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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 20.03.2009
Aktenzeichen: 10 TaBV 17/09
Rechtsgebiete: ArbGG, BetrVG


Vorschriften:

ArbGG § 98
BetrVG § 92 a
BetrVG § 111 S. 3 Nr. 1
BetrVG § 111 S. 3 Nr. 4
BetrVG § 112 Abs. 2
BetrVG § 112 Abs. 4
BetrVG § 112 Abs. 5
BetrVG § 112 a Abs. 2
§ 92 a BetrVG enthält kein erzwingbares Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, sondern lediglich eine Verpflichtung für den Arbeitgeber, mit dem Betriebsrat über Vorschläge zur Beschäftigungssicherung zu beraten. Das Verfahren nach § 92 a BetrVG ist gegenüber Interessenausgleichsverhandlungen nach § 112 BetrVG nicht vorgreiflich. Betriebsänderungen nach §§ 111 ff. BetrVG können nicht über § 92 a BetrVG verzögert oder blockiert werden.
Tenor:

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Herford vom 25.02.2009 - 3 BV 3/09 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

A

Die Beteiligten streiten um die Einrichtung einer Einigungsstelle.

Die antragstellende Arbeitgeberin ist ein am 15.02.2008 neu gegründetes Unternehmen, das sich mit der Herstellung von Maschinen für die Laminat produzierende Industrie befasst. Sie beschäftigt ca. 150 Mitarbeiter.

Der bei ihr gewählte Betriebsrat besteht aus sieben Personen.

Aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung und dadurch bedingter Auftragsrückgänge rechnete die Arbeitgeberin für das Kalenderjahr 2009 mit einer Verfehlung der avisierten Umsätze um 50 %. Sie prüfte daraufhin die unternehmerische Umstrukturierung zum Erhalt ihrer Wettbewerbsfähigkeit.

Die insoweit von der Arbeitgeberin erstellten Planungen sehen eine grundsätzliche Neuausrichtung - weg von der gesamten Fertigungstiefe mit Produktion und Montage und hin zu einem reinen E2- und Entwicklungsbetrieb - vor. Diese Planung ging mit einem Verlust von ca. 50 Arbeitsplätzen einher. Über Einzelheiten der Planungen unterrichtete die Arbeitgeberin den Betriebsrat am 20.01.2009 unter Vorlage schriftlich dargestellter Einzelheiten der geplanten Betriebsänderung. Darin wurde unter anderem auf die Absicht der Fremdvergabe der Produktionsbereiche mechanische Fertigung, Elektrofertigung und Innenmontage verwiesen, was zu einem Abbau von 38 Arbeitsplätzen führen würde. Im Bereich der 2-D Konstruktion wurden darin die Anpassung der Personalkapazitäten und ein Abbau von drei Arbeitsplätzen verzeichnet. Auch im Bereich der Arbeitsvorbereitung sollte eine geplante Personalanpassung zum Abbau von drei Arbeitsplätzen führen. Das Gleiche sollte für die Bereiche Außenmontage Elektrik, Projektierung, Elektrokonstruktion Software, Materialwirtschaft gelten, insoweit war ein Abbau von weiteren sechs Arbeitsplätzen vorgesehen. Wegen der Einzelheiten der Unterrichtung des Betriebsrats wird auf die Anlage zur Antragsschrift vom 02.10.2009 (Bl. 10 ff.d.A.) verwiesen.

Die Planungen der Arbeitgeberin wurden dem Betriebsratsvorsitzenden anlässlich der Übergabe des Konzeptes weiter erläutert. Im Anschluss an die Informationsphase fand ein Verhandlungstermin zwischen den Beteiligten über die Umsetzung der geplanten Betriebsänderung am 26.01.2009 statt. Darin wurden noch einmal die Details, die Plausibilität und Machbarkeit des von der Arbeitgeberin geplanten Geschäftsmodells dargelegt.

