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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 21.07.2006
Aktenzeichen: 10 TaBV 11/06
Rechtsgebiete: BetrVG, BGB, ArbGG


Vorschriften:

BetrVG § 2 Abs. 1
BetrVG § 2 Abs. 2
BetrVG § 40
BGB § 280
BGB § 286
ArbGG § 2 a
ArbGG § 12 a Abs. 1
ArbGG § 80
Einer Gewerkschaft kann nach Durchführung eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens zur Durchsetzung des Zugangsrechts nach § 2 Abs. 2 BetrVG gegenüber dem Arbeitgeber ein Schadensersatzanspruch in Höhe der entstandenen Rechtsanwaltskosten zustehen.

Zwischen der Gewerkschaft, die ein Zugangsrecht geltend macht, und dem Arbeitgeber besteht insoweit ein gesetzliches Schuldverhältnis, mindestens eine vertragsähnliche Sonderverbindung im Sinne des § 280 Abs. 1 BGB (a.A.: LAG München, Beschluss vom 28.03.2001 - NZA-RR 2001, 662).

Ein derartiger Schadensersatzanspruch ist nicht durch § 12 a Abs. 1 ArbGG ausgeschlossen.


Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Herford vom 07.12.2005 - 1 BV 11/05 - abgeändert.

Der Arbeitgeberin wird aufgegeben, an die Antragstellerin 1.307,32 € zuzüglich einer Verzinsung in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.04.2006 zu zahlen.

Gründe:

A

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Erstattung der Anwaltskosten für zwei geführte Beschlussverfahren.

Die Arbeitgeberin beschäftigt in ihrem Betrieb der Metallindustrie über 200 Mitarbeiter. In ihrem Betrieb ist ein neunköpfiger Betriebsrat gewählt.

Die IG Metall, die Antragstellerin des vorliegenden Verfahrens, ist mit Mitgliedern im Betrieb der Arbeitgeberin vertreten.

Im Jahre 2003 gab es Streit zwischen den Beteiligten über das Zugangsrechts eines Gewerkschaftssekretärs der Antragstellerin zum Betrieb. Der Gewerkschaftssekretär K3xxxx, bei der IG Metall zuständig für den Betrieb der Arbeitgeberin, erhielt am 23.07.2003 ein Hausverbot, nachdem er zuvor - ohne nach Auffassung der Arbeitgeberin sich ordnungsgemäß anzumelden - den Betrieb zwecks Besprechung mit dem Betriebsrat aufgesucht hatte. Die Antragstellerin, vertreten durch Rechtsanwalt P2xxx und Partner, leitete daraufhin am 24.07.2003 ein Beschlussverfahren beim Arbeitsgericht Herford - 4 BV 20/03 - ein. Dem Antrag wurde mit Beschluss vom 10.10.2003, der Arbeitgeberin zugestellt am 20.10.2003, stattgegeben. Der Beschluss vom 10.10.2003 wurde rechtskräftig.

Wegen Teilnahme an einer Betriebsratssitzung vom 22.10.2003 durch den Gewerkschaftssekretär K3xxxx gab es erneut Streit zwischen den Beteiligten. Die Arbeitgeberin verwehrte dem Gewerkschaftssekretär K3xxxx erneut den Zutritt zum Betrieb. Im Wege der einstweiligen Verfügung machte die Antragstellerin daraufhin mit Antrag vom 15.10.2003 beim Arbeitsgericht Herford - 4 BVGa 4/03 - wiederum das Zugangsrecht zum Betrieb geltend, wobei sie sich erneut durch Rechtsanwalt P2xxx vertreten ließ. Nach Gewährung des Zutritts und übereinstimmender Erledigungserklärung wurde das Verfahren 4 BVGa 4/03 Arbeitsgericht Herford eingestellt.

Der Gegenstandswert für das Verfahren 4 BV 20/03 wurde vom Arbeitsgericht auf 9.000,00 €, für das Verfahren 4 BVGa 4/03 auf 2.700,00 € festgesetzt.

Mit Schreiben vom 02.12.2003 (Bl. 7,8 d.A.) übermittelten die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin daraufhin ihre Kostenrechnungen über 1.064,88 € bzw. 242,44 € der Arbeitgeberin. Die Arbeitgeberin lehnte eine Ausgleichung ab.

