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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 19.10.2007
Aktenzeichen: 10 Sa 813/07
Rechtsgebiete: KSchG, BGB


Vorschriften:

KSchG § 15 Abs. 1
BGB § 626 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 20.03.2007 - 3 Ca 1243/06 O - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung. Der am 20.01.1976 geborene Kläger ist geschieden und gegenüber seiner geschiedenen Ehefrau sowie zwei Kindern unterhaltsverpflichtet. Seit dem 24.04.2002 ist er bei der Beklagten, die in ihrem Betrieb in M1 Gläser, insbesondere Dekorgläser, herstellt und mehr als zehn Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt, zuletzt als Maschinenführer im Bereich Direktdruck/Veredelung zu einer durchschnittlichen monatlichen Bruttovergütung von zuletzt 2.200,00 € tätig.

Seit dem 14.03.2006 ist der Kläger Mitglied des bei der Beklagten gebildeten Betriebsrats.

Seit dem Jahre 1998 gab es bei der Beklagten einen Werksverkauf, in dem Gläser aus Restbeständen sowie Zweite-Wahl-Gläser zu vergünstigten Preisen an die Werksangehörigen verkauft wurden. Im Rahmen dieses Werksverkaufs wurden bis zum 01.07.2004 Gläser vom Betriebsrat an die Mitarbeiter veräußert.

Außerdem gaben die Mitarbeiter G1 und G5 bis zum 24.02.2005 Gläser an Mitarbeiter heraus. Ob dies auch durch weitere Mitarbeiter der Beklagten geschah, ist zwischen den Parteien streitig.

In der Zeit vom 25.03.2004 bis zum 27.02.2005 bot der Kläger in 133 Fällen Produkte der Beklagten über die Firma e5 im Internet an. Dabei wurden 34 Produkte über den Account des Klägers, 90 Produkte über den Account seiner Großmutter F1 G6 und 9 Produkte über den Account seiner Mutter G2 T1 eingestellt. Der Verkaufserlös belief sich auf gut 4.000,00 €. Bei den verkauften Gläsern handelte es sich überwiegend um Designer-, Dekorgläser.

Am 20.01.2006 feierte der Kläger im B7-Center in M1 seinen 30. Geburtstag, zu dem zahlreiche Gäste geladen waren. Unter anderem erhielt der Kläger als Geburtstagsgeschenk Gläser aus dem Bestand der Beklagten.

Bereits im November 2005 war im Rahmen polizeilicher Ermittlungen aufgefallen, dass der Kläger eine Vielzahl von Gläsern der Beklagten über e5 verkaufte. Im Rahmen des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens 221 Js 58/06 Staatsanwaltschaft Arnsberg fanden am 14.02.2006 sodann Hausdurchsuchungen einerseits beim Kläger und andererseits bei Familienmitgliedern des Klägers statt.

In der Wohnung des Klägers wurde zunächst im Wohnzimmer ein Karton mit einem 2-Liter-Bierglas gefunden. Der Karton war mit einer Paraphe versehen, die möglicherweise von einem Vorgesetzten des Klägers stammte. Weiterhin fanden sich unter einem Hochbett im Kinderzimmer fünf Kartons, die mit weiteren Gläsern gefüllt waren. Dabei handelte es sich unter anderem um sechs B9-Pilsgläser, die mit der Aufschrift V2 auf dem Glasboden markiert waren. Der Begriff V2 steht dabei für Versuchsfertigung; Gläser aus Versuchsfertigungen sind grundsätzlich nicht für den Verkauf bestimmt. Weiterhin fand sich ein Karton mit sechs Pilsgläsern zweiter Wahl. Wegen der Einzelheiten der aufgefundenen Kartons wird auf Bl. 57 R der beigezogenen Ermittlungsakte Bezug genommen.

Weiterhin befanden sich im Wohnzimmer des Klägers in Regalen etwa 100 weitere Ritzenhoff-Gläser. Dabei handelte es sich unter anderem um Prosecco-Gläser mit dem Namen "E6 S5." Diese Gläser, die von der Beklagten etwa seit Mitte Dezember 2005 produziert worden waren, waren zum Zeitpunkt der Hausdurchsuchung noch nicht im Handel. Weiterhin fanden sich im Wohnzimmer des Klägers Weizenbier-Gläser "T3 H2", die von der Beklagten nicht für den Verkauf bestimmt worden waren. Zudem wurden beim Kläger sogenannte V1-Gläser aufgefunden, die grundsätzlich nur für Prämienkunden der Firma V1 bestimmt waren.

