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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 07.07.2006
Aktenzeichen: 10 Sa 332/06
Rechtsgebiete: BGB, KSchG, GewO


Vorschriften:

BGB § 626
KSchG § 1 Abs. 2
GewO § 109
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 12.01.2006 - 2 Ca 3123/05 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten u.a. um den Bestand des Arbeitsverhältnisses.

Die am 07.05.1958 geborene Klägerin ist verheiratet und hat drei Kinder im Alter von 27, 25 und 19 Jahren. Seit dem 01.08.1999 ist sie als Altenpflegerin zu einem monatlichen Bruttoverdienst von zuletzt durchschnittlich 1.870,00 € brutto bei einer vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit von 21,5 Stunden in dem vom Beklagten betriebenen Seniorenzentrum W4xxxx-B3xxxxxxxx aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 09.08./11.10.1999 (Bl. 14 f.d.A.) tätig. Die Klägerin war zuletzt ständig im Nachtdienst eingesetzt.

Das Seniorenzentrum B3xxxxxxxx ist auf drei Wohnbereiche aufgeteilt und beherbergt etwa 100 Bewohner bzw. Bewohnerinnen auf drei Etagen. Hiervon sind jeweils 40 Bewohner auf den Wohnbereichen 2 und 3 sowie weitere 20 Bewohner/innen auf dem Wohnbereich 1 untergebracht. Im Nachtdienst sind grundsätzlich zwei Mitarbeiter/innen in der Zeit von 20.30 Uhr bis 7.00 Uhr tätig. Die Bewohner werden zwischen den beiden Mitarbeiterinnen in der Weise aufgeteilt, dass eine Pflegekraft zuständig ist für die Bewohner/innen aus dem Wohnbereich 2 und für weitere zehn Bewohner/innen aus dem Wohnbereich 1, die weitere Pflegekraft ist zuständig für die Bewohner/innen aus dem Wohnbereich 3 und weitere zehn Bewohner/innen aus dem Wohnbereich 1; damit ist jede Pflegekraft während des Nachtdienstes zuständig für insgesamt 50 Bewohner/innen. Im Rahmen der Versorgung dieser Bewohner sind zwei Rundgänge in der Nachtwache durchzuführen, während derer jeweils Inkontinenzmaterial bei den Bewohnern/innen zu wechseln ist sowie Toilettengänge mit diesen vorgenommen werden müssen. Darüber hinaus sind Getränke zu reichen und ein kompletter Kontrollgang durchzuführen. Die Bewohner/innen sind zu lagern bzw. umzulagern. Diese Tätigkeiten sind in einer Dokumentation und in den Leistungsnachweisen, Lagerungsplänen, Trinkprotokollen, Berichtsblättern sowie Ausscheidungsprotokollen vorzunehmen. Diese Tätigkeiten müssen die jeweiligen Pflegekräfte mindestens zweifach erledigen. Daneben sind Medikamente zu verabreichen und in weiteren Einzelfällen andere gebotene Maßnahmen durchzuführen.

In der Nacht vom 03. auf den 04.09.2005 war die Klägerin neben der Mitarbeiterin P1xxxxxxxxx als Nachtwache eingesetzt. In dieser Nacht wurde durch den Leiter der Einrichtung sowie die zuständige Pflegedienstleiterin eine Begehung des Heimes durchgeführt, da es in den vorrangegangenen Nächten, in denen die Klägerin nicht eingesetzt war, zu Missständen gekommen sein soll.

Dabei stellten der Leiter der Einrichtung sowie die Pflegedienstleitung gegen 0.15 Uhr fest, dass in die Pflegedokumentation von der Klägerin bereits folgende Voreintragungen vorgenommen worden waren:

"Bewohnerin Frau S6xxxxx

Einlagenwechsel ca. 2.00 Uhr

Wasser gereicht 100 ml 2.20 Uhr

Lagerung 2.30 Uhr

Bewohnerin Frau P2xxxxxxxxx

Reichung von Tee 50 ml 2.30 Uhr

Lagerung 2.30 Uhr

Bewohnerin Frau S7xxx, M2xxx

Wasser gereicht 30 ml 3.00 Uhr

Einlagenwechsel ca. 1.30 Uhr

Lagerung 2.50 Uhr"

In der gleichen Nacht wurden bei der Mitarbeiterin P1xxxxxxxxx ebenfalls Vorabeintragungen festgestellt.