Mit dem am 14.07.2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag begehrte die Antragstellerin daraufhin die Freistellung von den Kosten der vorbezeichneten Verfahren in entsprechender Höhe der Kostennoten nach vergeblicher vorgerichtlicher schriftlicher Geltendmachung.

Die Antragstellerin hat die Auffassung vertreten, der Freistellungsanspruch ergebe sich aus § 280 Abs. 1 BGB. Im Hinblick auf das der Gewerkschaft zustehende Zugangsrecht nach § 2 Abs. 2 BetrVG bestehe zwischen den Beteiligten eine Sonderverbindung im Sinne des § 280 BGB. Die Arbeitgeberin habe das Zugangsrecht verletzt. Deshalb sei die Prozessführung durch die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin kausal verursacht worden und der Antragstellerin ein Schaden in Höhe der Rechtsanwaltsgebühren entstanden.

Die Antragstellerin sei auch berechtigt gewesen, statt einen Gewerkschaftssekretär Rechtsanwälte zu beauftragen. Insoweit könne nichts anderes gelten als für Rechtsstreitigkeiten zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber. Auch der Betriebsrat könne trotz des Gebotes, auf die finanziellen Belange des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen, nicht auf gewerkschaftlichen Rechtsschutz verwiesen werden; er habe das Recht, zur ordnungsgemäßen Prozessführung einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen.

Die IG Metall hat beantragt,

1. der Arbeitgeberin aufzugeben, die Antragstellerin durch Zahlung in Höhe von 242,44 € an Rechtsanwalt K4xxx P2xxx von den Kosten für die anwaltliche Vertretung in dem Beschlussverfahren 4 BVGa 4/03 vor dem Arbeitsgericht Herford freizustellen,

2. der Arbeitgeberin aufzugeben, die Antragstellerin durch Zahlung in Höhe von 1.064,88 € an Rechtsanwalt K4xxx P2xxx von den Kosten für die anwaltliche Vertretung in dem Beschlussverfahren 4 BV 20/03 vor dem Arbeitsgericht Herford freizustellen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Anträge abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, ein Kostenerstattungsanspruch bestehe unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt. Insbesondere ergebe sich ein derartiger Anspruch nicht aus § 280 BGB. Zwischen den Beteiligten bestehe kein Schuldverhältnis und auch keine vertragsähnliche Sonderverbindung, die Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch sei. Die Arbeitgeberin habe eine Verbindung zur Gewerkschaft ja gerade verhindern wollen.

Auch der Grundsatz, dass jeder im arbeitsgerichtlichen Verfahren gemäß § 12 a ArbGG seine Kosten selbst zu tragen habe, schließe einen Erstattungsanspruch aus. Ein materiellrechtlicher Kostenerstattungsanspruch sei lediglich in § 40 BetrVG vorhanden. Für den vorliegenden Fall gebe es gerade keine gesetzliche Kostenerstattungspflicht.

Schließlich sei sie auch deshalb nicht zur Tragung der Prozesskosten verpflichtet, weil unnötigerweise Anwaltskosten verursacht worden seien. Die IG Metall könne und müsse sich auch durch eigene Rechtssekretäre kostenfrei vertreten lassen.

Durch Beschluss vom 07.12.2005 hat das Arbeitsgericht die Anträge abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, zwischen den Beteiligten bestehe kein gesetzliches Schuldverhältnis im Sinne des § 280 BGB, auch keine vertragsähnliche Sonderverbindung von gewisser Dauer. Das Zugangsrecht der Gewerkschaft diene lediglich der Herstellung des Kontakts zwischen der Gewerkschaft und ihren Mitgliedern. § 12 a ArbGG schließe einen Kostenerstattungsanspruch, soweit nichts anderes ausdrücklich angeordnet sei, auch über seinen Wortlaut hinaus für Beschlussverfahren aus. Schließlich müsse sich die IG Metall auf kostenlosen Rechtsschutz durch eigene Gewerkschaftssekretäre verweisen lassen.

