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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 19.08.2009
Aktenzeichen: 10 Sa 295/09
Rechtsgebiete: BetrVG, BGB, GewO


Vorschriften:

BetrVG § 37 Abs. 2
BetrVG § 38 Abs. 1
BetrVG § 77 Abs. 5
BGB § 315
GewO § 106
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 14.01.2009 - 6 Ca 2726/08 - abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 681,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 1 DÜG seit dem 01.07.2008 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, Schichtarbeit zu leisten.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert für das Berufungsverfahren 3.319,22 €.

Tatbestand:

Im Berufungsverfahren streiten die Parteien noch über restliche Vergütungsansprüche des Klägers aus Juni 2008 sowie über seine Verpflichtung, ab Mai 2008 Schichtarbeit zu leisten.

Der am 11.05.1959 geborene Kläger, von Beruf Kfz-Mechaniker, ist verheiratet und zwei Kindern gegenüber unterhaltsverpflichtet. Seit dem 11.01.1982 ist er bei der Beklagten, die Serienfahrzeuge in Wohnmobile umbaut und zuletzt noch ca. 190 Stammarbeitnehmer sowie 50 bis 70 Leiharbeitnehmer beschäftigt, tätig. Die Arbeitsvertragsbedingungen zwischen den Parteien richten sich nach dem "Bewerbungsfragebogen/Einstellungsvertrag" vom 05.01.1982 (Bl. 11 der Akten), wonach der Kläger für die Kostenstelle 350, einer Tätigkeit am Montageband, in Werk III eingestellt wurde. Im Übrigen wird auf den Einstellungsvertrag vom 05.01.1982 Bezug genommen. Der Kläger bezog zuletzt ein durchschnittliches monatliches Bruttoeinkommen in Höhe von 2.637,68 €. Aus seinem monatlichen Grundentgelt von 2.161,50 € errechnet sich bei einer monatlichen Arbeitszeit von 152,52 Stunden ein Stundensatz von 14,20 €.

Im Betrieb der Beklagten in R2-W2 ist ein Betriebsrat gewählt. Seit ca. fünfzehn Jahren ist der Kläger dessen Mitglied, seit etwa sechs Jahren ist er der gewählte Betriebsratsvorsitzende. Da die Beklagte in der Vergangenheit, auch noch zum Zeitpunkt der letzten Betriebsratswahl im Jahre 2006 mehr als 200 Arbeitnehmer beschäftigte, war der Betriebsratsvorsitzende von seiner Arbeitsleistung freigestellt. Als der Kläger zum Betriebsratsvorsitzenden gewählt wurde, wurde er ebenfalls aufgrund der Betriebsgröße der Beklagten nach § 38 BetrVG freigestellt. Auch nach der Betriebsratswahl im Jahre 2006 blieb der Kläger mit Zustimmung der Beklagten vom 07.04.2006 freigestellt.

Nachdem die Zahl der Stammarbeitnehmer unter 200 abgesunken war, teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 02.03.2007 (Bl. 31 der Akten) Folgendes mit:

"...

bezugnehmend auf Ihren Freistellungsantrag vom 03.04.2006 teilen wir Ihnen mit, dass nach §§ 37 und 38 BetrVG eine Freistellung nicht mehr zwingend erforderlich ist.

Wir ziehen daher unsere Zustimmung vom 07.04.2006 zurück.

Ab 12.03.2007 werden sie in der Kostenstelle 330 als Finisher Ihre Arbeit aufnehmen."

Das Schreiben vom 02.03.2007 ist vom damaligen Geschäftsführer der Beklagten K2 unterzeichnet.

Im Anschluss an das Schreiben vom 02.03.2007 kam es über die Freistellung des Klägers zu Gesprächen zwischen dem Betriebsrat-Ausschuss und dem damaligen Geschäftsführer K2. Da die Anzahl der Stammarbeitnehmer seinerzeit um die Zahl 200 schwankte und der Betriebsrat den Umfang der vom Kläger geleisteten Betriebsratstätigkeit darlegen konnte, erklärte sich der Geschäftsführer K2 damit einverstanden, dass es weiterhin bei der vollständigen Freistellung des Klägers blieb.

Bereits am 21.12.2005 schlossen der Betriebsrat und die Beklagte eine Betriebsvereinbarung "Arbeitszeit" (Bl. 87 f. der Akten) und am 22.12.2005 eine Betriebsvereinbarung zur betrieblichen Arbeitszeitgestaltung und Beschäftigungssicherung (Bl. 43 ff. der Akten) ab.

Nach der Betriebsvereinbarung "Arbeitszeit" vom 21.12.2005 läuft die Arbeitszeit bei ausschließlicher Arbeit in Tagschicht von montags bis donnerstags von 6:00 Uhr bis 14:15 Uhr und freitags von 6:00 Uhr bis 11:15 Uhr. Bei der Arbeit in Doppelschicht ist die Arbeitszeit für die Frühschicht von montags bis donnerstags von 5:30 Uhr bis 14:00 Uhr, freitags von 5:30 Uhr bis 11:45 Uhr und für die Spätschicht montags bis donnerstags von 14:00 Uhr bis 22:30 Uhr festgelegt. Auf die weiteren Bestimmungen der Betriebsvereinbarung vom 21.12.2005 und vom 22.12.2005 wird Bezug genommen.