Bei der Mutter des Klägers, Frau G2 T1, fanden sich bei der Hausdurchsuchung 39 Ritzenhoff-Gläser. Sechs von diesen Gläsern trugen die Aufschrift Muster. Dabei handelte es sich um Biergläser mit einem Fassungsvermögen von 0,185 Liter. Diese Mustergläser sind normalerweise ebenfalls nicht für den Verkauf bestimmt.

Die weiteren polizeilichen Ermittlungen ergaben, dass der Kläger unter dem 01.02.2005 sogenannte A1-Becher bei e5 angeboten hatte. Diese A1-Becher waren erst kurz zuvor, nämlich entweder Ende 2004 oder im Januar 2005 produziert worden und erst am 03.02.2005 über den Postweg an Händler herausgegeben worden.

Die polizeilichen Ermittlungen fasste der Kriminalhauptkommissar T2 unter dem 12.06.2006 zusammen (Bl. 108 ff. der Ermittlungsakten). Dabei wies der Kriminalhauptkommissar T2 darauf hin, dass einerseits mit dem Mitglied der Geschäftsführung der Beklagten, Herrn D1 E3, und andererseits mit dem Leiter Logistik- und Produktionskontrolle, T4 G3, mehrfach Rücksprache wegen der Gläser gehalten worden war.

Sowohl der Prozessbevollmächtigte des Klägers, wie auch der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hatten mehrfach Einsicht in die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten beantragt. Diese gingen am 04.08.2006 bei dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten ein, der seinerseits das Vorstandsmitglied E3 am 08.08.2006 über den Inhalt der Ermittlungsakten informierte.

Mit Schreiben vom 10.08.2006 (Bl. 7 ff.d.A.) beantragte die Beklagte beim Betriebsrat die Zustimmung zur Kündigung des Klägers gemäß § 103 BetrVG, nachdem zuvor der Kläger zum Vorwurf der unberechtigten Entwendung zahlreicher Gläser aus der Produktion der Beklagten angehört worden war. Mit Schreiben vom 15.08.2006 (Bl. 16 d.A. 3 BV 7/06 O Arbeitsgericht Arnsberg) widersprach der Betriebsrat der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung. Daraufhin leitete die Beklagte am 17.08.2006 beim Arbeitsgericht ein Zustimmungsersetzungsverfahren ein - 3 BV 7/06 O Arbeitsgericht Arnsberg -.

Nachdem der Betriebsrat im Rahmen des Zustimmungsersetzungsverfahrens noch mit Schriftsatz vom 04.10.2006 zu Gunsten des Klägers Stellung genommen hatte (Bl. 25 d.A.), stimmte er der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung mit Schreiben vom 13.11.2006 (Bl. 27 d.A.) zu.

Daraufhin kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 14.11.2006 (Bl. 28 d.A.) fristlos. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger am 15.11.2006 zu.

Hiergegen richtete sich die am 05.12.2006 beim Arbeitsgericht erhobene Kündigungsschutzklage des Klägers.

Zwischenzeitlich hatte die Staatsanwaltschaft Arnsberg im Rahmen des Ermittlungsverfahrens am 27.09.2006 Anklage wegen Diebstahls gegen den Kläger erhoben (Bl. 135 ff. der Ermittlungsakte). Nach Eröffnung des Hauptverfahrens am 27.09.2006 (Bl. 152 ff.d.A.) wurden im Termin zur Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Marsberg am 16.01.2007 die Zeugen T2, G3 und E3 vernommen (Bl. 163 ff. der Ermittlungsakten). Die Hauptverhandlung endete sodann auf einvernehmlichen Antrag der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung des Klägers mit einem Freispruch. Auf das Urteil des Amtsgerichts Marsberg vom 16.01.2007 - 4 Ds 221 Js 58/06 (170/06) - (Bl. 51 ff.d.A.) wird Bezug genommen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die ausgesprochene außerordentliche Kündigung sei unwirksam. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, er habe sich Gläser der Beklagten rechtswidrig beschafft. Es habe verschiedene Möglichkeiten gegeben, Gläser auf legalem Weg zu erwerben. Dabei verweist er auf die Veräußerungen durch den Betriebsrat sowie die Herausgabe von Gläsern durch die Mitarbeiter G1 und G5. In diesem Zusammenhang hat der Kläger des Weiteren behauptet, auch die Herren S4 und G4 hätten Gläser herausgegeben.

Der Kläger hat weiter behauptet, ihm seien anlässlich seiner Geburtstagsfeier vom 20.01.2006 eine Vielzahl von Gläsern geschenkt worden. Unter anderem gehörten hierzu auch die Prosecco-Gläser "E6 S5"; auch diese Gläser habe er nicht durch strafbare Handlung erlangt. Diese Gläser seien bereits am 15.12.2005 im Handel gewesen.