Gegen den der Antragstellerin am 02.01.2006 zugestellten Beschluss, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat die Antragstellerin am 27.01.2006 Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und dese mit dem am 24.02.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Antragstellerin ist nach wie vor der Auffassung, dass zwischen den Beteiligten aufgrund der Regelung in § 2 Abs. 2 BetrVG ein gesetzliches Schuldverhältnis im Sinne des § 280 Abs. 1 BGB bestehe. Für Fälle rechtswidriger Streiks sei dies anerkannt. Der Gesetzgeber habe der Gewerkschaft auch im Betriebsverfassungsrecht bestimmte Aufgaben im Betrieb eines Arbeitgebers zugeordnet. Mindestens liege insoweit eine vertragsähnliche Sonderverbindung vor, hierfür genüge jeder qualifizierte Kontakt. In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte sei darüber hinaus anerkannt, dass die Gewerkschaft ihr Zugangsrecht aus § 2 Abs. 2 BetrVG ausnahmsweise dann verlieren könne, wenn ein Fall unzulässiger Rechtsausübung vorliege. Voraussetzung für die Annahme einer unzulässigen Rechtsausübung sei aber immer das Bestehen eines gesetzlichen Schuldverhältnisses oder einer vertragsähnlichen Sonderverbindung.

Dem Arbeitsgericht könne auch nicht darin gefolgt werden, dass der Grundgedanke des § 12 a ArbGG auch für den vorliegenden Fall eine Kostenerstattung ausschließe. § 12 a Abs. 1 ArbGG gelte lediglich für das Urteilsverfahren. Eine entsprechende Anwendung des § 12 a ArbGG auch im Beschlussverfahren scheide aus.

Schließlich könne die Antragstellerin sich auch nicht auf den Rechtsschutz durch Rechtssekretäre der Gewerkschaft verweisen lassen. Bei der Beauftragung eines Rechtsanwalts durch die Gewerkschaft könne nichts anderes gelten als für die Beauftragung eines Rechtsanwaltes durch den Betriebsrat. Jedenfalls sei die Beauftragung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin in den zugrunde liegenden Beschlussverfahren nicht mutwillig oder gar rechtsmissbräuchlich gewesen.

Nachdem die Antragstellerin die Kostennoten ihrer Verfahrensbevollmächtigten (Bl. 76, 77 d.A.) ausgeglichen hat, ist die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren von dem ursprünglichen Freistellungsantrag zu einem Zahlungsantrag übergegangen.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Herford vom 07.12.2005 - 1 BV 11/05 - abzuändern und der Arbeitgeberin aufzugeben, an die Antragstellerin 1.307,32 € zuzüglich einer Verzinsung in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.04.2006 zu zahlen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrags ist die Arbeitgeberin weiter der Auffassung, dass ein Kostenerstattungsanspruch mangels Anspruchsgrundlage nicht bestehe. Ein gesetzliches Schuldverhältnis im Sinne des § 280 Abs. 1 BGB bestehe zwischen den Beteiligten nicht. Darüber hinaus sei mindestens der Grundgedanke des § 12 a ArbGG auch für das vorliegende Verfahren mindestens entsprechend anzuwenden. Schließlich hätte sich die Antragstellerin auch durch ihre eigenen fachkundigen Mitarbeiter vertreten lassen können.

Die Beschwerdekammer hat die Akten 4 BV 20/03 und 4 BVGa 4/03 Arbeitsgericht Herford informationshalber beigezogen. Auf den Inhalt dieser Akten wird ebenso Bezug genommen wie auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze.

B

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet.

Der Antragstellerin steht ein Anspruch auf Ersatz derjenigen Kosten zu, die durch die Beschlussverfahren auf Gewährung des Zutritts zu den Betriebsräumen der Arbeitgeberin gemäß § 2 Abs. 2 BetrVG entstanden sind.

I.

Der im Beschwerdeverfahren verfolgte Zahlungsantrag der Antragstellerin ist zulässig.

1. Zu Recht verfolgt die Antragstellerin den geltend gemachten Anspruch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren, §§ 2 a, 80 ArbGG. Rechtsanwaltskosten, die aufgrund eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens entstanden sind, sind als Durchsetzungskosten ebenfalls im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren geltend zu machen (BAG, Beschluss vom 27.06.1989 - AP ArbGG 1979 § 2 a Nr. 4 - unter II. 1. der Gründe; BAG, Beschluss vom 27.07.1994 - AP BetrVG 1972 § 76 a Nr. 4 - unter B. I. 1. der Gründe). Das gilt für den vorliegenden Fall umso mehr, als das Zutrittsrecht der Gewerkschaft in den zugrunde liegenden Beschlussverfahren 4 BV 20/03 sowie BVGa 4/03 Arbeitsgericht Herford gerade zur Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben der Gewerkschaft nach § 2 Abs. 2 BetrVG in Anspruch genommen wurde (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 5. Aufl., § 2 a Rz. 47).