Schichtarbeit wird im Betrieb der Beklagten regelmäßig nur in der Lackierei geleistet. Mehr als 90 % der bei der Beklagten beschäftigten Mitarbeiter arbeiten nicht im Schichtbetrieb.

Anfang des Jahres 2008 kam es aufgrund der Übernahme der Beklagten durch ein anderes Unternehmen zu einem Wechsel in der Geschäftsführung der Beklagten. S5 kam es zu einer Vielzahl von - auch arbeitsgerichtlichen - Auseinandersetzungen zwischen dem Betriebsrat und der Geschäftsleitung der Beklagten, die die Verletzung von Mitbestimmungsrechten, unter anderem die Beteiligung des Betriebsrates bei der Einstellung von Leiharbeitnehmern, zum Gegenstand hatten.

Am 06.03.2008 teilte der Kläger als Betriebsratsvorsitzender im Beisein sämtlicher Betriebsratsmitglieder der Geschäftsleitung der Beklagten mit, dass die erste Betriebsversammlung im Betrieb der Beklagten im Jahre 2008 am 10.04.2008 stattfinden solle. Unter dem 23.03.2008 versandte der Kläger als Vorankündigung für die Betriebsversammlung eine E-Mail, in deren Verteiler die Personalleiterin S6 sowie die Geschäftsführer D4 und D2 enthalten sind. Einen Tag später wurde auf Anforderung einer Mitarbeiterin der Geschäftsleitung durch den Kläger die Tagesordnung der Betriebsversammlung übersandt.

Die Einladung der Belegschaft zu der Betriebsversammlung vom 10.04.2008 erfolgte über einen Aushang im Betrieb.

In der Folgezeit lud die Geschäftsführung der Beklagten die Belegschaft für den 09.04.2008 zu einer Belegschaftsversammlung ein. Der Geschäftsführer D4 äußerte auf dieser Belegschaftsversammlung gegenüber den Mitarbeitern, dass die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat nicht funktioniere und der Betriebsrat die Geschäftsleitung nicht einmal zu der Betriebsversammlung vom 10.04.2008 eingeladen habe, man habe hierdurch lediglich durch den Aushang Kenntnis erlangt. Aus diesem Grunde habe man nunmehr die Belegschaftsversammlung einberufen.

Der Kläger holte daraufhin den mit der Geschäftsleitung geführten E-Mail-Verkehr aus dem Betriebsratsbüro und äußerte sich gegenüber der Belegschaft noch am 09.04.2008 wie folgt: "Das ist ein dicker Hund, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass Herr D4 sich vor euch stellt und euch was vorlügt, ohne rot zu werden." Anschließend gab er den Inhalt des mit der Geschäftsleitung geführten E-Mail-Verkehrs der Belegschaft bekannt.

Auf der am Folgetag stattfindenden Betriebsversammlung wiederholte der Kläger sinngemäß die gemachte Äußerung.

Mit zwei Schreiben vom 14.04.2008 (Bl. 32, 33 der Akten) erteilte die Beklagte dem Kläger zwei Abmahnungen, mit denen sie dem Kläger vorwarf, auf der Belegschaftsversammlung vom 09.04.2008 und auf der Betriebsversammlung vom 10.04.2008 die Geschäftsführer D2 und D4 als Lügner bezeichnet zu haben. Auf den weiteren Inhalt der Abmahnungen vom 14.04.2008 wird Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 08.05.2008 (Bl. 37 f. der Akten) forderte die Beklagte den Kläger unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 02.03.2007 nach der widerrufenen Freistellung als Betriebsratsmitglied auf, ab dem 19.05.2008 die Arbeit als Finisher in der Lackiererei (Kostenstelle 330) aufzunehmen. Auf den weiteren Inhalt des Schreibens vom 08.05.2008 wird Bezug genommen.

In der Lackierei wurde bis zum Beginn des Betriebsurlaubs am 14.07.2008 Schichtarbeit mit Früh- und Spätschicht geleistet. Die Beklagte pflegte entsprechende Schichtzeiten für den Kläger in ihr Zeiterfassungsprogramm ein.

In der Zeit vom 13.05.2008 bis zum 14.07.2008 war der Kläger durchgängig mit Ausnahme von Krankheitszeiten während der Zeiten der Tagschicht von 6:00 Uhr bis 15:15 Uhr bzw. 11:15 Uhr, im Betrieb anwesend. Er meldete sich jedoch regelmäßig wenige Minute nach Eintreffen im Betrieb bis zu seinem Verlassen des Betriebes wegen Betriebsratsarbeit von der Arbeit ab. Für den Zeitraum vom 02.06.2008 bis zum 16.06.2008 ergaben sich folgende Zeiten:

