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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 10.11.2004
Aktenzeichen: 10 Sa 374/04
Rechtsgebiete: ZPO, TV AL II


Vorschriften:

ZPO § 256
TV AL II § 51
TV AL II § 61
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 07.01.2004 - 2 Ca 1618/03 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Tatbestand: Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers. Der am 12.11.1941 geborene Kläger steht seit 1974 in den Diensten der britischen Streitkräfte und ist aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 11.12.1996 (Bl. 5 ff. d.A.) als Kraftfahrer eingesetzt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Bestimmungen des Tarifvertrages für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften - TV AL II - Anwendung. Seit dem 01.01.1997 besteht die Tätigkeit des Klägers im Führen einer Straßenkehrmaschine, die im Winter durch Zusatzeinrichtungen auch als Schneepflug eingesetzt wird. Das zulässige Gesamtgewicht dieses Fahrzeugs beträgt 7,49 t. In der Arbeitsplatzbeschreibung für das Lenken einer Straßenkehrmaschine (Bl. 9 f. d.A.) ist aufgeführt, dass der Stelleninhaber im Besitz eines Führerscheins der Klasse III sein muss. Die Vergütung des Klägers erfolgt nach der Lohngruppe 5 des Anhangs F zum TV AL II. Die Lohngruppeneinteilung für Kraftfahrer im Anhang F TV AL II lautet wie folgt: "Lohngruppe 4 (1) Kraftfahrer von Pkw und sonstigen leichten Kraftwagen (2) Kraftfahrer von Lkw bis zu 3,5 t Nutzlast (3) Kraftfahrer von Kleinbussen (4) Kraftfahrer von Krankentransportfahrzeugen Lohngruppe 5 (1) Kraftfahrer von Lkw mit mehr als 3,5 t Nutzlast (2) Kraftfahrer von Autobussen mit mehr als 8 bis zu 24 Fahrgastsitzen Lohngruppe 6 (1) Kraftfahrer von Großtankwagen auf Flugplätzen oder von Großtankwagen mit mehr als 10 t Nutzlast (2) Kraftfahrer von Autobussen mit mehr als 24 Fahrgastsitzen (3) Kraftfahrer von schweren Traktoren und Sattelschleppern (4) Kraftfahrer von schweren Spezialfahrzeugen" Mit Schreiben vom 14.05.2003 (Bl. 12 d.A.) begehrte der Kläger seine Eingruppierung in die Lohngruppe 6 mit der Begründung, er sei Kraftfahrer eines schweren Spezialfahrzeugs. Die Beklagte lehnte das Begehren des Klägers mit Schreiben vom 17.06.2003 (Bl. 13 d.A.) ab. Daraufhin erhob der Kläger am 16.09.2003 die vorliegende Klage zum Arbeitsgericht. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die von ihm gelenkte Straßenkehrmaschine sei als ein schweres Spezialfahrzeug anzusehen. Dieses Fahrzeug baue er im Winter zum Schneepflug um. Die von ihm mitgeführte Nutzlast sei häufig so hoch, dass das zulässige Gesamtgewicht von 7,49 t erreicht bzw. in Ausnahmefällen sogar leicht überschritten werde. In diesem Zusammenhang behauptet der Kläger, die mit dem Fahrzeug mitgeführte Nutzlast betrage fast immer über 2000 kg. Bei seiner Eingruppierung sei allerdings nicht nur das bloße Gewicht des Fahrzeugs bedeutsam, sondern auch die Anforderungen, die an den Fahrer gestellt würden. Der Kläger müsse zusätzlich zum Fahren des Fahrzeugs auch technische Geräte bedienen, er müsse zusätzlich während der Fahrt fegen, streuen und Schnee räumen. Der Kläger hat beantragt, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 01.11.2002 Vergütung nach der Lohngruppe A 5/6 des Tarifvertrages für Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften zu zahlen und den monatlichen Differenzbetrag ab jeweiliger Fälligkeit mit 5 % über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank zu verzinsen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, bei der Eingruppierung des Klägers sei auf die Nutzlast des von ihm zu führenden Fahrzeugs abzustellen. Da die vom Kläger gelenkte Straßenkehrmaschine - nach den vorgegebenen technischen Daten - eine Nutzlast von 1649 kg habe und Kraftfahrer von Lkw's bis zu 3,5 t Nutzlast in die Lohngruppe 4, Kraftfahrern von Lkw's mit mehr als 3,5 t Nutzlast in die Lohngruppe 5 einzugruppieren seien, seien die Voraussetzungen der Lohngruppe 6 im Falle des Klägers nicht gegeben. Der Kläger führe kein schweres Spezialfahrzeug. Durch Urteil vom 07.01.2004 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger fahre kein schweres Spezialfahrzeug