betrieb eine nach § 118 Abs. 2 BetrVG vom Anwendungsbereich des BetrVG ausgenommene Einrichtung einer Religionsgemeinschaft. Mit ihrer Mitgliedschaft im D. Werk bekunde sie ihren Bindungswillen an die Kirche. Darüber hinaus verpflichte sie sich in ihrer Satzung, sich in der praktischen Ausübung christlicher Nächstenliebe im Sinne der Diakonie als Wesens- und Lebensäußerung der evangelischen Kirche zu betätigen. Ein maßgeblicher und prägender Einfluss der Kirche auf die Beteiligte zu 4. sei zum einen durch die Mitgliedschaft im D. Werk H. e.V.. und zum anderen durch die Gesellschafter der Beteiligten zu 4., die ausnahmslos ihrerseits Mitglied im D. Werk H. e.V.. oder aber selbst verfasste Kirche seien, gewährleistet. Auch nach dem Staatskirchenvertrag zwischen der FHH und der Nordelbisch-Evangelisch-Lutherischen Kirche vom 29. November 2005 erstrecke sich dieser Vertrag auf die als selbständiges Werk der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche genannten Beteiligten zu 4.

Die Beteiligte zu 4. sei auch eine karitative Einrichtung einer Religionsgemeinschaft. Der Begriff "karitative Einrichtung" in § 118 Abs. 2 BetrVG sei nach dem Selbstverständnis der Religionsgemeinschaft zu bestimmen. Dies folge aus dem verfassungsrechtlich garantierten Selbstverwaltungsrecht.

Die Prüfungskompetenz der Gerichte erstrecke sich lediglich darauf festzustellen, welchen Inhalt die Religionsgemeinschaft nach ihrem Selbstverständnis dem Begriff "karitativ" im Sinne von § 118 Abs. 2 BetrVG gebe und ob die jeweilige Einrichtung diese Vorgaben bei ihrer Tätigkeit erfülle. Es sei unerheblich, wenn die Beteiligte zu 4. überwiegend mit öffentlichen Mitteln Langzeitarbeitslose betreue. Entscheidend sei, ob die Beteiligte zu 4. ihrem Zweck nach auf die Verwirklichung eines kirchlichen Auftrages gerichtet sei. Dies sei der Fall. Es gehöre zum verfassungsrechtlich festgelegten Selbstverwaltungsrecht zu entscheiden, in welchem Maß und in welcher Intensität die Beteiligte zu 4. den evangelisch-christlichen Charakter ihrer Einrichtungen nach außen in Erscheinung treten lasse.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrages der Beteiligten zu 4. im Beschwerdeverfahren wird auf ihre Beschwerdebegründung vom 10. Juli 2006 (Bl. 249 f. d. A.) Bezug genommen.

Der Beteiligte zu 1. beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 10. April 2006 aufzuheben und die unter dem 8. April 2005 im Betrieb der Beteiligten zu 4. durchgeführte Betriebsratswahl für unwirksam zu erklären.

Die Beteiligte zu 4. beantragt,

unter Aufhebung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Hamburg vom 10. April 2006 - Gz.: 21 BV 10/05 - festzustellen, dass die unter dem 8. April 2005 im Betrieb der Beteiligten zu 4. durchgeführte Betriebsratswahl unwirksam ist.

Der Beteiligte zu 5. beantragt,

die Beschwerden der Beteiligten zu 1. und 4. zurückzuweisen.

Er verteidigt den Beschluss des Arbeitsgerichts unter Bezugnahme auf seinen erstinstanzlichen Vortrag. Das Arbeitsgericht habe zu Recht aufgezeigt, dass die Beteiligte zu 4. nur eine Beteiligte unter vielen anderen in dem Sektor der sozialen Arbeit sei. Die Beteiligte zu 4. beschreibe diesen Umstand zutreffend damit, dass sie im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips stellvertretend für die öffentliche Hand handele. Gerade deshalb stelle sich die Frage, warum sie einen anderen Status als andere Unternehmen in diesem Sektor einnehmen wolle. Die Beteiligte zu 4. habe, trotz Auflagen des Arbeitsgerichts, bisher nichts vorgetragen zu der Umsetzung konkreter christlicher Ideen und Vorstellungen. Die Motive und das grundsätzliche Bekenntnis der Gesellschafter der Beteiligten zu 4. zur evangelischen Kirche könnten allein eine karitative Bestimmung der Einrichtung nicht stützen. Bei den von dem Beteiligten zu 1. aufgezählten einzelnen Projekten der Beteiligten zu 4. bestehe allenfalls ein sehr loser Zusammenhang mit kirchlichen Einrichtungen oder Aktivitäten. Ein direkter Bezug der Arbeit zu religiösen Inhalten bestehe in keiner Weise.

Soweit der Beteiligte zu 1. dem Arbeitsgericht vorwerfe, die Einrichtung der Beteiligten zu 4. als Einrichtung einer Religionsgemeinschaft an zu engen Zuordnungskriterien geprüft zu haben, wolle der Beteiligte zu 1. offenbar die kirchlich begründete Dienstgemeinschaft als maßgebliches Kriterium heranziehen. Aus Sicht des Beteiligten zu 5. sei entscheidend, dass sich in der alltäglichen Arbeit ein Bezug zur Religion oder zur evangelischen Kirche widerspiegelt. Zumindest der größere Teil der Beschäftigten, die früher bei der G. GmbH waren, seien nicht über das kirchliche Selbstverständnis unterrichtet worden bzw. erkenne dies für die eigene Arbeit nicht an. Das Arbeitsgericht lasse auch zu Recht die formale Zuordnung, dass die Einrichtung im Eigentum der Kirche stehe, nicht ausreichen und verlange zutreffend eine inhaltliche Widerspiegelung der Eigentümerverhältnisse auf die Tätigkeit der Einrichtung. Dazu trage die Beteiligte zu 1. nichts vor.