 SchichtbeginnTatsächlich im Betrieb erschienenAbmeldung wegen BR-ArbeitBetrieb verlassen
02.06.200805.30 Uhr05.57 Uhr06.13 Uhr15.30 Uhr
03.06.200805.30 Uhr05.55 Uhr06.08.Uhr15.19 Uhr
04.06.200805.30 Uhr05.59 Uhr06.08 Uhr15.26 Uhr
05.06.200805.30 Uhr05.55 Uhr06.02 Uhr15.25 Uhr
06.06.200805.30 Uhr06.00 Uhr06.08 Uhr12.34 Uhr
09.06.200814.00 Uhr05.57 Uhr06.06 Uhr15.18 Uhr
10.06.200814.00 Uhr05.49 Uhr05.59 Uhr15.19 Uhr
11.06.200814.00 Uhr05.56 Uhr06.00 Uhr (mündl.)15.20 Uhr
12.06.200814.00 Uhr05.57 Uhr06.55 Uhr15.21 Uhr
13.06.200814.00 Uhr05.58 Uhr05.58 Uhr12.19 Uhr
16.06.200805.30 Uhr05.52 Uhr05.59 Uhr15.17 Uhr

Durch ihr Zeiterfassungssystem erfasste die Beklagte im Juni 2008 lediglich die Zeiten als Arbeitszeit, in denen sich die Anwesenheit des Klägers mit den von der Beklagten vorprogrammierten Schichtarbeitszeiten deckte. Die übrigen Anwesenheitszeiten des Klägers im Betrieb blieben unberücksichtigt. Hieraus ergab sich für die Monate Juni und Juli 2008 ein Negativ-Saldo von 67,5 Stunden, der dem Arbeitszeitkonto des Klägers belastet wurde.

Nach diversem Schriftverkehr zwischen dem inzwischen eingeschalteten Prozessbevollmächtigten des Klägers und der Beklagten, die unter anderem die Darlegung der Erforderlichkeit der Betriebsratstätigkeit des Klägers im Mai sowie für die Zeit bis zum 16.06.2008 verlangt hatte, übermittelte der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten am 02.07.2008 eine Tätigkeitsdarstellung seiner Betriebsratstätigkeit (Bl. 21 ff. der Akten), auf die im Einzelnen Bezug genommen wird.

Mit der Abrechnung für den Monat Juni 2008 kürzte die Beklagte die Vergütung des Klägers pauschal um 25 %, mithin um einen Betrag von 681,54 € (Bl. 27 der Akten).

Mit Schreiben vom 12.08.2008 (Bl. 30 der Akten) machte der Kläger gegenüber der Beklagten die Nachzahlung des einbehaltenen Entgelts für den Monat Juni 2008 sowie die Korrektur seines Arbeitszeitkontos um 67,5 Stunden geltenden.

Mit der am 02.10.2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verlangt der Kläger darüber hinaus die Entfernung der ihm erteilten Abmahnungen vom 14.04.2008 aus der Personalakte sowie die Feststellung, dass er nicht zur Schichtarbeit verpflichtet sei.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die ihm erteilten Abmahnungen seien rechtswidrig und aus seiner Personalakte zu entfernen. Aus dem Geschehensablauf ergebe sich, dass der Geschäftsführer D4 auf der Belegschaftsversammlung fälschlicherweise behauptet habe, der Betriebsrat habe die Geschäftsführung nicht zu der Betriebsversammlung vom 10.04.2008 eingeladen. Durch diese objektiv unwahre Tatsachendarstellung habe der Geschäftsführer D4 im umgangssprachlichen Sinne gelogen, worauf der Kläger zu Recht hingewiesen habe. Die Abmahnungen vom 14.04.2008 seien schon insoweit unzutreffend, als dem Kläger darüber hinaus vorgeworfen werde, er habe - auch - den Geschäftsführer D2 vor der Belegschaft als Lügner genannt.

Die Beklagte sei auch verpflichtet, sein Arbeitszeitkonto zu korrigieren und die in den Monaten Juni und Juli 2008 ins Minus gebuchten Stunden auf dem Arbeitszeitkonto wieder gutzuschreiben. Die Beklagte sei nicht berechtigt, die tatsächlichen Anwesenheitszeiten, in denen er erforderliche Betriebsratsarbeit geleistet habe, zu ignorieren. Mit seinem direkten Vorgesetzten habe er auch abgesprochen, weiterhin in der Tagschicht zu arbeiten.

Auch der Lohnabzug für den Monat Juni 2008 sei ungerechtfertigt. Er, der Kläger, habe auch in der Zeit vom 02.06. bis zum 16.06.2008 durchgängig erforderliche Betriebsratsarbeit geleistet. Diese habe er auch plausibel im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dargelegt. Insoweit nimmt er auf seine Darstellung seiner Betriebsratstätigkeit (Bl. 21 ff. der Akten) Bezug.