2. Die Antragsbefugnis der Antragstellerin und die Beteiligung der Arbeitgeberin am vorliegenden Verfahren ergeben sich aus den §§ 10, 83 Abs. 3 ArbGG.

3. Für den im Beschwerderechtszug gestellten Zahlungsantrag, zu dem die Antragstellerin nach Ausgleichung der Kostennoten ihrer Verfahrensbevollmächtigten ohne Widerspruch der Arbeitgeberin nach § 267 ZPO zu Recht übergegangen ist, § 264 ZPO (vgl. BGH, Urteil vom 16.05.2001 - NJW-RR 2002, 283), besteht auch ein Rechtsschutzinteresse. Ein prozessualer Kostenerstattungsanspruch, der auf dem einfacheren Wege des Kostenfestsetzungsverfahrens durchzusetzen wäre und das Rechtsschutzinteresse für das gerichtliche Geltendmachen eines materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruchs auschließen könnte, besteht nämlich nicht. Im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren gibt es keine prozessuale Kostentragungspflicht und dementsprechend auch keine Kostenentscheidung (st. Rechtspr. des BAG, vgl. zuletzt BAG, Beschluss vom 27.07.1994 - AP BetrVG 1972 § 76 a Nr. 4 - unter B. I. 2. der Gründe; BAG, Beschluss vom 20.04.1999 - AP ArbGG 1979 § 81 Nr. 43 - unter II. der Gründe; BAG, Beschluss vom 13.03.2001 - AP ArbGG 1979 § 2 a Nr. 17 - unter C. I. 2. d) der Gründe; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, a.a.O., § 12 a Rz. 34 m.w.N.).

II.

Der Zahlungsantrag der Antragstellerin ist begründet.

Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten, die ihr durch die Beschlussverfahren 4 BV 20/03 sowie 4 BVGa 4/03 Arbeitsgericht Herford entstanden sind. Aufgrund der Kostennoten der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin vom 31.03.2006 (Bl. 76, 77 d.A.), die die Antragstellerin ausgeglichen hat, ergibt sich insoweit ein Zahlungsanspruch in der unstreitigen Höhe von 1.307,32 €.

1. Der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch folgt zwar nicht aus Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes. Das Betriebsverfassungsgesetz enthält für Fälle der vorliegenden Art keinen materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch. Derartige Kostenerstattungsansprüche sind zwar in den §§ 20 Abs. 3, 40, 76 a Abs. 1 BetrVG geregelt. Für den Fall der Geltendmachung eines Zugangsrechts durch die Gewerkschaft gemäß § 2 Abs. 2 BetrVG ist jedoch ein materiellrechtlicher Kostenerstattungsanspruch gerade nicht angeordnet worden. Auf § 40 BetrVG kann die Antragstellerin den geltend gemachten Anspruch nicht stützen, da die Kosten, die das Zugangsrecht der Gewerkschaft durchsetzen sollen, keine durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten darstellen. Auch eine analoge Anwendung des § 40 BetrVG auf den vorliegenden Fall scheidet aus (so auch: LAG München, Beschluss vom 28.03.2001 - NZA-RR 2001, 662).

2. Entgegen der vom Arbeitsgericht vertretenen Auffassung ergibt sich der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch jedoch aus § 280 Abs. 1 BGB.

Nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Gläubiger Schadensersatz verlangen, wenn der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt.

§ 280 Abs. 1 BGB enthält insoweit einen materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch.

a) Die Anwendbarkeit des § 280 Abs. 1 BGB auf Fälle der vorliegenden Art ist nicht durch § 12 a Abs. 1 ArbGG ausgeschlossen.

Gemäß § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG besteht in Urteilsverfahren des ersten Rechtszuges kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten oder Beistandes.