Im Verhandlungstermin vom 26.01.2009 wurden auch alternative Optionen für eine mögliche Reduzierung der insgesamt abzubauenden Arbeitsplätze besprochen. Ein vom Betriebsrat vorgelegtes Alternativ-Konzept bestand unter anderem aus einem "Freiwilligen-Programm" mit 12 Monaten Transferdauer sowie Abfindungszahlungen und Verzicht auf die Ausnahmeregelung des § 112 a Abs. 2 BetrVG. Am Ende des Verhandlungstermins vom 26.01.2009 erklärte der Betriebsratsvorsitzende, dass die von der Arbeitgeberin vorgestellten unternehmerischen Planungen in dieser Form nicht akzeptiert werden würden. Der Verhandlungsführer der Arbeitgeberin erwiderte daraufhin, dass eine substantielle Reduzierung der abzubauenden Arbeitsplätze im Rahmen der geplanten Neuaufstellung nicht in Betracht komme und sie, die Arbeitgeberin, an ihren Planungen zur grundsätzlichen Neuausrichtung der Gesellschaft, verbunden mit der Aufgabe der eigenen Fertigung und Montage festhalte.

In einem Schreiben der Arbeitgeberin an den Betriebsrat vom 26.01.2009 (Bl. 28 d.A.) wies die Arbeitgeberin noch einmal darauf hin, dass die vom Betriebsrat vorgestellten Alternativen zu dem am 20.01.2009 dargestellten Konzept wirtschaftlich nicht tragbar und finanziell nicht realisierbar seien. Die Arbeitgeberin forderte den Betriebsrat auf, die Verhandlungen am Folgetag um 12.00 Uhr fortzusetzen.

Mit Schreiben vom 27.01.2009 (Bl. 30 ff.d.A.) wies der Betriebsrat über seine Verfahrensbevollmächtigten auf seine bestehende Verhandlungsbereitschaft hin und legte noch einmal seine eigene Verhandlungsposition bestehend aus acht Punkten dar. Unter anderem forderte der Betriebsrat die Arbeitgeberin in diesem Schreiben auf, die vorgeschlagenen Eckpunkte im Rahmen einer Beschäftigungssicherungs-Vereinbarung nach § 92 a BetrVG zu verhandeln; seinerseits bestehe weitere Verhandlungsbereitschaft, die aber voraussetze, dass auch von der Arbeitgeberin angezeigt werde, dass weitere Verhandlungsbereitschaft über das vom Betriebsrat vorgeschlagene Paket bestehe.

Die Arbeitgeberin wies daraufhin mit Schreiben vom 28.01.2009 (Bl. 33 f.d.A.) darauf hin, dass das vom Betriebsrat skizzierte Alternativ-Konzept aus den im Rahmen der Verhandlungen genannten Gründen und Erläuterungen wirtschaftlich und strukturell nicht gangbar und nicht akzeptabel sei. Vor diesem Hintergrund erklärte die Arbeitgeberin im Schreiben vom 28.01.2009 unter Hinweis auf unüberbrückbare Standpunkte beider Seiten das Scheitern der Verhandlungen über den angestrebten Interessenausgleich.

Noch am 28.01.2009 verständigten sich die Betriebsparteien darauf, eine Betriebsvereinbarung über die bis zum 28.02.2009 befristete Einführung und Durchführung von Kurzarbeit abzuschließen.

Mit dem am 03.02.2009 beim Arbeitsgericht eingeleiteten Beschlussverfahren begehrte die Arbeitgeberin die Einsetzung einer Einigungsstelle unter dem Vorsitz des Vorsitzenden Richters am Landesarbeitsgericht Hamm Schmidt.

Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, die Einigungsstelle sei gemäß § 112 Abs. 2 Satz 2 BetrVG zuständig. Insbesondere seien vorausgegangene Verhandlungen aufgrund unüberbrückbarer Verhandlungspositionen der Beteiligten gescheitert. Für die Einleitung eines gerichtlichen Bestellungsverfahrens genüge es, dass Betriebsrat und Arbeitgeber hinreichend klar sei, worum es bei den Verhandlungen gehen solle. Liege der Regelungsgegenstand auf der Hand, stehe jeder Seite frei zu entscheiden, wann sie die Einrichtung einer Einigungsstelle mit gerichtlicher Hilfe für notwendig erachte.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

1. zum Vorsitzenden der Einigungsstelle, die über den Abschluss eines Interessenausgleichs über die in der Unterrichtung der Antragstellerin vom 20. Januar 2009 beschriebene Betriebsänderung, insbesondere zu folgenden Zwecken:

(i) Personalabbau

(ii) Um- und Versetzungen entscheiden soll, wird der Vorsitzende Richter am Landesarbeitsgericht Hamm, Herr Peter Schmidt, bestimmt,

2. die Zahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer wird auf zwei festgesetzt.

Der Betriebsrat hat beantragt,

die Anträge abzuweisen,

hilfsweise

zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "Verhandlungen über den Abschluss eines Sozialplans aus Anlass der Betriebsänderung" wird der Vorsitzende Richter am Landesarbeitsgericht Peter Schmidt bestellt.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Einigungsstelle sei offensichtlich unzuständig, da die Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleichs noch nicht gescheitert seien. Das Scheitern von Verhandlungen setze voraus, dass die Verhandlungspartner überhaupt zu Verhandlungen bereit seien. Die Arbeitgeberin sei aber von Anfang an nicht bereit gewesen, über eine Betriebsänderung tatsächlich zu verhandeln. Darüber hinaus sei das Verfahren über eine Beschäftigungssicherungsvereinbarung nach § 92 a BetrVG vorgreiflich. Das gelte insbesondere im Hinblick auf die bereits im Schreiben vom 27.01.2009 enthaltene Aufforderung, entsprechende Verhandlungen aufzunehmen.

Der Betriebsrat hat weiter die Auffassung vertreten, im Falle der Einsetzung einer Einigungsstelle sei jedenfalls auch über den Abschluss eines Sozialplanes zu verhandeln.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

auch den Hilfsantrag des Betriebsrats zurückzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Besetzung einer Einigungsstelle zum Zwecke der Verhandlungen über einen Sozialplan komme von vornherein nicht in Betracht, da die Einigungsstelle insoweit offensichtlich unzuständig sei. Nach der eindeutigen Regelung des § 112 a Abs. 2 BetrVG seien die Bestimmungen über einen Sozialplan in den ersten vier Jahren nach Gründung des Unternehmens unanwendbar.

Durch Beschluss vom 25.02.2009 hat das Arbeitsgericht dem Antrag der Arbeitgeberin stattgegeben und die Einigungsstelle entsprechend eingesetzt. Den Hilfsantrag des Betriebsrats hat das Arbeitsgericht abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Einigungsstelle sei nach § 112 Abs. 2 Satz 2 BetrVG für den Interessenausgleich nicht offensichtlich unzuständig. Es liege eine geplante Betriebsänderung im Sinne des § 111 Satz 3 Nr. 1 und 4 BetrVG vor. Die Arbeitgeberin sei auch ihrer Verhandlungspflicht nach § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nachgekommen. Es hätten ausreichende Verhandlungen, auch über das vom Betriebsrat vorgeschlagene Alternativkonzept, stattgefunden. Beide Seiten könnten frei entscheiden, wann weitere Verhandlungen aussichts- und ergebnislos seien. Die Gegenvorschläge des Betriebsrats seien erörtert und endgültig abgelehnt worden. Die Einigungsstelle sei auch nicht deshalb offensichtlich unzuständig, weil das Verfahren über die Vorschläge des Betriebsrats zur Beschäftigungssicherung nach § 92 a BetrVG vorgreiflich wäre. Würden bereits Verhandlungen über eine vom Arbeitgeber geplante Betriebsänderung gemäß § 111 BetrVG geführt, würden die in § 92 a BetrVG erwähnten Vorschläge in die Verhandlungen über den Interessenausgleich eingehen. Über die Möglichkeit von Maßnahmen der Beschäftigungssicherung könne auch in der Einigungsstelle verhandelt werden. Der Hilfsantrag sei unbegründet, weil die Einigungsstelle hinsichtlich eines Abschlusses eines Sozialplans offensichtlich unzuständig sei. Dies ergebe sich aus § 112 a Abs. 2 BetrVG. Bei einer Neugründung sei ein Sozialplan nicht erzwingbar.

