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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 09.03.2007
Aktenzeichen: 10 TaBV 115/06
Rechtsgebiete: BetrVG, ZPO


Vorschriften:

BetrVG § 23 Abs. 3
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 3
ZPO § 890
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Paderborn vom 26.10.2006 - 1 BV 13/06 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

A

Im vorliegenden Verfahren begehrt der Betriebsrat die Unterlassung der Anordnung oder Duldung von Mehrarbeit durch die Arbeitgeberin ohne vorherige Mitbestimmung.

Die Arbeitgeberin betreibt einen Betrieb der Möbelindustrie mit ca. 100 Mitarbeitern.

Antragsteller des vorliegenden Verfahrens ist der im Betrieb der Arbeitgeberin gewählte Betriebsrat.

Am 25.05.2005 schlossen die Arbeitgeberin und der Betriebsrat eine Rahmenbetriebsvereinbarung über betriebliche Arbeitszeitgestaltung (AZK), die am 01.06.2005 in Kraft trat und eine Laufzeit bis zum 31.03.2006 hatte (Bl. 94 ff.d.A.). Die Laufzeit der Rahmenbetriebsvereinbarung vom 25.05.2006 wurde einvernehmlich verlängert bis zum 30.11.2006.

Gemäß Ziffer 2.1. der Rahmenbetriebsvereinbarung betrug die Dauer der regelmäßigen Arbeitszeit im Jahresdurchschnitt 35 Stunden gemäß Ziffer 19 a MTN (Sollstunden). Die jeweilige Wochenarbeitszeit konnte nach Ziffer 3.1. der Rahmenbetriebsvereinbarung je nach Auftragslage und/oder Belastung der einzelnen Abteilungen/Kostenstellen aus Serieninhalten auf bis zu 0 Stunden abgesenkt, oder bis zu 40 Stunden pro Woche erhöht werden.

Die Arbeitszeit richtete sich gemäß Ziffer 3.2. der Rahmenbetriebsvereinbarung nach dem Arbeitszeitkalender.

Den Mitarbeitern wurde die jeweilige Arbeitszeit im voraus angezeigt. Die verbindliche Festsetzung der Arbeitszeit sollte den Mitarbeitern der betroffenen Abteilungen 11 Kalendertage (jeweils freitags, spätestens 12.00 Uhr) vor Beginn durch Aushang bekannt gegeben werden (Ziffer. 4.1. und 4.2. der Rahmenbetriebsvereinbarung). Auf die Aushänge aus Dezember 2005, Januar und Februar 2006 (Bl. 16 ff.d.A.) wird Bezug genommen.

In Ziffer 9.2. der Rahmenbetriebsvereinbarung war geregelt, dass Arbeitszeit über die per Aushang festgelegte Wochenarbeitszeit Mehrarbeit ist und zu Gunsten des persönlichen Arbeitskontos geht.

Aufgrund der Durchsicht der Zeiterfassungskarten für bestimmte Mitarbeiter stellte der Betriebsrat im März 2006 fest, dass die Mitarbeiter P4xxxx, R2xxxx, H5xxxxxxxxx, T1xxxxx, H6xxxxxx und D2xxxx in den Monaten Januar 2006 und Februar 2006 die maximale Arbeitszeit von acht Stunden pro Tag erheblich überschritten und Mehrarbeit im Sinne der Rahmenbetriebsvereinbarung geleistet hatten, ohne dass zuvor die Zustimmung des Betriebsrats eingeholt worden war. Auf die Zeiterfassungskarten der genannten Mitarbeiter (Bl. 9 ff. d.A.) und die Aufstellung über Mehrarbeit in der Antragsschrift (Bl. 2 ff.d.A.) wird Bezug genommen.

Mit dem am 23.03.2006 beim Arbeitsgericht eingeleiteten Beschlussverfahren machte der Betriebsrat daraufhin den vorliegenden Unterlassungsanspruch geltend.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die unstreitige Anordnung oder Duldung von Mehrarbeit verletze seine Mitbestimmungsrechte, dies könne er nicht länger hinnehmen. Die Arbeitgeberin habe nach ihren eigenen Vortrag Mehrarbeit leisten lassen, ohne ihn, den Betriebsrat, auch nur zu unterrichten und um seine Zustimmung zu ersuchen. Die Arbeitgeberin könne sich auch nicht darauf berufen, die Mitarbeiter hätten die vorher oder nachher geleistete Mehrarbeit ausgeglichen. Notfälle im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hätten nicht vorgelegen.

