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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 17.11.2006
Aktenzeichen: 10 Sa 1555/06
Rechtsgebiete: BGB, BetrVG, KSchG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 611
BGB § 613
BetrVG § 19
BetrVG § 20
BetrVG § 103
KSchG § 15 Abs. 1
ZPO § 935
ZPO § 940
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 01.09.2006 - 8 (5) Ga 57/06 - abgeändert.

Der Beklagten wird aufgegeben, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Rotationskraft bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens 8 Ca 2208/06 Arbeitsgericht Dortmund zu beschäftigen.

Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen

Tatbestand:

Der Kläger macht im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren seine Weiterbeschäftigung bei der Beklagten geltend.

Der Antragsteller und Verfügungskläger (im folgenden Kläger genannt), geboren am 10.09.1973, verheiratet, einem Kind unterhaltsverpflichtet, ist seit dem 09.05.2000 in einer D3xxxxxxxx Niederlassung der Antragsgegnerin und Verfügungsbeklagten (im folgenden Beklagte genannt) als Rotationskraft zu einem Stundenlohn von 7,50 € brutto bei einer Arbeitszeit von 40 Stunden/Woche beschäftigt.

In der D3xxxxxxxx Niederlassung der Beklagten sind 39 Arbeitnehmer beschäftigt. Am 24.04.2006 fanden im Betrieb der Beklagten Betriebsratswahlen statt. Der Kläger, der nicht Mitglied des bisherigen Betriebsrates gewesen ist, war Mitglied des gebildeten Wahlvorstandes und Wahlbewerber. Nach dem Ergebnis der Stimmenauszählung wurde er mit der zweithöchsten Stimmenzahl in den dreiköpfigen Betriebsrat gewählt.

Am 05.05.2006 fand die konstituierende Sitzung des neu gewählten Betriebsrates statt. Der Kläger wurde zum stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden gewählt.

Mit einem am 05.05.2006 beim Arbeitsgericht Dortmund eingeleiteten Beschlussverfahren machte die Beklagte die Nichtigkeit sowie die Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl vom 24.04.2006 geltend und begründete dies mit verschiedenen Manipulationsvorwürfen, die unter anderem auch gegen den Kläger erhoben wurden, und Verstößen gegen zwingende Wahlvorschriften. Soweit Vorwürfe in Betracht kommen, die Nichtigkeit der Wahl zu begründen, behauptete die Beklagte im Wahlanfechtungsverfahren 8 BV 140/06 zusammengefasst,

- die Stimmen oder die Stimmauszählung seien manipuliert worden,

- bei einem Mitarbeiter habe der Wahlvorstand den ausgefüllten Stimmzettel kontrolliert, zerknüllt und dann den Arbeitnehmer aufgefordert, neu zu wählen,

- eine Mitarbeiterin sei verbal angegriffen worden, einen "Manager" gewählt zu haben,

- eine andere Mitarbeiterin sei bei der Stimmabgabe unter Druck gesetzt worden und

- die Wahlvorstandsvorsitzende K3xxxxx habe zweimal gewählt.

Gleichzeitig leiteten sieben Arbeitnehmer der D3xxxxxxxx Niederlassung der Beklagten ein weiteres Wahlanfechtungsverfahren beim Arbeitsgericht Dortmund - 9 BV 141/06 - ein, in dem ebenfalls die Feststellung der Nichtigkeit der Wahl geltend gemacht wird. Dieses Beschlussverfahren wurde aufgrund des Beschlusses vom 26.07.2006 ausgesetzt.

Am 08.05.2006 trat der alte Betriebsrat zurück, dessen reguläre Amtszeit am 31.05.2006 geendet hätte. Am 11.05.2006 bestellte er höchst vorsorglich einen neuen Wahlvorstand unter Einschluss des Klägers.

Mit Schreiben vom 10.05.2006 (Bl. 3 d. A. - 8 Ca 2208/06 - Arbeitsgericht Dortmund) kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis fristlos. Hiergegen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht - 8 Ca 2208/06 - und machte gleichzeitig seine Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits geltend. Eine weitere Kündigung wurde dem Kläger mit Schreiben vom 15.05.2006 ausgesprochen. Die Kündigungsschutzklage des Klägers wurde entsprechend erweitert. Im Gütetermin vom 23.06.2006 wurde das Kündigungsschutzverfahren im Einvernehmen mit den Parteien bis zur Erledigung des Rechtsstreits 8 BV 140/06 ausgesetzt.

Am 16.05.2006 leitete die Beklagte ein weiteres Beschlussverfahren beim Arbeitsgericht ein, mit dem die Feststellung begehrt wurde, dass die außerordentliche fristlose Kündigung des Klägers keiner Zustimmung des Betriebsrates bedurfte. Weiter wurde die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates zur außerordentlichen Kündigung des Klägers begehrt. Auch dieses Beschlussverfahren - 6 BV 168/06 Arbeitsgericht Dortmund - wurde im Gütetermin auf Antrag der Beteiligten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Wahlanfechtungsverfahrens 8 BV 140/06 sowie des Kündigungsschutzverfahrens 8 Ca 2208/06 ausgesetzt.