Die Auffassung des Beteiligten zu 1. bei der Auslegung von § 118 Abs. 2, seien nur Unternehmen auszuklammern, bei denen rein wirtschaftliche Ziele verfolgt würden, sehe der Beteiligte zu 5. anders. Der Hinweis auf den besonderen grundgesetzlichen Schutz der Kirchen helfe nicht weiter. Die Tätigkeit der Beteiligten zu 4. sei nicht als karitativ anzusehen. Die Beteiligte zu 4. sei nur Dienstleister des von ihr betreuten Personenkreises. Auch einem anderen Träger könnten entsprechende Maßnahmen zugewiesen werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags des Beteiligten zu 5. im Beschwerdeverfahren wird auf seine Beschwerdeerwiderung vom 31. Oktober 2006 (Bl. 300 f. d. A.) verwiesen.

Ergänzend wird auf den gesamten Akteninhalt nebst Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

II.

1. Die Beschwerden des Beteiligten zu 1. und der Beteiligten zu 4. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 10. April 2006 - 21 BV 10/05 - sind statthaft. Sie sind außerdem form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig.

2. Die Beschwerden des Beteiligten zu 1. und der Beteiligten zu 4. sind auch begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Unrecht den Antrag zurückgewiesen. Der Anträge der Beteiligten zu 1. und 4. sind zulässig (a) und begründet (b).

a) In prozessualer Hinsicht bestehen keine Bedenken.

Es handelt sich vorliegend um eine Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz im Sinne von § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, in der nach § 2 a Abs. 2 ArbGG das Beschlussverfahren stattfindet.

Die Antragsbefugnis der Arbeitgeberin (Beteiligte zu 4.) und des Beteiligten zu 1. und die Beteiligungsbefugnis des Antragsgegners als Betriebsrat (Beteiligter zu 5.) sind zweifelsfrei gegeben.

Es ist unschädlich, dass die Beteiligte zu 4. nicht innerhalb der Zweiwochenfrist des § 19 Abs. 2 S. 2 BetrVG die Wahl angefochten hat und dass das Wahlanfechtungsverfahren in der Beschwerdeinstanz nur noch von einem wahlberechtigten Arbeitnehmer, dem Beteiligten zu 1. betrieben wird. Denn in dem von der Beteiligten zu 4. betriebenen Betrieb ist kein Betriebsrat zu wählen. Der Betrieb der Beteiligten zu 4. fällt nicht unter den Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes. Es handelt sich dabei um eine nach § 118 Abs. 2 BetrVG vom Anwendungsbereich des BetrVG ausgenommene karitative Einrichtung einer Religionsgemeinschaft. Die Betriebsratswahl vom 8. April 2005 ist deshalb nichtig (vgl. BAG, Beschluss vom 9.2.1982 - 1 ABR 36/80 - EzA § 118 BetrVG 1972 Nr. 33 m.w.N.). Die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl kann von jedermann, zu jeder Zeit und in jeder Form geltend gemacht werden (vgl. nur: Fitting u.a., BetrVG, 23. Aufl. § 19 Rn. 7).

b) Die Anträge der Beteiligten zu 1. und 4. sind auch begründet.

Die Betriebsratwahl vom 8. April 2005 ist nichtig. Der Betrieb der Beteiligten zu 4. fällt nicht unter den Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes.

Im Einzelnen gilt Folgendes:

aa) Gemäß § 1 BetrVG werden in Betrieben mit in der Regel mindestens fünf ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern Betriebsräte gewählt. Für Religionsgemeinschaften gilt dies jedoch nicht. Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) enthält für Kirchen eine Bereichsausnahme. Diese Bereichsausnahme gilt aber nicht nur für Kirchen, sondern ebenfalls für ihre ausgegliederten Teile, die in einer weltlichen Organisationsform geführt werden, wenn die Erfüllung ihrer Aufgaben Wesens- und Lebensäußerung der Kirche selbst ist und es sich um erzieherische oder karitative Einrichtungen handelt (BAG, Beschluss vom 9.2.1982, AP Nr. 24 zu § 118 BetrVG 1972).

Nach § 118 Abs. 2 BetrVG findet das Betriebsverfassungsgesetz keine Anwendung auf Religionsgemeinschaften und deren karitative und erzieherische Einrichtungen. Das beruht auf dem den Religionsgemeinschaften durch Art. 140 GG i. V. m. § 137 Abs. 3 Weimarer Reichsverfassung (WRV) gewährleisteten Recht, ihre Angelegenheiten innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze zu ordnen und zu verwalten (BVerfG, Beschluss vom 11.10.1977 - 2 BvR 209/78 - BVerfGE 46, 73, 95 = EzA § 118 BetrVG 1972 Nr. 15 mit Anm. von Rüthers). Der Gesetzgeber hat mit dieser Vorschrift dem den Religionsgemeinschaften verfassungsgemäß garantierten Freiheitsraum Rechnung getragen, der sie berechtigt, ihre Angelegenheiten selbst zu ordnen und zu verwalten. Zu diesen Angelegenheiten gehört nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts auch das Recht, Vertretungsorgane entsprechend dem Charakter der Religionsgemeinschaft für die bei ihr tätigen Arbeitnehmer einzurichten und zu gestalten (BVerfG vom 11.10.1977, a. a. O.; vgl. auch BAG vom 6.12.1977 - 1 ABR 28/77 - AP BetrVG 1972 § 118 Nr. 10, zu III. 2 der Gründe). Das Betriebsverfassungsgesetz nimmt daher mit der Regelung in § 118 Abs. 2 BetrVG nach der ausdrücklich geäußerten Ansicht des Bundesverfassungsgerichts auf das verfassungsrechtliche Gebot aus Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV Rücksicht.

