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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 09.02.2009
Aktenzeichen: 10 TaBV 191/08
Rechtsgebiete: ArbGG, BetrVG


Vorschriften:

ArbGG § 98
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 7
BetrVG § 97 Abs. 2
1. Im Rahmen der Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Berufsbildung ist der Begriff der Maßnahme im Sinne des § 97 Abs. 2 BetrVG weit zu verstehen. Das Mitbestimmungsrecht des § 97 Abs. 2 BetrVG ist nicht eng auf enumerativ genannte Sachverhalte beschränkt, sondern soll dann umfassend gewährleistet werden, wenn durch ein gestaltendes Tätigwerden des Arbeitgebers eine Diskrepanz zwischen seinen Anforderungen und dem Ausbildungsstand der Arbeitnehmer entsteht oder zu entstehen droht (im Anschluss an LAG Hamm, 08.11.2002 - 10 (13) TaBV 59/02 - NZA-RR 2003, 543).

2. Zur Regelbesetzung einer Einigungsstelle, Zahl der Beisitzer.


Tenor:

Die Beschwerde des Betriebsrats und die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bocholt vom 05.12.2008 - 1 BV 17/08 - werden zurückgewiesen.

Gründe:

A

Die Beteiligten streiten um die Einrichtung einer Einigungsstelle.

Die Arbeitgeberin ist im Jahre 2005 aus einer Fusion der V2 in C1 und B5 hervorgegangen. Sie beschäftigt derzeit ca. 450 Arbeitnehmer/innen. Diese verteilen sich auf vier sogenannte Kompetenzzentren in C1, B5, S5 und D3 sowie auf insgesamt ca. 23 Filialen/Geschäftsstellen.

Antragsteller des vorliegenden Verfahrens ist der im Betrieb der Arbeitgeberin gewählte Betriebsrat.

In den letzten Jahren kam aufgrund des sich allgemein im Bankenbereich festzustellenden Strukturwandels dem Vertrieb von Produkten auch bei der Arbeitgeberin eine immer größere Bedeutung zu. Dieser Prozess wurde von der Arbeitgeberseite hausintern mit der Formulierung beschreiben: "Weg von der Bestandsbank hin zur Vertriebsbank".

Mit Schreiben vom 29.07.2008 (Bl. 5 d.A.) überreichte der Betriebsrat der Arbeitgeberin einen Entwurf einer Betriebsvereinbarung (Bl. 6 ff. d.A.) und bezog sich dabei auf sein Mitbestimmungsrecht bei beruflicher Fortbildung nach § 97 Abs. 2 BetrVG sowie auf sein Mitbestimmungsrecht beim Gesundheitsschutz gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Der Betriebsrat bat darum, die Betriebsvereinbarung möglichst bis zum 12.08.2008 abzuschließen; falls dies nicht erfolge, möge die Arbeitgeberin der Einrichtung einer Einigungsstelle zustimmen.

Die Arbeitgeberin teilte dem Betriebsrat mit Schreiben vom 04.08.2008 (Bl. 9 d.A.) mit, dass man die Bildung einer Arbeitsgruppe vorschlage. Diesen Vorschlag griff der Betriebsrat auf und bat mit Schreiben vom 11.08.2008 (Bl. 10 d.A.) um einen kurzfristigen Terminvorschlag. In einem anderen Zusammenhang teilte der Betriebsratsvorsitzende der Personalabteilung der Arbeitgeberin mit E-Mail vom 19.08.2008 (Bl. 34 d.A.) mit, dass für eine Diskussion des arbeitgeberseitig vorgelegten Entwurfs einer Betriebsvereinbarung "Potentialanalyse" kein Raum bestünde, da der Betriebsrat sich an die Reihenfolge der noch zu verhandelnden Betriebsvereinbarungen halte.

Zu einem Termin zwischen dem Betriebsrat und der Arbeitgeberin wegen des vom Betriebsrat vorgelegten Entwurfs einer Betriebsvereinbarung zu Maßnahmen der Berufsbildung und Maßnahmen des Gesundheitsschutzes kam es in der Folgezeit nicht. Mit Schreiben vom 27.08.2008 (Bl. 12 d.A.) teilte der Betriebsrat der Arbeitgeberin daraufhin mit, dass beabsichtigt sei, die Einigungsstelle durch das Arbeitsgericht einrichten zu lassen. Daraufhin erklärte die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 28.08.2008 (Bl. 13 d.A.), dass sie sich eine andere Reihenfolge der noch zu verhandelnden Betriebsvereinbarungen vorstelle.

Der Betriebsrat leitete daraufhin am 12.09.2008 das vorliegende Beschlussverfahren beim Arbeitsgericht ein.