Mit einem weiteren Antrag vom 22.05.2006 begehrte die Beklagte erneut die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates zur fristlosen Kündigung des Klägers - 7 BV 178/06 Arbeitsgericht Dortmund - . Auch dieses Verfahren wurde im Einvernehmen mit den Beteiligten bis zur rechtskräftigen Entscheidung in den Wahlanfechtungsverfahren 8 BV 140/06 und 9 BV 141/06 ausgesetzt.

Nach Vernehmung zweier Zeugen erklärte das Arbeitsgericht Dortmund aufgrund des Anhörungstermins vom 23.08.2006 im Wahlanfechtungsverfahren 8 BV 140/06 die Betriebsratswahl vom 24.04.2006 für unwirksam, wies jedoch den Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit der Betriebsratswahl ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass keine Gründe vorhanden seien, die zur Nichtigkeit der Wahl führen könnten. Die Behauptung einer Manipulation bei der Stimmenauszählung oder einer Manipulation der abgegebenen Stimmen sei nicht bewiesen. Der Vorwurf, der Wahlvorstand habe einen ausgefüllten Stimmzettel eines Wählers kontrolliert, zerknüllt und den Wähler aufgefordert, neu zu wählen, sei durch die durchgeführte Beweisaufnahme widerlegt. Eine Vernehmung der Wähler über ihr Stimmverhalten sei unzulässig. Die übrigen, dem Wahlvorstand gemachten Vorwürfe, könnten selbst wenn sie bewiesen würden, nur zur Unwirksamkeit, nicht aber zur Nichtigkeit der Betriebsratswahl führen. Eine Beweiserhebung hierüber sei aber nicht geboten, weil die Betriebsratswahl bereits deswegen unwirksam sei, weil - außer für Briefwähler - keine Wahlumschläge benutzt worden seien.

Gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 23.08.2006 haben inzwischen sowohl die Beklagte wie auch der Betriebsrat Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt - 13 TaBV 80/06 - und diese inzwischen begründet.

Der Kläger, der bei der Beklagten seit dem 10.05.2006 nicht mehr beschäftigt wird, dem aber gestattet ist, den Betrieb für Betriebsratstätigkeiten aufzusuchen, verlangte nach der Entscheidung des Arbeitsgerichts Dortmund vom 23.08.2006 im Wahlanfechtungsverfahren 8 BV 140/06 mit Schreiben vom 23.08.2006 vergeblich seine Weiterbeschäftigung in der D3xxxxxxxx Niederlassung. Da die Beklagte dem Weiterbeschäftigungsbegehren nicht nachkam, machte der Kläger, der gegenwärtig ein monatliches Arbeitslosengeld in Höhe von 801,90 € bezieht, seine Weiterbeschäftigung bei der Beklagten im Wege der vorliegenden einstweiligen Verfügung geltend.

Unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung (Bl. 31 d. A.) ist der Kläger der Auffassung, die Beklagte sei verpflichtet, ihn weiterzubeschäftigen. Nach der erstinstanzlichen Entscheidung vom 23.08.2006 im Wahlanfechtungsverfahren bestehe eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Betriebsratswahl vom 24.04.2006 nicht nichtig sei. Hieraus ergebe sich, dass die Kündigungen des Klägers wegen fehlender Zustimmung des Betriebsrates offensichtlich unwirksam sei. Der Verfügungsgrund ergebe sich daraus, dass das Recht auf tatsächliche Beschäftigung für die Dauer bis zur Rechtskraft eines eventuellen Hauptsacheverfahrens unwiderruflich verloren ginge. Das Interesse des Klägers an der Weiterbeschäftigung überwiege das Interesse der Beklagten an einer Nichtbeschäftigung, nachdem das Arbeitsgericht nach Durchführung der Beweisaufnahme die behaupteten Manipulationsvorwürfe hinsichtlich der Betriebsratswahl nicht für erwiesen erachtet habe.

Der Kläger hat beantragt,

1. der Beklagten aufzugeben, ihn zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Rotationskraft zu beschäftigen,

2. hilfsweise der Beklagten aufzugeben, ihn zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Rotationskraft bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens - 8 Ca 2208/06 Arbeitsgericht Dortmund - zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Anträge abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, eine Weiterbeschäftigungsverpflichtung bestehe nicht, da die fristlosen Kündigungen vom 10. und 15.05.2006 nicht offensichtlich unwirksam seien. Die Betriebsratswahl vom 24.04.2006 werde nach wie vor für nichtig gehalten, der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 23.08.2006 sei nicht rechtskräftig. Ob der Betriebsrat wirksam gewählt sei, sei nach wie vor offen. Im Übrigen bestehe auch kein Verfügungsgrund, da eine besondere Eilbedürftigkeit nicht ersichtlich sei, weil der Kläger durch sein Einvernehmen mit der Aussetzung des Kündigungsschutzverfahrens die etwaige Eilbedürftigkeit selbst herbeigeführt habe.

