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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 19.03.2007
Aktenzeichen: 10 Ta 97/07
Rechtsgebiete: RVG, BetrVG, GKG


Vorschriften:

RVG § 23 Abs. 3 S. 2
RVG § 33 Abs. 3
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 2
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 3
GKG § 1 S. 2
Seit dem 01.01.2007 ist die erfolglose Beschwerde nach § 33 Abs. 3 RVG gegen die Festsetzung des Gegenstandswertes in arbeitsgerichtlichen Beschwerdeverfahren kostenpflichtig zurückzuweisen. Dies folgt aus § 1 S. 2 GKG idF des 2. JuMoG vom 22.12.2006 - BGBl. I 2006, 3416 -. Die Kostenfreiheit des § 2 Abs. 2 GKG für arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren steht dem nicht mehr entgegen.
Tenor:

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 13.12.2006 - 6 BV 76/06 - wird zurückgewiesen.

Die Arbeitgeberin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe:

I.

Im Ausgangsverfahren hat der antragstellende Betriebsrat von der Arbeitgeberin die Unterlassung verlangt, Überstunden ohne Beachtung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats anzuordnen oder zu dulden. Durch Beschluss vom 29.11.2006 hat das Arbeitsgericht dem Unterlassungsantrag rechtskräftig stattgegeben.

Auf Antrag der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats hat das Arbeitsgericht durch weiteren Beschluss vom 13.12.2006 den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf 6.000,00 € festgesetzt.

Gegen diesen der Arbeitgeberin am 21.12.2006 zugestellten Beschluss vom 13.12.2006, auf dessen Gründe Bezug genommen wird, richtet sich die am 03.01.2007 beim Arbeitsgericht eingegangene Beschwerde der Arbeitgeberin, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

Die Arbeitgeberin ist der Auffassung, dass das Arbeitsgericht bei der Wertfestsetzung zu Unrecht angesichts der vorgetragenen Vielzahl von Fällen von Verstößen einer Erhöhung des Regelwertes für angemessen erachtet habe. Bei den Verstößen gehe es durchgehend um Einzelfälle, die aus besonderen Anlässen angefallen seien und von denen die Geschäftsleitung erst im Nachhinein erfahren habe.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen.

II.

Die nach § 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin ist unbegründet.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht den Gegenstandswert für das vorliegende Beschlussverfahren mit 6.000,00 € bemessen.

Die Wertfestsetzung für das vorliegende Beschlussverfahren richtet sich nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG, wonach der Gegenstandswert in Fällen der vorliegenden Art nach billigem Ermessen zu bestimmen ist.

§ 23 Abs. 3 Satz 2 RVG stellt - wie früher § 8 Abs. 2 BRAGO - eine Auffangnorm für Angelegenheiten dar, für die Wertvorschriften fehlen. Der Auffangtatbestand des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG ist insbesondere für nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten bedeutsam, deren Wert auf anderem Wege nicht bestimmt werden kann. Die Wertfestsetzung nach billigem Ermessen kommt im Anwendungsbereich des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG aber erst hinter allen sonstigen Bewertungsfaktoren zum Zuge. Für das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren folgt bereits hieraus, dass die wirtschaftliche Bedeutung des jeweiligen Streitstands vielfach im Vordergrund der Bewertung stehen muss (LAG Hamm, Beschluss vom 24.11.1994 - LAGE § 8 BRAGO Nr. 27; LAG Hamm, Beschluss vom 12.06.2001 - LAGE § 8 BRAGO Nr. 50 = NZA-RR 2002, 472; Wenzel, GK-ArbGG, § 12 Rz. 194, 441 ff.).

Bei der vom Betriebsrat begehrten Unterlassung handelt es sich um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG. Die im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren anfallenden Streitsachen sind typischerweise nichtvermögensrechtlicher Natur. Dies gilt auch und gerade dann, wenn vom Arbeitgeber die Unterlassung bestimmter Handlungen verlangt wird und der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 BetrVG geltend macht. Um ein fallübergreifendes System zu erhalten, welches im Hinblick auf die Bewertung der anwaltlichen Tätigkeit im Beschlussverfahren adäquate Abstufungen zulässt und damit erlaubt, dem Einzelfall gerecht zu werden, kann für die Ausfüllung des Ermessensrahmens des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG die wirtschaftliche Bedeutung des Rechtsstreits für den Arbeitgeber bzw. für die Belegschaft aber nicht unberücksichtigt bleiben. Dabei ist allerdings auch der Grundtendenz des arbeitsgerichtlichen Verfahrens zu entsprechen, die Kosten zu begrenzen (LAG Hamm, Beschluss vom 23.01.2006 - 13 TaBV 200/05 -, Wenzel, a.a.O., Rz. 443 f. m.w.N.).