Im Anhörungstermin vor dem Arbeitsgericht vom 30.09.2008 einigten sich die Beteiligten darauf, dass Thema zunächst innerbetrieblich in einer Arbeitsgruppe zu diskutieren, wobei die Gespräche innerhalb der nächsten sechs bis acht Wochen stattfinden sollten. Am 05.11.2008 fand daraufhin eine Arbeitsgruppensitzung statt, die ohne Ergebnis blieb. Der Betriebsrat nahm daraufhin das vorliegende Verfahren wieder auf.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die begehrte Einigungsstelle sei nicht offensichtlich unzuständig. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ergebe sich aus den §§ 97 Abs. 2, 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Während früher die Bedienung von Kunden im Vordergrund gestanden habe, werde nunmehr aufgrund des im Bankenbereich festzustellenden Strukturwandels zunehmend zum "aktiven Verkauf" übergegangen. Dieser Strukturwandel sei eine Maßnahme im Sinne des § 97 Abs. 2 BetrVG, die dazu führe, dass sich die Tätigkeit der betroffenen Arbeitnehmer (Vertriebsmitarbeiter) ändere und ihre beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr ausreichten. Zwar könnten die betroffenen Arbeitnehmer die Flut der neuen Produkte intellektuell bewältigen. Es stelle sich jedoch die Frage, ob bei ihnen auch die "Fähigkeit" zur Erfüllung der Aufgaben in ausreichender Weise vorhanden sei. Zu dieser in § 97 Abs. 2 BetrVG geforderten Fähigkeit gehöre mehr als das, was Gegenstand des herkömmlichen Ausbildungsberufs der Bankkauffrau/des Bankkaufmanns sei. Die aktuelle Finanzmarktkrise und ihre Ursachen machten die Problematik der Umstrukturierung einschließlich der sich daraus ergebenden Anforderungen an die Mitarbeiter mehr als deutlich.

Hinsichtlich des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG verweist der Betriebsrat auf eine Untersuchung der Deutschen Angestelltenkrankenkasse (DAK) zum Thema "Gesundheitsbilanz Kreditgewerbe - Arbeitsbedingungen und Krankenstand in Banken und Finanzinstituten" (Bl. 58 ff. d.A.). Die Fragen, was zum Gegenstand von Gefährdungsbeurteilungen gemäß § 5 ArbSchG gemacht werde, was also überhaupt eine zu beurteilende Gefährdung sei, welche Ermittlungen zur Feststellung einer Gefährdung durchgeführt würden und die Bestimmung desjenigen, der diese Ermittlungen durchführe, unterlägen bereits dem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Aus vielen Gesprächen mit den betroffenen Mitarbeitern sei ihm, dem Betriebsrat, bekannt, dass sich ein großer Teil der grundsätzlich betroffenen ca. 100 Arbeitnehmer/innen überfordert fühle. Wesentlicher Grund dafür seien der teilweise problematische Gegenstand der Produkte und der Verkaufsdruck, unter dem heutzutage die Arbeitsleistung der Bankenmitarbeiter erbracht werden müsse.

Die Einrichtung einer Einigungsstelle dränge auch deshalb, weil zum 01.10.2008 fünf Leistungsträger die Bank verließen. Ein weiterer langjährig tätiger, erfahrener und erfolgreicher Betriebsmitarbeiter werde die Arbeitgeberin zum 31.12.2008 verlassen. In der Arbeitsgruppensitzung vom 05.11.2008 habe die Arbeitgeberin das Erfordernis einer Betriebsvereinbarung aber grundsätzlich in Abrede gestellt. Dass es zum Abschluss einer derartigen Betriebsvereinbarung komme, stehe nach diesem Gespräch daher nicht zu erwarten.

Schließlich ist der Betriebsrat der Auffassung, dass auf jeder Seite drei Beisitzer in der Einigungsstelle tätig werden sollten. Die Einigungsstelle werde nicht nur Rechtsfragen zur Reichweite des Mitbestimmungsrechts nach den §§ 97 Abs. 2, 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG erörtern müssen. Sie werde sich auch mit den darüber hinausgehenden Fragen des Veränderungsprozesses in den Banken, seiner Auswirkungen auf die Mitarbeiter und die sich daraus ergebenden Anforderungen an Bildung und Gesundheit auseinandersetzen müssen. Hierzu bedürfe es des entsprechenden Sachverstandes.

Der Betriebsrat hat beantragt,

den Direktor des Arbeitsgerichts Herne, Herrn Thomas Gerretz, zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle zu Maßnahmen der Berufsbildung (§ 97 Abs. 2 BetrVG) und Maßnahmen des Gesundheitsschutzes (§ 87 Abs. 1 Ziff. 7 BetrVG) gemäß Entwurf des Betriebsrats einer "Betriebsvereinbarung zu Maßnahmen der Berufsbildung (§ 97 Abs. 2 BetrVG) im Vertrieb" einzusetzen und die Zahl der Beisitzer auf je drei festzusetzen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

den Antrag abzuweisen,

hilfsweise für den Fall, dass die Einigungsstelle eingesetzt werden sollte, die Zahl der Beisitzer auf je einen zu reduzieren.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Einrichtung einer Einigungsstelle sei verfrüht. Nach der am 05.11.2008 geführten betriebsinternen Diskussion seien die Verhandlungen noch nicht abgeschlossen. Darüber hinaus verhalte sich der Betriebsrat auch widersprüchlich, nachdem er noch mit E-Mail vom 19.08.2008 mitgeteilt habe, dass man sich an die Reihenfolge der noch zu verhandelnden Betriebsvereinbarungen halten wolle.