Durch Urteil vom 01.09.2006 hat das Arbeitsgericht den Antrag des Klägers abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dem Kläger stehe der geltend gemachte Weiterbeschäftigungsanspruch nicht zu, da die Kündigung der Beklagten nicht offensichtlich unwirksam sei. Ob der Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung zu beteiligen gewesen sei, sei nach wie vor streitig. Das Arbeitsgericht habe zur Beurteilung der Nichtigkeit der Betriebsratswahl eine Beweisaufnahme durchführen müssen. Der Beschluss vom 23.08.2006 im Wahlanfechtungsverfahren sei nicht rechtskräftig; es sei nicht ausgeschlossen, dass das Beschwerdegericht zu einem abweichenden Ergebnis gelange. Das Arbeitsgericht habe im Wahlanfechtungsverfahren auch nicht rechtskräftig festgestellt, dass gar keine Manipulationen bei der Betriebsratswahl vorgelegen hätten. Darüber hinaus bestehe auch kein besonderes Beschäftigungsinteresse des Klägers. Eine Einbindung des Klägers in den Arbeitsablauf im Betrieb der Beklagten sei nicht unabdingbar notwendig. Auch die finanzielle Situation des Klägers erfordere eine tatsächliche Beschäftigung nicht.

Gegen das dem Kläger am 05.10.2006 zugestellte Urteil, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat der Kläger bereits am 22.09.2006 beim Landesarbeitsgericht Berufung eingelegt und diese zugleich begründet. Eine weitere Berufungsbegründung ist am 17.10.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

Der Kläger ist nach wie vor der Auffassung, dass ihm ein Weiterbeschäftigungsanspruch zustehe, den er auch im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzen könne. Spätestens seit der Entscheidung des Arbeitsgerichts vom 23.08.2005 im Wahlanfechtungsverfahren bestehe ein überwiegendes Interesse des Klägers an der tatsächlichen Beschäftigung, weil die Kündigungen vom 10./15.05.2006 offensichtlich unwirksam seien. Die Betriebsratswahl vom 24.04.2006 sei nämlich nicht nichtig. Nicht ein einziger Manipulationsvorwurf seitens der Beklagten sei haltbar. Das ergebe sich auch eindeutig aus der erstinstanzlich im Wahlanfechtungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme. Die von der Beklagten benannten Zeugen hätten deren Vorbringen gerade nicht bestätigt.

Darüber hinaus seien auch inzwischen vom Arbeitsgericht den Kündigungsschutzklagen der übrigen Wahlvorstandsmitglieder, die ebenfalls mit dem Kläger gekündigt worden seien, stattgegeben worden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 01.09.2006 - 8 (5) Ga 57/06 - abzuändern und

1. der Beklagten aufzugeben, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Rotationskraft weiterzubeschäftigen,

2. hilfsweise der Beklagten aufzugeben, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Rotationskraft bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens 8 Ca 2208/06 Arbeitsgericht Dortmund zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen verteidigt sie den angefochtenen Beschluss. Insbesondere fehle es an einem Verfügungsgrund. Hierzu sei mit der Berufung nichts vorgetragen worden, sodass die Berufung schon unzulässig, mindestens aber unbegründet sei.

Die Kündigungen seien auch nicht offensichtlich unwirksam. Es stehe nämlich insbesondere nicht offensichtlich fest, dass die Betriebsratswahl vom 24.04.2006 nichtig sei. Dadurch, dass das Arbeitsgericht erstinstanzlich lediglich die Unwirksamkeit, nicht aber die Nichtigkeit der Betriebsratswahl vom 24.04.2006 festgestellt habe, ergebe sich nicht automatisch, dass die von der Beklagten ausgesprochenen Kündigungen offensichtlich unwirksam seien. Bereits das Arbeitsgericht habe festgestellt, dass eine abweichende Beurteilung durch das Landesarbeitsgericht möglich, jedenfalls nicht "offensichtlich" ausgeschlossen sei. Darüber hinaus sei ein weiteres Wahlanfechtungsverfahren beim Arbeitsgericht anhängig. Die von der Beklagten vorgetragenen Nichtigkeitsgründe seien auch nicht nur vorgeschoben. Das könne schon deshalb nicht angenommen werden, weil das Arbeitsgericht zu den Manipulationsvorwürfen eine Beweisaufnahme durchgeführt habe.

Zu Recht habe das Arbeitsgericht auch ausgeführt, dass die Betriebsratsarbeit im Betrieb der Beklagten gewährleistet sei. Eine Beschäftigung des Klägers zur Durchführung der Betriebsratsarbeit sei nicht notwendig. Allein der Umstand, dass es sich vorliegend um die Kündigung eines gewählten Betriebsratsmitglied handele, rechtfertige keine einstweilige Verfügung auf Weiterbeschäftigung.

Darüber hinaus bezieht sich die Beklagte für ihre nach wie vor vertretene Auffassung, die Betriebsratswahlen seien nichtig, auf die Beschwerdebegründung im Wahlanfechtungsverfahren 8 BV 140/06 Arbeitsgericht Dortmund = 13 TaBV 80/06 Landesarbeitsgericht Hamm.

Die Beschwerdekammer hat Akten des Kündigungsschutzverfahrens 8 Ca 2208/06 Arbeitsgericht Dortmund sowie des Wahlanfechtungsverfahrens 8 BV 104/06 Arbeitsgericht Dortmund = 13 TaBV 80/06 Landesarbeitsgericht Hamm informationshalber beigezogen. Auf den Inhalt dieser Akten wird ebenso Bezug genommen wie auf den weiteren Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.