Auch die V1-Gläser habe er nicht widerrechtlich erlangt. Diese Gläser, die zwar nur für Prämienkunden der Firma V1 bestimmt seien, würden auch im Internet angeboten (Bl. 90 ff. d.A.). Das habe auch der im Strafverfahren vernommene Zeuge E3 einräumen müssen.

Der Kläger hat ferner die Auffassung vertreten, die Beklagte habe die Frist zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung gemäß § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten. Eine zuverlässige Sachverhaltskenntnis habe beim Vorstand der Beklagten bereits im Juni 2006 vorgelegen. Dies ergebe sich aus der Zusammenfassung des Kriminalhauptkommissars T2 vom 12.06.2006, der im Rahmen der Ermittlungen eng mit dem Vorstand der Beklagten zusammengearbeitet habe. Die Beklagte sei vor Abschluss der Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft in vollem Umfang über den Sachverhalt informiert worden. Der Zustimmungsersetzungsantrag beim Betriebsrat hätte bereits vor dem 10.08.2006 gestellt werden können.

Schließlich bestreitet der Kläger die ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrats. Eine ordnungsgemäße Betriebsratssitzung habe nicht stattgefunden. Zu der Sitzung vom 13.11.2006 sei auch kein Ersatzmitglied geladen worden. Schon die Einladung und Durchführung der Betriebsratssitzung seien fehlerhaft gewesen.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 14.11.2006 beendet worden ist,

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht,

3. die Beklagte zu verurteilen, ein wohlwollendes qualifiziertes Zeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die außerordentliche Kündigung für wirksam gehalten und die Auffassung vertreten, eine Vielzahl von Indizien spreche für einen rechtswidrigen Erwerb und eine rechtswidrige Veräußerung von Gläsern durch den Kläger. Der Kläger habe sich des Verdachts des Dieb- stahls schuldig gemacht. Dies ergebe sich daraus, dass der Kläger eine Vielzahl von Gläsern der Beklagten über e5 verkauft habe. Dabei handele es sich um eine Größenordnung von insgesamt knapp 1000 Gläsern bei 133 Verkäufen. Dies mache insgesamt einen Warenwert von ca. 10.000,00 € aus. Bei den im Rahmen der Ermittlungen stattgefundenen Hausdurchsuchungen seien eine Vielzahl von Gläsern beim Kläger selbst bzw. bei seiner Mutter aufgefunden worden.

In seiner beruflichen Tätigkeit habe der Kläger Zugriff auf eben diese bei ihm sichergestellten Gläser gehabt. Der Kläger trage nur die theoretische Möglichkeit vor, dass er Gläser auch auf rechtmäßigem Wege habe erwerben können. Insoweit hat die Beklagte behauptet, dass nach den Angaben der Mitarbeiter G1 und G5 diese an den Kläger jeweils maximal 60 Gläser herausgegeben hätten. Beim Betriebsrat habe der Kläger allenfalls maximal 50 Gläser erworben. Vor diesem Hintergrund seien allenfalls 170 Gläser legal erworben worden, während über e5 fast 1000 Gläser verkauft worden seien. Die Mitarbeiter G1 und G5 seien nur berechtigt gewesen, Gläser in haushaltsüblicher Menge herauszugeben. Der Verkauf von Gläsern an Mitarbeiter der Beklagten durch den Betriebsrat sei bereits am 01.07.2004 und durch die Mitarbeiter G1 und G5 ab dem 24.02.2005 eingestellt worden.

Wenn auch einzuräumen sei, dass der Kläger unter Umständen die Weizenbier-Gläser "T3 H2" wie auch die B9-Pils-Gläser mit der Aufschrift V2 legal habe erwerben können, sei aber im Hinblick auf die Prosecco-Gläser "E6 S5" ein rechtmäßiger Erwerb durch den Kläger ausgeschlossen. Zum Zeitpunkt der Hausdurchsuchung seien diese Gläser, wie die Beklagte behauptet, noch nicht im Handel gewesen.

Die Beklagte hat ferner die Auffassung vertreten, die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei gewahrt. Ebenso sei die Betriebsratsanhörung rechtlich nicht zu beanstanden.

Das Arbeitsgericht hat nach Beiziehung der Strafakten des Amtsgerichts Marsberg - 4 Ds 221 Js 58/06 (170/06) - durch Urteil vom 20.03.2007 der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, die außerordentliche Kündigung sei auch als Verdachtskündigung unwirksam. Ein hinreichender Verdacht einer strafbaren Handlung ergebe sich nicht, weil der Kläger jedenfalls bis zum 24.02.2005 Gläser der Beklagten auch legal habe erwerben können.