Die Arbeitgeberin hat ferner die Ansicht vertreten, dass die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig sei. Die Voraussetzungen des § 97 Abs. 2 BetrVG seien nicht gegeben. Es fehle bereits an einer von der Arbeitgeberin geplanten oder durchgeführten Maßnahme. Richtig sei, dass ein sich im Markt bewegender Anbieter von Dienstleistungen sich am Markt zu orientieren habe und sowohl auf Marktveränderungen als auch auf den Wettbewerb reagieren müsse. Der vom Betriebsrat insofern zutreffend wahrgenommene Strukturwandel stelle jedoch keine arbeitgeberseitige Maßnahme dar. Darüber hinaus sei es unzutreffend, dass sich durch eine etwaige Maßnahme der Arbeitgeberin die Tätigkeit der betroffenen Arbeitnehmer ändere bzw. ihre beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr ausreichten. Die Ausbildung zum Bankkaufmann sei seit dem 30.12.1997 unverändert geblieben. Die Beratung von Kunden, der Vertrieb von Produkten und die systematische und situationsbezogene Führung von Kundengesprächen seien ausdrücklich Gegenstand der Prüfungen der Bankkaufleute. Aus dem Vortrag des Betriebsrats ergebe sich auch nicht, welche Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung denn nun eingeführt werden sollten.

Der Betriebsrat könne sich hinsichtlich des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG auch nicht auf die bloße Beifügung einer Studie der DAK beziehen. Auch der Vortrag des Betriebsrats, dass sich ein großer Teil der grundsätzlich betroffenen ca. 100 Arbeitnehmer/innen überfordert fühle, sei nicht ausreichend substantiiert. Die Zuständigkeit der Einigungsstelle ergebe sich auch nicht aus § 5 Abs. 1 ArbSchG. § 5 Abs. 1 ArbSchG ermögliche dem Arbeitgeber einen Handlungs- und damit einen Beurteilungsspielraum. Zwar habe der Betriebsrat bei der Ausfüllung dieses Beurteilungsspielraums mitzubestimmen. Dies setze zunächst voraus, dass zumindest die Möglichkeit eines Schadens oder einer gesundheitlichen Beeinträchtigung bestehe. Ein entsprechender Sachvortrag des Betriebsrats fehle.

Schließlich ist die Arbeitgeberin der Auffassung, dass bei einer etwaigen Einrichtung einer Einigungsstelle ein Beisitzer je Seite ausreichend sei.

Der Betriebsrat hat beantragt,

den Hilfsantrag der Arbeitgeberin abzuweisen.

Durch Beschluss vom 05.12.2008 hat das Arbeitsgericht die begehrte Einigungsstelle eingerichtet, die Zahl der Beisitzer jedoch auf je zwei festgesetzt und den weitergehenden Antrag des Betriebsrats und den Hilfsantrag der Arbeitgeberin abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die begehrte Einigungsstelle sei nicht offensichtlich unzuständig. Der Begriff der Maßnahme im Sinne des § 97 Abs. 2 BetrVG sei weit zu verstehen. Jedenfalls sei nicht ausgeschlossen, dass geänderte Marktbedürfnisse zu anderen Aufgaben und Aufgabenschwerpunkten, die den betroffenen Arbeitnehmern zugewiesen würden, führen könnten. Es sei nicht auszuschließen, dass aufgrund der stetigen Zunahme der Vertriebstätigkeit ein weitergehender Bildungsbedarf der betroffenen Arbeitnehmer bestehe. Für die Einrichtung der Einigungsstelle sei es auch ausreichend, dass die Einrichtung für notwendig erachtet werde, der Betriebsrat müsse nicht bereits angeben, welchen konkreten Inhalt die gewünschte Regelung haben solle. Hinsichtlich des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG müsse beachtet werden, dass dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bereits bei der Gefährdungsbeurteilung selbst zustehe. Der Betriebsrat müsse nicht eine konkrete Gesundheitsgefährdung darlegen. Die Zahl der Beisitzer sei auf je zwei zu bestimmen, weil ein komplexer Sachverhalt, der die Festsetzung von drei Beisitzern auf jeder Seite rechtfertigen könne, nicht gegeben sei. Die Einigungsstelle habe selbst die Möglichkeit, externen Sachverstand hinzuzuziehen.

Gegen den dem Betriebsrat am 17.12.2008 zugestellten, mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen Beschluss, auf dessen Inhalt ergänzend Bezug genommen wird, hat der Betriebsrat am 23.12.2008 Beschwerde beim Landesarbeitsgericht eingelegt und diese zugleich begründet.