Damit ist zugleich gesagt, dass die Ausklammerung der Religionsgemeinschaften und ihrer karitativen und erzieherischen Einrichtungen aus dem Geltungsbereich des BVerfG nicht gegen Verfassungsgrundsätze und auch nicht gegen das Sozialstaatsprinzip verstößt. An diese Rechtsauffassung des BVerfG sind die Gerichte gemäß Art. 31 Abs. 1 BVerfGG gebunden (BAG vom 6.12.1977 - 1 ABR 28/77 - a. a. O., zu III. 2. der Gründe).

bb) Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen bezieht sich nicht nur auf die organisierte Kirche und ihre rechtlich selbständigen Teile. Vielmehr sind alle der Kirche in bestimmter Weise zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform Objekte, bei deren Ordnung und Verwaltung die Kirche grundsätzlich frei ist, wenn die Einrichtung nach kirchlichem Selbstverständnis ihren Zweck oder ihren Aufgaben entsprechend berufen ist, ein Stück Auftrag der Kirche in dieser Welt wahrzunehmen und zu erfüllen (BVerfG vom 11.10.1977 - 2 BVR 209/76 - a. a. O., zu B II. 2. a der Gründe; BAG vom 24.7.1991 - 7 ABR 34/90 = AP BetrVG 1972 § 118 Nr. 48, zu B II. 2 der Gründe; BAG vom 23.10.2002 - 7 ABR 59/01 - EzA § 118 BetrVG 2001 Nr. 1).

Die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit der Kirche im Staat schließt es ein, dass sich die Kirche zur Erfüllung ihres Auftrages auch der Organisationsformen des staatlichen Rechts bedienen kann, ohne dass dadurch die Zugehörigkeit der auf dieser Rechtsgrundlage begründeten Einrichtungen zur Kirche aufgehoben würde (BAG vom 24.7.1991 - 7 ABR 34/90 - a. a. O., m. w. N.).

(1) Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts handelt es sich bei der Beteiligten zu 4. um eine Einrichtung einer Religionsgemeinschaft im Sinne von § 118 Abs. 2 BetrVG, nämlich um eine Einrichtung der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche.

Nach den oben dargestellten Grundsätzen ist es insoweit unschädlich, dass die Beteiligte zu 4. als gemeinnützige GmbH organisiert ist, da es der Kirche frei steht, sich zur Erfüllung ihres religiösen Auftrages privatrechtlicher Handlungsformen zu bedienen.

Die Beteiligte zu 4. ist ihrem Zweck nach auf die Verwirklichung eines christlichen Auftrages ausgerichtet. Nach dem Selbstverständnis der evangelischen und katholischen Kirche beschränkt sich die Religionsausübung nicht auf den Bereich des Glaubens und des Gottesdienstes, sondern umfasst insbesondere auch das karitative Wirken (BVerfG vom 25. März 19980 - 2 BVR 208/76 - AP GG Art. 140 Nr. 6, zu C 1 2 b der Gründe). Diesem Auftrag entspricht der in § 3 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages (Bl. 25 d.A.) geregelte Zweck, dass die Beteiligte zu 4. bei der Gewährung ganzheitlicher Hilfe ohne Rücksicht auf deren Ethnien, Nationalität, Geschlecht und Glauben sich in der praktischen Ausübung christlicher Nächstenliebe im Sinne der Diakonie als Wesens- und Lebensäußerung der evangelischen Kirche betätigt und dieses auch als Ausdruck eines humanistischen Menschenbildes zu verstehen ist. Ferner ergibt sich dies aus der Mitgliedschaft der Beteiligten zu 4. im D. Werk H. e.V.. Mit dieser Mitgliedschaft bekundet sie ihren Bindungswillen an die Kirche. So heißt es in der Satzung des D. Werk H. - L.e.V. in der Fassung der Änderung vom 3. November 2004 in der Präambel:

"Die Kirche hat den Auftrag, Gottesliebe zur Welt in Jesus Christus allen Menschen zu bezeugen. Diakonie ist eine Gestalt dieses Zeugnisses und nimmt sich besonders der Menschen in leiblicher Not, in seelischer Bedrängnis und in sozial ungerechten Verhältnissen an. Sie sucht auch die Ursachen dieser Nöte zu beheben. Sie richtet sich in ökumenischer Weite an einzelne Gruppen, an Nahe und Ferne, an Christen/Christinnen und Nichtchristen/Nichtchristinnen. Da die Entfremdung von Gott die tiefste Not des Menschen ist und sein Heil und Wohl untrennbar zusammengehören, vollzieht sich Diakonie in Wort und Tat als ganzheitlicher Dienst am Menschen.

Das D. Werk weiß sich diesem Auftrag Jesu Christi verpflichtet."

Gemäß § 7 der Satzung des D. Werk H. e.V. haben die Mitglieder die Diakonie und ihre Aufgaben zu fördern und den diakonischen Gedanken zu stärken. Diese sind auf die Verwirklichung des sich aus der Präambel der Satzung des D. Werk ergebenden karitativen Auftrags gerichtet. Danach versteht sich die Diakonie als Lebens- und Wesensäußerung der christlichen Kirche. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Satzung der Beteiligten zu 4., in der neben praktischen Ausübung christlicher Nächstenliebe auch gemeinnützige Zwecke im Sinne der Abgabenordnung (§ 4) genannt werden. Dies hat ersichtlich lediglich steuerliche Bedeutung.

Bei der Zuordnung einer rechtlich selbständigen Einrichtung der Kirche ist allerdings nicht ausreichend, dass die Einrichtung ihrem Zweck nach auf die Verwirklichung eines kirchlichen Auftrages gerichtet ist. Hinzu kommen muss ein Mindestmaß an Einflussmöglichkeiten der Kirche, um auf Dauer eine Übereinstimmung der religiösen Betätigung der Einrichtung mit kirchlichen Vorstellungen gewährleisten zu können. Dabei bedarf der ordnende Einfluss der Kirche zwar keiner satzungsmäßigen Absicherung. Die Kirche muss aber in der Lage sein, einen etwaigen Dissens in religiösen Angelegenheiten zwischen ihr und der Einrichtung zu unterbinden (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BAG vom 30.4.1997 - 7 ABR 60/95 - = EzA § 118 BetrVG 1972 Nr. 66, zu B 2 der Gründe m. w. N.; BAG vom 23.10.2002 - 7 ABR 59/01 - a. a. O.).

Diese Voraussetzungen liegen bei der Beteiligten zu 4. vor. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts verfügt die Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche über das erforderliche Mindestmaß an Einflussmöglichkeiten auf die Beteiligte zu 4., um die Übereinstimmung der Betätigung der Arbeitgeberin mit den Vorstellungen der Kirche gewährleisten zu können.