Der Betriebsrat habe auch zu keinem Zeitpunkt auf seine Mitbestimmungsrechte verzichtet oder die angeordnete oder geduldete Mehrarbeit auch nur zustimmend geduldet. Bereits mit Schreiben vom 15.01.2004 (Bl. 42 d.A.) und vom 17.08.2001 (Bl. 43 d.A.) habe der Betriebsrat die Verletzung seiner Mitbestimmungspflichten im Hinblick auf geleistete Mehrarbeit schriftlich bemängelt.

Der Betriebsrat hat beantragt,

1. der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, Überstunden der in der P1-M1xxxxxxx S1xxxxxxx GmbH beschäftigten Mitarbeiter anzuordnen, zu vereinbaren oder zu dulden, sofern nicht die Zustimmung des Betriebsrats dazu erteilt ist oder die fehlende Zustimmung des Betriebsrats durch den Spruch der Einigungsstelle ersetzt ist oder Notstandsfälle im Sinne der Rechtsprechung vorliegen,

2. für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus dem Antrag zu 1) der Arbeitgeberin ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, anzudrohen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat darauf hingewiesen, dass die Mitarbeiter, die Mehrarbeit geleistet hätten, an anderen Tagen verkürzt gearbeitet hätten, die Mehrarbeit sei ausgeglichen worden. Der Mitarbeiter R2xxxx habe am 18.02.2006 einen dringenden Kundendienstfall bei einem Endkunden erledigen müssen. Herr H5xxxxxxxxx habe am 21.02.2006 einen kurzfristig aufgetretenen EDV-Fehler beheben müssen, um den Fortgang der Produktion gewährleisten zu können. Am 25.02.2006 habe er eine Softwareänderung an der Absaugung vorgenommen, derartige Arbeiten seien nur am Samstag bei nichtlaufender Produktion möglich.

Der Mitarbeiter T1xxxxx sei für die Kalkulation neuerer Modelle zuständig, diese Arbeiten seien in der normalen Arbeitszeit nicht zu schaffen, dies sei auch dem Betriebsrat bekannt.

Der Mitarbeiter H6xxxxxx sei im Musterbau beschäftigt. Für Möbelmessen habe man neue Messemodelle termingerecht herstellen müssen, was in der regelmäßigen Arbeitszeit nicht geleistet werden könne. Entsprechendes gelte auch für die Arbeit des Herrn D2xxxx.

Der Betriebsrat habe in Kenntnis der vorgeschilderten Sachverhalte in den vergangenen Jahren die dort aufgetretenen Arbeitszeitüberschreitungen nie moniert und ein Mitbestimmungsrecht für sich reklamiert. Insbesondere im Zusammenhang mit Messen habe er keine Einwände gegen Überschreitung der Arbeitszeit erhoben. Den Entwurf einer Betriebsvereinbarung zur Mehrarbeit für Messeaktivitäten habe der Betriebsrat abgelehnt.

Durch Beschluss vom 26.10.2006 hat das Arbeitsgericht den Antrag des Betriebsrats stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, der Unterlassungsanspruch sei gemäß § 23 Abs. 3 BetrVG begründet, da die Arbeitgeberin unstreitig Mehrarbeit angeordnet habe bzw. geduldet habe. Eil- oder Notfälle hätten nicht vorgelegen, der Arbeitgeberin sei es möglich gewesen, rechtzeitig vor den zu erledigenden Arbeiten die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen.

Gegen den der Arbeitgeberin am 20.11.2006 zugestellten Beschluss, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat die Arbeitgeberin am 28.11.2006 Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese mit dem am 16.01.2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Arbeitgeberin ist weiter der Auffassung, dass der Unterlassungsanspruch nicht begründet sei, weil ein grober Verstoß gegen betriebsverfassungsrechtliche Pflichten nicht vorgelegen habe. Insbesondere habe der Betriebsrat derartige Mehrarbeit , die er nunmehr rüge, in der Vergangenheit stets ohne vorherige Zustimmung passieren lassen, da er die Notwendigkeit solcher Maßnahmen eingesehen habe. In der Vergangenheit habe der Betriebsrat beispielsweise Reparaturmaßnahmen am Wochenende, wenn die Maschinen bzw. die EDV-Anlage nicht benutzt würden, passieren lassen. Er habe auch akzeptiert, dass im Bereich vor und nach Möbelmessen bestimmte Mitarbeiter in der Kalkulation bzw. im Musterbau Mehrarbeit leisten mussten, um die geforderten Arbeiten termingerecht abliefern zu können. Von dieser Haltung könne der Betriebsrat nicht einfach ohne Vorankündigung abweichen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Paderborn vom 26.10.2006 - 1 BV 13/06 - die Anträge des Betriebsrats zurückzuweisen.