Schließlich hat der Kläger die Auffassung vertreten, dass er nicht verpflichtet sei, Schichtarbeit zu leisten. Von Anbeginn des Arbeitsverhältnisses an habe er keine Schichtarbeit geleistet, er sei nach dem Einstellungsvertrag vom 05.01.1982 für die Kostenstelle 350 eingestellt worden. In dieser Kostenstelle, am Montageband, werde aber nicht in Schicht gearbeitet. Die Anordnung der Beklagten vom 08.05.2008 stelle sich als Maßregelung und als bloße Reaktion auf die Äußerungen des Klägers auf der Belegschaftsversammlung vom 09.04.2008 und auf der Betriebsversammlung vom 10.04.2008 sowie auf seine engagierte Betriebsratsarbeit dar. Mit seinem Vorgesetzten, so hat er behauptet, habe er ausdrücklich vereinbart, in der Tagschicht tätig zu werden. Die Beklagte habe darüber hinaus keinen Versetzungsantrag beim Betriebsrat gestellt. Bereits aus diesem Grunde sei der Kläger nicht verpflichtet, in Schichtarbeit tätig zu werden. Schließlich entspreche die Zuweisung einer Tätigkeit in der Lackierei im Schichtbetrieb nicht billigem Ermessen im Sinne des § 315 BGB. Sachliche Gründe, insbesondere den Kläger in Schichtarbeit einzuteilen, seien angesichts der Vielzahl anderer, nicht in Schicht befindlicher Arbeitsplätze nicht ersichtlich. Lediglich etwa 10 % der Mitarbeiter der Beklagten arbeiteten im Schichtbetrieb.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 681,54 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz gemäß § 1 DÜG seit dem 01.07.2008 zu zahlen;

2. festzustellen, dass er nicht verpflichtet ist, Schichtarbeit zu leisten;

3. die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnungen vom 14.04.2008 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen;

4. die Beklagte zu verurteilen, in seinem persönlichen Arbeitszeitkonto 67,5 bisher im Minus verbuchte Stunden aus den Monaten Juni und Juli 2005 wieder gutzuschreiben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe keinen Anspruch auf Entfernung der Abmahnungen aus der Personalakte. Er habe die Geschäftsführung auf der Belegschaftsversammlung sowie auf der Betriebsversammlung als Lügner bezeichnet und damit eine üble Nachrede im Sinne des § 186 StGB begangen. Die Geschäftsführung der Beklagten brauche sich nicht vom Betriebsratsvorsitzenden grundlos als Lügner bezeichnen zu lassen.

Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Zahlung des einbehaltenen Entgelts für Juni 2008 sowie auf die eingeklagte Korrektur seines Arbeitszeitkontos. Spätestens seit dem Schreiben der Geschäftsführung vom 08.05.2008 sei der Kläger verpflichtet, Schichtarbeit zu leisten. Diese sei ihm wirksam zugewiesen worden. Die Beklagt sei nicht verpflichtet, diejenigen Arbeitszeiten, die der Kläger außerhalb der festgelegten Schichtzeiten geleistet habe, im Zeiterfassungssystem zu erfassen. Der Kläger habe auch nicht die Erforderlichkeit seiner Betriebsratstätigkeit vom 13.05.2008 bis zum 16.06.2008 plausibel dargelegt. Sein Vortrag sei viel zu pauschal und lasse eine Bewertung nicht zu. Sie, die Beklagte, habe die Erforderlichkeit der Betriebsratsarbeit des Klägers substantiiert bestritten (Bl. 68 ff. der Akten).

Schließlich sei der Kläger auch verpflichtet, Schichtarbeit zu leisten. Die Festlegung der konkreten Arbeitszeit liege nämlich im Direktionsrecht des Arbeitgebers. Insoweit sei der Kläger bei Bedarf auch verpflichtet, Schichtarbeit zu leisten. Dem Kläger sei wirksam Schichtarbeit zugewiesen worden, indem er zur Arbeitsleistung in der Kostenstelle 330 (Lackierei) aufgefordert worden sei. Ein Einsatz in der Kostenstelle 350 sei nicht in Betracht gekommen, da dort Tätigkeiten am Band verrichtet würden und ein jederzeit möglicher Ausfall des Klägers wegen der Betriebsratsarbeit zu größeren organisatorischen Problemen führe.

Durch Urteil vom 14.01.2009 hat das Arbeitsgericht die Beklagte zur Entfernung der Abmahnungen vom 14.04.2008 aus der Personalakte des Klägers sowie zur Korrektur des Arbeitszeitkontos des Klägers verurteilt. Die darüber hinaus gehende Klage hat es abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass im Arbeitsvertrag zwischen den Parteien keine konkreten Regelungen über die Arbeitszeit festgelegt worden seien. Die Lage der Arbeitszeit stehe danach im Direktionsrecht des Arbeitgebers. Nach der Betriebsvereinbarung vom 21.12.2005 könne für alle Arbeitnehmer der Beklagten, auch für den Kläger, Schichtarbeit angeordnet werden. Dass der Kläger nach dem Arbeitsvertrag für die Kostenstelle 350 eingestellt worden sei und bislang keine Schichtarbeit geleistet habe, sei unerheblich. Allein der Umstand, dass die Beklagte von ihrem Direktionsrecht bislang keinen Gebrauch gemacht habe, führe nicht zu einer Konkretisierung der Arbeitszeit und Beschränkung der Tätigkeiten des Klägers auf die Tagschicht. Auch der geltend gemachte Zahlungsanspruch sei unbegründet, weil der Kläger nicht ausreichend substantiiert dargelegt habe, dass er im Juni 2008 durchgehend erforderliche Betriebsratsarbeit geleistet habe. Aufgrund seiner Darstellung bestünden Zweifel an der Erforderlichkeit der Betriebsratsarbeit, weil seine Darstellung keine ausreichende Plausibilitätskontrolle, insbesondere hinsichtlich des zeitlichen Umfanges der einzelnen Betriebsratstätigkeiten ermögliche.