Gegen das der Beklagten am 12.04.2007 zugestellte Urteil, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat die Beklagte am 08.05.2007 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese mit dem am 11.06.2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte, die nach der im Laufe des Berufungsverfahrens erfolgten Rücknahme des Fortbestandsantrags durch den Kläger lediglich den Kündigungsfeststellungsantrag angreift, ist nach wie vor der Auffassung, dass sich aufgrund des schwunghaften Internethandels des Klägers mit Gläsern der Beklagten ein hinreichender Tatverdacht einer strafbaren Handlung durch den Kläger ergebe. Gerade der zeitliche Zusammenhang zwischen dem Beginn des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien und dem Beginn des Verkaufs der Designer-Gläser durch den Kläger begründe den dringenden Verdacht, dass der Kläger die von ihm zum Verkauf angebotenen und bei ihm aufgefundenen Gläser in der Zeit vom 24.04.2002 bis zum 27.02.2005 aus dem unmittelbaren Besitz der Beklagten entnommen habe. Es sei nunmehr Sache des Klägers, die sich hieraus ergebende Vermutung zu widerlegen und den damit verbundenen Verdacht auf widerrechtliche Entwendung zu erschüttern. Unstreitig habe der Kläger nach den polizeilichen Ermittlungen 133 Mal Produkte der Beklagten im Internet bei der Firma e5 angeboten. Dabei habe der Kläger verschiedene Accounts, auch unter dem Namen seiner Mutter und seiner Großmutter unterhalten. Zahlreiche Gläser seien auch bei seiner Mutter im Rahmen der Hausdurchsuchung vorgefunden worden.

Allein durch den Mitarbeiterverkauf, der nur bis zum 01.07.2004 beim Betriebsrat möglich gewesen sei, habe der Kläger nicht mehr als 1000 Gläser in seinen Besitz bringen können. Dies sei auch nicht durch Aushändigung von Gläsern durch die Mitarbeiter G1 und G5 möglich gewesen. Auch wenn der Betriebsrat keine Verkaufsliste geführt habe, habe der Kläger beim Betriebsrat in einem nicht nennenswerten Umfang Gläser gekauft. Es sei auszuschließen, dass es sich um mehr als 50 Gläser gehandelt habe. Die Mitarbeiter G1 und G5 hätten seit Beschäftigung des Klägers bis zum 24.02.2005 jeweils nicht mehr als 60 Gläser an den Kläger abgegeben. Damit könne der Kläger allenfalls 170 Gläser rechtmäßig in seinen Besitz gebracht haben. Für den Besitz der übrigen Gläser fehle jegliche nachvollziehbare Erklärung des Klägers.

Insbesondere die Prosecco-Gläser "E6 S5" könne der Kläger nicht rechtmäßig erworben haben. Diese Gläser seien zum Zeitpunkt der Hausdurchsuchung noch nicht im Handel gewesen. Soweit sich der Kläger darauf berufe, diese Gläser seien ihm zu seinem Geburtstag am 20.01.2006 geschenkt worden, handele es sich um eine reine Schutzbehauptung. Auffällig sei, dass der Kläger sich genau daran erinnern könne, dass er ein 2-Liter-Glas als Geschenk des Mitarbeiters G1 erhalten habe, aber nicht mehr wisse, wer ihm anlässlich seiner Geburtstagsfeier die Prosecco-Gläser "E6 S5" geschenkt habe.

Die Beklagte beantragt,

das am 20.03.2007 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Arnsberg - 3 Ca 1243/06 O - abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit festgestellt worden ist, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 14.11.2006 beendet worden ist.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und ist nach wie vor der Auffassung, dass die ausgesprochene Verdachtskündigung unwirksam sei. Bereits im Strafverfahren habe die Beklagte durch ihren Zeugen E4 einräumen müssen, dass im Wesentlichen die im Ermittlungsverfahren sichergestellten Gläser durchaus auch über den Handel hätten bezogen werden können. Der Zeuge E4 habe auch nicht ausschließen können, dass die beim Kläger bzw. seiner Mutter aufgefundenen Gläser durchaus auch über e5 oder den Handel hätten bezogen werden können. Die Beklagte habe nicht den Beweis erbringen können, dass der Kläger die von ihm angebotenen Waren widerrechtlich durch strafbare Handlung erworben habe. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens habe die Beklagte wie auch die Staatsanwaltschaft feststellen müssen, dass angeblich nicht im Handel vorhandene Gläser, wie etwa die V1-Gläser, durchaus von anderen Anbietern bei e5 gehandelt würden; dabei handele es sich um unterschiedliche Angebote (Bl. 158 d.A.).