Der Betriebsrat beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt den angefochtenen Beschluss und ist nach wie vor der Auffassung, er sei nicht verpflichtet, das rechtswidrige Verhalten der Arbeitgeberin im Hinblick auf die unstreitige Anordnung bzw. Duldung der geleisteten Mehrarbeit hinzunehmen. Auch in der Vergangenheit habe der Betriebsrat mehrfach das mitbestimmungswidrige Verhalten der Arbeitgeberin im Hinblick auf die Anordnung oder Duldung von Mehrarbeit gerügt. Zu keinem Zeitpunkt habe er das mitbestimmungswidrige Verhalten der Arbeitgeberin geduldet.

Hinzu komme, dass die Arbeitgeberin auch weiterhin den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 26.10.2006 missachte und Überstunden weiter ohne Zustimmung des Betriebsrats anordne.

Die zwischenzeitlich erfolgte Anrufung der Einigungsstelle zum Zwecke des Abschlusses einer Betriebsvereinbarung für den Bereich des Musterbaus und der Messearbeiten rechtfertige es nicht, Mehrarbeit ohne Zustimmung des Betriebsrats anzuordnen. Gerade die Zeiten der Messen seien der Arbeitgeberin seit langem bekannt, sodass sie sich auf Überbelastungen einstellen könne. Darüber hinaus seien im Betrieb mehrere Mitarbeiter beschäftigt, die auch in der Abteilung Musterbau aushelfen könnten, ohne dass es zu Überstunden kommen müsse.

Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

B

Die zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin ist nicht begründet.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht den Anträgen des Betriebsrats stattgegeben.

I.

Die Anträge des Betriebsrats sind zulässig.

1. Für die vom Betriebsrat gestellten Anträge ist das Beschlussverfahren die zutreffende Verfahrensart, §§ 2 a, 80 Abs. 1 ArbGG. Zwischen den Beteiligten ist eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit streitig, nämlich die Frage, ob der Arbeitgeber durch die Anordnung und Duldung von Mehrarbeit Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 BetrVG verletzt hat und ob dem Betriebsrat hieraus ein Unterlassungsanspruch zusteht.

2. Die Antragsbefugnis des Betriebsrats und die Beteiligung der Arbeitgeberin ergeben sich aus den §§ 10, 83 Abs. 3 ArbGG.

3. Dem geltend gemachten Unterlassungsantrag des Betriebsrats fehlt es auch nicht an der hinreichenden Bestimmtheit im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, der auch im Beschlussverfahren entsprechend anwendbar ist. Hiernach muss der Streitgegenstand so genau bezeichnet werden, dass die eigentliche Streitfrage selbst mit Rechtskraftwirkung zwischen den Beteiligten entschieden werden kann. Das gilt auch und vor allem für Anträge, mit denen die Unterlassung von Handlungen verlangt wird. Mit der Entscheidung über den Antrag muss feststehen, welche Maßnahmen der Schuldner zu unterlassen hat; diese Prüfung darf nicht in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden (BAG, Beschluss vom 11.12.1991 - AP BetrVG 1972 § 90 Nr. 2; BAG, Beschluss vom 24.01.2001 - AP ArbGG 1979 § 81 Nr. 50 m.w.N.). Diesen Voraussetzungen genügt der vom Betriebsrat gestellte Unterlassungsantrag. Der Unterlassungsantrag beschränkt sich nicht lediglich auf die Wiederholung des Gesetzeswortlautes des § 87 Abs. 1 Nr. 2, 3 BetrVG. Der Betriebsrat hat seinen Antrag auch insoweit eingeschränkt, dass nicht planbare und unvorhersehbare Notfälle vom geltend gemachten Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ausgenommen sind. Auch wenn der "Notfall" eine Mehrheit möglicher Lebenssachverhalte umschreibt, bleibt der Antrag genügend bestimmt, weil eine weitergehende Konkretisierung der in Betracht kommenden Vielfalt künftiger Fallgestaltungen regelmäßig nicht möglich ist. Auch wenn der Antrag im Übrigen sich global auf die Unterlassung der Anordnung, Vereinbarung oder Duldung von Überstunden bezieht, bleibt er genügend bestimmt. Die Auslegung des Antrags ergibt, dass der Betriebsrat die Unterlassung von Mehrarbeit im Sinne der Rahmenbetriebsvereinbarung vom 25.05.2005 bzw. von Mehrarbeit, die über die tarifliche Arbeitszeit von 35 Stunden pro Woche hinausgeht, verlangt (BAG, Beschluss vom 17.11.1998 - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 79; BAG, Beschluss vom 11.12.2001 - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 93; BAG, Beschluss vom 01.07.2003 - AP BetrVG 1972 Arbeitszeit Nr. 107 BAG, Beschluss vom 29.09.2004 - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 112 m.w.N.).