Deswegen kam es noch in der Nacht zu getrennten Gesprächen zwischen dem Leiter der Einrichtung und der Pflegedienstleitung einerseits und der Klägerin und der Mitarbeiterin P1xxxxxxxxx. Auf Vorhalt räumte die Klägerin ohne jedwedes Zögern und Leugnen ein, die Voreintragungen vorgenommen zu haben. Ob die Klägerin darüber hinaus in diesem Gespräch erklärt hat, dass sie das in der Regel immer so machen würde, ist zwischen den Parteien streitig.

Mit Schreiben vom 07.09.2005 (Bl. 38 ff.d.A.) bat der Beklagte den im Seniorenzentrum gewählten Betriebsrat um Zustimmung zur außerordentlichen, hilfsweise fristgerechten Kündigung zum 31.12.2005.

Nachdem der Betriebsrat die Wochenfrist hatte verstreichen lassen, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin mit Schreiben vom 15.09.2005 (Bl. 19 d.A.), der Klägerin zugegangen am 16.09.2005, fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 31.12.2005.

Hiergegen richtet sich die am 30.09.2005 beim Arbeitsgericht eingegangene Kündigungsschutzklage.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei weder als außerordentliche noch als ordentliche Kündigung wirksam. Zwar habe sie ihre Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verletzt, indem sie Voreintragungen in die Dokumentation vorgenommen habe. Sie habe jedoch die Dokumentationen nicht falsch ausgefüllt, da die - vorab eingetragenen - Tätigkeiten nachher genauso verrichtet worden seien. Insoweit sei die von ihr geführte Dokumentation nicht falsch gewesen.

Im Übrigen sei die Kündigung unverhältnismäßig, da zunächst eine Abmahnung hätte vorausgehen müssen. Eine Wiederholungsgefahr habe nicht bestanden, da die Klägerin ihr Fehlverhalten sofort eingesehen und die Pflichtverletzung auf Vorhalt des Beklagten sofort eingeräumt habe.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 15.09.2005, zugegangen am 16.09.2005, nicht aufgelöst worden ist,

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 15.09.2005, zugegangen am 16.09.2005, nicht aufgelöst worden ist,

3. den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin ein Zwischenzeugnis zu erteilen, welches sich auf Führung und Leistung erstreckt,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit den Anträgen zu 1) und 2) den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin ein endgültiges Zeugnis zu erteilen, welches sich auf Führung und Leistung erstreckt,

4. den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu 1) und 2) als Altenpflegerin im Seniorenzentrum W4xxxx-B3xxxxxxxx mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 21,5 Stunden bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, die außerordentliche Kündigung, jedenfalls aber die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung habe das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien beendet, weil die Klägerin sich einer schweren Pflichtverletzung schuldig gemacht habe.

Die Pflegedokumentation mit der dazugehörigen Pflegeplanung sei die Grundlage einer Pflegeleistung und in der Ausführung verbindlich einzuhalten. Die Dokumentation von Pflege und betreuerischen Maßnahmen sei sowohl das Ergebnis als auch die notwendige Voraussetzung des Pflegeprozesses. Insofern werde nicht nur von der Rechtsprechung verlangt, dass Pflegedokumentationen geführt würden, Pflegedokumentationen seien zudem notwendig, um Pflegeprozesse eindeutig erkennbar zu machen. In gerichtlichen Verfahren, in denen ein Bewohner Schadensersatzansprüche mit der Begründung fordere, Pflegefehler seien verursacht worden, sei die Pflegedokumentation vorzulegen und notwendiges Beweismaterial zur Entlastung ggf. auch zur Belastung des Trägers der Einrichtung. Deswegen sei die von der Klägerin vorgenommene Voreintragung in die Pflegedokumentation ein Kardinalfehler, der ohne Abmahnung zur außerordentlichen Kündigung, mindestens aber zur ordentlichen Kündigung berechtige. Soweit die Klägerin behaupte, die voreingetragenen Tätigkeiten später tatsächlich erbracht zu haben, sei dies unerheblich, da es auf den Zeitpunkt der Eintragung in die Dokumentation ankomme. Zum Zeitpunkt der Eintragungen habe es sich um falsche Eintragungen gehandelt. Der Beklagte hat behauptet, im Gespräch mit dem Leiter der Einrichtung und der zuständigen Pflegedienstleiterin habe die Klägerin noch in der Nacht vom 03./04.09.2005 erklärt, dass sie das in der Regel immer so machen würde. Sie habe damit bestätigt, regelmäßig Pflegeleistungen im voraus einzutragen, die zum Zeitpunkt der Eintragung tatsächlich noch nicht geleistet worden seien.