Die von der Beklagten auch im Berufungsverfahren gemachten Angaben zum Umfang, zum Wert und Verkauf von Gläsern würden nach wie vor bestritten. Insbesondere könne die Beklagte sich nicht darauf berufen, dass der Kläger vom Betriebsrat nur bis zu 50 Gläser und von den Mitarbeitern G1 und G5 nur ca. 60 Gläser erworben haben könne. Sowohl aus den Mitteilungen des Betriebsrats vom 24.06.2006 und den Bestätigungen der Mitarbeiter G1 und G5 vom 10.08.2006 (Bl. 52 ff.d.A. 3 BV 7/06 O Arbeitsgericht Arnsberg) sei ersichtlich, dass der Verkauf teilweise palettenweise erfolgt sei, teilweise auch aus aktuellen Produktionen. Designer-Gläser, Mustergläser und einmalige Versuchsgläser seien ebenfalls freigegeben worden. Im Schreiben vom 15.08.2006 (Bl. 16 d.A. 3 BV 7/07 O Arbeitsgericht Arnsberg) habe der Betriebsrat mitgeteilt, dass nicht mehr festgestellt werden könne, wie viele Gläser aus den Produktionen 2004 und 2005 herausgegeben worden seien.

Im Übrigen habe der Kläger den e5-Handel mit Gläsern nach dem 24.02.2005 und dem Verbot der Abgabe von Gläsern durch die Beklagte beendet. Auch der im Rahmen des Strafverfahrens vernommene Zeuge E3 habe als Vorstandsmitglied der Beklagten bei seiner Vernehmung beim Amtsgericht Marsberg nicht ausschließen können, dass die Prosecco-Gläser "E6 S5" doch legal hätten käuflich erworben werden können. Dem Kläger könne auch nicht vorgehalten werden, dass er sich nicht daran erinnern könne, von welchem Gast ihm welches Geschenk zu seinem 30. Geburtstag gemacht worden sei.

Der Kläger hat ferner erneut die Auffassung vertreten, dass bei Ausspruch der außerordentlichen Kündigung vom 14.11.2006 die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten sei. Der abschließende Aktenvermerk der Staatsanwaltschaft datiere bereits vom 12.06.2006. Zu diesem Zeitpunkt seien das Vorstandsmitglied der Beklagten, Herr E3 und der Logistikleiter, Herr G3, in vollem Umfang über das Ermittlungsverfahren informiert gewesen. Diese Herren hätten die beim Kläger sichergestellten Gläser schließlich identifizieren müssen. Bereits im Juni sei die Beklagte in vollem Umfang über die angeblich gegen den Kläger bestehenden Verdachtsmomente informiert gewesen.

Die Berufungskammer hat die Akten 3 BV 7/06 O Arbeitsgericht Arnsberg sowie in Fotokopie die Ermittlungs- bzw. Strafakten 4 Ds 221 Js 58/06 (170/06) Amtsgericht Marsberg beigezogen. Auf den Inhalt der beigezogenen Akten wird ebenso Bezug genommen wie auf den weiteren Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass die außerordentliche Kündigung vom 14.11.2006 das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht beendet hat.

I.

Die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 14.11.2006 ergibt sich aus § 15 Abs. 1 KSchG i.V.m. § 626 BGB.

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist die Kündigung eines Betriebsratsmitglieds unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und dass die nach § 103 BetrVG erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist.

Der Kläger ist zwar Betriebsratsmitglied. Der bei der Beklagten bestehende Betriebsrat hat der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung auch mit Schreiben vom 13.11.2006 nach § 103 BetrVG zugestimmt.

Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten liegt aber ein wichtiger Grund im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG nicht vor.

In § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG sind ohne eigenständige Definition die in § 626 Abs. 1 BGB verwandten Formulierungen übernommen worden. Da der Gesetzgeber in § 626 BGB geregelt hat, unter welchen Voraussetzungen eine "Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist" gerechtfertigt ist, sind die in § 626 BGB enthaltenen und daraus abgeleiteten Regeln zur Zulässigkeit einer außerordentlichen Kündigung auch im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG anzuwenden (BAG, Urteil vom 18.02.1993 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 35; BAG, Beschluss vom 21.06.1995 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 36; BAG, Beschluss vom 17.03.2005 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 58; ErfK/Ascheid, 7. Aufl., § 15 KSchG Rz. 26; KR/Etzel, 8. Aufl., § 15 KSchG Rz. 21; APS/Linck, 3. Aufl., § 15 KSchG Rz. 126 m.w.N.).