§ 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG schränkt zwar nicht nur den prozessualen Kostenerstattungsanspruch ein, sondern schließt auch einen entsprechenden materiellrechtlichen Schadensersatzanspruch aus (vgl. statt aller: BAG, Urteil vom 30.04.1992 - AP ArbGG 1979 § 12 a Nr. 6; BAG, Beschluss vom 30.06.1993 - AP ArbGG 1979 § 12 a Nr. 8; BAG, Beschluss vom 27.07.1994 - AP BetrVG 1972 § 76 a Nr. 4 m.w.N.). § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG ist aber für den durch die Antragstellerin geltend gemachten materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch ohne Bedeutung, weil diese Vorschrift auf Beschlussverfahren nicht anwendbar ist. § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG gilt nach seinem eindeutigen Wortlaut nur für das Urteilsverfahren. Auf das Beschlussverfahren ist § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG weder unmittelbar noch analog anwendbar. Der Anwendungsbereich des § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG ist ausdrücklich auf das Urteilsverfahren beschränkt. Dies hat das Bundesarbeitsgericht in dem genannten Beschluss vom 27.07.1994 (a.a.O.) im Einzelnen eingehend begründet. Dieser Begründung schließt sich die erkennende Beschwerdekammer ausdrücklich zur Vermeidung von Wiederholungen an. Hiernach können die im Beschlussverfahren entstehenden Anwaltskosten auch als Verzugsschaden anzusehen sein. § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG schränkt insoweit den materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch nicht ein.

b) Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB sind erfüllt.

aa) Mit der Antragstellerin ist die erkennende Beschwerdekammer der Auffassung, dass zwischen der Antragstellerin und der Arbeitgeberin aufgrund des Zugangsrechtes nach § 2 Abs. 2 BetrVG, so wie es von der Antragstellerin in den zugrunde liegenden Beschlussverfahren 4 BV 20/03 und 4 BVGa 4/03 Arbeitsgericht Herford geltend gemacht worden ist, ein gesetzliches Schuldverhältnis, mindestens eine vertragsähnliche Sonderverbindung im Sinne des § 280 Abs. 1 BGB (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 280 Rz. 8 ff.; Roth, MünchKomm, BGB, 4. Aufl., § 242 Rz. 72 ff.; Soergel/Teichmann, BGB, 12. Aufl., § 242 Rz. 33 m.w.N.) bestand (a.A.: LAG München, Beschluss vom 28.03.2001 - NZA-RR 2001, 662).

Richtig ist zwar, dass die betriebsverfassungsrechtlichen Rechte und Pflichten der Verbände im Betriebsverfassungsgesetz im Einzelnen aufgezählt sind (vgl. die Aufstellung bei Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 23. Aufl., § 2 Rz. 65). Auch der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG gilt nicht für die Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaft und Betriebsrat bzw. Arbeitgeber, sondern zunächst nur für den Arbeitgeber und den Betriebsrat. Eine betriebsverfassungsrechtliche Pflicht der Gewerkschaft zur Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat besteht grundsätzlich nicht. Sie wird auch durch § 2 Abs. 2 BetrVG nicht begründet (BAG, Beschluss vom 14.01.1983 - AP BetrVG 1972 § 76 Nr. 12; Fitting, a.a.O., § 2 Rz. 54 und § 40 Rz. 26; Däubler/Kittner/Klebe/Berg, BetrVG, 10. Aufl., § 2 Rz. 24; Kraft/Franzen, GK-BetrVG, 8. Aufl., § 2 Rz. 22, 23; ErfK/Eisemann, 6. Aufl., § 2 BetrVG Rz. 4; Däubler, Gewerkschaftsrechte im Betrieb, 10. Aufl., Rz. 168).