Auch die Arbeitgeberin, der der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 05.12.2008 ebenfalls am 17.12.2008 zugestellt worden ist, hat mit Schriftsatz vom 07.01.2009 Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese mit dem am 22.01.2009 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Betriebsrat ist der Ansicht, dass entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts die Regelbesetzung der zu Recht eingerichteten Einigungsstelle nicht ausreichend sei. Es gehe um zwei Regelungskomplexe, nämlich um betriebliche Bildung und um Gesundheitsschutz. Der vom Betriebsrat vorgelegte Betriebsvereinbarungsentwurf sei auch nicht abschließend. Es handele durchaus um einen komplexen Sachverhalt mit vielfältigen Fragestellungen. Hierbei sei es nicht ausreichend, dass gegebenenfalls die Einigungsstelle von sich aus einen Sachverständigen hinzuziehe bzw. anhöre. Beide Seiten müssten Gelegenheit haben, den eigenen Standpunkt der Einigungsstelle mit entsprechendem Sachverstand zu präsentieren. Insoweit erwäge der Betriebsrat, neben einem Anwalt und einem Betriebsratsvertreter auch einen Sachverständigen in die Einigungsstelle als Beisitzer zu entsenden.

Der Betriebsrat beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Bocholt vom 05.12.2008 - 1 (4) BV 17/08 - die Zahl der Beisitzer auf je drei festzusetzen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerde des Betriebsrats zurückzuweisen,

sowie unter teilweiser Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Bocholt vom 05.12.2008 - 1 (4) BV 17/08 - die Anträge des Betriebsrats in vollem Umfang abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, der Betriebsrat verlange zu Unrecht die Besetzung der Einigungsstelle mit je drei Beisitzern. Aus welchen Gründen es sich um einen "komplexen Sachverhalt mit vielfältigen Fragestellungen" handele, sei nicht vorgetragen. Das Arbeitsgericht habe zutreffend darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit in der Einigungsstelle bestehe, gegebenenfalls sachverständige Dritte hinzuzuziehen. Warum im vorliegenden Fall zusätzlich noch beiden Seiten Gelegenheit haben müssten, bei der Besetzung einer etwaigen Einigungsstelle Sachverständige einzubeziehen, werde nicht vorgetragen. Ein solches Ansinnen sei auch im Hinblick auf den angestrebten Regelungsinhalt völlig übersetzt und unter wirtschaftlicher Betrachtungsweise unsinnig.

Die Arbeitgeberin ist darüber hinaus weiter der Auffassung, dass die begehrte Einigungsstelle offensichtlich unzuständig sei. Es lägen schon keine arbeitgeberseitigen Maßnahmen im Sinne des § 97 Abs. 2 Satz 1 BetrVG vor. Welche Maßnahmen dies im Einzelfall seien, sei nicht vorgetragen. Auch das Arbeitsgericht habe solche Maßnahmen nicht benennen können. Es sei auch unzutreffend, allgemeine, sich über Jahre erstreckende sukzessive Änderungen der Marktbedingungen als Maßnahme des Arbeitgebers zu werten. Allgemeine Strukturveränderungen am Markt könnten dem Arbeitgeber nicht als Maßnahme im Sinne des § 97 Abs. 2 BetrVG zugerechnet werden. Auch das vom Betriebsrat in Anspruch genommene Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG sei nicht betroffen. Die Vorlage einer Studie der DAK ersetze keinen substantiierten Sachvortrag des Betriebsrats. Der Betriebsrat müsse mindestens ansatzweise darlegen, warum die Rahmenbedingungen im Betrieb der Arbeitgeberin überhaupt irgendeine Gesundheitsgefährdung der Mitarbeiter bergen könnten. Im Sachvortrag des Betriebsrats fehle es bereits im Ansatz an einem Mindestmaß an konkretem Unternehmensbezug.

Der Betriebsrat beantragt,

die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass das Arbeitsgericht die begehrte Einigungsstelle zu Recht eingerichtet habe. Die Mitarbeiter der Arbeitgeberin stünden unter erheblichem Druck, Finanzprodukte zu verkaufen. Es werde nicht mehr in erster Linie kundenbezogen beraten und verkauft. Der Kunde stehe nicht mehr im Vordergrund der Bemühungen der Mitarbeiter der Arbeitgeberin, im Vordergrund stehe vielmehr der Absatz der Produkte. Dies ergebe sich aus verschiedenen Mitteilungen der Vorgesetzten der betroffenen Mitarbeiter aus der letzten Zeit (Bl. 182 ff. d.A.), auf die Bezug genommen werde.

Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

B

Sowohl die zulässige Beschwerde des Betriebsrats wie auch die zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin sind unbegründet.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben und die begehrte Einigungsstelle eingerichtet und die Zahl der Beisitzer auf zwei je Seite festgelegt.