I.

Die Berufung des Klägers ist zulässig.

Sie ist an sich statthaft und auch form- und fristgerecht beim Landesarbeitsgericht eingelegt worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519,520 ZPO.

Der Umstand, dass weder die Berufungs- und Berufungsbegründungsschrift vom 21.09.2006 noch die ergänzende Berufungsbegründung vom 17.10.2006 einen förmlichen Berufungsantrag enthält, führt nicht zur Unzulässigkeit der Berufung. Zwar muss eine Berufungsbegründung nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO einen Berufungsantrag enthalten. Das Fehlen eines besonderen Antrages ist aber dann unschädlich, wenn sich Umfang und Ziel des Rechtsmittels durch Auslegung bestimmen lassen (vgl. statt aller: BAG, Urteil vom 20.06.1989 - AP HGB § 87 Nr. 8; BGH, Beschluss vom 15.02.1995 - NJW 1995, 2112 m.w.N.). So liegt der vorliegende Fall. Sowohl aus dem Berufungsschriftsatz vom 21.09.2006 wie auch aus der ergänzenden Berufungsbegründung vom 17.10.2006 ergibt sich, dass der Kläger nach wie vor den geltend gemachten Weiterbeschäftigungsantrag weiter verfolgt. Dies war auch mit hinreichender Deutlichkeit für die Beklagte ersichtlich. Dies ist für die Zulässigkeit der Berufung ausreichend.

Die Berufung ist auch nicht deshalb unzulässig, weil, wie die Beklagte meint, der Kläger in der Berufungsbegründung lediglich zu dem geltend gemachten Anspruch, nicht aber zum Verfügungsgrund Stellung genommen habe.

Richtig ist zwar, dass es unzureichend ist, wenn mit einer Berufung nur eine von mehreren Begründungen des erstinstanzlichen Urteils angegriffen wird (BAG, Urteil vom 11.03.1998 - AP ZPO § 519 Nr. 49; BAG, Urteil vom 21.11.2002 - AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 63; BAG, Beschluss vom 11.02.2004 - AP ArbGG 1979 § 94 Nr. 3 m.w.N.). Die ergänzende Berufungsbegründung des Klägers vom 17.10.2006 nimmt aber entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten nicht nur zu dem vom Arbeitsgericht verneinten Verfügungsanspruch Stellung, sie setzt sich auch mit dem vom Arbeitsgericht zusätzlich verneinten Verfügungsgrund, der ein besonderes Beschäftigungsinteresse voraussetze, auseinander. Im Schriftsatz vom 17.10.2006 hat der Kläger unter II. ausgeführt, woraus sich seiner Auffassung nach das vom Arbeitsgericht verneinte besondere Beschäftigungsinteresse ergebe. Dies ist für die Zulässigkeit der Berufung ausreichend. Ob ein besonderes Beschäftigungsinteresse tatsächlich vorliegt, ist Sache der Begründetheit der Berufung.

II.

Die Berufung des Klägers ist auch im Wesentlichen begründet.

Der Kläger hat nach Auffassung der Berufungskammer einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung als Rotationskraft im Betrieb der Beklagten. Dieser Anspruch besteht mindestens bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Kündigungsschutzverfahrens 8 Ca 2208/06 Arbeitsgericht Dortmund. Lediglich soweit der Kläger seine uneingeschränkte und unbefristete Beschäftigung verlangt, musste der Antrag zurückgewiesen werden.

1. Der Erlass einer einstweiligen Verfügung setzt gemäß § 940 ZPO voraus, dass die beantragte Regelung in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

Die Verurteilung eines Arbeitgebers zur sofortigen Beschäftigung eines Arbeitnehmers kann grundsätzlich auch im Wege der einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden. Dass bei Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung gewissermaßen eine vorläufige Entscheidung über den Gegenstand des zwischen den Parteien noch anhängigen Hauptsacheverfahrens getroffen wird, steht der Zulässigkeit des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht entgegen. Es ist allgemein anerkannt, dass das einstweilige Verfügungsverfahren als summarisches Erkenntnisverfahren heute längst nicht mehr auf die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen beschränkt ist, sondern bei entsprechender Dringlichkeit auch endgültige Tatsachen schaffen und den Antragsgegner zur Erfüllung strittiger Ansprüche anhalten kann (LAG Düsseldorf, Urteil vom 20.01.1976 - DB 1976, 587; LAG Berlin, Urteil vom 24.09.1979 - EzA BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 4; KR/Etzel, 7. Aufl., § 102 BetrVG Rz. 289; Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 9. Aufl., Rz. 2144 ff.; Walker, Der einstweilige Rechtsschutz im Zivilprozess und im arbeitsgerichtlichen Verfahren, 1993, Rz. 675 m.w.N.).

Dass im Übrigen durch die begehrte einstweilige Verfügung keine endgültige Entscheidung im Hauptsacheverfahren getroffen worden ist, ergibt sich bereits daraus, dass die Weiterbeschäftigungspflicht der Beklagten entsprechend dem Hilfsantrag des Klägers zeitlich eingeschränkt worden ist und lediglich bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens 8 Ca 2208/06 Arbeitsgericht Dortmund zu erfolgen hat.

2. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung notwendige Verfügungsanspruch gegeben.

a) Dieser Anspruch ergibt sich nicht, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, aus § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG, weil die Beklagte keine ordentliche, sondern eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen hat.

Auch soweit der Kläger mit seinem Hauptantrag seine unbeschränkte Beschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Rotationskraft verlangt, war der Antrag unbegründet. Ein unbeschränkter Beschäftigungsanspruch kann im allgemeinen nur in einem ungekündigten, unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis geltend gemacht werden (LAG Hamburg, Urteil vom 30.09.1994 - LAGE BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 39; Korinth, Einstweiliger Rechtsschutz im Arbeitsgerichtsverfahren, Anhang zu §§ 935, 940 - I. Individualarbeitsrecht, Rz. 50). Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien befand sich aber im gekündigten Zustand. Der Bestand des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien ist nach wie vor heftig umstritten.

b) Der Verfügungsanspruch ergibt sich aber aus dem aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch im gekündigten Arbeitsverhältnis.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Beschluss vom 27.02.1985 - AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 14) hat auch der gekündigte Arbeitnehmer nach rechtzeitiger Erhebung einer Kündigungsschutzklage gemäß §§ 611, 613, 242 BGB, Art. 1 und 2 GG einen allgemeinen Beschäftigungsanspruch. Dieser Anspruch kann jedoch nach Ausspruch einer Kündigung und nach Ablauf der Kündigungsfrist - außer im Falle einer offensichtlich unwirksamen Kündigung - auf Grund einer Abwägung der beiderseitigen Interessen regelmäßig erst dann durchgesetzt werden, wenn der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess ein obsiegendes Urteil erstreitet. Bis zur Entscheidung der ersten Instanz im Kündigungsschutzprozess ist nach Ablauf der Kündigungsfrist regelmäßig ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers anzuerkennen. Diese Interessenlage ändert sich erst dann, wenn der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess ein obsiegendes Urteil erstreitet.

Ist die Kündigung jedoch offensichtlich unwirksam, sodass das Kündigungsschutzverfahren mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu Gunsten des Arbeitnehmers ausgeht, kann die erforderliche Interessenabwägung auch im gekündigten Arbeitsverhältnis zu Gun-sten des Arbeitnehmers ausgehen. Es gelten dann für den Verfügungsanspruch dieselben Voraussetzungen wie im ungekündigten Arbeitsverhältnis (BAG, Beschluss vom 27.02.1985 - a. a. O.; Walker a. a. O., Rz. 680; Korinth, a.a.O., Rz. 61 ff., 63).

aa) Unter Berücksichtigung der erforderlichen Interessenabwägung war im Vorliegenden davon auszugehen, dass die Kündigungen der Beklagten vom 10. und 15.05.2006 wegen der unstreitig fehlenden Zustimmung des Betriebsrates nach den §§ 103 BetrVG, 15 Abs. 1 KSchG offensichtlich unwirksam sind.

Als Wahlbewerber wie auch als ehemaliges Wahlvorstandsmitglied hatte der Kläger zwar Sonderkündigungsschutz nach § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG. Die Zustimmung des Betriebsrates zur Kündigung des Klägers als ehemaliger Wahlbewerber sowie als ehemaliges Wahlvorstandsmitglied war jedoch nur bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses notwendig. Nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses genießt der bisherige Wahlbewerber ebenso wie das bisherige Wahlvorstandsmitglied lediglich den sogenannten nachwirkenden Kündigungsschutz des § 15 Abs. 3 Satz 2 KSchG (KR/Etzel, a. a. O., § 103 BetrVG Rz. 41; ErfK/Kiel, 7. Aufl. § 15 KSchG Rz. 18 m. w. N.).

Als gewähltes Betriebsratsmitglied bedurfte die außerordentliche Kündigung des Klägers jedoch nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG, § 103 Abs. 1 BetrVG der Zustimmung des Betriebsrates. Dieser besondere Kündigungsschutz des Klägers würde lediglich dann entfallen, wenn die Wahl des Betriebsrates vom 24.04.2005 von vornherein nichtig ist (BAG, Urteil vom 27.04.1976 - AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 4; BAG, Urteil vom 07.05.1986 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 18; ErfK/Kiel, a. a. O., § 15 KSchG Rz. 20; KR/Etzel, a. a. O., § 103 BetrVG Rz. 18). Ist die Betriebsratswahl vom 24.04.2006 dagegen lediglich anfechtbar, besteht der Sonderkündigungsschutz der gewählten Betriebsratsmitglieder fort bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Wirksamkeit der Wahl (BAG, Urteil vom 29.09.1983 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 15; KR/Etzel, a. a. O., § 103 BetrVG Rz. 18; ErfK/K4xx, a. a. O., § 15 KSchG Rz. 21 m. w. N.).