Ein maßgeblicher und prägender Einfluss der Kirche auf die Beteiligte zu 4. ist zum einen durch die Mitgliedschaft im D. Werk H. e.V.. (vgl. dazu BAG, Beschluss vom 30.4.1997 - 7 ABR 60/95 - EzA § 118 BetrVG 1972 Nr.66; Beschluss vom 31. Juli 2002 - 7 ABR 12/01 - EzA § 118 BetrVG 1972 Nr. 74) gewährleistet. Das D. Werk H. e.V. ist Teil der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD). Die Beteiligte zu 4. ist als Mitglied im D. Werk H. e.V. somit ihrerseits Teil der EKD. Die Satzung des D. Werk H. e.V. sichert der Amtskirche ein ausreichendes Maß an inhaltlicher und personeller Einflussnahme auf das D. Werk. Nach dieser Satzung ist das D. Werk nämlich an die Grundentscheidungen der Kirche gebunden. In § 6 Abs. 3 der Satzung ist geregelt, dass Voraussetzung der Mitgliedschaft ist, dass sich die Mitglieder dem diakonischen missionarischen Auftrag des Evangeliums verpflichtet wissen, sich zur Mitarbeit im Sinne der Satzung bereit erklären und die Bedingungen für die Anerkennung als gemeinnützig, mildtätig und/oder kirchlich gemäß den steuerrechtlichen Vorschriften erfüllen. Auch in § 10 "der Vorstand" findet sich ein bestimmender Einfluss der Amtskirche, da der Vorsitzende des hauptamtlichen Vorstandes (Landespastor/Landespastorin) von der Kirchenleitung der NEK (Nordelbische Kirche) auf Vorschlag des Diakonischen Rates des N.D. Werk e.V. im Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat des Landesverbandes berufen wird. Auch bei der Wahl des Aufsichtsrats wird ein Mitglied der Kirchenleitung der NEK in diesen entsandt.

Die Beteiligte zu 4. ist als Mitglied des D. Werk nicht nur, wie ausgeführt, verpflichtet, die satzungsmäßigen Zwecke, Aufgaben und Ziele des D. Werk zu fördern und damit an die Grundentscheidungen der Kirche gebunden, sondern auch verpflichtet (§ 7 Abs. 2 b der Satzung des D. Werk), den von der Diakonischen Konferenz des N.D. Werk e.V. beschlossenen Richtlinien und Grundsätzen Rechnung zu tragen sowie die Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen im Rahmen des Mitarbeitervertretungsgesetzes der EKD (MVG-EKD) oder einer entsprechenden Regelung der Freikirchen an den Rechten und Pflichten zu beteiligen (§ 7 Abs. 2 c).

Der über die Mitgliedschaft der Beteiligten zu 4. im D. Werk H. e.V. gewährleistete maßgebliche Einfluss der Amtskirche zeigt sich ferner darin, dass nach § 8 Abs. 3 der Satzung des D. Werk Mitglieder, die ihre Pflichten nicht erfüllen oder den Aufgaben und der diakonischen Verantwortung zuwiderhandeln, auf Antrag des Aufsichtsrates durch die Mitgliederversammlung aus dem D. Werk ausgeschlossen werden können.

Zum anderen ist ein maßgeblicher und prägender Einfluss der NEK auf die Beteiligte zu 4. durch ihre Gesellschafter, die ausnahmslos ihrerseits Mitglied im D. Werk H. e.V.. oder aber selbst verfasste Kirche sind, gewährleistet (vgl. Anlage 1 der Beteiligten zu 4.).

Dass es sich bei der Beteiligten zu 4. nach Auffassung der NEK um eine Einrichtung ihrer Kirche handelt, ergibt sich aus dem Staatskirchenvertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche vom 29. November 2005 (vgl. Anlage 9 der Beteiligten zu 4. zum Schriftsatz vom 27. Februar 2006). Dort ist in Art. 1 anerkannt, dass die Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche (NEK) ihre Angelegenheiten selbständig ordnet und verwaltet. Nach Art. 3 erstreckt sich dieser Vertrag auch auf die rechtlich selbständigen Dienste, Werke und Einrichtungen der NEK. Als selbständige Dienste, Werke und Einrichtungen sind im Schlussprotokoll sämtliche zur Zeit in der Freien und Hansestadt bestehenden Dienste, Werke und Einrichtungen genannt; darunter als selbständiges Werk der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche auch die Beteiligte zu 4. Weiter aufgeführt sind auch drei Gesellschafter der Beteiligten zu 4.: Das D. Werk H. e.V., die Stiftung R. und die Evangelische Stiftung der B..

Das tatsächliche Maß der Einflussnahme oder Kontrolle durch die Amtskirche ist dagegen ohne Bedeutung für die Bewertung des Betriebes der Beteiligten zu 4. als Einrichtung einer Religionsgemeinschaft im Sinne des § 118 Abs. 2 BetrVG. Es gehört nämlich zu den Wesensmerkmalen der verfassungsrechtlich gewährleisteten Kirchenautonomie, Anlass und Intensität ihrer Kontrolle und Einflussnahme auf ihre Einrichtungen in eigener Verantwortung zu bestimmen. Die Amtskirche muss nur sicherstellen können, dass die religiöse Betätigung der Einrichtung in Übereinstimmung mit ihren eigenen religiösen Vorstellungen erfolgt.

Für das Ausmaß der kirchlichen Einflussmöglichkeiten ist es auch unerheblich, ob die Beteiligte zu 4. bei ihren Mitarbeitern die Geltung der Arbeitsvertragsrichtlinien des D. Werk der EKD, das in der NEK gültige Tarifvertragsrecht oder ein Arbeitsvertragsrecht wesentlich gleichen Inhalts anwendet, wie dies die Satzung unter § 7 Abs. 4 als Sollvorschrift regelt. Denn schon nach der Satzung der zitierten Vorschrift ist diese Verpflichtung nicht zwingend.

Wie das BAG in seinem Beschluss vom 30. April 1997 ( - 7 ABR 60/95 - a. a. O.), der ein von einem rechtlich selbständigen Mitglied des D. Werk der evangelischen Kirche von W. geführtes Jungenddorf betraf, zutreffend ausführt, unterliegt die Frage, in welchem Maße und in welcher Intensität der Arbeitgeber den evangelisch-christlichen Charakter nach außen in Erscheinung treten lässt, als Ausfluss des verfassungsrechtlich gewährleisteten kirchlichen Selbstbestimmungsrechts seiner Entscheidung.