Durch Urteil vom 12.01.2005 hat das Arbeitsgericht der Klage in vollem Umfange stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, die Kündigung vom 15.09.2005 sei sowohl als fristlose wie auch als fristgemäße Kündigung unwirksam. Zwar habe die Klägerin durch die Vorabeintragungen in die Pflegedokumentation eine Pflichtverletzung begangen, das Fehlverhalten der Klägerin berechtige aber deswegen nicht zur fristgemäßen bzw. ordentlichen Kündigung, weil es an einer einschlägigen Abmahnung fehle, die bei einem steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers grundsätzlich einer Kündigung vorangehen müsse. Ein schwerwiegendes Fehlverhalten, das eine Abmahnung entbehrlich mache, liege nicht vor, weil im vorliegenden Fall die begründete Prognose bestehe, dass die Klägerin sich nach einer Abmahnung regelrecht verhalten hätte und keine Voreintragungen mehr vornehme.

Gegen das dem Beklagten am 09.02.2006 zugestellte Urteil, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat der Beklagte am 24.02.2006 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese mit dem am 23.03.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens ist der Beklagte der Auffassung, dass das Arbeitsgericht die unstreitig der Klägerin vorgeworfene Pflichtverletzung hinsichtlich ihrer Schwere und der Bedeutung falsch bewertet habe. Voreintragungen in eine Pflegedokumentation seien einer Dokumentation wesensfremd, das Arbeitsgericht habe den Inhalt der Dokumentation auf einen bloßen Leistungsnachweis reduziert. Eine Pflegedokumentation verfolge mehrere Ziele, nämlich die Sicherstellung der notwendigen Pflege, eine Rechenschaftslegung sowie eine Beweissicherung. Jede Vorabausfüllung laufe diesen Zielen zuwider, insofern handele es sich um eine Falscheintragung. Eine Sicherstellung der notwendigen Pflege lasse sich nur dadurch gewährleisten, dass das Pflegepersonal auch in hektischen Zeiten oder im Falle eines außerplanmäßigen Personalwechsels wisse, welche Tätigkeiten bereits geleistet seien und was noch zu tun sei. Wäre in der Pflegedokumentation eine Tätigkeit bereits als durchgeführt eingetragen, so führe diese Eintragung zwangsläufig dazu, dass keine weiteren Tätigkeiten mehr entfaltet würden. Die Pflege würde nicht vorgenommen werden. Die Folgen könnten mitunter verheerend sein. Der Beweissicherungszweck einer Pflegedokumentation würde durch ein Vorabausfüllen letztlich sogar bewusst verhindert. Insofern stelle sich das Vorausfüllen der Pflegedokumentation auch nicht bloß als minderschwere Pflichtverletzung dar, sondern als gravierender Verstoß gegen die Pflichten aus dem Arbeitsvertrag, der einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 BGB auch ohne vorangegangene Abmahnung darstelle. Die Klägerin habe nicht davon ausgehen dürfen, dass es sich bei der Vorabeintragung nicht um eine Vertragswidrigkeit handele oder von dem Beklagten nicht als erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Fehlverhalten angesehen werde. Allein aufgrund ihrer Ausbildung zur Altenpflegerin kenne die Klägerin die Gegebenheiten im Pflegedienst. Bei dieser Pflege handele es sich um einen hochsensiblen Bereich, der eine hundertprozentige Verlässlichkeit und Gewissenhaftigkeit erfordere. Aus diesem Grund sei ihr Fehlverhalten nicht hinnehmbar, zumal die Klägerin, wie die Beklagte erneut behauptet, im Rahmen des mit ihr geführten Gesprächs eingeräumt habe, dass ihr Verhalten im Nachtdienst Praxis sei. Dafür spreche auch, dass im gleichen Nachtdienst bei der Kollegin P4xxxxxxxxx ebenfalls Vorabeintragungen festgestellt worden seien.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 12.01.2006 - 2 Ca 3123/05 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Das Arbeitsgericht habe Sinn und Zweck der Pflegedokumentation in keiner Weise verkannt. Zu Recht sei es davon ausgegangen, dass es sich bei der von der Klägerin sofort eingeräumten Pflichtverletzung um einen minderschweren Fall handele, bei dem eine Abmahnung nicht entbehrlich sei. Auch die vom Arbeitsgericht vorgenommene Prognose sei nicht zu beanstanden. Die Klägerin habe nämlich in der Vergangenheit beanstandungsfrei ihre Tätigkeit verrichtet und sei auch bis zum Zugang der Kündigung und nach Zustellung des Urteils erster Instanz beanstandungslos weiterbeschäftigt worden. Insoweit sei eine Weiterbeschäftigung der Klägerin durchaus möglich und zumutbar.