Andererseits gelten die Grundsätze des § 2 BetrVG, insbesondere der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG auch für die Gewerkschaften und die übrigen Verbände, sie schaffen auch bestimmte Verhaltens- und Nebenpflichten der Gewerkschaft bei der Ausübung ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Befugnisse. Soweit Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände Aufgaben und Befugnisse im Rahmen der Betriebsverfassung wahrnehmen, sind sie ebenfalls an den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit gebunden (BAG, Beschluss vom 14.02.1967 - AP BetrVG § 45 Nr. 2; Fitting, a.a.O., § 2 Rz. 12, 18, 23; Kraft/Franzen, a.a.O., § 2 Rz. 10; Richardi, BetrVG, 10. Aufl., § 2 Rz. 11; ErfK/Eisemann, a.a.O., § 2 BetrVG Rz. 1 a.E. m.w.N.). Gerade durch die Inanspruchnahme des Zugangsrechts, so wie es von der Antragstellerin in den zugrunde liegenden Beschlussverfahren 4 BV 20/03 und 4 BVGa 4/03 Arbeitsgericht Herford gegenüber der Arbeitgeberin geltend gemacht worden ist, hat das Verhältnis zwischen der Gewerkschaft und der Arbeitgeberin eine Konkretisierung erfahren, die zur gegenseitigen Rücksichtnahme und Loyalität verpflichtet. Durch die Inanspruchnahme des Zugangsrechts durch die antragstellende Gewerkschaft wurde zwischen den Beteiligten mindestens eine Sonderbeziehung eigener Art begründet, deren Inhalt wegen der im Regelfall gegebenen Interessenüberschneidungen im besonderen Maße durch Treu und Glauben bestimmt und geeignet war, Rechtspflichten zu begründen. Wenn bereits die bloße Inanspruchnahme eines Störers auf Unterlassung durch einen Wettbewerber (BGH, Urteil vom 19.10.1989 - NJW 1990, 1905) oder die Rechtsbeziehung zwischen einem Geschädigten und einem unzuständigen Haftpflichtversicherer, bei dem jener seinen Anspruch angemeldet hat (BGH, Urteil vom 11.06.1996 - NJW 1996, 2724), zu einer vertragsähnlichen Sonderverbindung und damit zu einem gesetzlichen Schuldverhältnis führt, muss das erst recht gelten, wenn eine Gewerkschaft das ihr gesetzlich eingeräumte Zugangsrecht nach § 2 Abs. 2 BetrVG zur Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben geltend macht. Die Antragstellerin verweist in diesem Zusammenhang auch zu Recht darauf, dass in der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte anerkannt ist, dass die Gewerkschaft ihr Zugangsrecht nach § 2 Abs. 2 BetrVG ausnahmsweise dann verlieren kann, wenn ein Fall unzulässiger Rechtsausübung gemäß § 242 BGB vorliegt (BAG, Beschluss vom 18.03.1964 - AP BetrVG § 45 Nr. 1; BAG, Beschluss vom 14.02.1967 - AP BetrVG § 45 Nr. 2; LAG Hamm, Beschluss vom 17.11.2000 - 10 TaBV 55/00 - AiB 2201, 723). Voraussetzung für die Annahme einer unzulässigen Rechtsausübung ist aber zunächst überhaupt das Bestehen einer Sonderverbindung (Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 242 Rz. 6 und 38). Ohne Bestehen eines gesetzlichen Schuldverhältnisses im Sinne der §§ 242, 280 BGB könnte der Arbeitgeber der Gewerkschaft das Zugangsrecht nach § 2 Abs. 2 BetrVG gar nicht verweigern.

bb) Durch die Verweigerung des Zugangsrechtes hat die Arbeitgeberin seinerzeit die ihr gegenüber der Gewerkschaft obliegenden Pflichten verletzt, § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB. Unstreitig ist zwischen den Beteiligten, dass die Arbeitgeberin seinerzeit durch das unberechtigte Hausverbot gegenüber dem Gewerkschaftssekretär K3xxxx und durch die Verwehrung des Zutrittsrechts am 23.07.2003 das der Antragstellerin zustehende Zugangsrecht nach § 2 Abs. 2 BetrVG verletzt hat. Die Einzelheiten ergeben sich aus dem rechtskräftigen Beschluss des Arbeitsgerichts Herford vom 10.10.2003 - 4 BV 20/03 -. Ebenso ist der Gewerkschaft zu Unrecht am 13.10.2003 der Zutritt zum Betrieb der Arbeitgeberin verweigert worden; die Gewerkschaft war aus diesem Grund genötigt, das Zutrittsrecht im Wege der einstweiligen Verfügung - 4 BVGa 4/03 Arbeitsgericht Herford - geltend zu machen.

cc) Durch die Verweigerung des Zugangsrechts durch die Arbeitgeberin, die diese nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB zu vertreten hat, ist der Antragstellerin auch ein Schaden entstanden, der auf Ersatz der zur Durchsetzung des Zutrittsrechts entstandenen Rechtsanwaltskosten gerichtet ist.