Gegen den dem Betriebsrat am 27.02.2009 zugestellten Beschluss, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat der Betriebsrat am 10.03.2009 Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese zugleich begründet.

Er hat unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens die Auffassung vertreten, das Verfahren nach § 92 a BetrVG sei nach seinem Gegenstand dem Verfahren der Interessenausgleichsverhandlungen bei Betriebsänderungen vorgeschaltet. Durch die unmittelbare Einsetzung der Einigungsstelle zum Versuch eines Interessenausgleichs würden die Beratungsrechte des Betriebsrats nach § 92 a BetrVG umgangen. § 92 a BetrVG sehe keine unmittelbaren Sanktionen für den Fall vor, dass der Arbeitgeber dem Begehren des Betriebsrats nicht nachkomme. Dies widerspreche Art. 8 Abs. 2 der EG-Richtlinie zur Unterrichtung und Anhörung 2002/14/EG vom 11.03.2002. Solange der Gesetzgeber keine entsprechend der EG-Richtlinie geforderten Sanktionen ins deutsche Recht umgesetzt habe, seien die Arbeitsgerichte aufgefordert, das Betriebsverfassungsgesetz richtlinienkonform anzuwenden. Dies könne nur dadurch geschehen, dass dem Verfahren nach § 92 a BetrVG Vorrang vor dem Verfahren nach §§ 111 ff. BetrVG eingeräumt werde.

Mindestens sei aber der Hilfsantrag begründet. Mit dem Hilfsantrag wolle der Betriebsrat erreichen, dass die Einigungsstelle auch bestellt werde zum Regelungsgegenstand "Verhandlungen über den Abschluss eines Sozialplanes aus Anlass der Betriebsänderung". Hierfür sei die Einigungsstelle nicht offensichtlich unzuständig. Zwar handele es sich bei der Arbeitgeberin um eine Neugründung nach § 112 a Abs. 2 BetrVG. Der Abschluss eines Sozialplans sei auch nicht erzwingbar. Der Betriebsrat fordere aber nicht die Aufstellung eines Sozialplans, sondern lediglich "Verhandlungen" über den Abschluss eines Sozialplans. Nach § 112 a Abs. 2 BetrVG fänden lediglich die Absätze 4 und 5 des § 112 BetrVG keine Anwendung auf Betriebe eines Unternehmens in den ersten vier Jahren nach seiner Gründung. Die Anwendbarkeit des § 112 Abs. 2 BetrVG sei hingegen durch § 112 a Abs. 2 BetrVG nicht ausgeschlossen. Die Arbeitgeberin habe im Vorfeld mit dem Betriebsrat auch über einen - freiwilligen - Sozialplan verhandelt. Die Verhandlungen über den Abschluss eines Sozialplans lägen deshalb nicht außerhalb der Regelungskompetenz der Betriebsparteien.

Der Betriebsrat beantragt,

1. den Beschluss des Arbeitsgerichts Herford vom 25.02.2009 - 3 BV 3/09 - abzuändern und den Antrag der Arbeitgeberin abzuweisen,