Es kommt daher auch nicht darauf an, ob die Beteiligte zu 4. von ihren Beschäftigten die Einhaltung der kirchlichen Lebensordnung verlangt. § 118 Abs. 2 BetrVG schützt seinem Zweck nach nicht das Bestehen einer christlich motivierten Lebensgemeinschaft. Vielmehr steht es der Kirche aufgrund ihres verfassungsrechtlich garantierten Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsrechts frei, in eigener Verantwortung zu entscheiden, inwiefern sie von den Beschäftigten die Einhaltung der kirchlichen Lebensordnung verlangt (BAG vom 30.4.1997 a. a. O.).

Die vom Arbeitsgericht vertretene und in den Gründen des angefochtenen Beschlusses (S. 9 - 13) sorgfältig begründete Auffassung, die Beteiligte zu 4. sei keine Einrichtung einer Religionsgemeinschaft im Sinne von § 118 Abs. 2 BetrVG, weil sie die religiöse Prägung ihrer Einrichtung nicht dargelegt habe und nicht festgestellt werden konnte, dass die Gesellschaft bei ihrer Arbeit mit den Arbeitslosen etwas spezifisch Religiöses an den Tag legen würde, vermag die Beschwerdekammer unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen nicht zu teilen. Wie der Beteiligte zu 1. in seiner Beschwerdebegründung zutreffend ausführt, sind die vom Arbeitsgericht aufgestellten Zuordnungskriterien derart eng bemessen, dass der verfassungsrechtliche Schutz nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV unterlaufen wird.

Ausgangspunkt des kirchlichen Arbeitsrechts ist die Wahrung des kirchlichen Propriums, das seinen unmittelbaren Ausdruck im Gedanken der kirchlichen Dienstgemeinschaft gefunden hat. So heißt es in der Präambel zum MVG-EKD, das hier maßgeblich ist:

"Kirchlicher Dienst ist durch den Auftrag bestimmt, das Evangelium in Wort und Tat zu verkündigen. Alle Frauen und Männer, die beruflich in Kirche und Diakonie tätig sind, wirken als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Erfüllung dieses Auftrages mit. Die gemeinsame Verantwortung für den Dienst der Kirche und ihrer Diakonie verbindet Dienststellenleitungen und Mitarbeiter wie Mitarbeiterinnen zu einer Dienstgemeinschaft."

Dies hat seinen Grund in theologischen Erwägungen. Die Rechtsprechung und das auch ganz herrschende Schrifttum akzeptieren dieses Verständnis kirchlicher Dienstgemeinschaft. Diesem Verständnis laufen die Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss des Arbeitsgerichts zuwider. Zu Unrecht schränkt das Arbeitsgericht den Prüfungsmaßstab für den Status einer "Einrichtung einer Religionsgemeinschaft im Sinne von § 118 Abs. 2 BetrVG" gegenüber der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts weiter ein, indem es von der Einrichtung "eine tatsächliche Prägung im Sinne der Religionsgemeinschaft" verlangt, die sich "im Geist des Hauses, in der Rücksicht auf die religiös sittlichen Verpflichtungen und Bedürfnisse, im Angebot sakramentaler Hilfe oder aber im Organisatorischen" niederschlagen müsse. Das kirchliche Selbstverständnis könne nur "ein Indiz" sein (S. 10 des Beschlusses), womit die Inanspruchnahme des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts von äußeren Formen abhängig gemacht wird.

Damit verliert sich, wie der Beteiligte zu 1. in seiner Beschwerdebegründung zutreffend ausführt, das Arbeitsgericht letztendlich in formelhaften Wendungen, die die Entscheidung nicht tragen können (S. 12, letzter Abs.: "etwas spezifisch Religiöses..., ein geistliches Profil ..., etwas speziell Christliches ...."). Indem das Arbeitsgericht auf S. 13 oben "Besonderheiten etwa im Sinne einer christlichen Dienstgemeinschaft" verlangt wird deutlich, dass das Arbeitsgericht den Begriff der Dienstgemeinschaft als Ausdruck des kirchlichen Propriums verkennt. Denn die gemeinsame Verantwortung für den Dienst der Kirche und ihrer Diakonie verbindet Dienststellenleitung und Mitarbeiter zu einer Dienstgemeinschaft, nicht die Zusammenkunft und Tätigkeit unter bestimmten äußeren Vorzeichen mit "spezifisch religiösem Gepräge".

Nach allem ist der von der Rechtsprechung geforderte maßgebliche Einfluss der Amtskirche gewährleistet, der den Ausschluss des staatlichen Mitbestimmungsrechts im Betrieb der Beteiligten zu 4. rechtfertigt.

(2) Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts handelt es sich bei der Beteiligten zu 4. auch um eine karitative Einrichtung im Sinne des § 118 Abs. 2 BetrVG. Ob die Begriffe "karitativ" und "erzieherisch" in § 118 Abs. 2 BetrVG inhaltsgleich mit den entsprechenden Begriffen in § 118 Abs. 1 BetrVG sind, ist umstritten:

