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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 11.02.2008
Aktenzeichen: 10 TaBV 141/07
Rechtsgebiete: ArbGG, BetrVG


Vorschriften:

ArbGG § 98
BetrVG § 74 Abs. 1 S. 2
BetrVG § 77
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Detmold vom 10.12.2007 - 3 BV 88/07 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

A

Die Parteien streiten um die Einrichtung einer Einigungsstelle.

Die antragstellende Arbeitgeberin ist ein Betrieb der Umwelttechnik mit ca. 180 Mitarbeitern. Im Betrieb der Arbeitgeberin ist ein Betriebsrat gewählt, der aus sieben Personen besteht. Vorsitzender des Betriebsrats ist der am 17.08.1957 geborene Arbeitnehmer E1 K1, der seit 1978 im Betrieb der Arbeitgeberin als Schlosser eingestellt wurde. Seit 1988 ist Herr K1 Betriebsratsvorsitzender. Ob Herr K1 aufgrund einer Regelungsabrede als Betriebsratsvorsitzender von seiner Arbeitsleistung freigestellt worden ist und aufgrund seiner Betriebsratstätigkeit nahezu vollständig freigestellt werden muss, ist seit Jahren zwischen den Beteiligten streitig. Dieser Streit hat inzwischen zu zahlreichen Abmahnungen und Beschlussverfahren zwischen den Beteiligten geführt.

Hinsichtlich der betrieblichen Arbeitszeit haben die Betriebsparteien die regelmäßige Arbeitszeit des Betriebes durch eine Rahmenbetriebsvereinbarung "Arbeitszeit" vom 31.05.1996 (Bl. 7 ff. d A. 2 BV 7/06 Arbeitsgericht Paderborn = 10 TaBV 55/06 Landesarbeitsgericht Hamm) geregelt. Die Rahmenbetriebsvereinbarung wird durch verschiedene Arbeitszeitmodule für bestimmte Betriebsbereiche ergänzt.

Ziffer 9 der Rahmenbetriebsvereinbarung vom 31.05.1996 lautet:

"9 Beilegung von Differenzen

9.1 Ergeben sich bei der Anwendung und Auslegung dieser Rahmen-Betriebsvereinbarung oder deren Anlagen (Module) zu dieser Vereinbarung Meinungsverschiedenheiten, so sind diese zunächst zwischen Unternehmensleitung und Betriebsrat beizulegen. Dazu wird eine paritätische Kommission mit je 2 von der Unternehmensleitung und dem Betriebsrat zu benennenden Mitgliedern eingesetzt.

9.2 Falls keine Einigung erfolgt, wird das Einigungsverfahren nach § 24 des derzeit geltenden Manteltarifvertrages durchgeführt."

Modul V zur Rahmenbetriebsvereinbarung "Arbeitszeit" enthält eine "Betriebsvereinbarung über die Anordnung von notwendiger Mehrarbeit" ebenfalls vom 31.05.1996 (Bl. 10 ff.d.A.). Ziffer 5.4 dieses Modul V lautet:

"Lehnt der Betriebsrat die Genehmigung von Mehrarbeitsstunden ganz oder teilweise ab, so bringt er dieses auf dem Formular zum Ausdruck. In diesem Fall hat zunächst eine Erörterung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber stattzufinden. Kommt es dabei zu keiner Einigung, kann die Einigungsstelle angerufen werden."

Mit Schreiben vom 09.11.2007 (Bl. 4 ff.d.A.) beantragte die Arbeitgeberin beim Betriebsrat die Zustimmung zu Überstunden in den Abteilungen Fahrzeugbau, Behälterbau und Elektromontage für einen Zeitraum von vier Monaten.

Nachdem der Betriebsrat mit E-Mail vom 21.11.2007 (Bl. 14 d.A.) mitgeteilt hatte, er benötige noch weitere Informationen, teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat mit E-Mail vom gleichen Tage (Bl. 15 d.A.) u.a. folgendes mit:

"Sehr geehrter Betriebsrat,

hiermit teile ich Ihnen mit, dass solche Anträge der Nutzungsänderung bisher noch nicht gestellt worden sind (wobei geprüft werden müsste, ob tatsächlich eine Nutzungsänderung nach behördlicher Auffassung vorliegt). Dieses aus folgenden zwei Gründen:

- Um Bauanträge stellen zu können, sind vorher noch weitere Detailplanungen erforderlich, die bisher noch nicht abgeschlossen sind. Die Neugestaltung des Lagers beispielsweise befindet sich noch in der Grobplanung, welche für eine Antragstellung wohl nicht ausreichend wäre.