Die Klägerin habe auch zu keinem Zeitpunkt gegenüber dem Beklagten erklärt, dass es sich bei den Vorabeintragungen um eine ständige Praxis des Nachtdienstes handele. Sie habe lediglich erklärt, dass ihr bewusst sei, was sie getan habe. Sie gehe davon aus, dass der Einrichtungsleiter bzw. die Pflegedienstleiterin diese Äußerung der Klägerin schlichtweg missverstanden hätten. Zu keinem Zeitpunkt habe sie erklärt, dass im Rahmen des Nachtdienstes stets Voreintragungen gemacht würden. Hinsichtlich der Arbeitsweise anderer Mitarbeiter habe sie ohnehin keine Angaben machen können.

Auch der Umstand, dass bei der Mitarbeiterin P4xxxxxxxxx Voreintragungen festgestellt worden seien, spreche ebenfalls nicht dafür, dass es sich hierbei die tatsächliche Praxis im Nachtdienst handele.

Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten ist nicht begründet.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung noch durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 15.09.2005 beendet worden ist, und den Beklagten zur Weiterbeschäftigung der Klägerin verurteilt. Ebenso zutreffend ist die Verurteilung des Beklagten zur Erteilung eines Zwischenzeugnisses.

I.

Die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 15.09.2005 ist unwirksam, da dem Beklagten ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB für die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zur Seite stand.

1. § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr zugemutet werden kann.

Hiernach ist bei allen Kündigungsgründen eine Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und einer Abwägung der jeweiligen Interessen beider Vertragsteile erforderlich. Dieses Erfordernis schließt es aus, bestimmte Tatsachen ohne Rücksicht auf die Besonderheit des Einzelfalles stets als wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung anzuerkennen; es gibt im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB keine absoluten Kündigungsgründe (BAG, Urteil vom 23.01.1963 - AP GewO § 124 a Nr. 8; BAG, Urteil vom 30.05.1978 - AP BGB § 626 Nr. 70; BAG, Urteil vom 15.11.1984 - AP BGB § 626 Nr. 87).

Bei der Überprüfung eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB ist zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles an sich geeignet ist, einen wichtigen Kündigungsgrund abzugeben. Liegt ein solcher Sachverhalt vor, bedarf es der weiteren Prüfung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles und der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht (BAG, Urteil vom 17.05.1984 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 14; BAG, Urteil vom 13.12.1984 - AP BGB § 626 Nr. 81; BAG, Urteil vom 02.03.1989 - AP BGB § 626 Nr. 101; KR/Fischermeier, 7. Aufl., § 626 BGB Rz. 84 ff.; ErfK/Müller-Glöge, 6. Aufl., § 626 BGB Rz. 34, 62 m.w.N.).

2. In Anwendung dieser Grundsätze erweist sich die außerordentliche Kündigung vom 15.09.2005 mangels eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB als unwirksam.

Der Beklagte kann die außerordentliche Kündigung vom 15.09.2005 nicht darauf stützen, dass die Klägerin in der Nachtschicht vom 03./04.09.2005 in die Pflegedokumentation Eintragungen zu einem Zeitpunkt vorgenommen hat, als sie die entsprechenden Pflegemaßnahmen noch nicht durchgeführt hatte.

a) In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist anerkannt, dass grobe Vertrauensverstöße eines Arbeitnehmers, insbesondere im Zusammenhang mit strafbaren Handlungen, grundsätzlich eine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB rechtfertigen können (BAG, Beschluss vom 10.02.1999 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 42; KR/Fischermeier, a.a.O., § 626 BGB Rz. 445 m.w.N.). Dies gilt nicht nur bei Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Zeiterfassung, auch das vorsätzlich falsche Ausstellen von Dokumentationen und entsprechender Formulare kann ebenso wie sonstige unrichtige Angaben in Tätigkeitsberichten grundsätzlich eine Kündigung rechtfertigen (vgl. BAG, Urteil vom 24.11.2005 - NZA 2006, 484 = DB 2006, 846; LAG Berlin, Urteil vom 27.06.1969 - BB 1969, 834; LAG Niedersachsen, Urteil vom 18.10.1994 - LAGE KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 44; ArbG Frankfurt, Urteil vom 24.07.2001 - NZA-RR 2002, 133; KR/Fischermeier, a.a.O. § 626 BGB Rz. 433 m.w.N.).