I.

Die Beschwerden des Betriebsrats und der Arbeitgeberin sind zulässig.

Der Betriebsrat hat seine Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Beschluss form- und fristgerecht nach § 98 Abs. 2 Satz 2 ArbGG begründet.

Auch die Beschwerde der Arbeitgeberin ist zulässig, obgleich sie die vorliegende Beschwerde nicht nach § 98 Abs. 2 Satz 2 ArbGG innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung des arbeitsgerichtlichen Beschlusses eingelegt und begründet hat. Der arbeitsgerichtliche Beschluss vom 05.12.2008 enthält nämlich keine zutreffende Rechtsmittelbelehrung. Die dem angefochtenen Beschluss beigefügte Rechtsmittelbelehrung entspricht nicht § 98 Abs. 2 Satz 2 ArbGG. Die Frist für das Rechtsmittel für die Arbeitgeberin begann danach nicht bereits innerhalb der Frist von zwei Wochen nach Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Gemäß § 9 Abs. 5 Satz 3 ArbGG beginnt die Frist für ein Rechtsmittel nur dann, wenn die Partei oder der Beteiligte über das Rechtsmittel und die einzuhaltende Frist und Form ordnungsgemäß schriftlich belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, kann die Einlegung des Rechtsmittels noch innerhalb eines Jahres seit Zustellung erfolgen, § 9 Abs. 5 Satz 4 ArbGG. Diese Frist hat die Arbeitgeberin mit der Beschwerde vom 07.01.2009 und der Beschwerdebegründung vom 22.01.2009 eingehalten.

II.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben und die begehrte Einigungsstelle eingerichtet. Entgegen der von der Arbeitgeberin vertretenen Auffassung ist die Einigungsstelle nicht offensichtlich unzuständig.

Entgegen der Rechtsauffassung des Betriebsrats war die Einigungsstelle jedoch nicht mit drei Beisitzern je Seite, sondern mit zwei Beisitzern je Seite zu besetzen.

1. Gemäß § 98 Abs. 1 Satz 1 ArbGG kann ein Antrag auf Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden und auf Festsetzung der Zahl der Beisitzer wegen fehlender Zuständigkeit der Einigungsstelle nur dann zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Offensichtlich unzuständig ist die Einigungsstelle, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in der fraglichen Angelegenheit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Frage kommt und sich die beizulegende Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erkennbar nicht unter einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand des Betriebsverfassungsgesetzes subsumieren lässt (vgl. statt aller: LAG Hamm, 07.07.2003 - 10 TaBV 92/03 - NZA-RR 2003, 637; LAG Köln, 14.01.2004 - 8 TaBV 72/03 - AP BetrVG 1972 § 106 Nr. 18; LAG Hamm, 09.08.2004 - 10 TaBV 81/04 - AP ArbGG 1979 § 98 Nr. 14 = LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 43 m.w.N.).

2. Eine offensichtliche Unzuständigkeit der begehrten Einigungsstelle in diesem Sinne liegt auch nach Auffassung der Beschwerdekammer nicht vor.

a) Die Einigungsstelle ist nicht deshalb offensichtlich unzuständig, weil Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats offensichtlich nicht in Betracht kommen. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 97 Abs. 2 BetrVG wie auch nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG sind nicht offensichtlich ausgeschlossen.

aa) Nach § 97 Abs. 2 Satz 1 BetrVG hat der Betriebsrat bei der Einführung von Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung mitzubestimmen, wenn der Arbeitgeber Maßnahmen geplant oder durchgeführt hat, die dazu führen, dass sich die Tätigkeit der betroffenen Arbeitnehmer ändert und ihre beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr ausreichen. Kommt eine Einigung nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle, dessen Spruch die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzt, § 97 Abs. 2 Satz 2 und 3 BetrVG.

Nach dem unstreitigen Vorbringen beider Beteiligten liegen Maßnahmen im Sinne des § 97 Abs. 2 BetrVG vor. Der Begriff der Maßnahme im Sinne des § 97 Abs. 2 BetrVG ist weit zu verstehen. Das neu geschaffene Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist nicht eng auf enumerativ genannte Sachverhalte beschränkt, sondern soll umfassend dann gewährleistet werden, wenn durch ein gestaltendes Tätigwerden des Arbeitgebers eine Diskrepanz zwischen seinen Anforderungen und dem Ausbildungsstand der Arbeitnehmer entsteht oder zu entstehen droht. Anknüpfungspunkt kann jede Maßnahme des Arbeitgebers sein, die die Tätigkeit der betroffenen Arbeitnehmer ändert (LAG Hamm, 08.11.2002 - 10 (13) TaBV 59/02 - NZA-RR 2003, 543; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 24. Aufl., § 97 Rn. 11; Däubler/Kittner/Klebe/Buschmann, BetrVG, 11. Aufl., § 97 Rn. 10; GK/Raab, BetrVG, 8. Aufl., § 97 Rn. 15; Franzen, NZA 2001, 865, 867 m.w.N.). Dabei können Maßnahmen im Sinne der genannten Vorschrift auch personelle Maßnahmen sein, etwa Versetzungen oder Zuweisung anderer oder neuer Aufgaben am gleichen Arbeitsplatz, für die ein Qualifikationsbedarf besteht. Dabei ist nicht von Bedeutung der Anlass der Maßnahme, ihr können Modernisierungsmaßnahmen ebenso zu Grunde liegen wie Reaktionen auf veränderte Marktbedingungen (DKK/Buschmann, a.a.O., § 97 Rn. 13 f.).