2. hilfsweise zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "Verhandlungen über den Abschluss eines Sozialplans aus Anlass der Betriebsänderung" den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Hamm, Herrn Peter Schmidt, zu bestellen,

die Zahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer auf zwei festzusetzen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss und ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe zu Recht erkannt, dass das Verfahren nach § 92 a BetrVG gegenüber Interessenausgleichsverhandlungen nicht vorrangig sei. Die §§ 111, 112 BetrVG verdrängten § 92 a BetrVG als lex specialis. § 92 a BetrVG sei allein als Vorschlagsrecht des Betriebsrats ausgestaltet. Der Betriebsrat könne seine Vorschläge auch nicht durch einen Unterlassungsanspruch oder über eine Einigungsstelle durchsetzen. Hieraus ergäbe sich, dass Betriebsänderungen über § 92 a BetrVG nicht verzögert oder blockiert werden könnten. Die Beratungsrechte des Betriebsrats würden im vorliegenden Fall auch nicht umgangen. Der vom Betriebsrat unter Bezugnahme auf die EG-Richtlinie 2002/14/EG geforderten Sanktionswirkung werde durch das Verfahren nach den §§ 111 ff. BetrVG und den damit verbundenen Beratungspflichten ausreichend Rechnung getragen.

Die Einigungsstelle sei auch für Verhandlungen über den Abschluss eines Sozialplans offensichtlich unzuständig. Dies ergebe sich aus § 112 a Abs. 2 BetrVG. Auch wenn die Arbeitgeberin auf freiwilliger Basis Transfermaßnahmen im Sinne des § 216 b SGB III einrichten wolle, folge hieraus im Umkehrschluss noch lange nicht, dass sie hierüber auch in weitere Verhandlungen mit dem Betriebsrat im Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens eintreten wolle.

Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

B

Die zulässige Beschwerde des Betriebsrats ist nicht begründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht den Anträgen der Arbeitgeberin auf Einrichtung der begehrten Einigungsstelle stattgegeben und die Hilfsanträge des Betriebsrats zurückgewiesen.

I.

Gemäß § 98 Abs. 1 Satz 1 ArbGG kann ein Antrag auf Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden und auf Festsetzung der Zahl der Beisitzer wegen fehlender Zuständigkeit der Einigungsstelle nur dann zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Offensichtlich unzuständig ist die Einigungsstelle, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in der fraglichen Angelegenheit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Frage kommt und sich die beizulegende Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erkennbar nicht unter einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand des Betriebsverfassungsgesetzes subsumieren lässt (vgl. statt aller: LAG Hamm, 07.07.2003 - 10 TaBV 92/03 - NZA-RR 2003, 637; LAG Köln, 14.01.2004 - 8 TaBV 72/03 - AP BetrVG 1972 § 106 Nr. 18; LAG Hamm, 09.08.2004 - 10 TaBV 81/04 - AP ArbGG 1979 § 98 Nr. 14 = LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 43 m.w.N.).

II.

1. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das Arbeitsgericht dem Antrag der Arbeitgeberin zu Recht stattgegeben. Die Einigungsstelle ist für den Abschluss eines Interessenausgleichs über die von der Arbeitgeberin geplante Betriebsänderung nicht offensichtlich unzuständig.

a) Zwischen den Beteiligten ist ein mitbestimmungspflichtiger Tatbestand des Betriebsverfassungsgesetzes im Streit. Bei der von der Arbeitgeberin geplanten Betriebsänderung handelt es sich um eine interessenausgleichspflichtige Maßnahme. Dies ergibt sich aus § 112 Abs. 2 BetrVG. Die Arbeitgeberin plant gemäß Unterrichtung des Betriebsrats vom 20.01.2009 eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 Satz 3 Nr. 1 und 4 BetrVG. Die Umstrukturierungsmaßnahmen verbunden mit dem geplanten Personalabbau stellen unzweifelhaft eine Betriebsänderung dar. Dies wird auch von den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens so gesehen.

b) Die offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beteiligten noch nicht ausreichend über die interessenausgleichspflichtige Maßnahme verhandelt hätten.