Ob und inwieweit der Arbeitnehmer sich mit seinem Fehlverhalten strafbar gemacht hat, ist für die Beurteilung eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 BGB oder für die soziale Rechtfertigung einer Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG nicht entscheidend (BAG, Urteil vom 20.04.1977 - AP BAT § 54 Nr. 1; BAG, Urteil vom 29.01.1997 - AP BGB § 626 Nr. 131).

In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist darüber hinaus anerkannt, dass auch Schlechtleistungen eines Arbeitnehmers grundsätzlich zu einer außerordentlichen Kündigung führen können. Fehl- oder Schlechtleistungen können aber nur ausnahmsweise unter besonderen Umständen eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. In aller Regel wird nämlich bei Schlechtleistungen eines Arbeitnehmers nach erteilter Abmahnung nur die ordentliche verhaltensbedingte Kündigung durchgreifen. Dies gilt auch bei fahrlässiger Zufügung größerer Schäden. Nur wenn der Arbeitnehmer vorsätzlich handelt und die Schlechtleistung absichtlich erfolgte, kann auch ohne vorausgehende Abmahnung eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein. Unter Umständen kann darüber hinaus auch ein einmaliges, fahrlässiges Verhalten bei einem gehobenen Angestellten mit besonderer Verantwortung eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, wenn das Verhalten des Angestellten geeignet ist, einen besonders schweren Schaden herbeizuführen und bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ähnliche Fehlleistungen durch den Arbeitnehmer zu befürchten sind (BAG, Urteil vom 14.10.1965 - AP BetrVG § 66 Nr. 27; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.02.1964 - BB 1964, 681; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.02.1969 - DB 1969, 931; LAG Köln, Urteil vom 02.07.1987 - LAGE BGB § 626 Nr. 32; LAG Hessen, Urteil vom 28.01.1994 - EzBAT § 54 Nr. 35; KR/Fischermeier, a.a.O., § 626 BGB Rz. 422 und 442; Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 9. Aufl., Rz. 656 ff., 658; APS/Dörner, 2. Aufl., § 626 BGB, Rz. 258 f. m.w.N.).

b) Der von dem Beklagten vorgetragene Sachverhalt gibt auch nach Auffassung der Berufungskammer bei allseitiger Abwägung der beiderseitigen Interessen keinen wichtigen Grund im Sinne des § 626 BGB ab. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

aa) Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Klägerin in der Nachtschicht vom 03./04.09.2005 in die Pflegedokumentation unzutreffende Eintragungen vorgenommen hat, indem sie die Eintragungen vorgenommen hat, bevor sie die Pflegemaßnahmen überhaupt durchgeführt hatte. Dies stellt, wie auch die Klägerin einräumt, eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung dar. Bereits das Arbeitsgericht hat insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass insoweit die Gefahr besteht, dass andere Tätigkeiten anfallen, die die spätere korrekte Durchführung der bereits dokumentierten Pflegemaßnahmen verhindern. Die Berufungskammer verkennt auch nicht, dass der Beklagte auf die korrekte Durchführung der Pflegedokumentation angewiesen ist. Der Beklagte verweist grundsätzlich auch zu Recht darauf hin, dass die Folgen bei einer Vorabeintragung gewisser Pflegemaßnahmen und späterer Nichtdurchführung unter Umständen verheerend sein können.

bb) Dennoch berechtigt das Fehlverhalten der Klägerin in der Nachtschicht vom 03./04.09.2005 den Beklagten auch nach Auffassung der Berufungskammer nicht zur außerordentlichen Kündigung, weil es sich bei dem Fehlverhalten der Klägerin um ein einmaliges, minderschweres Versagen der Klägerin gehandelt hat und diesem eine einschlägige Abmahnung hätte vorausgegangen sein müssen, an der es vorliegend fehlt.

Die Klägerin hat erstinstanzlich unwidersprochen dargestellt, aus welchen Gründen es zu den Vorabeintragungen in die Pflegedokumentation in der Nachtschicht vom 03./04.09.2005 gekommen ist. Hiernach hatte die Klägerin bei Dienstantritt in der Nachtschicht vom 03./04.09.2005 zunächst bei einer schwerstpflegebedürftigen Bewohnerin bestimmte Pflegemaßnahmen durchzuführen, die von ihrer Arbeitskollegin in der vorangegangenen Spätschicht nicht vollständig zu Ende geführt werden konnten. Aufgrund des Umstandes, dass bei dieser schwerstpflegebedürftigen Bewohnerin noch umfangreiche Pflegemaßnahmen, die sie im Einzelnen dargelegt hat, durchgeführt werden mussten, hat die Klägerin die Vorabdokumentation nach ihrer unwidersprochen gebliebenen Einlassung deshalb vorgenommen, weil sie sich angesichts des erheblichen Pflegebedarfs vorab überlegt hat, in welchem Rahmen bzw. in welcher Reihenfolge sie die Pflege durchführen werde. Dieses Vorbringen der Klägerin in erster Instanz ist unstreitig. Zwar rechtfertigen die geschilderten Umstände die Vorabeintragungen in die Pflegedokumentation nicht, sie lassen die Pflichtverletzung der Klägerin aber schon in einem anderen Licht erscheinen.