Gegen das dem Kläger am 04.02.2009 zugestellte Urteil, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat der Kläger am 04.03.2009 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 06.05.2009 mit dem am 06.05.2009 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrages ist der Kläger der Auffassung, die von der Beklagten angebrachten Zweifel an der Erforderlichkeit der Betriebsratstätigkeit seien nicht gerechtfertigt. Das Arbeitsgericht habe übersehen, dass der Betrieb der Beklagten den Schwellenwert des § 38 BetrVG nur ganz geringfügig unterschreite und im Übrigen noch 50 bis 70 Leiharbeitnehmer im Betrieb regelmäßig beschäftig seien. Der Betriebsrat müsse sich auch mit den Anliegen der Leiharbeitnehmer befassen. Der Arbeitsanfall des Betriebes entspreche allein aus diesem Grunde dem einer Belegschaftsstärke von über 200 Arbeitnehmern.

Der Kläger habe darüber hinaus weiterhin einen Anspruch auf Freistellung mindestens nach § 37 Abs. 2 BetrVG. Die mit dem damaligen Geschäftsführer der Beklagten und dem Betriebsrat getroffene Vereinbarung über die weitere Freistellung des Klägers gelte nach wie vor, sie könne nicht einseitig durch die Beklagte widerrufen werden. Die Zahl der Freistellungen bleibe unverändert, wenn die Arbeitnehmeranzahl während einer Wahlperiode unter den Schwellenwert des § 38 BetrVG absinke und die Aufgaben des Betriebsrates sich nicht entsprechend verringerten. Der Aufgabenumfang des Betriebsrates sei im vorliegenden Fall trotz der geringfügigen Unterschreitung des Schwellenwertes von 200 Stammarbeitnehmern bei einer Anzahl von ca. 240 bis 260 zu betreuenden Beschäftigten konstant hoch gewesen.

Das Arbeitsgericht habe auch verkannt, dass ein Betriebsratsmitglied lediglich die Art seiner Tätigkeit, keinesfalls aber den Inhalt seiner Tätigkeit stichwortartig umreißen müsse, anderenfalls sei die Unabhängigkeit der Amtsführung und die Schweigepflicht des Betriebsrates gefährdet. Insoweit habe das Arbeitsgericht an den Sachvortrag des Klägers zu strenge Anforderungen gestellt. Eine weitergehende Darlegung der Betriebsratstätigkeit des Klägers würde das Maß des Zumutbaren überschreiten, da der Kläger im Vorfeld auch nicht davon habe ausgehen müssen, dass die Beklagte ihn zu einer minutiösen Darstellung seiner Tätigkeit auffordern würde.

Schließlich sei es unzulässig, einfach pauschal 25 % der Vergütung einzubehalten, ohne zu erläutern, für welche konkreten Tätigkeiten, die der Kläger benannt habe, die Erforderlichkeit für nicht ausreichend dargelegt erachtet werde.

Der Kläger sei auch nicht verpflichtet, Schichtarbeit zu leisten. Für den Kläger seien aufgrund der Vereinbarungen im Arbeitsvertrag allein die Arbeitszeitregelungen der Kostenstelle 350 maßgeblich. Für diese Kostenstelle gebe es keine Schichtarbeit. An der arbeitsvertraglichen Vereinbarung habe sich bislang nichts geändert. Anderen Kostenstellen sei der Kläger weder arbeitsvertraglich noch betriebsverfassungsrechtlich zugeordnet worden. Mindestens liege in der Anordnung der Schichtarbeit ein Verstoß gegen § 99 BetrVG.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 14.01.2009 - 6 Ca 2726/08 - teilweise abzuändern und

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 681,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem BasiszinsSatz gemäß § 1 DÜG seit dem 01.07.2008 zu zahlen,

2. sowie festzustellen, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, Schichtarbeit zu leisten,

hilfsweise festzustellen, dass er nicht verpflichtet ist, Schichtarbeit zu leisten, solange die Beklagte eine solche nicht unter Beachtung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates auch für die Kostenstelle 350 angeordnet hat.

Die Beklagt beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil, soweit es die Klage abgewiesen hat und ist der Auffassung, dass der Kläger keinen Anspruch auf Freistellung nach den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes habe. Die Zahl der Belegschaft im Betrieb der Beklagten sei deutlich unter 200 abgesunken. Im Jahre 2007 habe die Beklagte 173 Mitarbeiter, einschließlich 8,5 Auszubildende und zwei Mitarbeiter in Elternzeit gehabt. Im Jahre 2008 habe die Beklagte insgesamt 182,5 Mitarbeiter, einschließlich sieben Auszubildende und zwei Mitarbeiter in Elternzeit, beschäftigt. Wegen der Nichtberücksichtigung der im Betrieb der Beklagten beschäftigten Leiharbeitnehmer sei die Freistellung des Klägers danach nicht mehr wirksam gewesen, als sie von der Beklagten bereits im Jahre 2007 widerrufen worden sei. Der Widerruf der Beklagten sei auch als einseitiger Gestaltungsakt wirksam gewesen.