Nach Sinn und Zweck des gerichtlichen Bestellungsverfahrens nach § 98 ArbGG, den Betriebsparteien im Konfliktfall möglichst zügig und ohne weitere Verzögerung durch eine der Betriebsparteien eine Einigungsstelle zur Seite zu stellen, ist die Einigungsstelle nicht offensichtlich unzuständig, wenn eine der Betriebsparteien aufgrund des bisherigen Verhaltens der anderen Partei die weitere Führung von Verhandlungen für aussichtslos hält, das Scheitern der Verhandlungen erklärt und die Einigungsstelle anruft. Ist der Regelungsgegenstand hinreichend bekannt, liegt es in der Hand jeder Seite, frei zu entscheiden, wann sie die Errichtung einer Einigungsstelle mit gerichtlicher Hilfe für notwendig erachtet. Hält ein Betriebspartner weitere Verhandlungen aufgrund des bisherigen Verhaltens der Gegenseite für aussichtslos und ruft er das Arbeitsgericht zur Einsetzung einer Einigungsstelle nach § 98 ArbGG an, so ist diese auch nicht deswegen offensichtlich unzuständig, weil der Verhandlungsanspruch nach § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG noch nicht oder noch nicht vollständig erfüllt worden ist; andernfalls hätte es die verhandlungsunwillige Seite in der Hand, die Einsetzung einer Einigungsstelle längere Zeit zu blockieren (LAG Baden-Württemberg, 16.10.1991 - LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 21; LAG Niedersachsen, 07.12.1998 - LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 35; LAG Hamm, 09.08.2004 - 10 TaBV 81/04 - AP ArbGG 1979 § 98 Nr. 14 = LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 41; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 24. Aufl., § 74 Rn. 9; GK/Kreutz, BetrVG, 8. Aufl., § 74 Rn. 28 m.w.N; a.A.: LAG Schleswig-Holstein, 17.11.1988 - LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 13).

Nach diesen Grundsätzen kann eine offensichtliche Unzuständigkeit der begehrten Einigungsstelle im vorliegenden Verfahren nicht angenommen werden. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Im vorliegenden Fall haben sich sowohl der Betriebsrat wie auch die Arbeitgeberin grundsätzlich Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleichs nicht verschlossen. Nach den zwischen den Beteiligten geführten Verhandlungen und dem geführten Schriftverkehr kann es aber nicht beanstandet werden, wenn die Arbeitgeberin, die sich im Übrigen auf die besondere Eilbedürftigkeit der Betriebsänderung berufen hat, bereits mit Schreiben vom 28.01.2009 das Scheitern der Verhandlungen erklärt und anschließend das Verfahren zur Einrichtung einer Einigungsstelle beim Arbeitsgericht eingeleitet hat.

c) Das Arbeitsgericht hat auch zutreffend erkannt, dass die Beteiligten auch ausreichend über die vom Betriebsrat gemachten Vorschläge zur Beschäftigungssicherung nach § 92 a BetrVG verhandelt haben. Unstreitig ist im Verhandlungstermin vom 26.01.2009 über die insoweit vom Betriebsrat gemachten Vorschläge verhandelt worden. Auf die erneut gemachten Vorschläge des Betriebsrats im Schreiben vom 27.01.2009 hat die Beklagte mit Schreiben vom 28.01.2009 erklärt, die Vorschläge des Betriebsrats seien nicht akzeptabel und weitere Verhandlungen ausdrücklich und endgültig abgelehnt.