- Sinnvollerweise werden Bauanträge erst dann erstellt und schließlich gestellt, wenn die Voraussetzungen zur Durchführung dieser Vorhaben gegeben sind. Wie im Mehrarbeitsantrag vom 09.11.2007 erwähnt, ist die finanzielle Situation absolut entscheidend für dieses Projekt. Die Überstunden sind notwendig, um die weiteren Investitionen finanzieren zu können. Es besteht also ein direkter Zusammenhang zwischen der Zustimmung des Mehrarbeitsantrages und dem Erfolg des Projektes. Wir sollten also nicht den zweiten vor dem ersten Schritt machen.

Da das o.g. Projekt und die Nutzung der Überstunden bis Geschäftsjahresende für das Unternehmen und damit für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter enorm wichtig ist, schlage ich vor, diese Thematik nicht per eMail, sondern in einem gemeinsamen Gespräch heute, 21.11.2007, um 14.00 Uhr in einem der Besprechungsräume zu erörtern und bitte um kurze Bestätigung."

Mit E-Mail vom gleichen Tage (Bl. 17 d.A.) antwortete der Betriebsrat wie folgt:

"Geehrter Herr M1,

den vorgeschlagenen Gesprächstermin kann der Betriebsrat Ihnen nicht bestätigen.

Kurzfristige Gesprächstermine, ohne Mitteilung des Betriebsrats über die Themen unter vorheriger Vorlage der erforderlichen Unterlagen und ohne ausreichende Möglichkeit des Betriebsrats zur Vorbereitung, sind nicht möglich.

Aufgrund der gemachten Erfahrungen des Betriebsrats anlässlich geführter Gespräche in letzter Zeit, in denen dem Betriebsrat bzw. dem Betriebsratsvorsitzenden Äußerungen unterstellt werden die so nicht getroffen wurden, hat der Betriebsrat entschieden Gespräche mit der Geschäftsleitung nur noch im Beisein des Kollegen R. S8 von der IG Metall mit Ihnen zu führen.

Dieses werden Sie so zu akzeptieren haben.

Sie können gerne direkt einen Gesprächstermin mit dem Kollegen S8 von der IG Metall versuchen zu vereinbaren.

Mit Gruß

Betriebsrat"

Daraufhin teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat mit Schreiben vom 21.11.2007 (Bl. 19 d.A.) folgendes mit:

"Sehr geehrte Herren,

wird nehmen Bezug auf Ihre heutige Email und weisen Sie darauf hin, dass im Rahmen einer vertrauensvollen Zusammenarbeit unmittelbare Gespräche zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat ohne Einschaltung der Gewerkschaft möglich sein müssen.

Da Sie dies in o. g. Email ausdrücklich ablehnen, sehen wir die Verhandlungen zu unserem Mehrarbeitsantrag vom 09.11.2007 als gescheitert an.

Damit ist die Einsetzung einer Einigungsstelle erforderlich. Diesbezüglich schlagen wir folgende Besetzung der Einigungsstelle vor:

- Vorsitzender Richter des LAG Hamm Herr Peter Bertram

- 3 Beisitzer von jeder Seite

Zur Vermeidung eines arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahrens sehen wir Ihrer Stellungnahme zur Besetzung der Einigungsstelle bis zum 23.11.2007 entgegen."

Mit E-Mail vom gleichen Tage (Bl. 20 d.A.) erwiderte der Betriebsrat hierauf wie folgt:

"Geehrter Herr M1,

am 21.11.07 erhielt der Betriebsrat um 12.24 Uhr ein Schreiben von ihnen, überreicht durch die Herren E2 und R3, dass Sie aufgrund der heutigen E-Mail des Betriebsrats von 11.13 Uhr "Projekt innerbetriebliche Logistik" sowie Begründung Mehrarbeitsantrag vom 09.11.07, die Verhandlungen darüber als gescheitert erklären wollen.