Von einer offensichtlich unwirksamen Kündigung ist regelmäßig dann auszugehen, wenn die Kündigung ohne vorherige Beteiligung des Betriebsrates nach § 102 oder § 103 BetrVG ausgesprochen worden ist. So liegt der vorliegende Fall. Macht der Arbeitgeber in derartigen Fällen die Nichtigkeit der Betriebsratswahl geltend, muss er darlegen und glaubhaft machen, dass in einem so hohen Maße gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl verstoßen worden ist, dass auch der Anschein einer Wahl nicht mehr vorliegt (LAG Köln, Urteil vom 13.05.1993 - LAGE BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 35; Korinth, a. a. O., Rz. 63; vgl. auch Richardi/Thüsing, BetrVG, 10. Aufl., § 103 Rz. 94).

Die offensichtliche Unwirksamkeit der Kündigungen vom 10./15.05.2006 ergibt sich daraus, dass nach dem derzeitigen Verfahrensstand im Wahlanfechtungsverfahren 8 BV 140/06 Arbeitsgericht Dortmund = 13 TaBV 80/06 Landesarbeitsgericht Hamm nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Betriebsratswahl vom 24.04.2006 nichtig ist. Die Zustimmung des gewählten Betriebsrates zu der außerordentlichen Kündigung des Klägers war offensichtlich notwendig, nachdem im Wahlanfechtungsverfahren durch Beschluss des Arbeitsgerichts vom 23.08.2006 nach durchgeführter Beweisaufnahme die Nichtigkeit der Betriebsratswahl vom 24.04.2006 nicht festgestellt werden konnte. Allein der Umstand, dass der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 23.08.2006 noch nicht rechtskräftig ist, führt nicht dazu, dass die ausgesprochenen Kündigungen nicht offensichtlich unwirksam wären. Gerade weil das Arbeitsgericht im Wahlanfechtungsverfahren nach durchgeführter Beweisaufnahme, die nach Auffassung des Arbeitsgerichts zudem zu einem eindeutigen Ergebnis geführt hat, zu der Feststellung gelangt ist, dass die Betriebsratswahl vom 24.04.2006 nicht nichtig ist, konnte diese Entscheidung durch das vorliegende Urteil nicht wieder in Frage gestellt werden. Das Arbeitsgericht war vielmehr für den vorliegenden Fall an die im Wahlanfechtungsverfahren getroffene Entscheidung gemäß § 318 ZPO gebunden.

Auch die Beschwerdebegründung der Beklagten vom 13.11.2006 im Wahlanfechtungsverfahren, die die Beklagte im vorliegenden Verfahren in Bezug genommen hat, rechtfertigt keine anderweitige Beurteilung. Die Berufungskammer tritt vielmehr der Entscheidung des Arbeitsgerichts vom 23.08.2006 im Wahlanfechtungsverfahren in vollem Umfange bei. Die dort durchgeführte Beweisaufnahme hat den von der Beklagten erhobenen Manipulationsvorgang gerade nicht bestätigt.

Die Nichtigkeit der Betriebsratswahl vom 24.04.2006 kann auch nicht damit begründet werden, dass die Stimmauszählung oder die abgegebenen Stimmen manipuliert worden seien. Zu Recht hat das Arbeitsgericht im Beschluss vom 23.08.2006 von einer beantragten Vernehmung der Zeugen über ihr jeweiliges Wahlverhalten abgesehen. Aus dem Grundsatz der geheimen Wahl folgt, dass ein Ausforschen, vor allem auch eine gerichtliche Nachprüfung, wie jemand gewählt hat, unzulässig ist. Insoweit besteht nicht nur ein Zeugnisverweigerungsrecht, sondern es ist auch die Verwertung einer freiwillig abgegebenen eidesstattlichen Versicherung von Wählern über ihre Stimmabgabe oder ihre Vernehmung als Zeuge darüber unzulässig. Dies entspricht der ganz herrschenden Auffassung (BVerwG, Beschluss vom 21.07.1975 - BVerwGE 49, 75, 77; BAG, Beschluss vom 06.07.1956 - AP BetrVG § 27 Nr. 4; ArbG Düsseldorf, Beschluss vom 30.10.1984 - DB 1985, 1137; ArbG Frankfurt/Main, Beschluss vom 24.09.2001 - AiB 2002, 629; ErfK/Eisemann, a. a. O., § 14 BetrVG Rz. 3; Fitting, BetrVG, 23. Aufl., § 14 Rz. 15; Richardi/Thüsing, a. a. O. ,§ 14 Rz. 15; Däubler/Kittner/Klebe/Schneider, BetrVG, 10. Aufl., § 14 Rz.12; Kreutz/GK-BetrVG, 8. Aufl., § 14 Rz. 20 m. w. N.).

Nach Auffassung der Berufungskammer hat das Arbeitsgericht auch zu Recht im Beschluss vom 23.08.2006 ausgeführt, dass die übrigen Behauptungen der Beklagten die Nichtigkeit der Betriebsratswahl nicht begründen können. Aus der Beschwerdebegründung der Beklagten im Wahlanfechtungsverfahren ergibt sich nach Auffassung der Berufungskammer nichts anderes.

Soweit behauptet wird, der Wahlvorstand habe Mitarbeiter der Beklagten über das Wahlverhalten der Zeugin B3xxxxx unterrichtet, lässt diese Behauptung nicht den eindeutigen Schluss zu, dass der Wahlvorstand den von der Zeugin B3xxxxx in die Wahlurne gelegten Wahlzettel herausgefischt haben müsste. Die Kenntnis über das Wahlverhalten der Zeugin B3xxxxx kann der Wahlvorstand auch auf andere Weise erlangt haben. Insoweit handelt es sich um bloße Schlussfolgerungen der Beklagten, die durch nichts bewiesen sind.