Die Beklagte kann sich zur Begründung der außerordentlichen Kündigung vom 14.11.2006 nicht darauf berufen, der Beklagte habe sich des Verdachts des Diebstahls zu Lasten der Beklagten schuldig gemacht.

1. In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist anerkannt, dass strafbare Handlungen zu Lasten des Arbeitgebers ebenso wie grobe Vertrauensverstöße grundsätzlich eine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB rechtfertigen können (BAG, Urteil vom 26.11.1964 - AP BGB § 626 Nr. 53; BAG, Beschluss vom 10.02.1999 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 42; BAG, Urteil vom 12.08.1999 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 28; BAG, Beschluss vom 16.12.2004 - AP BGB § 626 Nr. 191; BAG, Urteil vom 27.04.2006 - AP BGB § 626 Nr. 203; KR/Fischermeier, a.a.O., § 626 BGB Rz. 445; ErfK/Müller-Glöge, 7. Aufl., § 626 BGB Rz. 148, 154 f.; APS/Dörner, a.a.O., § 626 BGB Rz. 275 ff.; Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 9. Aufl., Rz. 739 f. m.w.N.). Vom Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber begangene Straftaten, insbesondere Diebstähle, Unterschlagungen oder sonstige Vermögensdelikte zum Nachteil des Arbeitgebers oder der Belegschaft, rechtfertigen regelmäßig eine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung.

Das gilt auch bei einem bloßen Versuch. Auch der bloße Versuch eines Diebstahls oder einer sonstigen strafbaren Handlung zulasten des Arbeitgebers kann grundsätzlich eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen (LAG Hamm, Urteil vom 20.02.1986 - DB 1986, 1338; LAG Köln, Urteil vom 22.01.1996 - AP BGB § 626 Nr. 127; KR/Fischermeier, a.a.O., § 626 BGB Rz. 445); ob und inwieweit sich der Arbeitnehmer mit seinem Verhalten strafbar gemacht hat, ist für die Beurteilung eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 BGB ebenso wenig entscheidend wie der Ausgang eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens (BAG, Urteil vom 20.04.1977 - AP BAT § 54 Nr. 1; BAG, Urteil vom 29.01.1997 - AP BGB § 626 Nr. 131).

Nach der ständigen Rechtsprechung der Arbeitsgerichte kann darüber hinaus nicht nur eine erwiesene Vertragsverletzung, sondern auch schon der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren oder sonstigen Verfehlung einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung gegenüber einem Verdächtigen Arbeitnehmer darstellen.

Eine Verdachtskündigung liegt dann vor, wenn und soweit der Arbeitgeber eine Kündigung damit begründet, dass gerade der Verdacht eines strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört habe. Der Verdacht der strafbaren Handlung stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar, der in dem Tatvorwurf nicht enthalten ist. Bei der Tatkündigung ist für den Kündigungsentschluss maßgebend, dass der Arbeitnehmer nach der Überzeugung des Arbeitgebers die strafbare Handlung bzw. Pflichtverletzung tatsächlich begangen hat und dem Arbeitgeber aus diesem Grund die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. § 626 Abs. BGB lässt eine Verdachtskündigung dann zu, wenn starke Verdachtsmomente auf objektiven Tatsachen gründen, wenn die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören und wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhaltes unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (BAG, Urteil vom 14.09.1994 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 24; BAG, Urteil vom 20.08.1997 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 27; BAG, Urteil vom 18.11.1999 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 32; BAG, Urteil vom 06.12.2001 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 36; BAG, Urteil vom 06.11.2003 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 39; APS/Dörner, a.a.O., § 626 BGB Rz. 345 f.; ErfK/Müller-Glöge, a.a.O., § 626 BGB Rz. 208 ff.; KR/Fischermeier, a.a.O., § 626 BGB Rz. 210 ff. m. w. N.).

2. In Übereinstimmung mit der arbeitsgerichtlichen Entscheidung ist auch die Berufungskammer der Überzeugung, dass ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB im vorliegenden Fall nicht gegeben ist.

Dass die Beklagte dem Kläger keinen vollendeten Diebstahl von Designer-Dekor-Gläsern vorwerfen kann, scheint inzwischen auch Auffassung der Beklagten zu sein, als Tatkündigung ist die Kündigung vom 14.11.2006 unwirksam. Die Beklagte kann dem Kläger keinen Diebstahl an ihren Produkten nachweisen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Kläger inzwischen vom Amtsgericht wegen des Diebstahlvorwurfs rechtskräftig freigesprochen worden ist.