Diese Erklärung verwundert den Betriebsrat nun allerdings sehr, da wir Ihnen um 12.04 Uhr bereits eine Stellungnahme des Betriebsrats zu dem Mehrarbeitsantrag übergeben haben. Sowie Ihnen in dieser E-Mail erklärten mit Ihnen reden zu wollen. Lediglich unter welchen Voraussetzungen ein solches Gespräch erfolgen wird haben wir Ihnen zudem mitgeteilt. Daraus allerdings nunmehr schließen zu wollen, dass der Betriebsrat nicht bereit ist mit der Geschäftsleitung über betriebliche Angelegenheiten auch dem Mehrarbeitsantrag reden zu wollen, entbehrt jeglicher Grundlage.

In dieser Stellungnahme die Ihnen vorliegt, fordert der Betriebsrat Sie auf, zunächst Ihren Verpflichtungen aus der Betriebsvereinbarung Arbeitszeit vom 31.05.96, insbesondere dem Modul II Absatz 5 nach zu kommen.

Diese Verpflichtung nach Abs. 5 Modul II, haben Sie vor einem Mehrarbeitsantrag zu erfüllen. Bisher ist dieses nicht geschehen.

Auch haben Sie den Betriebsrat umfassend zu unterrichten und mit diesem die Angelegenheit zu erörtern. Auch dieses ist bisher unterblieben.

Somit besteht bei weitem noch kein Anlass irgendwelche Verhandlungen, die noch gar nicht vorgesehen bzw. erfolgt sind, als gescheitert zu erklären.

Sie scheinen hier einige wesentliche Verpflichtungen gegenüber dem Betriebsrat zu vernachlässigen. Ebenso gegenüber dem bei M1 Umwelttechnik bestehenden Wirtschaftsausschuß.

Wir haben Sie nochmals aufzufordern Ihren Unterrichts- und Beratungspflichten nachzukommen, bevor Sie derartiges als gescheitert erklären möchten.

Für entsprechende Terminabsprachen, zur Unterrichtung und Beratung Ihres Antrages, stehen wir Ihnen selbstverständlich unter den mitgeteilten Bedingungen gerne zur Verfügung.

Mit Grüßen

Betriebsrat"

Mit dem am 26.11.2007 beim Arbeitsgericht eingeleiteten Beschlussverfahren begehrte die Arbeitgeberin daraufhin die Einsetzung einer Einigungsstelle.

Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, wegen der von ihr beabsichtigten Ableistung von Überstunden sei die Einrichtung einer Einigungsstelle unumgänglich. Trotz der dargestellten Eilbedürftigkeit versuche der Betriebsrat, eine Entscheidung über den Überstundenantrag zu verzögern. Der Betriebsrat könne insbesondere nicht verlangen, dass zu sämtlichen Verhandlungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat Vertreter der Gewerkschaft hinzugezogen werden müssten.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

1. der Richter am Landesarbeitsgericht Hamm, Peter Schmidt, wird zum Vorsitzenden der Einigungsstelle, die über den Antrag des Arbeitgebers an den Betriebsrat auf Zustimmung zu Überstunden in den Abteilungen Fahrzeugbau, Behälterbau und Elektromontage vom 09.11.2007 entscheiden soll, bestellt,

2. die Zahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer wird auf drei festgesetzt.

Der Betriebsrat hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, für die Beantragung der Einrichtung einer Einigungsstelle bestehe schon kein Rechtsschutzbedürfnis. Nach Ziffer 5.4 des Moduls V der Rahmenbetriebsvereinbarung vom 31.05.1996 sei eine vorherige Erörterung zwischen den Betriebsparteien erforderlich, die noch nicht stattgefunden habe. Die Hinzuziehung von Vertretern der Gewerkschaft sei angesichts der zahlreichen Verfahren zwischen den Beteiligten den Beleidigungen des Betriebsratsvorsitzenden durch die Geschäftsführer der Arbeitgeberin geboten. Im Übrigen habe die Arbeitgeberin auch das Verfahren nach Ziffer 9 der Rahmenbetriebsvereinbarung vom 31.05.1996 nicht eingehalten.