Die Arbeitgeberin war auch nicht verpflichtet, vor Einrichtung einer Einigungsstelle erneut mit dem Betriebsrat über die von ihm gemachten Vorschläge zur Beschäftigungssicherung nach § 92 a BetrVG zu verhandeln. Richtig ist zwar, dass der Arbeitgeber nach § 92 a Abs. 2 Satz 1 BetrVG verpflichtet ist, die Vorschläge mit dem Betriebsrat zu beraten. Hierzu kann auch ein Vertreter der Bundesagentur für Arbeit hinzugezogen werden. Das in § 92 a BetrVG vorgesehene Verfahren ist aber nicht gegenüber Interessenausgleichsverhandlungen gemäß § 112 BetrVG vorgreiflich. Zu Recht steht die Arbeitgeberin auf dem Standpunkt, dass die §§ 111 ff. BetrVG § 92 a BetrVG als lex specialis verdrängen. § 92 a BetrVG stellt lediglich einen Auffangtatbestand dar, der dem Betriebsrat die Möglichkeit geben soll, Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung und -förderung auch dann anzuregen, wenn ihm keine besonderen Beteiligungsrechte zustehen. Liegen dagegen die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Beteiligungsrechts vor, so schließt der besondere Beteiligungstatbestand einen Rückgriff auf die allgemeine Vorschrift des § 92 a BetrVG aus (GK/Kraft/Raab, BetrVG, 8. Aufl., § 92 a Rn. 38; GK/Oetker, a.a.O., § 111 Rn. 170; Lingemann, NZA 2002, 934, 942). Dies ergibt sich bereits aus der in § 92 a Abs. 2 Satz 2 BetrVG vorgesehenen Begründungspflicht. Die vom Betriebsrat vertretene Auffassung würde dazu führen, dass der Betriebsrat bei einem Scheitern der Verhandlungen über einen Interessenausgleich gemäß §§ 111, 112 BetrVG vom Arbeitgeber eine schriftliche Begründung verlangen könnte, bevor er die Einigungsstelle anruft. Dies sehen die §§ 111 ff. BetrVG aber nicht vor. Außerdem könnte der Betriebsrat nach Beginn des Verfahrens vor der Einigungsstelle über § 92 a Abs. 2 Satz 3 BetrVG auch im Rahmen von Interessenausgleichsverhandlungen jeder Zeit einen Vertreter der Bundesagentur für Arbeit hinzuziehen, obgleich weder § 87 BetrVG eine solche Möglichkeit gar nicht vorsieht und § 112 Abs. 2 Satz 3 BetrVG die Hinzuziehung vom Ersuchen des Vorsitzenden der Einigungsstelle abhängig macht (GK/Kraft/Raab, a.a.O., § 92 a Rn. 37).

Das Vorschlagsrecht des Betriebsrats nach § 92 a BetrVG ist darüber hinaus nicht als Mitbestimmungsrecht ausgestaltet. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, einen entsprechenden Betriebsratsvorschlag umzusetzen, selbst wenn er ihn für geeignet hält (Fitting, a.a.O., § 92 a Rn. 6 und 9; Lingemann, NZA 2002, 934, 942). § 92 a BetrVG erhält kein erzwingbares Mitbestimmungsrecht. Anders als bei § 87 BetrVG oder § 111 BetrVG kann der Betriebsrat im Rahmen des § 92 a BetrVG nicht die Einigungsstelle anrufen. Bei einer Verletzung der Beratungspflicht nach § 92 a BetrVG durch den Arbeitgeber gibt es auch keinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats (Lingemann, NZA 2002, 934, 942; ErfK/Kania, 9. Aufl., § 92 a BetrVG Rn. 1; vgl. auch: BAG, 18.10.2006 - 2 AZR 434/05 - NZA 2007, 552 = DB 2007, 810). Hieraus folgt, dass Betriebsänderungen nach §§ 111 ff. BetrVG nicht über § 92 a BetrVG verzögert oder blockiert werden können. Der Betriebsrat kann vielmehr seine Vorschläge zur Beschäftigungssicherung auch im Interessenausgleichsverfahren und im Verfahren vor der Einigungsstelle einbringen (vgl. Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 11. Aufl., § 92 a Rn. 3).