II.

Die Anträge des Betriebsrats sind auch begründet.

1. Zu Recht hat das Arbeitsgericht dem Unterlassungsanspruch des Betriebsrats stattgegeben.

Die Beschwerdekammer hat offen gelassen, ob der Unterlassungsanspruch, wie das Arbeitsgericht angenommen hat, aus § 23 Abs. 3 BetrVG folgt. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich nämlich bereits aus einem Verstoß der Arbeitgeberin gegen Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 BetrVG.

a) Grundsätzlich steht dem Betriebsrat ein Anspruch auf Unterlassung von mitbestimmungswidrigen Maßnahmen zu, wenn der Arbeitgeber Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus § 87 BetrVG verletzt. Dieser Anspruch setzt auch keine grobe Pflichtverletzung des Arbeitgebers im Sinne des § 23 Abs. 3 BetrVG voraus (BAG, Beschluss vom 03.05.1994 - AP BetrVG 19o72 § 23 Nr. 23; BAG, Beschluss vom 23.07.1996 - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 68; BAG, Beschluss vom 29.02.2000 - AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 105; BAG, Beschluss vom 27.01.2004 - AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 40; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 23. Aufl., § 87 Rz. 596 und § 23 Rz. 99 f.; Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 10. Aufl., § 87 Rz. 316; ErfK/Kania, 7. Aufl., Einl. vor § 74 BetrVG Rz. 28; Oetker, GK-BetrVG, 8. Aufl., § 23 Rz. 130 ff., 137 f. m.w.N.). Auch die beim Beschwerdegericht zuständigen Kammern haben einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats bei Verstoß gegen Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 BetrVG stets bejaht (LAG Hamm, Beschluss vom 06.02.2001 - 13 TaBV 132/00 - AiB 2001, 488; LAG Hamm, Beschluss vom 14.01.2005 - 10 TaBV 85/04 -; LAG Hamm, Beschluss vom 04.08.2006 - 10 TaBV 53/06 -).

b) Mit den vom Betriebsrat in der Antragsschrift vom 22.03.2006 gerügten Vorfällen hat die Arbeitgeberin gegen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG verstoßen.

aa) Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ist die vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit mitbestimmungspflichtig.

Dass in den in der Antragsschrift genannten Vorfällen hinsichtlich der Mitarbeiter P4xxxx, R2xxxx, H5xxxxxxxxx, T1xxxxx, H6xxxxxx und D2xxxx Mehrarbeit im Sinne der Rahmenbetriebsvereinbarung vom 25.05.2005 geleistet worden ist, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Nach Ziffer 9.2. der Rahmenbetriebsvereinbarung vom 25.05.2005 ist diejenige Arbeitszeit Mehrarbeit, die über die per Aushang festgelegte Wochenarbeitszeit hinausgeht. Die in der Antragsschrift genannten Mitarbeiter haben unstreitig in den Monaten Januar und Februar 2006 Mehrarbeit im Sinne dieser Vorschrift geleistet, ohne dass zuvor die Zustimmung des Betriebsrats eingeholt worden ist.