Es sind zur Überzeugung der Berufungskammer aber auch keine Tatsachen vorhanden, die den dringenden Tatverdacht einer strafbaren Handlung, insbesondere eines Diebstahls, rechtfertigen könnten. Dies hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil, das ausführlich begründet worden ist und dessen Ausführungen sich die Berufungskammer zu eigen macht, zutreffend festgestellt.

a) Konkrete Tatsachen, die einen dringenden Diebstahlsverdacht stützen könnten, lagen nach Auffassung der Berufungskammer auch zum Zeitpunkt des Ausspruches der außerordentlichen Kündigung vom 14.11.2006 nicht vor.

Zwar hatte der Kläger, wie auch bereits das Arbeitsgericht in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, durch seine zahlreichen Verkäufe von Gläsern aus den Beständen der Beklagten im Internet ein Misstrauen gegen ihn hervorgerufen. Auch der Umstand, dass der Kläger nicht sämtliche e5-Verkäufe unter seinem Namen, sondern über Accounts seiner Mutter bzw. Großmutter durchgeführt hat, sowie die Tatsache, dass anlässlich der Hausdurchsuchung auch bei seiner Mutter zahlreiche Gläser aus den Beständen der Beklagten sichergestellt werden konnten, lag die Vermutung nahe, dass bei dem "schwunghaften" Handel des Klägers mit Gläsern aus dem Bestand der Beklagten etwas nicht mit rechten Dingen zugehen konnte und der Kläger möglicherweise etwas verbergen wollte.

Angesichts des Umstandes, dass vom Ausspruch einer Verdachtskündigung auch ein unschuldiger Mitarbeiter betroffen sein kann, reichen aber bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen des Arbeitgebers zur Rechtfertigung eines dringenden Verdachts nicht aus. Der Verdacht muss vielmehr auf konkreten Tatsachen beruhen und insbesondere auch dringend sein (BAG, Urteil vom 10.02.2005 - AP KSchG 1969 § 1 Nr. 79 - unter B. II. 2. der Gründe).

b) Derartige konkrete Tatsachen, die einen dringenden Diebstahlsverdacht begründen könnten, hat die Beklagte jedoch auch im vorliegenden Kündigungsschutzverfahren nicht vorbringen können. Insbesondere ist nicht auszuschließen, dass der Kläger die Gläser aus den Beständen der Beklagten, mit denen er im Internet gehandelt hat, legal hat erwerben können. Unstreitig ist zwischen den Parteien, dass bis zum 01.07.2007 ein Werksverkauf durch den bei der Beklagten gebildeten Betriebsrat durchgeführt wurde. Unstreitig ist ferner, dass der Kläger noch bis zum 24.02.2005 Gläser von der Beklagten über die Mitarbeiter G1 und G5 erwerben konnte. Ein Handel mit bei der Beklagten legal erworbenen Gläsern ist grundsätzlich nicht verboten. Dies gilt auch dann, wenn unterstellt wird, dass der Kläger mit Gläsern der Beklagten einen "schwunghaften" Handel betrieben und über e5 insgesamt 133 Mal knapp ca. 1000 Gläser verkauft hat. Dem Kläger war es nicht verboten, mit Gläsern, die er von der Beklagten legal erworben hat, Handel zu betreiben.

Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass der Kläger vom Betriebsrat nicht mehr als 50 Gläser und von den Mitarbeitern G1 und G5 jeweils nicht mehr als 60 Gläser erworben hat. Woraus sich ergibt, dass vom Betriebsrat und von den Mitarbeitern G1 und G5 allenfalls 170 Gläser auf rechtmäßige Weise erworben worden sein sollen, trägt die Beklagte nicht vor. Hierzu scheint sie auch nicht im Stande zu sein, da über den Werksverkauf bei der Beklagten keine Aufzeichnungen geführt wurden. Allein aus diesem Grunde ist es der Beklagten verwehrt, sich darauf zu berufen, der Kläger müsse ca. weitere 830 Gläser unrechtmäßig erworben haben. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger ca. 830 Gläser auf unrechtmäßige Weise erworben hat, liegen nicht vor. Etwas anderes hätte sich allenfalls dann ergeben können, wenn über den Werksverkauf ordnungsgemäß Buch geführt worden wäre.

Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass beim Kläger anlässlich der durchgeführten Hausdurchsuchungen Gläser sichergestellt worden seien, die seinerzeit noch nicht im Handel gewesen seien. Soweit die Beklagte behauptet hat, dies treffe auf V1-Gläser zu, hat der Kläger im vorliegenden Kündigungsschutzverfahren nachgewiesen, dass diese Gläser auch von anderen Anbietern bei e5 im Internet angeboten werden (Bl. 90 ff., 158 f. d.A.). Die Beklagte hat auch einräumen müssen, dass der Kläger unter Umständen Weizenbier-Gläser "T3 H2" wie auch die Bitburger-Pils-Gläser mit der Aufschrift V2 legal erworben konnte.