Durch Beschluss vom 10.12.2007 hat das Arbeitsgericht den Anträgen der Arbeitgeberin stattgegeben und die begehrte Einigungsstelle eingesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, Ziffer 9 der Rahmenbetriebsvereinbarung vom 31.05.1996 stehe der Einsetzung einer Einigungsstelle nicht entgegen, da Ziffer 5.4 des Moduls V der Rahmenbetriebsvereinbarung für die Anordnung von Überstunden eine Sonderregelung enthalte. Ziffer 5.4 des Moduls V sehe lediglich eine Erörterung zwischen den Betriebsparteien vor, das Einigungsverfahren nach § 24 MTV sei in Ziffer 5.4 des Moduls V gerade nicht erwähnt worden. Der Betriebsrat könne sich auch nicht darauf berufen, dass zwischen den Betriebsparteien noch keine ausführliche Erörterung über die Anordnung der begehrten Überstunden stattgefunden habe. Das Bestellungsverfahren nach § 98 ArbGG diene dazu, bei stockender vertrauensvoller Zusammenarbeit die Errichtung einer Einigungsstelle zu beschleunigen.

Gegen den dem Betriebsrat am 14.12.2007 zugestellten Beschluss, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat der Betriebsrat am 28.12.2007 Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese zugleich begründet.

Der Betriebsrat ist nach wie vor der Auffassung, die Arbeitgeberin habe die begehrte Einigungsstelle vorschnell angerufen.

Ziffer 5.4 des Moduls V enthalte keine Sonderregelung zu Ziffer 9 der Rahmenbetriebsvereinbarung vom 31.05.1996. Ziffer 9 der Rahmenbetriebsvereinbarung beziehe sich auch auf die Anwendung und Auslegung sämtlicher Module. Vorliegend sei weder eine paritätische Kommission gebildet worden noch sei das Einigungsverfahren nach § 24 MTV durchgeführt worden. Entsprechend der Entscheidung des Beschwerdegerichts vom 12.01.2007 - 10 TaBV 55/06 - müsse auch vorliegend zuvor das Verfahren nach Ziffer 9 der Rahmenbetriebsvereinbarung eingehalten werden.

Im Übrigen habe das Arbeitsgericht bei der angefochtenen Entscheidung nicht ausreichend berücksichtigt, dass der Betriebsrat mehrfach vergeblich versucht habe, mit der Arbeitgeberin Gesprächstermine zu vereinbaren. Den ausgesprochenen Einladungen sei die Arbeitgeberin nicht nachgekommen. Offensichtlich ziehe es die Arbeitgeberin vor, dauerhaft unter der magischen Grenze von 200 Arbeitnehmern zu bleiben, um den gesetzlichen Freistellungsanspruch des Betriebsratsvorsitzenden zu umgehen.

Der Betriebsrat beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses des Arbeitsgerichts Detmold vom 10.12.2007 - 3 BV 88/07 - die Anträge der Arbeitgeberin zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss und ist nach wie vor der Auffassung, dass in Ziffer 5.4 des Moduls V ausdrücklich die betriebsverfassungsrechtliche Einigungsstelle vorgesehen sei, nicht die tarifliche Einigungsstelle nach § 24 EMTV.

Ziffer 9 der Rahmenbetriebsvereinbarung gelte lediglich für die Module I bis IV, die eine besondere Verfahrensregelung nicht enthielten.

Das Arbeitsgericht habe im Übrigen völlig zu Recht auf die Eilbedürftigkeit der Überstundenanträge hingewiesen. Eine Anwendung von Ziffer 9 der Rahmenbetriebsvereinbarung wäre bei Streitigkeiten über Mehrarbeit viel zu aufwendig und sei gerade deshalb von Betriebsparteien auch vorliegend nicht vereinbart worden.