Nach Auffassung des BAG hat die verfassungsrechtlich gebotene (Art. 140 GG i. V. m. § 137 Abs. 3 WRV) Respektierung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts zur Folge, dass die Religionsgemeinschaft selbst bestimmen kann, welche Inhalte sie den Begriffen "karitativ" und "erzieherisch" gibt. Dieses umfasst auch die Befugnis der Kirche, selbst darüber zu entscheiden, durch welche Mittel und Einrichtungen sie ihren Auftrag in dieser Welt wahrnehmen und erfüllen will. Die Beurteilung, ob eine Betätigung "Karitas" ist, obliegt daher allein der Kirche. Eine Vorgabe staatlicher Organe, welche Art kirchlicher Betätigung karitativ ist, wäre ein unzulässiger Eingriff in das verfassungsrechtlich garantierte Selbstverwaltungsrecht der Kirche (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. nur BAG vom 23. Oktober 2002 - 7 ABR 59/01 - EzA § 118 BetrVG 2001 § 118 Nr. 1; BAG vom 6.Dezember 1997 - 1 ABR 28/77 - EzA BetrVG 1972 § 118 Nr. 16, zu III. 1 der Gründe; BAG vom 24.11.1981 - 1 ABR 12/81 - AP ArbGG 1979 § 72 a, Nr. 10; ebenso Richardi-Thüsing, 10. Aufl. § 118 Rn. 103; § 118 Rn. 59; Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, 3. Aufl., § 3 Rn. 15; a. A.: ErfK/Hanau/Kania, 7. Aufl., § 118 BetrVG Rn. 32; Däubler/Kittner/Klebe BetrVG 8. Aufl., § 118 Rn. 7 GK-BetrVG-Fabricius/Weber, 7. Aufl., § 118 Rn. 225).

Dagegen wird vom Arbeitsgericht eingewandt, bei den Begriffen handele es sich um gesetzliche Begriffe, die nicht durch eine Religionsgemeinschaft definiert werden könnten; die in beiden Absätzen der Norm erscheinenden Begriffe könnten nicht unterschiedliche Bedeutungen haben, je nach dem Absatz, in dem sie erschienen (so auch Kohte, Bl.StSozArbR 1983, 145, 147 f.).

Dieser Auffassung des Arbeitsgerichts vermag das Beschwerdegericht nicht zu folgen. Bei Beachtung des oben aufgezeigten verfassungsrechtlichen Hintergrundes des § 118 Abs. 2 BetrVG, ist mit dem BAG der Begriff der "karitativen Einrichtung in Abs. 2 weiter zu verstehen als in Abs. 1; dort dient ein Unternehmen karitativen Zwecken, wenn " es sich mit seiner Aufgabe, die Hilfe am körperlich, geistig und seelisch leidenden Menschen zum Ziel gesetzt hat, seine Tätigkeit auf die Heilung oder Minderung oder vorbeugende Abwehr der inneren oder äußeren Nöte gerichtet ist" (BAG vom 29. Juni 1988 - AP Nr. 38 zu § 118 BetrVG 1972). Diese Trennung von Abs. 1 und Abs. 2 läuft zwar einem systematischen Argument der Gesetzesauslegung tendenziell entgegen, ist jedoch nach Auffassung der Kammer geboten vor dem Hintergrund einer funktionalen verfassungskonformen Interpretation der Norm (so zutr. Thüsing, Anm. zum Beschl. des BAG vom 23.Oktober 2002, a.a.O. , EzA § 118 BetrVG 2001 Nr.1). Das BAG ließ dies bereits im Beschluss vom 24. November 1981 (EzA § 72 a ArbGG 1979 Nr. 37) anklingen. Es stellte dort u.a. fest, aus dem verfassungsrechtlich gebotenen Selbstverwaltungsrecht der Kirchen folge auch das Recht, zu bestimmen, ob die Betätigung einer kirchlichen Einrichtung "Karitas" und damit Wesensäußerung der Kirche in der Welt ist. Durch die Übernahme gleicher oder ähnlicher Aufgaben könne der Staat das Wirken der Kirche und ihrer Einrichtungen nicht beschränken. Karitative Bestimmungen weltlicher Unternehmen und Betriebe könnten hingegen ohne Rücksicht auf diese Freiheitsrechte der Kirchen definiert und begrenzt werden (BAG a.a.O.). Dem stimmt die Beschwerdekammer zu. Der Bereich des § 118 Abs. 2 BetrVG ist weiter zu verstehen als der des Abs. 1, weil der Grund der Herausnahme der karitativen und erzieherischen Einrichtungen der Kirchen aus dem Anwendungsbereich des BetrVG nicht im Tendenzschutz von Erziehung und Karitas liegt, denn dieser Schutz rechtfertigt, wie Abs. 1 zeigt, nicht die völlige Freistellung, sondern nur die modifizierte Anwendung des Gesetzes. Grund zur Freistellung ist vielmehr die verfassungsrechtlich geschützte Selbstbestimmung der Kirchen. Die ausweitende Auslegung des Wortlauts des § 118 Abs. 2 BetrVG, wie sie in der Rechtsprechung des BAG (vgl. Beschluss vom 23. Oktober 2002 - 7 ABR 59/01 - a.a.O.; vom 24. Juli 1991, EzA § 118 BetrVG 1972 Nr. 58) ihren Niederschlag findet, ist daher geboten.

Die verfassungsrechtlich gebotene Respektierung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts hat allerdings nicht zur Folge, dass überhaupt keine Kontrolle der staatlichen Gerichte für Arbeitssachen darüber stattfinden kann, ob das BetrVG Anwendung findet. Ihre Prüfungskompetenz erstreckt sich jedenfalls darauf festzustellen, welchen Inhalt die Religionsgemeinschaft dem Begriff "karitativ" im Sinne des § 118 Abs. 2 BetrVG gibt und ob die jeweilige Einrichtung diese Vorgaben bei ihrer Tätigkeit erfüllt.

Die Beschwerdekammer folgt bei rechtlich verselbständigten kirchlichen Einrichtungen wie der Beteiligten zu 4. den Zuordnungskriterien, die das Bundesarbeitsgericht aufgestellt hat, um die karitative Einrichtung einer Religionsgemeinschaft von den in Abs. 1 Satz 1 genannten Tendenzunternehmen abzugrenzen: Die Einrichtung muss mit ihrer karitativen Zweckbestimmung einen Auftrag der Religionsgemeinschaft erfüllen. Für die christlichen Kirchen gehören die Verkündigung und die tätige Nächstenliebe zum Sendungsauftrag. Karitative Einrichtungen erfüllen deshalb eine kirchliche Grundfunktion, wenn sie in Übereinstimmung mit der kirchlichen Lehre geführt werden.