im Sinne der Lohngruppe 6. Gegen das dem Kläger am 03.02.2004 zugestellte Urteil, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat der Kläger am 27.02.2004 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese mit dem am Montag, dem 05.04.2004, beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet. Unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Sachvortrags ist der Kläger nach wie vor der Auffassung, er sei richtigerweise in die Lohngruppe 6 einzugruppieren, weil er ein schweres Spezialfahrzeug führe. An seine Sorgfaltspflichten seien größere Anforderungen zu stellen, es könne nicht allein auf das Gewicht des zu führenden Fahrzeugs ankommen. Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 07.01.2004 - 2 Ca 1618/03 - abzuändern und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger ab dem 01.11.2002 aus Lohngruppe 6 des Anhangs F TV AL II zu vergüten und den monatlichen Differenz-Brutto-Betrag zum abgerechneten Lohn ab jeweiliger Fälligkeit mit dem ersten des Folgemonats mit 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigt das angefochtene Urteil und ist der Auffassung, die Voraussetzungen für eine Eingruppierung in die Lohngruppe 6 lägen nicht vor, der Kläger führe kein schweres Spezialfahrzeug. Entscheidend stellten die Bestimmungen des TV AL II für die Eingruppierung von Kraftfahrern auf das Gewicht des geführten Fahrzeuges ab. Die Art und Weise der Bedienung des Fahrzeuges sei nicht entscheidend. Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen. Entscheidungsgründe: Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass dem Kläger ein Lohn nach der Lohngruppe 6 nicht zusteht. I Die Klage ist als Feststellungsklage nach § 256 ZPO zulässig. Aus dem Klagevorbringen ergibt sich, dass der Kläger eine im öffentlichen Dienst allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage erheben wollte (BAG, Urteil v. 29.01.1986 - AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 115). Dies hat der Kläger im Übrigen zu Protokoll der Berufungskammer klargestellt. II Dem Kläger steht jedoch der geltend gemachte Anspruch auf Lohn nach der Lohngruppe 6 nicht zu. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft ausdrücklicher arbeitsvertraglicher Bezugnahme in Ziffer 41 des Arbeitsvertrages vom 11.12.1996 die Bestimmungen des Tarifvertrages für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften - TV AL II - Anwendung. Nach § 51 TV AL II wird ein Arbeitnehmer - entsprechend den Merkmalen seiner Tätigkeit - der Lohngruppeneinteilung oder der Gehaltsgruppeneinteilung zugeordnet. Nach § 61 TV AL II finden für die Lohngruppenabteilung für Kraftfahrer die Bestimmungen des Anhangs F Anwendung. 1. Die Voraussetzungen für die vom Kläger erstrebte Höhergruppierung in die Lohngruppe 6 sind nicht erfüllt, weil die vom Kläger geführte Straßenkehrmaschine nicht als ein schweres Spezialfahrzeug im Sinne der Eingruppierungsmerkmale der Lohngruppe 6 des Anhanges F TV AL II anzusehen ist. Dies hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend erkannt. Insbesondere ist das Arbeitsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass das Eingruppierungsmerkmal "schwer" nicht erfüllt ist. 2. Das Arbeitsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass bei der Überprüfung, ob der Kläger ein schweres Spezialfahrzeug führt, auf das Gewicht des Fahrzeugs abzustellen ist. Insoweit hat es die tariflichen Bestimmungen zutreffend ausgelegt. Die Auslegung des normativen Teils von Tarifverträgen folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist vom tariflichen Wortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Wortlaut zu haften (§ 133 BGB). Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnormen ist über den reinen Wortlaut hinaus mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte im wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (vgl. zuletzt: BAG, Urteil v. 22.10.2003 - AP TVG § 1 Rückwirkung Nr. 21 = NZA 2004, 444; BAG, Urteil v. 24.09.2003 - AP TzBfG § 4 Nr. 4 = NZA 2004, 611; BAG, Urteil v. 22.09.1999 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 226; LAG Hamm, Urteil v. 17.06.1998 - NZA-RR 1999, 422 m.z.w.N.). a) Der Kläger ist Kraftfahrer im Sinne der Lohngruppe 6 des Anhanges F TV AL II. b) Zu seinen Gunsten geht die Berufungskammer auch davon aus, dass er ein Spezialfahrzeug führt, Der Begriff des Spezialfahrzeugs nach der Lohngruppe 6 TV AL II bestimmt sich nach dem allgemeinen Sprachgebrauch. Danach ist darunter ein Kraftfahrzeug für einen besonderen Verwendungszweck mit entsprechenden Zusatzeinrichtungen zu verstehen (BAG, Urteil v. 20.08.1986 - AP TV AL § 51 Nr. 4; BAG, Urteil v. 02.09.1987 - 4 AZR 230/87 - ZTR 1988, 265; BAG, Urteil vom 25.08.1993 - AP MTB II § 21 Nr. 10). Die vom Kläger geführte Straßenkehrmaschine stellt in diesem Sinne ein Spezialfahrzeug dar. Die Straßenkehrmaschine hat einen bestimmten Verwendungszweck, sie ist mit entsprechenden Zusatzeinrichtungen versehen und kann im Winter auch zum Schneepflug umgerüstet und verwendet werden. c) Der Kläger führt aber kein "schweres" Spezialfahrzeug. Die Tarifvertragsparteien haben mit dem Begriff des "schweren" Spezialfahrzeugs in Lohngruppe 6 (4) einen unbestimmten Rechtsbegriff verwendet, der eine große Reichweite und ein hohes Maß an Unbestimmtheit aufweist. Das Arbeitsgericht hat aber bereits zutreffend bei der Auslegung des Begriffs des "schweren" Spezialfahrzeugs aus dem Tarifwortlaut und dem tariflichen Zusammenhang der einzelnen Eingruppierungsmerkmale in den verschiedenen Lohngruppen des Anhanges F TV AL II gefolgert, dass die Tarifvertragsparteien bei der Unterscheidung zwischen leichten und schweren Fahrzeugen im Sinne der Lohngruppen für Kraftfahrer des Anhanges F auf das Gewicht der Fahrzeuge abstellen, nicht aber Abgrenzungen hinsichtlich der Anforderungen, die an das Fahren der Fahrzeuge gestellt werden, normiert haben. Die Tarifvertragsparteien wollten mit der Verwendung des Wortes "schwer" ersichtlich eine Steigerung in Bezug auf das Gewicht eines Spezialfahrzeugs ausdrücken (BAG, Urteil v. 02.09.1987 - 4 AZR 230/87 - ZTR 1988, 265). Dieser auch vom Bundesarbeitsgericht für zutreffend gehaltenen Auslegung des Begriffes des "schweren" Spezialfahrzeugs in Lohngruppe 6 (4) des Anhanges F TV AL II folgt auch die Berufungskammer. Auf das Gewicht der geführten Fahrzeuge ist auch in den Lohngruppen 4 und 5 des Anhanges F TV AL II abgestellt worden. In die Lohngruppe 4 sind Kraftfahrer von Lkw bis zu 3,5 t Nutzlast eingruppiert, in die Lohngruppe 5 Kraftfahrer von Lkw mit mehr als 3,5 t Nutzlast. In Lohngruppe 6 (1) sind unter anderem Kraftfahrer von Großtankwagen mit mehr als 10 t Nutzlast eingestuft, in Lohngruppe 7 Kraftfahrer von Fahrzeugen und Zügen mit mehr als 38 t zulässigem Gesamtgewicht. Unter Berücksichtigung dieser tariflichen Einteilung kann die vom Kläger gelenkte Straßenkehrmaschine, die lediglich ein zulässiges Gesamtgewicht von 7,49 t aufweist, nicht als "schweres" Spezialfahrzeug im Sinne der Lohngruppe 6 (4) angesehen werden. Selbst bei Hinzurechnung einer Nutzlast von ca. 2000 kg wird ein Gewicht von über 10 t nicht erreicht. In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil v. 20.08.1986 - aaO; BAG, Urteil v. 02.09.1987 - aaO) sind Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 13,39 t bzw. von 16 t ebenfalls nicht als "schwere" Fahrzeuge im Sinne der Lohngruppe 6 angesehen worden. Auf etwaige erhöhte Anforderungen, die an das gleichzeitige Fahren des Fahrzeugs und das Bedienen der Straßenkehrmaschine gestellt werden, kommt es entgegen der Rechtsauffassung des Klägers nicht an. Etwaige erhöhte Anforderungen bei der Führung einer Straßenkehrmaschine sind bereits bei der Auslegung des Begriffs des "Spezialfahrzeugs" berücksichtigt worden (vgl. BAG, Urteil vom 25.08.1993 - AP MTB II § 21 Nr. 10). Auch der Einwand des Klägers, dass die von ihm geführte Straßenkehrmaschine - früher - das "schwerste" Fahrzeug in der Beschäftigungseinheit gewesen ist, ist unerheblich. III Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Kläger hat die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen. Der Streitwert hat sich in der Berufungsinstanz nicht geändert (§ 63 GKG n.F.). Für die Zulassung der Revision zum Bundesarbeitsgericht bestand nach § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.

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