Auch die Behauptungen der Beklagten, eine Mitarbeiterin sei verbal angegriffen worden, einen "Manager" gewählt zu haben, eine andere Mitarbeiterin sei bei der Stimmabgabe unter Druck gesetzt worden, vermag nach Auffassung der Berufungskammer nicht zur Nichtigkeit der Betriebsratswahl vom 24.04.2006 zu führen. Zwar können grundsätzlich besonders grobe Verstöße gegen das Verbot der Behinderung einer Betriebsratswahl oder einer Wahlbeeinflussung nach § 20 BetrVG auch zur Nichtigkeit einer Betriebsratswahl führen (vgl. BAG, Beschluss vom 08.03.1957 - AP BetrVG § 19 Nr. 1; Kreutz/GK-BetrVG, a. a. O., § 20 Rz. 43; Richardi/Thüsing, a. a. O., § 20 Rz. 28; ErfK/Eisemann, a. a. O., § 20 BetrVG Rz. 8). Nach den eigenen Behauptungen der Arbeitgeberin ist aber auf die Zeugin I1xxxx bei der Abgabe ihrer Stimme lediglich eingeredet worden, sie solle sich Zeit lassen und genau überlegen, wen sie wählen wolle, dabei sei ihr eine Zigarette aufgedrängt worden. Eine unzulässige Wahlbeeinflussung im Sinne des § 20 Abs. 2 BetrVG kann hierin aber nicht gesehen werden. Insbesondere liegt hierin kein besonders grober Verstoß gegen das Verbot der Wahlbeeinflussung vor, der dazu führen würde, dass nicht einmal der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl vorliegt.

Schließlich führt auch nicht die Behauptung der Beklagten, die Wahlvorstandsvorsitzende K3xxxxx habe einen zweiten Stimmzettel in die Wahlurne eingeworfen, zur Nichtigkeit der Betriebsratswahl vom 24.04.2006. Auch insoweit ergibt sich aus der Beschwerdebegründung des Arbeitgebers vom 13.11.2006 im Wahlanfechtungsverfahren, dass die Beklagte ihre Behauptungen mit Schlussfolgerungen verbindet, die nicht beweisbar erscheinen. Da unstreitig bei der Stimmenauszählung nicht mehr Stimmzettel abgegeben worden sind als Wähler vorhanden gewesen sind, wird geschlussfolgert, dass ein anderer Stimmzettel der Urne entnommen worden sein müsse oder ein anderer gar nicht erst eingelegt worden sei. Dabei handelt es sich aber um eine nichts zu beweisende Vermutung der Beklagten. In jedem Fall ist auch dieser behauptete Nichtigkeitsgrund nicht evident.

bb) Die Beklagte hat vorliegend auch keine Umstände vorgetragen, aus denen sich ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse der Beklagten an der Nichtbeschäftigung des Klägers herleiten ließe.

Zwar können auch Betriebsratsmitglieder vom Arbeitgeber einseitig von der Arbeitspflicht suspendiert werden, wenn der Weiterbeschäftigung überwiegende und schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen, die eine Verhinderung der Beschäftigung geradezu gebieten (BAG, Urteil vom 10.11.1955 - AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 2; BAG, Urteil vom 19.08.1976 - AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 4; BAG, Urteil vom 15.03.2001 - AP KSchG 1969 § 4 Nr. 46; LAG Sachsen, Urteil vom 14.04.2000 - NZA-RR 2000, 588; LAG Hamm, Urteil vom 12.12.2001 - NZA-RR 2003, 311 m. w. N.). Nur unter besonderen Voraussetzungen kann der Arbeitgeber einen durch § 103 BetrVG geschützten Arbeitnehmer bis zum Abschluss des Zustimmungsersetzungsverfahrens von der Arbeit suspendieren. Auch dann, wenn der Arbeitgeber mit der Einleitung eines Zustimmungsverfahrens beim Betriebsrat ein Recht zur außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsmitglieds geltend macht, ist er nur dann berechtigt, den Arbeitnehmer einseitig von der Arbeitspflicht zu suspendieren, wenn bei Weiterbeschäftigung erhebliche Gefahren für den Betrieb oder die dort tätigen Personen objektiv bestehen. Das Recht zur Suspendierung kann auch dann gegeben sein, wenn bei einer weiteren Tätigkeit des Arbeitnehmers im Betrieb die durch konkrete Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass es zu Störungen des Betriebsfriedens oder des betrieblichen Ablaufs kommt und andere Arbeitnehmer gefährdet werden (LAG Sachsen, Urteil vom 14.04.2000 - NZA-RR 2000, 588; KR/Etzel, a.a.O., § 103 BetrVG Rz. 143; Richardi/Thüsing, a. a. O., § 103 Rz. 94; Raab/GK-BetrVG, 8. Aufl., § 103 Rz. 96; Bieback, AuR 1977, 321, 328 f.; Reidel, NZA 2000, 454, 455). Überwiegende und schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers können eine sofortige Freistellung auch dann gebieten, wenn der Arbeitnehmer in den dringenden Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen schweren Arbeitsvertragsverletzung geraten ist (vgl. BAG, Urteil vom 15.08.1972 - AP Nr. 7 zu § 626 BGB). Nach diesen Grundsätzen reicht es somit für die Suspendierung eines Arbeitnehmers bzw. eines Betriebsratsmitglieds nicht aus, dass den vom Arbeitgeber ins Feld geführten Kündigungsgründen "einiges Gewicht" zukommt (LAG Sachsen, Urteil vom 14.04.2000 - NZA-RR 2000, 588; KR/Etzel, § 103 BetrVG Rz. 143; DKK/Bachner, a.a.O., § 103 Rz. 48; Bieback, AuR 1977, 321, 328; andere Auffassung noch: LAG Hamm, Beschluss vom 24.10.1974 - EzA § 103 BetrVG 1972 Nr. 5 = DB 1975, 111).