Zu Recht ist das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss unter Zugrundelegung dieser Grundsätze davon ausgegangen, dass mit den unstreitig zunehmenden Vertriebstätigkeiten in den letzten Jahren eine Maßnahme der Arbeitgeberin im Sinne des § 97 Abs. 2 BetrVG vorliegt. Auch wenn diese nur auf geänderte Marktbedingungen zurückzuführen sein sollte, führen diese doch dazu, dass den betroffenen Arbeitnehmern andere Aufgaben, zumindest andere Aufgabenschwerpunkte zugewiesen werden. Die vom Betriebsrat in der Beschwerdeinstanz vorgelegten Anweisungen aus Oktober und Dezember 2008 belegen in ausreichender Weise, dass nicht mehr die Kundenberatung, sondern der Absatz der Produkte im Vordergrund der Bemühungen der betroffenen Mitarbeiter zu stehen hat. Dies bedingt geänderte Aufgabenstellungen.

Diese geänderten Aufgabenstellungen bedingen auch eine Änderung der Tätigkeit der betroffenen Arbeitnehmer im Sinne des § 97 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Vor dem Hintergrund der geänderten Aufgabenstellungen kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass die derzeitigen Fähigkeiten der Mitarbeiter/innen im Vertrieb nicht in ausreichender Weise zur Erfüllung ihrer Aufgaben vorhanden sind und ein entsprechender Bildungsbedarf besteht. Sowohl dem Betriebsrat wie auch der Arbeitgeberin muss insoweit ein gewisser Beurteilungsspielraum zugebilligt werden (DKK/Buschmann, a.a.O., § 97 Rn. 21). Die Arbeitgeberin kann sich insoweit auch nicht darauf berufen, die Prüfungsanforderungen für Bankkaufleute seien seit 1997 unverändert geblieben. Zielrichtung der Vorschrift des § 97 BetrVG ist es, die Beteiligungsrechte des Betriebsrats und die Qualifizierung der Arbeitnehmer zu verstärken. Das Mitbestimmungsrecht des § 97 BetrVG kann der Arbeitgeber nicht durch schlichtes Leugnen des Qualifikationsdefizits beseitigen. Gerade weil die Prüfungsanforderungen für Bankkaufleute seit 1997 unverändert geblieben sind, der unstreitige Strukturwandel jedoch geänderte Aufgabenstellungen bedingt, ist nicht auszuschließen, dass es einen weitergehenden Bildungsbedarf der betroffenen Mitarbeiter gibt. Welche Qualifikationsmaßnahmen insoweit ergriffen werden, muss die Einigungsstelle entscheiden.

bb) Zu Recht hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss auch ausgeführt, dass das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG betroffen ist.

Hiernach hat der Betriebsrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, bei Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und/oder der Unfallverhütungsvorschriften mitzubestimmen. Insoweit handelt es sich um ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht. Der Betriebsrat hat auch bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz mitzubestimmen, die der Arbeitgeber zwar aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Rahmenvorschrift zu treffen hat, bei deren Gestaltung ihm aber Handlungsspielräume verbleiben. Mitzubestimmen hat der Betriebsrat bei der Ausfüllung dieses Spielraums. Dadurch soll im Interesse der betroffenen Arbeitnehmer eine möglichst effiziente Umsetzung des gesetzlichen Arbeitsschutzes im Betrieb erreicht werden. Das Mitbestimmungsrecht setzt ein, wenn eine gesetzliche Handlungspflicht objektiv besteht und wegen Fehlens einer zwingenden Vorgabe betriebliche Regelungen verlangt, um das vom Gesetz vorgegebene Ziel des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu erreichen. Ob die Rahmenvorschrift dem Gesundheitsschutz mittelbar oder unmittelbar dient, ist unerheblich. Keine Rolle spielt auch, welchen Weg oder welche Mittel die dem Gesundheitsschutz dienende Rahmenvorschrift vorsieht. Ebenso wenig kommt es auf eine subjektive Regelungsbereitschaft des Arbeitgebers an. Hiernach hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bei der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG. § 5 ArbSchG ist eine ausfüllungsbedürftige, dem Gesundheitsschutz dienende Rahmenvorschrift im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG (BAG, 08.06.2004 - 1 ABR 13/03 - AP BetrVG 1972 § 87 Gesundheitsschutz Nr. 13; LAG Schleswig-Holstein, 26.10.2006 - 4 TaBV 29/06 - n.v. m.w.N.). Das Mitbestimmungsrecht bei der Gefährdungsermittlung und Gefährdungsbeurteilung setzt auch nicht voraus, dass eine konkrete Gesundheitsgefahr bereits hinreichend bestimmbar wäre (BAG, 08.06.2004 - a.a.O.). Durch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats soll im Interesse der Arbeitnehmer eine möglichst effiziente Umsetzung des gesetzlichen Arbeitsschutzes im Betrieb erreicht werden. Diesem Ziel entspricht es, den Betriebsrat bereits dann zu beteiligen, wenn keine konkrete Gesundheitsgefährdung feststellbar ist und die vom Arbeitgeber zu treffenden Maßnahmen lediglich mittelbar dem Gesundheitsschutz dienen.