Im vorliegenden Fall handelt es sich bei der Beteiligten zu 4. um eine Gesellschaft, die in der Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH mehrere Projekte zur beruflichen Qualifizierung und Erwerbstätigkeit für schwer vermittelbare Arbeitslose und für junge Männer und Frauen, die keinen Arbeitsplatz gefunden haben, betreibt. Besonderer Schwerpunkt der Arbeit ist die Beratung, soziale Betreuung und Begleitung bis hin zur beruflichen Qualifizierung und Erwerbstätigkeit. Die Beteiligte zu 4. gibt intensive Unterstützung bei der Bewältigung von Problemen, die sich aus der persönlichen Biographie, Alter, Geschlecht, Nationalität, langfristige Arbeitslosigkeit und/oder Behinderung ergeben. Diesen Zweck erfüllt die Beteiligte zu 4. ohne Gewinnerzielungsabsicht. Im Gesellschaftsvertrag der Beteiligten zu 4. ist dieser genannte Gesellschaftszweck festgelegt. Verwirklicht wird dieser Zweck durch verschiedene Projekte, die sich an Menschen z. B. in benachteiligten Wohnquartieren, besonders im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Armut und zur Verbesserung der Lebensqualität, befassen. Damit erfüllt die Beteiligte zu 4. Aufgaben, die nach den Grundsätzen der evangelischen Kirche deren Verständnis von "Caritas" entspricht. Dies ergibt sich aus dem Sendungsauftrag der evangelischen Kirche, zu deren Selbstverständnis es gehört, anwaltlich insbesondere für diejenigen tätig zu sein, denen es nicht gelingt, ihre eigenen Interessen angemessen zu vertreten. Insoweit ist auf die Präambel der Satzung des D. Werk H. - L. e.V. - , dessen Mitglied die Beteiligte zu 4. ist, zu verweisen, wonach die Kirche den Auftrag hat, Gottes Liebe zur Welt in Jesus Christus allen Menschen zu bezeugen.

Weiter heißt es dort: "Diakonie ist eine Gestalt dieses Zeugnisses und nimmt sich besonders der Menschen in leiblicher Not, in seelischer Bedrängnis und in sozial ungerechten Verhältnissen an. Sie sucht auch die Ursachen dieser Nöte zu beheben. Sie richtet sich in ökumenischer Weise an Einzelne und Gruppen, an Nahe und Ferne, an Christen/Christinnen und Nichtchristen/Nichtchristinnen. Da die Entfremdung von Gott die tiefste Not des Menschen ist und sein Heil und Wohl untrennbar zusammengehören, vollzieht sich Diakonie in Wort und Tat als ganzheitlicher Dienst am Menschen. Das D. Werk H. e.V. weiß sich diesem Auftrag Jesu Christi verpflichtet."

Ferner ergibt sich aus dem Leitbild Diakonie (Anlage Beteiligte zu 4., Nr. 6, Bl. 42 d. A.), dass die Beteiligte zu 4. Aufgaben erfüllt, die nach den Grundsätzen der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche deren Verständnis von "Caritas" entspricht. Dort heißt es u. a.:

"Unser Glaube spricht durch Taten. Er zeigt sich in der Art, wie wir tun, was wir tun... Gott traut uns zu, solidarisch zu handeln, das Recht der Schwachen und Fremden zu achten und jedem Gerechtigkeit zukommen zu lassen. ...

Wir leisten Hilfe und verschaffen Gehör,

wir begleiten und beraten Menschen in allen Lebenslagen,

wir pflegen und heilen, trösten, stärken und fördern sie und bilden sie aus...

Wir verstehen helfende Beziehungen umfassend als Für-, Vor- und Nachsorge.

Dabei geht es uns sowohl um den Menschen in seiner persönlichen Situation als auch in seinen sozialen Verhältnissen. Deshalb ist die Integration Ausgegrenzter, Armer und Schwacher in der Gesellschaft - insbesondere die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit - Anliegen vielfältiger diakonischer Initiativen...."

Auch aus der Stellungnahme des Kommissariats der Deutschen Bischöfe, des Bevollmächtigten des Rates der Evangelischen Kirchen in Deutschland bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union, des C. Verband und des D. Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland (Anlage Beteiligte zu 4. Nr. 7, Bl. 50 f. d. A.) geht hervor dass die diakonische und karitative Tätigkeit durch die religiöse Dimension geprägt ist. Dort heißt es u.a.:

"Die diakonische und karitative Tätigkeit ist durch die religiöse Dimension geprägt. Die Kirchen und ihre Wohlfahrtsverbände verstehen diese Tätigkeit deshalb als Religionsausübung....;

Caritas und Diakonie erfüllen einen wesentlichen Auftrag der Kirche in der Welt. Sie leisten ihre Dienste dem Hilfsbedürftigen, unabhängig von seinem religiösen Bekenntnis, seiner Nationalität und seiner politischen Einstellung...

Zu dem Auftrag der Kirchen gehört es auch, anwaltschaftlich besonders für diejenigen tätig zu sein, denen es nicht gelingt, ihre eigenen Interessen angemessen zu vertreten. Die sozialanwaltliche Rolle umfasst ein weites Themenspektrum, das politische Interessenvertretung und praktische Hilfsangebote u.a. für ... Langzeitarbeitslose ... mit einschließt...

Die Kirchen nehmen ihren Auftrag auf sozialem Gebiet durch zahlreiche diakonische und karitative Einrichtungen wahr, die ganz unterschiedliche Strukturen haben und häufig von Kirchengemeinden und Ordensgemeinschaften getragen werden..."

(3) Damit besteht Caritas in kirchlichem Sinne auch in der Fürsorge für sozial Schwache und wirtschaftlich Bedürftige, wie Arbeitslose. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen gilt aber nicht nur in den abstrakten Vorgaben, sondern auch in der konkreten Einschätzung. Die Betätigung der Beteiligten zu 4. entspricht insoweit den ermittelten kirchlichen Grundsätzen karitativen Wirkens. Die Beteiligte zu 4. betreibt im Wesentlichen Projekte und Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, Langzeitarbeitslose in den ersten Arbeitsmarkt wieder einzugliedern.