Unter Berücksichtigung der in der Rechtsprechung des Beschwerdegerichts niedergelegten Grundsätze hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss zu Recht und mit zutreffender Begründung eine Erhöhung des Ausgangswertes angenommen und den 1,5-fachen Ausgangswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG für angemessen erachtet. Zu Recht verweist das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss darauf hin, dass auch ohne Berücksichtigung derjenigen Vorfälle, die der Betriebsrat mit Schriftsatz vom 16.11.2006 in das Verfahren eingeführt hat, mit den in den vorangegangenen Schriftsätzen gerügten Fällen eine Vielzahl von Verstößen gegen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG vorliegt. Der Zeitraum der gerügten Verstöße verhält sich immerhin von Mai 2006 bis Juli 2006. Dies muss bei der Bewertung des Gegenstandswerts berücksichtigt werden. Hierin dokumentiert sich nämlich eine besondere Hartnäckigkeit des arbeitgeberseitigen Verhaltens, die zu einer Vervielfachung des Ausgangswertes des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG führen kann.

Auf die wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit kommt es insoweit nicht ausschlaggebend an. Die Arbeitgeberin kann sich insoweit auch nicht darauf berufen, dass es sich bei den angeordneten oder geduldeten Überstunden um besondere Einzelfälle gehandelt habe, die aus besonderen Anlässen angefallen seien. Es kann nämlich nicht unbeachtet bleiben, dass die Arbeitgeberin vor Einleitung des zugrunde liegenden Beschlussverfahrens am 07.07.2006 bereits mehrfach von den Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats aufgefordert worden ist, keine Überstunden anzuordnen oder zu dulden, bevor nicht die Zustimmung des Betriebsrats vorliegt. Auf die von der Arbeitgeberin unbeachtet gebliebenen Schreiben des Betriebsrats vom 08.02.2005, 14.02.2005 sowie 17.01.2006 wird Bezug genommen. Die Arbeitgeberin hat es danach trotz mehrfacher Anmahnung unterlassen, das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Anordnung oder Duldung von Überstunden - selbst wenn diese im Einzelfall erforderlich gewesen sein sollten - zu beachten. Entsprechende organisatorische Vorkehrungen, die die Beachtung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats hätten sicherstellen können, sind von der Arbeitgeberin nicht getroffen worden. Dies hat das Arbeitsgericht zu Recht zu einer Erhöhung des Hilfswertes des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG veranlasst. Insbesondere bei hartnäckigen Verstößen gegen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats kommt dem Beschlussverfahren eine gesteigerte Bedeutung zu, was zu einer Vervielfältigung des Ausgangswerts führen kann (LAG Düsseldorf, Beschluss vom 16.02.1989 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 13; Wenzel, a.a.O., Rz. 492).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 1 S. 2 GKG idF des 2. JuMoG vom 22.12.2006 - BGBl. I 2006, 3416 - in Kraft seit dem 01.01.2007. Danach ist das Beschwerdeverfahren nach § 33 RVG nicht mehr gerichtskostenfrei. Auch wenn früher teilweise vertreten wurde, dass die nach § 10 Abs. 3 BRAGO (heute § 33 Abs. 3 RVG) erhobene Streitwertbeschwerde ebenfalls an der Kostenfreiheit des § 2 Abs. 2 GKG teilhat (vgl.: LAG Hamm, Beschluss vom 14.10.1976 - AR-Blattei ES 160.13 Nr. 78; LAG Hamm, Beschluss vom 13.09.1979 - AR-Blattei ES 160.13 Nr. 97; vgl. auch: GK-ArbGG/Wenzel, a.a.O., § 12 Rz. 105; andere Auffassung bereits früher: LAG Niedersachsen, Beschluss vom 22.03.1988 - JurBüro 1988, 998; LAG Köln, Beschluss vom 31.03.2000 - LAGE § 10 BRAGO Nr. 10; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 5. Aufl., § 12 Rz. 132 m.w.N.), kann daran unter Geltung des § 1 S. 2 GKG seit dem 01.01.2007 nicht mehr festgehalten werden. § 1 S. 2 GKG n.F. sieht die Erhebung von Kosten ausdrücklich vor. Da das vorliegende Beschwerdeverfahren erfolglos war, gilt für das arbeitsgerichtliche Verfahren der Gerichtsgebührentatbestand der Nr. 8614 KV GKG.

§ 33 Abs. 9 S. 1 RVG steht dem nicht entgegen. Danach ist nur das Verfahren über den Antrag auf Streitwertfestsetzung gebührenfrei, nicht aber auch ein Beschwerdeverfahren. § 33 Abs. 9 S. 2 RVG schließt lediglich eine Kostenerstattung im Beschwerdeverfahren aus (Schneider NJW 2006, 325, 328).

Ende der Entscheidung

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