Der Beklagte kann der Klägerin auch nicht widerlegen, dass es sich bei den Vorabeintragungen in die Pflegedokumentation in der Nachtschicht vom 03./04.09.2005 um einen einmaligen Vorfall gehandelt hat. Weitere Vorabeintragungen durch die Klägerin in die Pflegedokumentation sind nicht festgestellt worden. Dass in der gleichen Nachtschicht bei der Arbeitskollegin der Klägerin, der Mitarbeiterin P1xxxxxxxxx, ebenfalls Vorabeintragungen festgestellt wurden, kann nicht der Klägerin angelastet werden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der erstinstanzlichen Behauptung des Beklagten, die Klägerin habe bei ihrer Anhörung noch in der Nachtschicht vom 03./04.09.2005 erklärt, dass sie das in der Regel immer so machen würde, bzw. aus der in der Berufungsinstanz aufgestellten Behauptung, es handele es sich hierbei um eine ständige Praxis des Nachtdienstes. Die Durchführung einer Beweisaufnahme zu diesem Punkt war entbehrlich, weil aus den Behauptungen des Beklagten nicht mit genügender Deutlichkeit hervorgeht, dass gerade die Klägerin in der Vergangenheit Vorabeintragungen in die Pflegedokumentation vorgenommen hat. Die Klägerin hat lediglich in dem mit dem Einrichtungsleiter und der Pflegedienstleiterin noch in der Nachtschicht vom 03./04.09.2005 geführten Gespräch ihr Fehlverhalten sofort eingesehen und eingeräumt. Auch dies ist zwischen den Parteien unstreitig. Bereits in der Klageschrift und auch im Schriftsatz vom 12.12.2005 hat die Klägerin ausdrücklich zugesichert, dass sich ein derartiges Fehlverhalten nicht wiederholen und es bei einem einmaligen Fehltritt bleiben wird. Angesichts dieser Umstände konnte der Beklagte bei Ausspruch der Kündigung vom 15.09.2005 nicht davon ausgehen, dass sich bei der Klägerin ein derartiges Fehlverhalten wiederholen würde. Da der Kündigungszweck zukunftsbezogen ausgerichtet ist, ist bei einer verhaltensbedingten Kündigung entscheidend, ob eine Wiederholungsgefahr besteht und ob sich das vergangene Ereignis auch zukünftig belastend auswirkt (BAG, Urteil vom 16.08.1991 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 27; BAG, Urteil vom 26.01.1995 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 34; BAG, Urteil vom 21.11.1996 - AP BGB § 626 Nr. 130; BAG, Urteil vom 12.01.2006 - 2 AZR 21/05 - DB 2006, 1567 ). Unter den genannten Umständen war aber von einer Negativprognose bzw. von einer Wiederholungsgefahr nicht auszugehen.

cc) In diesem Zusammenhang ist auch die Berufungskammer wie das Arbeitsgericht der Auffassung, dass der außerordentlichen Kündigung eine einschlägige Abmahnung hätte vorausgegangen sein müssen. In der Regel wird nämlich erst nach einer Abmahnung die erforderliche Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass sich der Arbeitnehmer auch in Zukunft nicht vertragstreu verhalten wird. Ein Arbeitnehmer, dem wegen eines nicht vertragsgerechten Verhaltens gekündigt werden soll, ist nämlich grundsätzlich nicht nur bei Störungen im Verhaltens- und Leistungsbereich, sondern auch bei Störungen im Vertrauensbereich zunächst abzumahnen, soweit es um ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers geht. Ein Fehlverhalten im Vertrauensbereich berechtigt ohne vorherige erfolgslose Abmahnung nicht zum Ausspruch einer Kündigung, wenn der Arbeitnehmer mit vertretbaren Gründen annehmen durfte, sein Verhalten sei nicht vertragswidrig oder werde vom Arbeitgeber zumindest nicht als ein erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdenden Fehlverhaltens angesehen (BAG, Urteil vom 30.06.1993 - AP GG Art. 140 Nr. 15; BAG, Urteil vom 07.10.1993 - AP BGB § 626 Nr. 114; BAG, Urteil vom 04.06.1997 - AP BGB § 626 Nr. 137; BAG, Urteil vom 08.06.2000 - AP BGB § 626 Nr. 163; BAG, Urteil vom 21.06.2001 - AP BAT § 54 Nr. 5; KR/Fischermeier, a.a.O., § 626 BGB Rz. 278 f.). Eine Abmahnung ist auch bei einer Störung im Vertrauensbereich nur dann entbehrlich, wenn es um schwere Pflichtverletzungen geht, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne Weiteres erkennbar ist und bei denen eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist (BAG, Urteil vom 30.11.1987 - AP SeemG § 64 Nr. 1; BAG, Urteil vom 31.03.1993 - AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 32; BAG, Urteil vom 26.08.1993 - AP BGB § 626 Nr. 112; BAG, Beschluss vom 10.02.1999 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 42; BAG, Urteil vom 12.01.2006 - DB 2006, 1567; KR/Fischermeier, a.a.O., § 626 BGB Rz. 277).