Der Betriebsrat könne auch nicht über Ziffer 5.4 des Moduls V das notwendige Einigungsstellenverfahren verhindern. Dass eine ausführliche Erörterung zwischen den Betriebsparteien bislang nicht stattgefunden habe, liege allein am Betriebsrat. Für die Arbeitgeberin sei es nicht zuzumuten gewesen, Termine in betriebsverfassungsrechtlichen Angelegenheiten, die mit dem Betriebsrat zu verhandeln seien, mit einem Gewerkschaftssekretär zu vereinbaren. Im Übrigen verstoße es gegen die Pflicht des Betriebsrats nach § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, mit dem Arbeitgeber mit dem ernsthaften Willen zur Einigung zu verhandeln, nur unter Hinzuziehung eines Gewerkschaftssekretärs verhandeln zu wollen. Der Betriebsrat habe keinen Anspruch darauf, zu sämtlichen Gesprächen mit dem Arbeitgeber immer einen Gewerkschaftssekretär hinzuzuziehen. Wer in beteiligungspflichtigen Angelegenheiten Verhandlungen für aussichtslos halte, könne die Einrichtung einer Einigungsstelle beantragen.

Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

B

Die zulässige Beschwerde des Betriebsrats ist unbegründet.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht dem Antrag der Arbeitgeberin in vollem Umfang stattgegeben und die begehrte Einigungsstelle eingerichtet. Entgegen der vom Betriebsrat vertretenen Auffassung hält auch die Beschwerdekammer die Einigungsstelle nicht für offensichtlich unzuständig.

I.

Gemäß § 98 Abs. 1 Satz 1 ArbGG kann ein Antrag auf Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden und auf Festsetzung der Zahl der Beisitzer wegen fehlender Zuständigkeit der Einigungsstelle nur dann zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Offensichtlich unzuständig ist die Einigungsstelle, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in der fraglichen Angelegenheit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Frage kommt und sich die beizulegende Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erkennbar nicht unter einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand des Betriebsverfassungsgesetzes subsumieren lässt (vgl. statt aller: LAG Hamm, Beschluss vom 07.07.2003 - NZA-RR 2003, 637; LAG Köln, Beschluss vom 14.01.2004 - AP BetrVG 1972 § 106 Nr. 18; LAG Hamm, Beschluss vom 09.08.2004 - AP ArbGG 1979 § 98 Nr. 14 = LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 41 m.w.N.).

II.

Eine offensichtliche Unzuständigkeit der begehrten Einigungsstelle in diesem Sinne liegt auch nach Auffassung der Beschwerdekammer nicht vor.

1. Die offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle ergibt sich nicht daraus, dass die Beteiligten noch nicht ausreichend über die streitige Anordnung von Überstunden im Betrieb der Arbeitgeberin verhandelt hätten.

a) Ziffer 9 der Rahmenbetriebsvereinbarung vom 31.05.1996 steht der von der Arbeitgeberin begehrten Einrichtung der Einigungsstelle nicht entgegen.

Zwar ist in Ziffer 9 der Rahmenbetriebsvereinbarung ausdrücklich vereinbart worden, dass bei Meinungsverschiedenheiten bei der Anwendung und Auslegung dieser Rahmenbetriebsvereinbarung oder deren Anlagen (Module) zunächst zur Beilegung dieser Meinungsverschiedenheiten eine paritätische Kommission eingesetzt werden soll und, falls keine Einigung erfolgt, das Einigungsverfahren nach § 24 MTV durchgeführt werden muss. Ziffer 9.1 der Rahmenbetriebsvereinbarung vom 31.05.1996 bezieht sich seinem Wortlaut nach auch ausdrücklich auf sämtliche Module zu dieser Rahmenbetriebsvereinbarung.

Dennoch ist die Einrichtung einer paritätischen Kommission und die Durchführung des Einigungsverfahrens nach § 24 MTV nicht Voraussetzung für die Einrichtung einer Einigungsstelle im vorliegenden Fall. Vorliegend geht es nämlich um die Einrichtung einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "Anordnung von Überstunden in den Abteilungen Fahrzeugbau, Behälterbau und Elektromontage". Hierfür enthält das Modul V zur Rahmenbetriebsvereinbarung vom 31.05.1996 eine ausdrückliche Sonderregelung in Ziffer 5.4. Die Bestimmungen der Rahmenbetriebsvereinbarung vom 31.05.1996 und deren Module können entgegen der Auffassung des Betriebsrats nicht dahin ausgelegt werden, dass in jedem Fall das Einigungsverfahren nach Ziffer 9 der Rahmenbetriebsvereinbarung durchgeführt werden muss. Wäre diese Auffassung richtig, wäre die Regelung in Ziffer 5.4 des Moduls V völlig überflüssig. Entsprechend enthalten die Module I bis IV auch keine Sonderregelung hinsichtlich des durchzuführenden Verfahrens.