Seinen angeblichen Anspruch auf Freistellung habe der Kläger seither praktisch selbst einseitig durchgesetzt und keinerlei Arbeit als Arbeitnehmer verrichtet. Das Vorbringen des Klägers, die Aufgaben des Betriebsrats hätten sich trotz Verringerung der Arbeitnehmerzahl nicht verringert, sei völlig unsubstantiiert. Der Kläger wisse selbst, dass die Betriebsratsarbeit weniger geworden sei. Dies ergebe sich bereits daraus, dass die Urlaubsvertretung des Klägers lediglich wenige Stunden pro Woche an Betriebsratsarbeit geleistet habe. Erst als der Kläger aus dem Urlaub wieder zurückgekehrt sei, sei die Betriebsratsarbeit wieder dermaßen hochgeschnellt, dass der Kläger jeden Tag - bis auf wenige Minuten - lediglich Betriebsratsarbeit geleistet habe. Hieraus ergebe sich, dass der Kläger nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nähere Angaben zur Erforderlichkeit der jeweiligen Betriebsratsarbeit machen müsse. Gerade weil anhand der betrieblichen Situation erhebliche Zweifel an der Erforderlichkeit der Betriebsratsarbeit bestünden, reiche die bloße Behauptung des Klägers, die Betriebsratsarbeit sei erforderlich gewesen, nicht aus. Der Kläger habe zu den erstinstanzlich von der Beklagten gemachten Vorhaltungen im Schriftsatz vom 15.12.2008 (Bl. 68 ff. d.A.) näher Stellung nehmen müssen.

Zu Recht habe das Arbeitsgericht auch die Klage abgewiesen, soweit der Kläger geltend mache, zur Schichtarbeit nicht verpflichtet zu sein. Welcher Kostenstelle der Kläger zugeordnet sei, sei völlig unerheblich. Für den Kläger würden die gleichen Rechte und Pflichten wie für alle anderen Arbeitnehmer im Betrieb der Beklagten gelten. Wenn die von ihm als Arbeitnehmer auszuführende Tätigkeit gemäß ERA-Beschreibung in Schichtarbeit auszuführen sei, gelte dies auch für den Kläger.

Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist in vollem Umfange begründet.

I.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung des von der Beklagten einbehaltenen Entgelts für den Monat Juni in Höhe von 681,54 € brutto.

1. Dieser Anspruch ergibt sich weder aus § 611 BGB i.V.m. dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrag noch aus § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Unstreitig hat der Kläger im Juni 2008 keine Arbeitsleistung erbracht und seine Arbeitsleistung auch nicht nach § 615 BGB angeboten.

Der Kläger hatte auch keinen gesetzlichen Anspruch nach § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG auf Freistellung von seiner beruflichen Tätigkeit, da im Juni 2008 im Betrieb der Beklagten regelmäßig nicht mehr als 200 Arbeitnehmer beschäftigt waren. Nach der ständigen, wenn auch erheblich bestrittenen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind nämlich bei der für die Anzahl der nach § 38 Abs. 1 BetrVG freizustellenden Betriebsratsmitglieder maßgeblichen Belegschaftsstärke die Leiharbeitnehmer nicht zu berücksichtigen (BAG, 22.10.2003 - 7 ABR 3/03 - AP BetrVG 1972 § 38 Nr. 28; BAG, 16.04.2003 - 7 ABR 53/02 - AP BetrVG 1972 § 9 Nr. 7; BAG, 10.03.2004 - 7 ABR 49/03 - AP BetrVG 1972 § 7 Nr. 8; GK/Weber, BetrVG, 8. Aufl., § 38 Rn. 11; Gillen/Vahle, BB 2006, 2749, 2750; a.A.: Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 24. Aufl., § 38 Rn. 9; Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, BetrVG, 11. Aufl., § 38 Rn. 9; ErfK/Eisemann, 9. Aufl., § 38 Rn. 1; Richardi/Thüsing, BetrVG, 11. Aufl., § 38 Rn. 9; Blanke, DB 2008, 1153 m.w.N.).

Die Berufungskammer konnte für den vorliegenden Fall auch offen lassen, ob der Anspruch des Klägers auf Zahlung des restlichen Arbeitsentgelts für den Monat Juni 2008 aus § 37 Abs. 2 BetrVG folgt und ob der Kläger in ausreichendem Maße substantiiert dargelegt hat, dass er im Juni 2008 im Umfang des einbehaltenen Entgelts erforderliche Betriebsratsarbeit geleistet hat.

2. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung des einbehaltenen Entgelts für den Monat Juni 2008 ergibt sich nämlich daraus, dass die Beklagte mit dem Betriebsrat eine anderweitige Vereinbarung nach § 38 Abs. 1 Satz 5 BetrVG über die weitere vollständige Freistellung des Klägers getroffen hat, die - jedenfalls - im Juni 2008 nicht wirksam abgeändert worden ist.

a) Nach § 38 Abs. 1 Satz 5 BetrVG können durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung anderweitige Regelungen über die Freistellung von Betriebsratsmitgliedern vereinbart werden. § 38 Abs. 1 Satz 5 ermöglicht, anstelle der gesetzlichen eine anderweitige pauschalierte Regelung der Freistellung festzulegen. Insoweit ist es auch möglich, auch für Betriebe unter 200 Arbeitnehmern eine pauschalierte völlige oder teilweise Freistellung von Betriebsratsmitgliedern zu vereinbaren (Fitting, a.a.O., § 38 Rn. 28; DKK/Wedde, a.a.O., § 38 Rn. 26; ErfK/Eisemann, a.a.O., § 38 Rn. 5; Richardi/Thüsing, a.a.O., § 38 Rn. 21; GK/Weber, a.a.O., § 38 Rn. 32).

Zwar liegt insoweit weder eine tarifvertragliche Vereinbarung noch eine nach § 77 Abs. 2 BetrVG formwirksam abgeschlossene schriftliche Betriebsvereinbarung über die vollständige Freistellung des Klägers von seiner beruflichen Tätigkeit vor.

Die Beklagte hat jedoch mit dem Betriebsrat über die weitere vollständige Freistellung des Klägers von seiner Arbeitsleistung eine freiwillige anderweitige Regelung im Sinne einer Regelungsabrede, die vielfach eine wegen fehlender Schriftform unwirksame Betriebsvereinbarung ersetzt, getroffen. Diese Vereinbarung war auch im Juni 2008 noch gültig.

b) Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte mit dem Betriebsrat, nachdem zunächst mit Schreiben vom 02.03.2007 die Zustimmung der Beklagten zur Freistellung des Klägers zurückgezogen worden war, nach Gesprächen zwischen dem Betriebsratsausschuss und der damaligen Geschäftsführung vereinbart hat, dass der Kläger in vollem Umfang von seiner Arbeitsleistung freigestellt blieb. Der Kläger hat bereits in der Klageschrift ausdrücklich vorgetragen, dass sich der damalige Geschäftsführer K2 seinerzeit damit einverstanden erklärt hat, dass es bei der Freistellung des Klägers verblieb. Im Termin vor der Berufungskammer vom 07.08.2009 ist dieses Vorbringen durch die Beklagte ausdrücklich unstreitig gestellt worden.

Jedenfalls im Juni 2008 war diese Freistellungsvereinbarung zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat noch wirksam. Sie ist insbesondere nicht durch das Schreiben der neuen Geschäftsführung der Beklagten vom 08.05.2008 wirksam widerrufen worden.

Zwar hat die Beklagte den Kläger unter Hinweis auf das Widerrufsschreiben vom 02.03.2007 zur Arbeitsleistung als Finisher in der Lackiererei aufgefordert. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten war die Freistellungsvereinbarung jedoch nicht einseitig widerrufbar. Bei der zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat mündlich abgeschlossenen Vereinbarung über die weitere vollständige Freistellung des Klägers handelt es sich nämlich - wie bereits ausgeführt - um eine Regelungsabrede, die auf eine längere Dauer angelegt gewesen ist und in entsprechender Anwendung des § 77 Abs. 5 BetrVG lediglich ordentlich mit einer Frist von drei Monaten kündbar war ( BAG, 10.03.1992 - 1 ABR 31/91 - AP BetrVG 1972 § 77 Regelungsabrede Nr. 1; Fitting, a.a.O., § 77 Rn. 225; Richardi, a.a.O., § 77 Rn. 232; DKK/Berg, a.a.O., § 77 Rn. 82 m.w.N.). Selbst wenn das Schreiben der Beklagten vom 08.05.2008 als Kündigung der unstreitig abgeschlossenen Freistellungsvereinbarung angesehen werden sollte, hätte diese Kündigung die Freistellungsvereinbarung frühestens zum 08.08.2008 beenden können. Im Juni 2008 war danach die Freistellungsvereinbarung noch wirksam.

Zwar kann eine Regelungsvereinbarung, ebenso wie eine Betriebsvereinbarung, grundsätzlich auch außerordentlich gekündigt werden. Für einen wichtigen Grund, die im Jahre 2007 getroffene Freistellungsvereinbarung jedoch mit sofortiger Wirkung zu beenden, sind jedoch Anhaltspunkte nicht ersichtlich und von der Beklagten auch nicht vorgetragen worden.

Da die zwischen dem Betriebsrat und der Beklagten getroffene Freistellungsvereinbarung jedenfalls im Juni 2008 nicht wirksam beendet worden war, war die Einteilung des Klägers zur Schichtarbeit gemäß Schreiben vom 08.05.2008 unwirksam. Im Juni 2008 war der Kläger noch freigestelltes Betriebsratsmitglied und konnte die Betriebsratstätigkeit im Rahmen der allgemeinen Vorgaben grundsätzlich so einteilen, wie es seiner Ansicht nach für die ordnungsgemäße Durchführung seiner Aufgaben erforderlich war. Die pauschale Kürzung des Arbeitsentgelts des Klägers für den Monat Juni 2008 war unwirksam.