Dass sich die Beteiligte zu 4. dabei in Arbeitsfeldern bewegt, die durch die öffentliche Hand gefördert werden, ist unschädlich. Denn ihre Betätigung stellt sich zumindest auch als Wesens- und Lebensäußerung der Evangelischen Kirche dar. Wie oben ausgeführt, versteht sich Kirche auch als "Anwältin der Schwachen und Hilfesuchenden", indem sie sich für die Qualifizierung von Erwerbslosen und von Erwerbslosigkeit Bedrohter einsetzt, um deren Beschäftigungsfähigkeit zu verbessern und Zugänge zu Arbeit und Ausbildung zu ermöglichen. Die praktische Arbeit der Beteiligten zu 4. steht danach im Einklang mit dem Bekenntnis der Evangelischen Kirche. Die Beteiligte zu 4. setzt in einem klassischen Feld der Diakonie kirchlich soziales Engagement in die "Tat" um, indem sie langzeitarbeitslosen Menschen durch vielfältige Unterstützung und Betreuung dazu verhilft, weiter am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Ihre soziale Arbeit ist, wie oben ausgeführt, nach kirchlichem Selbstverständnis damit eine "karitative" kirchliche Angelegenheit.

Es kommt nicht darauf an, dass Leistungen, die die Beteiligte zu 4. erbringt, auch von anderen nicht kirchlichen Trägern mit diesem Inhalt erbracht werden. Die Entscheidung über Inhalt und den nach außen hin vermittelten christlichen Charakter etc. der Einrichtung der Beteiligten zu 4. obliegt ganz allein der Kirche selbst. Es ist unerheblich, ob und wie andere Träger gleiche oder ähnliche Aufgaben wahrnehmen. Durch die Übernahme gleicher oder ähnlicher Aufgaben kann der Staat das Wirken der Kirche und ihrer Einrichtungen nicht beschränken (vgl. BAG vom 24.11.1981, EzA § 72 ArbGG 1979 Nr. 37).

Es kommt danach - entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts - auch nicht darauf an, dass die Kosten der den Hilfsbedürftigen zugewendeten Leistungen von dritter Seite vollständig erstattet werden. Auch ist nicht entscheidend, dass die Gesellschaft ihre Aufgaben nicht mit Hilfe freiwilliger Helfer wahrnimmt, sondern regulär vergütete Arbeitnehmer bzw. Hartz IV-Empfänger beschäftigt. Im Fall der Beteiligten zu 4. geht es nach Angaben der Beteiligten zu 1. und 4. um etwa 640 Arbeitnehmer, die Hartz IV-Empfänger sind und keine "reguläre Vergütung" erhalten, sondern Mietkostenerstattung, zum Lebensunterhalt Euro 345,00 und Euro 210,00 dafür, dass sie in der Maßnahme tätig sind. Die Hartz IV-Empfänger werden ihrerseits betreut von ca. 80 Tarifangestellten und etwa 70 Auszubildenden. Die "angestellten" Hartz IV-Empfänger erbringen eine (eingeschränkte) Arbeitsleistung im Dienste sozial noch schwächerer und hilfsbedürftigerer Menschen und werden gleichzeitig selbst betreut. 80 % der Hartz IV-Empfänger gehören zum Personenkreis derer, die sich nicht mehr selbst helfen können. Das ist die Gruppe der früheren Sozialhilfeempfänger.

Dass allgemein die Förderung von Sozialhilfebeziehern und Langzeitarbeitslosen nicht als karitativ im Sinne von § 118 Abs. 1 BetrVG eingeordnet wird, da die Milderung von Leid nicht im Vordergrund stehe (so z.B. BAG, Beschluss vom 5.12.2000, AP Nr. 16 zu § 106 BetrVG 1972), ist nach dem oben dargelegten Verständnis des § 118 Abs. 2 BetrVG nach Auffassung der Beschwerdekammer nicht entscheidend. Dies gilt auch für die Ansicht des Arbeitsgerichts, dass allein aus dem Umstand der Langzeitarbeitslosigkeit nicht abzuleiten sei, dass eine solche in der Person des Betroffenen begründete Hilfsbedürftigkeit vorliege. Maßgeblich ist, dass es sich bei den von der Beteiligten zu 4. betriebenen Projekten in klassischer Weise um "Hilfe für diejenigen, die sich selbst nicht mehr helfen können", handelt, nämlich um Hilfe für einen Personenkreis, der dadurch geprägt ist, unfähig zu sein, sich auf dem ersten Arbeitsmarkt bewerben zu können, weil in vielen Fällen die Fähigkeit fehlt, sich den Anforderungen des Arbeitsmarktes in einfachster Form zu stellen (Pünktlichkeit, Sauberkeit, Kleidung). Diese Menschen benötigen einen Freiraum, wie er ihnen durch die Beteiligte zu 4. geschaffen wird, indem sie durch sinnvolle Projekte an Beschäftigung herangeführt werden, dabei Arbeitsdruck erlernen, Anerkennung erfahren und Selbstbewusstsein entwickeln. Dies ist tätige Nächstenliebe und damit Ausführung des Sendungsauftrags der christlichen Kirche. Die Beteiligte zu 4. entspricht deshalb mit ihrer Tätigkeit den oben zitierten abstrakten Vorgaben der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche hinsichtlich des Begriffes "karitativ".

Deshalb war es auch nicht unerheblich, dass in der Satzung der Beteiligten zu 4. selbst festgestellt wird, dass die Gesellschaft teilnimmt an der Erfüllung des kirchlichen Auftrages. Darin liegt eine entscheidende Weichenstellung in der Anerkennung des karitativen Zwecks.

Nach allem handelt es sich bei der Beteiligten zu 4. um die karitative Einrichtung einer Religionsgemeinschaft, die gemäß §118 Abs. 2 BetrVG nicht unter das BetrVG fällt. Vielmehr gilt für diese Einrichtung das kirchliche Mitarbeitervertretungsrecht. Die am 8. April 2005 durchgeführte Betriebsratswahl ist somit nichtig.

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1. und der Beteiligten zu 4. war deshalb der erstinstanzliche Beschluss abzuändern und dem Antrag stattzugeben.

III.

Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst (§ 2 Abs. 2 GKG).

IV.

Es bestand keine Veranlassung, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, da die Voraussetzungen der §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG nicht gegeben sind.

Ende der Entscheidung

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