Im Übrigen hat das Arbeitsgericht in der angefochtenen Entscheidung bereits zu Recht darauf hingewiesen, dass die Betriebsparteien mit der abweichenden Regelung in Ziffer 5.4 des Moduls V gerade der unter Umständen gebotenen Eilbedürftigkeit haben Rechnung tragen wollen. Sinn und Zweck des Einigungsstellenbesetzungsverfahrens ist es gerade, in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten den Betriebsparteien möglichst schnell ein Instrument an die Hand zu geben, um die Meinungsverschiedenheiten beizulegen. Dem stünde die in Ziffer 9 der Rahmenbetriebsvereinbarung enthaltene Verfahrensregelung geradezu entgegen. Für die mitbestimmungspflichtige Anordnung von Überstunden ist nach § 87 Abs. 2 BetrVG die Einigungsstelle nach § 76 BetrVG zuständig, wenn die Verhandlungen zwischen den Betriebsparteien zu keiner einvernehmlichen Regelung führen. Ziffer 5.4 des Moduls V gibt insoweit lediglich die gesetzliche Regelung wieder.

Auch der Hinweis des Betriebsrats auf die Entscheidung der Beschwerdekammer vom 12.01.2007 - 10 TaBV 55/06 Landesarbeitsgericht Hamm - geht ins Leere, weil diese Entscheidung keinen Antrag auf Zustimmung zu Überstunden gemäß Modul V zum Gegenstand hatte, sondern eine Meinungsverschiedenheit zwischen den Betriebsparteien betraf, die Modul II der Rahmenbetriebsvereinbarung betraf; in Modul II ist gerade keine ausdrückliche Verfahrensregelung wie in Modul V enthalten.

b) Auch der weitere Umstand, dass die Betriebsparteien im vorliegenden Fall über den Überstundenantrag der Arbeitgeberin vom 09.11.2007 noch nicht ausreichend verhandelt haben, führt nicht zur offensichtlichen Unzuständigkeit der von der Arbeitgeberin begehrten Einigungsstelle.

Zwar haben nach § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG Arbeitgeber und Betriebsrat über strittige Fragen mit dem ernsten Willen zur Einigung zu verhandeln und Vorschläge für die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zu machen. Hieraus ergibt sich jedoch nicht, dass die förmliche Aufnahme von Verhandlungen stets Voraussetzung für ein gerichtliches Bestellungsverfahren nach § 98 ArbGG ist. Nach Sinn und Zweck des gerichtlichen Bestellungsverfahrens, den Betriebsparteien im Konfliktfall möglichst zügig und ohne weitere Verzögerung durch eine der Betriebsparteien eine Einigungsstellezur Seite zu stellen, ist die Einigungsstelle nicht offensichtlich unzuständig, wenn eine der Betriebsparteien aufgrund des bisherigen Verhaltens der anderen Partei die weitere Führung von Verhandlungen für aussichtslos hält, das Scheitern der Verhandlungen erklärt und die Einigungsstelle anruft. Ist der Regelungsgegenstand hinreichend bekannt, liegt es in der Hand jeder Seite, frei zu entscheiden, wann sie die Errichtung einer Einigungsstelle mit gerichtlicher Hilfe für notwendig erachtet. Hält ein Betriebspartner die förmliche Aufnahme von Verhandlungen aufgrund des bisherigen Verhaltens der Gegenseite für aussichtslos und ruft er das Arbeitsgericht zur Einsetzung einer Einigungsstelle nach § 98 ArbGG an, so ist diese nicht deswegen offensichtlich unzuständig, weil der Verhandlungsanspruch nach § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG noch nicht oder noch nicht vollständig erfüllt worden ist; andernfalls hätte es die verhandlungsunwillige Seite in der Hand, die Einsetzung einer Einigungsstelle längere Zeit zu blockieren (LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.10.1991 - LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 21 = NZA 1992, 186; LAG Niedersachsen, Beschluss vom 07.12.1998 - LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 35; LAG Sachsen, Beschluss vom 12.10.2001 - NZA-RR 2002, 362; LAG Hamm, Beschluss vom 09.08.2004 - AP ArbGG 1979 § 98 Nr. 14; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmeier, BetrVG, 23. Aufl., § 74 Rz. 9; GK/Kreutz, BetrVG, 8. Aufl., § 74 Rz. 28 m.w.N.; a. A. LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 17.11.1988 - LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 13).