Auch der Hinweis des Betriebsrats auf Art. 8 Abs. 2 der EG-Richtlinie zur Unterrichtung und Anhörung 2002/14/EG vom 11.03.2002 führt zu keinem anderen Ergebnis. Richtig ist zwar, dass der Gesetzgeber in § 92 a BetrVG keine Sanktionsmöglichkeiten für den Fall vorgesehen hat, dass der Arbeitgeber seiner Beratungs- und Begründungspflicht nicht oder nicht ausreichend nachkommt. Dies hat jedoch nicht die Konsequenz, dass das Verfahren nach § 92 a BetrVG in jedem Fall einem Interessenausgleichsverfahren nach §§ 111 ff. BetrVG vorgeschaltet wäre. Dem Sanktionszweck ist jedenfalls im Rahmen von Interessenausgleichsverfahren in § 113 BetrVG ausreichend Rechnung getragen worden. Zudem kann die Weigerung eines Arbeitgebers, über Vorschläge des Betriebsrats zur Beschäftigungssicherung zu beraten und/oder eine entsprechende Begründung abzugeben, eine grobe Pflichtverletzung im Sinne des § 232 Abs. 3 BetrVG darstellen. Schließlich ist der Betriebsrat, worauf bereits hingewiesen worden ist, nicht gehindert, seine Vorschläge zur Beschäftigungssicherung auch in Interessenausgleichs- und Einigungsstellenverhandlungen einzubringen. Einer weitergehenden Sanktion bedarf es danach nicht.

2. Das Arbeitsgericht hat den Hilfsantrag des Betriebsrats auch zu Recht als unbegründet abgewiesen. Für Verhandlungen über den Abschluss eines Sozialplans aus Anlass der geplanten Betriebsänderung ist die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig.

a) Die Unzuständigkeit der Einigungsstelle ergibt sich aus § 112 a Abs. 2 BetrVG. Hiernach findet § 112 Abs. 4 und 5 BetrVG keine Anwendung auf Betriebe eines Unternehmens in den ersten vier Jahren nach seiner Gründung.

Unstreitig ist der Betrieb der Arbeitgeberin erst am 15.02.2008 gegründet worden. Hiernach ist der Abschluss eines Sozialplans, obgleich eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG geplant ist, nicht erzwingbar. Die Betriebsparteien können lediglich freiwillig einen Sozialplan vereinbaren. Der Gesetzgeber wollte mit der Befreiung von der Sozialplanpflicht generell die Neugründung von Unternehmen erleichtern (Fitting, a.a.O., §§ 112, 112 a Rn. 106; GK/Oetker, a.a.O., § 112, 112 a Rn. 242).

b) Entgegen der Rechtsauffassung des Betriebsrats ist die Einigungsstelle auch für bloße Verhandlungen über einen Sozialplan offensichtlich unzuständig. Richtig ist zwar, dass § 112 a Abs. 2 Satz 1 BetrVG lediglich die Anwendung der Absätze 4 und 5 von § 112 BetrVG ausschließt. Hieraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass damit - bei nicht erzwingbarem Sozialplan - ein Verhandlungsanspruch des Betriebsrats über einen Sozialplan erzwingbar wäre. In § 112 Abs. 4 und 5 BetrVG ist geregelt, wie verfahren werden muss, wenn eine Einigung über einen Sozialplan nicht zustande kommt. Die in § 112 Abs. 4 und 5 BetrVG enthaltene Regelung betrifft aber lediglich einen erzwingbaren Sozialplan. Die Einigungsstelle nach dem Betriebsverfassungsgesetz ist lediglich für erzwingbare Mitbestimmungsrechte zuständig. Ist der Abschluss eines Sozialplans aber nicht erzwingbar, kann es auch keinen Anspruch des Betriebsrats geben, über einen Sozialplan zu verhandeln. Dass die Arbeitgeberin im vorliegenden Verfahren im Vorfeld mit dem Betriebsrat über den Abschluss eines freiwilligen Sozialplans verhandelt hat, bedeutet aber nicht, dass sie hiermit einen Verhandlungsanspruch des Betriebsrats begründet hätte. Gäbe es einen Verhandlungsanspruch, wäre dieser sinnlos, weil diesem Verhandlungsanspruch kein Anspruch auf Abschluss eines Sozialplans folgt.

III.

Die Bestellung des Vorsitzenden der danach einzurichtenden Einigungsstelle sowie die Zahl der Beisitzer sind zwischen den Beteiligten nicht im Streit.

Ende der Entscheidung

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