Unter den gegebenen Umständen des vorliegenden Falles war eine Abmahnung der Klägerin zu vertragsgerechtem Verhalten nicht entbehrlich. Bei der Frage, in welcher Weise Eintragungen in die Pflegedokumentation im Seniorenzentrum des Beklagten vorzunehmen sind, handelt es sich um ein steuerbares Verhalten der Klägerin. Zu Recht ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass eine einschlägige Abmahnung bei der Klägerin den gewünschten Erfolg haben würde. Auch die Berufungskammer ist der Überzeugung, dass eine einschlägige Abmahnung sowohl eine Änderung des Verhaltens der Klägerin als auch eine Wiederherstellung der erforderlichen Eignung und Zuverlässigkeit für die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung herbeiführen wird. Die Klägerin hat sowohl in der Vergangenheit wie auch bei ihrer Weiterbeschäftigung nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils ihre Tätigkeiten im Nachtdienst beanstandungsfrei durchgeführt. Bei der Vorabeintragung in der Nachtschicht vom 03./04.09.2005 hat es sich um ein einmaliges Fehlverhalten gehandelt, das abstellbar ist. Die Klägerin hat noch in der Nachtschicht ihr Fehlverhalten sofort eingeräumt und darauf hingewiesen, dass sie derartige Vorabeintragungen zukünftig unterlassen wird. Hierin liegt nach Auffassung der Berufungskammer auch der entscheidende Unterschied zum Parallelfall Zuber (Arbeitsgericht Herne, Urteil vom 02.08.2005 - 4 Ca 4406/04 = 12 (4) Sa 1800/05 Landesarbeitsgericht Hamm). In jenem Fall hatte nämlich die betroffene Mitarbeiterin die ihr gemachten Vorwürfe der Falschdokumentation abgestritten und geleugnet, aus diesem Grunde war eine Wiederherstellung des Vertrauens in die betroffene Mitarbeiterin nicht zu erwarten, es musste davon ausgegangen werden, dass auch eine einschlägige Abmahnung keinen Erfolg versprechen würde. Demgegenüber liegt der vorliegende Fall anders. Von einer Wiederholungsgefahr konnte deshalb nicht ausgegangen werden, weil die Klägerin ihr Fehlverhalten noch in der Nachtschicht vom 03./04.09.2005 eingesehen und sofort eingeräumt und darauf hingewiesen hat, dass sich ein derartiges Verhalten nicht wiederholen wird. Unter diesen Umständen konnte der Beklagte nicht davon ausgehen, dass der Ausspruch einer Abmahnung der Klägerin zu vertragsgerechtem Verhalten erfolglos sein würde, mit weiteren erheblichen Pflichtverletzungen seitens der Klägerin musste er nicht rechnen.

II.

Zu Recht ist das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil auch davon ausgegangen, dass die Kündigung vom 15.09.2005 auch als ordentliche Kündigung nach § 1 Abs. 1 KSchG unwirksam ist.

Sowohl die Beschäftigungszeit der Klägerin im Betrieb des Beklagten als auch die Größe des Betriebes des Beklagten rechtfertigen die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes, §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG.

Die Kündigungsschutzklage ist auch rechtzeitig erhoben worden, § 4 KSchG.

Die Kündigung vom 15.09.2005 ist jedoch sozial ungerechtfertigt, weil sie nicht durch Gründe, die im Verhalten der Klägerin liegen, bedingt ist, § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.