Auch insoweit ist das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss zu Recht davon ausgegangen, dass die begehrte Einigungsstelle jedenfalls auch unter dem Gesichtspunkt des Gesundheitsschutzes nicht offensichtlich unzuständig ist. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates setzt bereits dann ein, wenn es um die Ermittlung und die Beurteilung der Gesundheitsgefährdung der betroffenen Mitarbeiter im Vertrieb geht. Welche Ermittlungen zur Feststellung einer etwaigen Gesundheitsgefährdung durchzuführen sind und welche Gefährdungsbeurteilungen durchzuführen sind, muss die Einigungsstelle in eigener Zuständigkeit überprüfen.

b) Auch das Vorbringen der Arbeitgeberin, die Betriebsparteien hätten im vorliegenden Fall noch nicht ausreichend verhandelt, führt nicht zur offensichtlichen Unzuständigkeit der vom Arbeitsgericht eingesetzten Einigungsstelle.

Nach Sinn und Zweck des gerichtlichen Bestellungsverfahrens, den Betriebsparteien im Konfliktfall möglichst zügig und ohne weitere Verzögerung durch eine der Betriebsparteien eine Einigungsstelle zur Seite zu stellen, ist die Einigungsstelle nicht offensichtlich unzuständig, wenn eine der Betriebsparteien aufgrund des bisherigen Verhaltens der anderen Partei die weitere Führung von Verhandlungen für aussichtslos hält, das Scheitern der Verhandlungen erklärt und die Einigungsstelle anruft. Ist der Regelungsgegenstand hinreichend bekannt, liegt es in der Hand jeder Seite, frei zu entscheiden, wann sie die Errichtung einer Einigungsstelle mit gerichtlicher Hilfe für notwendig erachtet. Hält ein Betriebspartner die förmliche Aufnahme von Verhandlungen aufgrund des bisherigen Verhaltens der Gegenseite für aussichtslos und ruft er das Arbeitsgericht zur Einsetzung einer Einigungsstelle nach § 98 ArbGG an, so ist diese nicht deswegen offensichtlich unzuständig, weil der Verhandlungsanspruch nach § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG noch nicht oder noch nicht vollständig erfüllt worden ist; andernfalls hätte es die verhandlungsunwillige Seite in der Hand, die Einsetzung einer Einigungsstelle längere Zeit zu blockieren (LAG Baden-Württemberg, 16.10.1991 - LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 21; LAG Niedersachsen, 07.12.1998 - LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 35; LAG Hamm, 09.08.2004 - 10 TaBV 81/04 - AP ArbGG 1979 § 98 Nr. 14 = LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 43; Fitting, a.a.O., § 74 Rn. 9; GK/Kreutz, BetrVG, 8. Aufl., § 74 Rn. 28 m.w.N.; a.A.: LAG Schleswig-Holstein, 07.11.1988 - LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 13).

Nach diesen Grundsätzen kann eine offensichtliche Unzuständigkeit der begehrten Einigungsstelle im vorliegenden Verfahren nicht angenommen werden. Auch dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Zwar haben sich sowohl Betriebsrat wie auch die Arbeitgeberin im vorliegenden Fall grundsätzlich Verhandlungen über eine abzuschließende "Betriebsvereinbarung zu Maßnahmen der Berufsbildung (§ 97 Abs. 2 BetrVG) im Vertrieb" nicht verschlossen. Die Arbeitgeberin kann aber vom Betriebsrat nicht die Durchführung weiterer Verhandlungen verlangen. Nach dem zwischen den Beteiligten geführten Schriftverkehr und der Aufnahme von Verhandlungen in einer Arbeitsgruppensitzung kann es nicht beanstandet werden, wenn der Betriebsrat, der sich im Übrigen auf die besondere Eilbedürftigkeit berufen hat, das Verfahren zur Errichtung einer Einigungsstelle beim Arbeitsgericht eingeleitet und fortgesetzt hat, nachdem auch eine Arbeitsgruppensitzung vom 05.11.2008 ohne Ergebnis geblieben ist. Auch im Anhörungstermin vor dem Landesarbeitsgericht ist deutlich geworden, dass die Beteiligten ohne Hilfe einer Einigungsstelle nicht in der Lage sind, die umstrittene Angelegenheit einvernehmlich zu behandeln und einem Ergebnis zuzuführen.