Nach diesen Grundsätzen kann eine offensichtliche Unzuständigkeit der begehrten Einigungsstelle im vorliegenden Verfahren nicht angenommen werden. Auch dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Auch wenn zwischen den Beteiligten eine ausdrückliche Erörterung über die Durchführung der beantragten Überstunden stattgefunden hat, steht dies der Einrichtung der begehrten Einigungsstelle nicht entgegen. Zwar haben sich sowohl Betriebsrat wie auch Arbeitgeberin im vorliegenden Fall grundsätzlich Verhandlungen über die Anordnung von Überstunden nicht verschlossen. Die Aufnahme von Verhandlungen mit der Arbeitgeberin lediglich unter Einschaltung der Gewerkschaft kann der Betriebsrat aber nicht verlangen. Nach dem zwischen den Beteiligten geführten Schriftverkehr kann es nicht beanstandet werden, wenn die Arbeitgeberin, die sich im Übrigen auf die besondere Eilbedürftigkeit der anzuordnenden Überstunden berufen hat, bereits am 26.11.2007 das Verfahren zur Errichtung einer Einigungsstelle beim Arbeitsgericht eingeleitet hat. Aufgrund der Erörterungen im Anhörungstermin vor der Beschwerdekammer hat sich gezeigt, dass die Betriebsparteien selbst die Zeit von November 2007 bis Februar 2008 nicht dazu genutzt haben, um die streitige Angelegenheit zu erörtern. Nach den Ausführungen des Betriebsratsvorsitzenden im Anhörungstermin vom 11.02.2008 redet man offensichtlich nicht mehr "miteinander", sondern lediglich noch "übereinander". Dies zeigt, dass die Betriebsparteien offensichtlich nicht mehr in der Lage sind, ohne Hinzuziehung eines neutralen Vorsitzenden mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten angemessen zu regeln. Das Verhalten der Beteiligten im Anhörungstermin vor dem Landesarbeitsgericht hat deutlich gemacht, dass sie ohne Hilfe einer Einigungsstelle nicht in der Lage sind, die umstrittene Angelegenheit der Anordnung von Überstunden einvernehmlich zu behandeln und einem Ergebnis zuzuführen. Dies zeigen im Übrigen auch die zahlreichen zwischen den Beteiligten beim Arbeitsgericht und beim Landesarbeitsgericht anhängigen Verfahren (vgl. z.B.: 13 TaBV 96/07, 10 TaBV 97/07, 13 Sa 1598/07 LAG Hamm). Vorrangig ist es danach, die Einigungsstelle alsbald beginnen zu lassen und das Einigungsstellenverfahren zügig durchzuführen (BAG, Beschluss vom 24.11.1981 - AP BetrVG 1972 § 76 Nr. 11).

2. Dass es sich bei der Anordnung der von der Arbeitgeberin begehrten Überstunden um einen mitbestimmungspflichtigen Regelungsgegenstand gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG handelt, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Die Arbeitgeberin begehrt die vorübergehende Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG.

III.

Gegen die Person des vom Arbeitsgericht eingesetzten Einigungsstellenvorsitzenden bestehen keine Bedenken. Bei dem vom Arbeitsgericht bestellten Vorsitzenden handelt es sich um einen äußerst fachkundigen und fähigen Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit, der auch über zahlreiche Erfahrungen als Einigungsstellenvorsitzender verfügt. Insoweit haben die Beteiligten keine Einwendungen erhoben.

Auch die Zahl der vom Arbeitsgericht festgesetzten Beisitzer je Seite ist in der Beschwerdeinstanz von den Beteiligten unstreitig gewesen. Bedenken hiergegen können auch angesichts der zahlreichen Streitigkeiten zwischen den Beteiligten nicht erhoben werden.

Ende der Entscheidung

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