Ein die Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers rechtfertigender Grund liegt dann vor, wenn das dem Arbeitnehmer vorgeworfene Verhalten eine Vertragspflicht verletzt, das Arbeitsverhältnis dadurch konkret beeinträchtigt wird, keine zumutbare Möglichkeit anderweitiger Beschäftigung besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der beiderseitigen Interessen billigenswert und angemessen erscheint (BAG, Urteil vom 22.07.1982 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 5; BAG, Urteil vom 24.06.2004 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 49; BAG, Urteil vom 16.09.2004 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 50 m.w.N.). Entscheidend ist, ob das Fehlverhalten des Arbeitnehmers im Einzelfall geeignet ist, einen ruhig und verständig urteilenden Arbeitgeber zur Kündigung zu bestimmen (BAG, Urteil vom 21.05.1992 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 29; BAG, Urteil vom 16.09.2004 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 50 m.w.N.).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegt auch ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG nicht vor. Dies hat das Arbeitsgericht in der angefochtenen Entscheidung zu Recht erkannt.

Soweit auch die ordentliche Kündigung als unwirksam angesehen werden muss, gelten ähnliche Überlegungen wie bei der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 15.09.2005.

Zwar ist der Klägerin ein Fehlverhalten vorzuwerfen, als sie in der Nachtschicht vom 03./04.09.2005 in die Pflegedokumentation Eintragungen vorgenommen hat, bevor sie die einzelnen Pflegemaßnahmen überhaupt durchgeführt hat. Dieses Fehlverhalten rechtfertigt jedoch ohne vorangegangene Abmahnung auch keine ordentliche Kündigung, da es sich insoweit um ein steuerbares Verhalten seitens der Klägerin handelt und eine Wiederholungsgefahr aufgrund der besonderen, oben geschilderten Umstände des Einzelfalles ausgeschlossen war.

III.

Das Arbeitsgericht hat auch mit zutreffender Begründung dem Weiterbeschäftigungsbegehren der Klägerin stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist insoweit unbegründet.

Der Beschäftigungsanspruch der Klägerin ist abzuleiten aus den §§ 611, 613, 242 BGB, Art. 1 und 2 GG. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Beschluss vom 27.02.1985 - AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 14) hat der gekündigte Arbeitnehmer einen allgemeinen Beschäftigungsanspruch außer im Falle einer offensichtlich unwirksamen Kündigung mindestens dann, wenn der Arbeitnehmer im Kündigungsprozess ein obsiegendes Urteil erstreitet. Ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers ist nur bis zur Entscheidung der ersten Instanz im Kündigungsschutzprozess anzuerkennen. Diese Interessenlage ändert sich dann, wenn der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess ein obsiegendes Urteil erstreitet. In diesem Fall kann die Ungewissheit über den endgültigen Prozessausgang für sich allein ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers nicht mehr begründen. Will der Arbeitgeber auch für diesen Fall die Beschäftigung verweigern, so muss er zusätzliche Gründe anführen, aus denen sich sein überwiegendes Interesse an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers ergibt.

Derartige Gründe hat der Beklagte weder in erster Instanz noch im Berufungsrechtszug vorgetragen. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien besteht trotz der Kündigung durch den Beklagten vom 15.09.2005 auch über den 31.12.2005 hinaus fort. Gründe, die ein überwiegendes Interesse des Beklagten an der Nichtbeschäftigung der Klägerin begründen könnten, liegen nicht vor, nachdem der Beklagte in zwei Instanzen im Kündigungsrechtsstreit über die Wirksamkeit der Kündigung vom 15.09.2005 gescheitert ist.

IV.

Die Berufung ist auch insoweit unbegründet, als die Klägerin von dem Beklagten die Erteilung eines Zwischenzeugnisses verlangt.

Dieser Anspruch ergibt sich zwar nicht aus § 109 GewO, § 109 Abs. 1 GewO sieht lediglich die Erteilung eines Zeugnisses bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor. Dennoch folgt der Anspruch der Klägerin auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses aus der vertraglichen Nebenpflicht des Arbeitgebers (ErfK/Müller-Glöge, § 109 GewO Rz. 102). Ein Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses hat der Arbeitnehmer immer dann, wenn ein berechtigtes Interesse besteht, wobei die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ein derartiges berechtigtes Interesse begründet (BAG, Urteil vom 27.02.1987 - AP BGB § 630 Nr. 16). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer vor Ablauf der Kündigungsfrist ein Zwischenzeugnis verlangt.

V.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Beklagte hat die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen.

Der Streitwert hat sich in der Berufungsinstanz nicht geändert, § 63 GKG.

Für die Zulassung der Revision zum Bundesarbeitsgericht bestand nach § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.

Ende der Entscheidung

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