bb) Die von den betroffenen Mitarbeitern geleistete Mehrarbeit wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt wieder ausgeglichen worden ist. Gemäß Ziffer 9.2. der Rahmenbetriebsvereinbarung vom 25.05.2005 ist Mehrarbeit - wie bereits ausgeführt - diejenige Arbeitszeit, die über die per Aushang festgelegte Wochenarbeitszeit hinausgeht. Dass die Arbeitgeberin die geleistete Mehrarbeit vergütet und durch Freizeitausgleich ausgeglichen hat, ist selbstverständlich. Dies schließt das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG aber nicht aus.

cc) Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist auch nicht deshalb entfallen, weil die Mehrarbeit von den betroffenen Mitarbeitern etwa freiwillig erbracht worden ist. Das Einverständnis der betroffenen Mitarbeiter mit der angeordneten oder geduldeten Mehrarbeit beseitigt das Mitbestimmungsrecht nicht. Auch die Duldung von freiwillig geleisteter Mehrarbeit durch die Arbeitgeberin unterliegt dem Mitbestimmungsrecht (BAG, Beschluss vom 27.11.1990 - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 41; BAG, Beschluss vom 16.07.1991 - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 44; Fitting, a.a.O., § 87 Rz. 144; DKK/Klebe, a.a.O., § 87 Rz. 98; ErfK/Kania, a.a.O., § 87 BetrVG Rz. 34 m.w.N.). Der Betriebsrat hat bei Vorliegen eines kollektiven Tatbestandes nicht nur dann mitzubestimmen, wenn der Arbeitgeber Überstunden oder Mehrarbeit ausdrücklich anordnet, sondern auch dann, wenn er diese nur duldet, indem er sie entgegennimmt. Der Arbeitgeber kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht auf ein Fehlverhalten seiner Mitarbeiter berufen. Der Arbeitgeber ist Herr des Betriebes. Er kann und muss seinen Betrieb organisieren. Dementsprechend liegt es auch in seiner Macht und Verantwortung zu entscheiden, ob und in welchem Umfang er Mehrarbeit oder Überstunden in seinem Betrieb zulässt oder nicht. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn dem Arbeitgeber die Verlängerung der Arbeitszeit im Einzelfall verborgen bleibt.

dd) Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist bei den in der Antragsschrift genannten Vorfällen auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil es sich um sogenannte Eil- oder Notfälle gehandelt hat.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts besteht das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 BetrVG auch in sogenannten Eilfällen (BAG, Beschluss vom 1902.1991 - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 42; BAG, Beschluss vom 17.11.1998 - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 79; Fitting, a.a.O., § 87 Rz. 24 f.; DKK/Klebe, a.a.O., § 87 Rz. 21; ErfK/Kania, a.a.O., § 87 BetrVG Rz. 7 m.w.N.). Darunter sind Situationen zu verstehen, in denen eine Regelung möglichst umgehend erfolgen muss, der Betriebsrat aber noch nicht zugestimmt hat. § 87 BetrVG enthält keine Einschränkungen und auch keine Regelungen über vorläufige Maßnahmen wie in §§ 100,115 Abs. 7 BetrVG. Eilfälle können auf andere Weise unter Wahrung des Mitbestimmungsrechts geregelt werden. Sie sind regelmäßig das Ergebnis einer mangelnden betrieblichen Organisation des Arbeitgebers, der es unterlässt, die gesetzlichen Mitbestimmungsregelungen bei seinen Dispositionen von vornherein angemessen zu berücksichtigen.

Zu Recht ist das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss auch davon ausgegangen, dass es sich bei den vom Betriebsrat gerügten Vorfällen auch nicht um Notfälle im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gehandelt hat. Ein Notfall wird nur in plötzlich auftretenden, nicht vorhersehbaren und schwerwiegenden Situationen, etwa bei drohendem Eintritt von erheblichen Schäden für die Arbeitnehmer oder für den Betrieb, angenommen. Nur in diesen Fällen ist eine vorübergehende Beschränkung des Mitbestimmungsrechts im Hinblick auf den Grundsatz des § 2 Abs. 1 BetrVG zulässig. Notwendige Reparaturarbeiten im Betrieb der Arbeitgeberin, plötzliche Reklamationsarbeiten bei Kunden und insbesondere Zusatzarbeiten im Zusammenhang mit Messen stellen aber keine Notfälle in diesem Sinne dar. In all diesen Fällen handelt es sich um vorhersehbare Situationen, die auch unter Wahrung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats geregelt werden können.