Nach alledem erweist sich die Beschwerde der Arbeitgeberin als unbegründet.

3. Auch die Beschwerde des Betriebsrats ist nicht begründet.

a) Zum Vorsitzenden der einzurichtenden Einigungsstelle hat das Arbeitsgericht antragsgemäß den inzwischen zum Landesarbeitsgericht berufenen Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Gerretz bestellt.

Gegen die Person des vom Arbeitsgericht eingesetzten Einigungsstellenvorsitzenden bestehen keine Bedenken. Bei dem vom Arbeitsgericht bestellten Vorsitzenden handelt es sich um einen äußerst fachkundigen und fähigen Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit, der auch über zahlreiche Erfahrungen als Einigungsstellenvorsitzender verfügt. Insoweit haben die Beteiligten keine Einwendungen erhoben.

Im Übrigen hat eine Rücksprache mit dem vom Arbeitsgericht bestellten Einigungsstellenvorsitzenden durch die Beschwerdekammer ergeben, dass dieser trotz seiner mit Schreiben vom 09.01.2008 angezeigten zeitlichen starken Belastung bereit ist, das Einigungsstellenverfahren bei der Arbeitgeberin zu leiten. Auch wenn das Einigungsstellenverfahren aufgrund der derzeitigen Belastung des bestellten Einigungsstellenvorsitzenden nicht mehr im März 2009 beginnen kann, steht dies der Bestätigung des erstinstanzlichen Beschlusses durch die Beschwerdekammer nicht entgegen. Dies haben die Erörterungen mit den Beteiligten im Anhörungstermin vom 09.02.2009 ergeben.

b) Zu Recht hat das Arbeitsgericht auch die Zahl der Beisitzer der Einigungsstelle mit zwei für jede Seite festgelegt.

Diese Besetzung entspricht der Regelbesetzung einer Einigungsstelle (LAG Hamm, 08.04.1987 - NZA 1988, 210; LAG München, 15.07.1991 - NZA 1992, 185; LAG Frankfurt, 29.09.1992 - NZA 1993, 1008; LAG Schleswig-Holstein, 04.02.1997 - DB 1997, 832; LAG Hamm, 09.08.2004 - 10 TaBV 81/04 - AP ArbGG 1979 § 98 Nr. 14 = LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 43; LAG Niedersachsen, 15.08.2006 - 1 TaBV 43/06 - LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 47; LAG Niedersachsen, 07.08.2007 - 1 TaBV 63/07 - LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 49 a; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, a.a.O., § 98 Rn. 31; ErfK/Eisemann, 9. Aufl., § 98 ArbGG Rn. 6 m.w.N.). Zwar ist es nicht ausgeschlossen, dass eine Einigungsstelle auch mit mehr als zwei Beisitzer je Seite besetzt werden kann. Dies richtet sich nach der Bedeutung und dem Umfang der Regelungsstreitigkeit sowie nach der Zumutbarkeit der durch eine Einigungsstelle entstehenden Kosten. Zu Recht hat das Arbeitsgericht insoweit darauf hingewiesen, dass ein derartig komplexer Sachverhalt, der die Festsetzung der Beisitzer auf je drei rechtfertigen würde, vorliegend nicht gegeben ist. Die Einigungsstelle wird zunächst in einem ersten Schritt die betrieblichen Gegebenheiten ermitteln müssen, um daraufhin Schlussfolgerungen für etwaige weitere durchzuführenden Maßnahmen der Berufsbildung oder des Gesundheitsschutzes ziehen zu können. Inwieweit hierzu es unumgänglich ist, neben einem Anwalt und einem Betriebsratsvertreter auch einen Sachverständigen für jede Seite hinzuzuziehen, erschließt sich auch der Beschwerdekammer nicht. Der bloße Hinweis des Betriebsrats auf die Komplexität des Sachverhalts ist insoweit unzureichend. Zu Recht hat das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass gegebenenfalls die Einigungsstelle von sich aus die Möglichkeit hat, unter Umständen einen Sachverständigen hinzuzuziehen und anzuhören, soweit dies erforderlich ist. Auch nach dem vom Betriebsrat vorgelegten Entwurf einer Betriebsvereinbarung (Bl. 6 ff. d.A.) erscheint es nicht von vornherein unumgänglich, die Zahl der Beisitzer auf drei je Seite festzusetzen. Bei der Zahl der festzusetzenden Beisitzer ist auch darauf Bedacht zu nehmen, dass die Verhandlungen und Beratungen in einer Einigungsstelle mit zunehmender Größe schwieriger und komplizierter werden.

Ende der Entscheidung

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