Schließlich brauchte die Berufungskammer auch nicht der Behauptung der Beklagten, die Prosecco-Gläser "E6 S5" seien zum Zeitpunkt der Hausdurchsuchung noch nicht im Handel gewesen, nicht näher durch Beweiserhebungen nachgehen. Unstreitig sind diese Gläser nämlich bereits ab Dezember 2005 produziert worden. Ab wann genau diese Prosecco-Gläser von der Beklagten in den Handel gebracht worden sind, trägt die Beklagte auch im Berufungsverfahren nicht konkret vor. Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen der Kläger diese Prosecco-Gläser nicht in dem Zeitraum von Dezember 2005 bis Februar 2006 auf legalem Wege hat erwerben können. Immerhin ist denkbar, dass bei der Produktion dieser Prosecco-Gläser 2. Wahl anfiel und/oder andere Mitarbeiter der Beklagten diese Gläser legal erworben und sie dem Kläger anlässlich seines Geburtstages geschenkt haben. Das Gegenteil konnte nach dem Vorbringen der Beklagten jedenfalls nicht ausgeschlossen werden.

Die Beklagte steht darüber hinaus zu Unrecht auf dem Standpunkt, dass der Kläger die von ihr angestellte Vermutung, der Kläger habe Gläser aus dem Bestand der Beklagten widerrechtlich an sich genommen, zu widerlegen habe bzw. den damit verbundenen Verdacht auf widerrechtliche Entwendung erschüttern müsse. Dies ist mit der gesetzlichen Darlegungs- und Beweislastverteilung in § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG, die auch im Rahmen einer außerordentlichen Kündigung, auch bei einer Verdachtskündigung, Anwendung findet, nicht zu vereinbaren. Der Kündigende ist darlegungs- und beweispflichtig für diejenigen Umstände, die als wichtige Gründe in Betracht kommen (vgl. statt aller: APS/Dörner, a.a.O., § 626 BGB Rz. 173 m.w.N.). Nicht der Kläger muss die gegen ihn sprechenden Vermutungen widerlegen, die Beklagte hat vielmehr diejenigen Umstände, die einen dringenden Tatverdacht und die gegen den Kläger sprechenden Umstände darzulegen und zu beweisen. Dies ist ihr nicht gelungen.

Dies gilt insbesondere angesichts des Umstandes, dass der Kläger in dem gegen ihn geführten Strafverfahren mangels Beweises freigesprochen worden ist. Wird ein Verdächtiger im Strafverfahren wegen mangelnder Beweise freigesprochen, ist dem Arbeitgeber zwar grundsätzlich nicht die Möglichkeit abgeschnitten, gleichwohl wegen Verdachts wirksam zu kündigen. Da der Freispruch mangels Beweises den Verdacht gegen den Arbeitgeber aber entkräften kann, ist in diesem Fall besonders sorgfältig zu prüfen, ob die Dringlichkeit des Verdachts und die Erschütterung des Vertrauens des Arbeitgebers noch ausreichen, um eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen (Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 9. Aufl., Rz. 763 m.w.N.). Selbst wenn im vorliegenden Fall angesichts der Anklageerhebung gegen den Kläger noch konkrete Tatsachen vorgelegen haben sollten, die einen dringenden Tatverdacht gegen den Kläger begründet haben könnten, so ist dieser Tatverdacht durch die vor dem Strafgericht stattgefundene Beweisaufnahme vom 16.01.2007 widerlegt worden. Der Kläger hat unwidersprochen vorgetragen, dass auch das Vorstandsmitglied E3 bei seiner Vernehmung als Zeuge vor dem Strafgericht nicht letztlich mit Sicherheit ausschließen konnte, dass selbst die Prosecco-Gläser "E6 S5" nicht auch legal hätten erworben werden können.

c) Nach alledem kam es mangels Vorliegens eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB auf die Frage der Einhaltung der Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB und der ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG nicht mehr an.

II.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Beklagte hat die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen.

Der Streitwert hat sich in der Berufungsinstanz geändert und war neu festzusetzen. Er beträgt 6.600,00 €. Im Berufungsrechtszug war lediglich noch der Kündigungsschutzantrag im Raum, der mit drei Monatsverdiensten des Klägers zu bewerten war, §§ 42 Abs. 4 Satz 1, 63 GKG.

Für die Zulassung der Revision zum Bundesarbeitsgericht bestand nach § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.

Ende der Entscheidung

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