Ein Schadensersatzanspruch nach § 280 BGB erstreckt sich auf alle unmittelbar und mittelbaren Nachteile des schädigenden Verhaltens und erfasst nicht nur Prozesskosten (OLG Düsseldorf, Urteil vom 09.06.1995- NJW-RR 1996, 729), sondern auch Rechtsanwaltskosten (BGH, Urteil vom 30.04.1986 - NJW 1986, 2244 = AP BGB § 249 Nr. 28; Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 280 Rz. 32), soweit diese zur Durchsetzung des Zutrittsrechts vernünftig und zweckmäßig gewesen sind. Die Arbeitgeberin hat durch die pflichtwidrige Verweigerung des Zutrittsrechts gegenüber dem Gewerkschaftssekretär K3xxxx die Einleitung der zugrunde liegenden Beschlussverfahren 4 BV 20/03 und 4 BVGa 4/03 Arbeitsgericht Herford verursacht. Für die Arbeitgeberin war es auch nicht unvorhersehbar, dass die Gewerkschaft zur Einleitung der vorgenannten Verfahren Rechtsanwälte einschalten würde. Die Einschaltung von Rechtsanwälten zur Durchsetzung eines Zugangsrechts der Gewerkschaft nach § 2 Abs. 2 BetrVG kann jedenfalls nach der Lebenserfahrung nicht als unvernünftig und unzweckmäßig angesehen werden. Da die Arbeitgeberin nicht bereit war, die geschuldete Leistung zu erbringen und dem Gewerkschaftssekretär K3xxxx das Zutrittsrecht zu ihrem Betrieb zu gewähren, konnte die Antragstellerin mit der Durchsetzung ihrer Rechte auch einen Rechtsanwalt beauftragen.

Entgegen der Rechtsauffassung der Arbeitgeberin war sie auch nicht verpflichtet, zur Durchsetzung ihrer Rechte auf den eigenen Rechtsschutz zurückzugreifen. Abgesehen davon, dass die einzelnen Gewerkschaften heutzutage regelmäßig über eigenen Rechtsschutz schon nicht mehr verfügen und aus diesem Grunde dazu übergegangen sind, gerade in Beschlussverfahren Rechtsanwälte zu beauftragen, war die Antragstellerin nicht verpflichtet, in den einzuleitenden Beschlussverfahren 4 BV 20/03 sowie 4 BVGa 4/03 Arbeitsgericht Herford auf den eigenen Rechtsschutz zurückzugreifen und sich selbst zu vertreten. Der zulässigen Beauftragung von Rechtsanwalt P2xxx steht nicht entgegen, dass nach § 11 ArbGG auch eine Vertretung durch einen Gewerkschaftsvertreter möglich gewesen wäre. Rechtsanwaltskosten sind nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 40 BetrVG auch dann erstattungsfähig, wenn ein Betriebsrat oder ein Wahlvorstand die Möglichkeit gehabt hätte, sich durch die Gewerkschaft vertreten zu lassen. Es besteht keine Pflicht des Betriebsrats oder des Wahlvorstandes gegenüber dem Arbeitgeber, in einem Beschlussverfahren, in dem der Arbeitgeber Beteiligter ist, sich durch einen Vertreter der Gewerkschaft vertreten zu lassen oder zu versuchen, Rechtsschutz durch eine Gewerkschaft zu erlangen (BAG, Beschluss vom 03.10.1978 - AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 14; BAG, Beschluss vom 04.12.1979 - AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 18; LAG Düsseldorf, Beschluss vom 29.10.1985 - NZA 1986, 578; LAG Hamm, Beschluss vom 04.12.1985 - DB 1986, 488; Fitting, a.a.O.,§ 40 Rz. 26; Weber, GK-BetrVG, a.a.O., § 40 Rz. 105; DKK/Wedde, a.a.O., § 40 Rz. 22; ErfK/Eisemann, a.a.O., § 40 BetrVG Rz. 4 m.w.N.). Dies gilt auch für den vorliegenden Fall. Die antragstellende Gewerkschaft durfte denjenigen Verfahrensbevollmächtigten auswählen, zu dem sie das meiste Vertrauen hatte.

dd) Der Höhe nach ist der geltend gemachte Schadensersatzanspruch unstreitig. Die Kostenrechnungen von Rechtsanwalt P2xxx vom 02.12.2003 bzw. 31.03.2006 sind der Höhe nach nicht beanstandet worden. Rechtsanwalt P2xxx hat sein Honorar zutreffend nach den Vorschriften der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung abgerechnet.

3. Der geltend gemachte Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 286, 288 Abs. 1 und 2 BGB.

III.

Wegen der besonderen Bedeutung der Rechtssache hat die Beschwerdekammer die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht nach den §§ 92 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

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