II.

Auch dem Feststellungsantrag des Klägers musste stattgegeben werden.

1. Zu Recht hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil ausgeführt, dass für den Feststellungsantrag ein Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO besteht. Gegenstand einer Feststellungsklage kann das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses sein. Ausreichend ist es auch, dass einzelne Elemente eines Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien im Streit stehen, um ein Feststellungsinteresse zu begründen.

2. Der Feststellungsantrag ist auch begründet.

a) Die Berufungskammer hat offen gelassen, ob mit dem Hinweis auf die Kostenstelle 350 im Arbeitsvertrag vom 05.01.1982 die Zuweisung eines ganz bestimmten Arbeitsplatzes vertraglich vereinbart worden ist. Die Berufungskammer unterstellt, dass die Beklagte den Kläger insoweit in Ausübung ihres Direktionsrechts auch an einem anderen Arbeitsplatz im Betrieb einsetzen konnte.

Es brauchte auch nicht entschieden zu werden, ob die Einteilung des Klägers zur Schichtarbeit gemäß Schreiben vom 08.05.2008 der Zustimmung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 BetrVG bedurfte.

b) Das - unterstellte - Direktionsrecht der Beklagten ist bei dem Arbeitseinsatz des Klägers gemäß Schreiben vom 08.05.2008 in der Lackiererei nicht ordnungsgemäß ausgeübt worden, weil die Beklagte berechtigte Interessen des Klägers nicht ausreichend berücksichtigt hat.

Zwar steht bei der Ausübung des Direktionsrechts dem Arbeitgeber regelmäßig ein weiter Raum zur einseitigen Gestaltung der Arbeitsbedingungen zu. Insbesondere hat der Arbeitgeber das Recht, die arbeitsvertraglich nur rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht des Arbeitnehmers im Einzelnen festzulegen und dabei Zeit, Art und Ort der Arbeitsleistung zu bestimmen. Der Arbeitgeber darf auch einen Wechsel in der Art der Beschäftigung des Arbeitnehmers herbeiführen oder den Arbeitsbereich des Arbeitnehmers verändern, soweit dies arbeitsvertraglich zulässig ist. Im Übrigen darf das Direktionsrecht aber nur nach billigem Ermessen gemäß § 315 BGB ausgeübt werden. Dabei hat der Arbeitgeber auch auf die Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen, § 106 Satz 3 GewO. Die Ausübung billigem Ermessens nach § 315 BGB setzt dabei voraus, dass die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden (BAG, 27.03.1980 - 2 AZR 506/78 - AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 26; BAG, 23.06.1993 - 5 AZR 337/92 - AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 42; BAG, 29.10.1997 - 5 AZR 573/96 - AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 51; ErfK/Preis, a.a.O., § 611 BGB Rn. 64 ff., 233 m.w.N.).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Maßnahme der Beklagten vom 08.05.2008, den Kläger ab sofort als Finisher in der Lackiererei im Schichtbetrieb einzusetzen, unwirksam gewesen. Hierbei sind nämlich die persönlichen Interessen des von der Maßnahme betroffenen Klägers nicht ausreichend berücksichtigt worden. Sachliche Gründe, den Kläger, der als Betriebsratsvorsitzender mindestens in den letzten sechs Jahren keine Schichtarbeit geleistet hat und als freigestelltes Betriebsratsmitglied regelmäßig in der Tagschicht im Betrieb der Beklagten anwesend gewesen ist, nunmehr in Schichtarbeit einzusetzen, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Unstreitig ist zwischen den Parteien, dass der Kläger, bis es zu den Auseinandersetzungen Anfang des Jahres 2008 gekommen ist, zu keinem Zeitpunkt in Schicht gearbeitet hat. Aus welchen Gründen dem Kläger Anfang Mai 2008 ausgerechnet Schichtarbeit zugewiesen werden musste, ist weder ersichtlich noch vorgetragen. Der Kläger vielmehr unstreitig bereits in der Klageschrift mitgeteilt, dass im Betrieb eine Vielzahl anderer Arbeitsplätze, an denen keine Schichtarbeit geleistet wird, vorhanden gewesen ist. Da die Beklagte sachliche Gründe für die Zuweisung der Tätigkeit in der Lackiererei in Schichtarbeit gemäß Schreiben vom 08.05.2008 nicht vorgetragen hat, sprechen vielmehr die vorangegangenen Auseinandersetzungen dafür, dass es sich bei der Zuweisung der Schichtarbeit um eine Maßregelung des Klägers nach § 612 a BGB gehandelt hat. Mangels Vorliegens sachlicher Gründe im Sinne des § 315 BGB erweist sich die Zuweisung der Schichtarbeit danach als unwirksam.

III.

Der zugesprochene Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Beklagte hat die Kosten des gesamten Rechtsstreits zu tragen, da sie unterlegen ist.

Der Streitwert war für das Berufungsverfahren neu festzusetzen. Er beträgt 3.319,22 €.

Für die Zulassung der Revision zum Bundesarbeitsgericht bestand nach § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.

Ende der Entscheidung

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