Überwiegende und schutzwürdige Interessen der Beklagten an einer sofortigen Suspendierung des Klägers hat auch die Berufungskammer nicht feststellen können. Objektive Umstände, die den dringenden Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer schweren Arbeitsvertragsverletzung durch den Kläger ernsthaft begründen könnten, lassen sich jedenfalls im vorliegenden summarischen einstweiligen Verfügungsverfahren nicht feststellen. Die von der Beklagten ausgesprochenen außerordentlichen Kündigungen ist jedenfalls nicht offensichtlich wirksam. Die Beklagte hat auch keine konkreten Tatsachen dafür vorgetragen, dass es bei einer Weiterbeschäftigung des Klägers zur Störung des Betriebsfriedens oder des betrieblichen Ablaufs kommen könnte oder andere Arbeitnehmer gefährdet würden.

Im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung spricht es vielmehr zu Gunsten des Klägers, dass die außerordentlichen Kündigungen gegenüber den weiteren Wahlvorstandsmitgliedern K3xxxxx und S5xxxxxxx, denen ebenfalls wie dem Kläger aus Gründen im Zusammenhang mit ihrer Wahlvorstandstätigkeit gekündigt worden ist, inzwischen vom Arbeitsgericht erstinstanzlich für unwirksam gehalten worden sind. Auch dieser Umstand führt dazu, auch dem Kläger trotz der ausgesprochenen, aber noch nicht erstinstanzlich für unwirksam erklärten Kündigung ein überwiegendes Interesse an der sofortigen Weiterbeschäftigung einzuräumen.

3. Auch der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsgrund ist gegeben.

Voraussetzung für den Verfügungsgrund im Rahmen einer Beschäftigungsverfügung ist es, dass die einstweilige Verfügung zur Abwendung wesentlicher Nachteile für den Antragsteller notwendig ist. Der Arbeitnehmer muss auf die faktische Weiterbeschäftigung zur Abwendung erheblicher Nachteile dringend angewiesen sein (LAG Hamm, Urteil vom 18.02.1998 - MDR 1998, 1036 = NZA-RR 1998, 422).

Auch diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Die im Rahmen des Verfügungsgrundes zu prüfende Notwendigkeit und Dringlichkeit der Verfügung ergibt sich schon daraus, dass andernfalls wegen Zeitablaufs ein endgültiger Rechtsverlust droht. Die im Rahmen des Verfügungsgrundes an sich zusätzlich erforderliche Interessenabwägung spielt beim Weiterbeschäftigungsanspruch praktisch keine Rolle, weil eine solche schon der Prüfung des Verfügungsanspruches zugrunde liegt (LAG Hamm, Urteil vom 09.03.1995 - NZA-RR 1996, 145; Reidel, NZA 2000, 454, 461; Walker, a.a.O., Rz. 685 ff., 690). Die Dringlichkeit für eine Weiterbeschäftigungsverfügung folgt aus dem andernfalls eintretenden Rechtsverlust. Mindestens muss angenommen werden, dass die Anforderungen an den Verfügungsgrund umso geringer sind, desto schwerer und offensichtlicher die drohende oder bestehende Rechtsverletzung ist (LAG Köln, Urteil vom 24.11.1998 - NZA 1999, 1008). Würde die begehrte einstweilige Verfügung nicht ergehen, droht dem Kläger für einen nicht unerheblichen Zeitraum, seines Beschäftigungsanspruches endgültig verlustig zu gehen. Der Kläger hat ein Interesse daran, seine Fertigkeiten und Kenntnisse im Betrieb der Beklagten zu praktizieren. Hinzu kommt, dass die Weiterbeschäftigung des Klägers die Beklagte nicht über Gebühr belastet. Eine sofortige Freistellung des Klägers war auch nicht wegen einer etwaigen Störung des Betriebsfriedens unabweisbar notwendig. Insoweit hat die Beklagte keine Tatsachen vorgetragen. Die Berufungskammer hatte deshalb davon auszugehen, dass es im Betrieb der Beklagten zu keinen Störungen kommt, wenn der Kläger weiterbeschäftigt wird.

4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, da sie unterlegen ist.

Der Streitwert hat sich in der Berufungsinstanz nicht geändert, § 63 GKG.

Ende der Entscheidung

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