ee) Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist auch nicht dadurch entfallen, dass der Betriebsrat möglicherweise in den vorangegangenen Jahren bestimmte Arbeitszeitüberschreitungen toleriert hat. Ein Verzicht des Betriebsrats auf sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG kann hierin nicht gesehen werden. Unstreitig ist zwischen den Beteiligten, dass der Betriebsrat beispielsweise mit Schreiben vom 17.08.2001 und mit Schreiben vom 15.01.2004 ausdrücklich die Ableistung von Mehrarbeit gerügt hat, ohne dass sie zuvor vom Betriebsrat genehmigt worden ist. Bereits aus diesen Schreiben muss entnommen werden, dass der Betriebsrat auf sein Mitbestimmungsrecht nicht verzichtet hat. Ein derartiger Verzicht wäre im Übrigen auch unwirksam. Ein Betriebsrat kann nicht auf die Ausübung seiner Mitbestimmungsrechte im voraus verzichten (BAG, Beschluss vom 23.03.1999 - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 80 - unter B. II. 2. c) der Gründe; BAG, Beschluss vom 08.06.2004 - AP BetrVG 1972 § 76 Einigungsstelle Nr. 20 - unter B. III. 4. a) der Gründe; BAG, Beschluss vom 26.04.2005 - AP BetrVG 1972 § 87 Nr. 12 - unter I. 2. a) der Gründe; Fitting, a.a.O., § 87 Rz. 6; DKK/Klebe, a.a.O., § 87 Rz. 38 f. m.w.N.).

c) Auch die für den allgemeinen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr ist gegeben.

Für die Wiederholungsgefahr besteht bereits eine tatsächliche Vermutung, wenn in der Vergangenheit ständig Mitbestimmungsrechte verletzt worden sind (BAG, Beschluss vom 29.02.2000 - AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 105). Einwendungen hiergegen sind von der Arbeitgeberin mit der Beschwerde nicht vorgebracht worden. Die Arbeitgeberin hat keine besonderen Umstände vorgetragen, aus denen sich ergeben könnte, dass eine weitere Verletzung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nicht mehr in Betracht kommt. Durch die inzwischen in der Einigungsstelle getroffene Regelung über Mehrarbeit im Zusammenhang mit Messen ist es nicht ausgeschlossen, dass es auch weiter im Betrieb der Arbeitgeberin zu Mehrarbeit kommt. Die vom Betriebsrat gerügten Vorfälle betreffen nicht lediglich von der Arbeitgeberin angeordnete Mehrarbeit im Zusammenhang mit Messen. Mehrarbeit ist auch in anderen Fällen - etwa bei Kundenreklamationen oder bei aufgetretenen EDV-Fehlern - geleistet worden. Darüber hinaus hat der Betriebsrat im Anhörungstermin vor der Beschwerdekammer ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es auch im Februar und März 2007 wiederum zu Mehrarbeit durch einzelne Mitarbeiter gekommen ist, ohne dass zuvor der Betriebsrat eingeschaltet worden ist.

2. Das Arbeitsgericht hat auch zu Recht dem Antrag des Betriebsrats, der Arbeitgeberin für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld anzudrohen, stattgegeben. Dieser Antrag folgt aus § 890 ZPO. Die Androhung eines Ordnungsgeldes nach § 890 ZPO ist auch bereits im Erkenntnisverfahren möglich und zulässig (BAG, Beschluss vom 26.10.2004 - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 113 - unter B. II. 3. der Gründe; LAG Frankfurt, Beschluss vom 03.06.1988 - DB 1989, 536; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 5. Aufl., § 85 Rz. 27; Fitting, a.a.O., § 23 Rz. 72; Oetker, GK-BetrVG, a.a.O., § 23 Rz. 192; ErfK/Eisemann, a.a.O., § 23 BetrVG Rz. 28 m.w.N.). Die Möglichkeit der Androhung eines Ordnungsgeldes nach § 890 ZPO wird auch nicht durch die Regelung in § 23 Abs. 3 BetrVG ausgeschlossen oder eingeschränkt, § 23 Abs. 3 BetrVG enthält insoweit keine abschließende Regelung (Fitting, a.a.O., § 23 Rz. 108; Oetker, a.a.O., § 23 Rz. 185, 192 m.w.N.).

III.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht bestand nach den §§ 92 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.

Ende der Entscheidung

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