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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 31.05.2006
Aktenzeichen: 10 TaBV 204/05
Rechtsgebiete: ZPO, BetrVG


Vorschriften:

ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 256
BetrVG § 74 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hagen vom 03.11.2005 - 3 BV 23/05 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

A.

Die antragstellende Arbeitgeberin betreibt ein Metallunternehmen mit derzeit 527 Beschäftigten.

In ihrem Betrieb ist ein aus 13 Personen bestehender Betriebsrat, der Beteiligte zu 2., gewählt worden. Vorsitzender des Betriebsrates ist Herr U1xxxx H3xxxx, der im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens vom Arbeitsgericht als Beteiligter zu 3. am vorliegenden Verfahren beteiligt worden ist.

Für die Arbeitgeberin bzw. deren Rechtsvorgängerin schlossen die Tarifvertragsparteien (Verband Metall NRW der Metall- und Elektroindustrie und die Industriegewerkschaft Metall NRW) am 21.09.1999 einen Manteltarifvertrag ab.

Am 15.04.2003 wurde zwischen dem Verband der Metall- und Elektroindustrie NRW und der IG Metall, Bezirksleitung NRW eine tarifliche Sonderregelung gemäß § 6 des Tarifvertrages zur Beschäftigungssicherung 2003 in der Metall- und Elektroindustrie NRW vom 28.11.2002 abgeschlossen. Dieser Tarifvertrag endete inzwischen am 31.03.2006 ohne Nachwirkung. Er enthält insbesondere abweichende Regelungen zu den tariflichen Bestimmungen zur Mehrarbeit, unter anderem die Ableistung von 2,5 Stunden wöchentliche Mehrarbeit ohne Lohnausgleich ab 01.04.2003.

Bereits im Jahre 2005 beabsichtigte die Arbeitgeberin, weitere, über den 31.03.2006 hinausgehende tarifvertragliche Regelungen mit der Begründung abzuschließen, die bisherigen Regelungen reichten für eine Standortkonsolidierung nicht aus. Zu diesem Zweck wandte sie sich an die Tarifvertragsparteien, die in der Folgezeit eine intensive Korrespondenz miteinander führten.

Am 12.06.2005 verteilte der Beteiligte zu 3. im Betrieb der Arbeitgeberin ein Flugblatt mit der Überschrift "Aktuelle Information" (Bl. 6 d. A.). Dieses Flugblatt enthielt Zielvorstellungen für anstehende Tarifvertragsverhandlungen. Das Flugblatt, das oben das Gewerkschaftsemblem der IG Metall auswies, war von der IG Metall Hagen, dem Vertrauenskörper H1xxxx und dem Betriebsrat maschinenschriftlich unterzeichnet. Auf den weiteren Inhalt des Flugblattes vom 12.06.2005 (Bl. 6 d.A.) wird Bezug genommen.

Am 16.06.2005 erhielt der Beteiligte zu 3. von der IG Metall eine E-Mail mit der Überschrift "Aktuelle Information 2" (Bl. 7 d.A.), die ebenfalls die anstehenden Tarifvertragsverhandlungen betraf und Positionen hierzu benannte. Der E-Mail beigefügte Entwurf eines Flugblattes (Bl. 8 d. A.) enthielt bis dahin unter anderem nur den Zusatz "Betriebsrat H1xxxx". Der Beteiligte zu 3. übertrug den - ansonsten unveränderten - Inhalt der Mail auf einen Briefbogen "Vertrauensleute der IG Metall" und ergänzte ihn unter anderem mit dem Zusatz "gez. U1xxxx H3xxxx" (Bl. 9 d.A.).

Mit dem am 23.06.2005 beim Arbeitsgericht eingeleiteten Beschlussverfahren nahm die Arbeitgeberin den Betriebsrat daraufhin auf Unterlassung in Anspruch.

Mit einem Flugblatt vom 24.06.2005 (Bl. 15 d. A.) lud die IG Metall, Verwaltungsstelle Hagen sowie der Betriebsrat zu einer Mitgliederversammlung der Kolleginnen und Kollegen der H1xxxx GmbH zum 29.06.2005 ein (Bl. 14 d. A.). Beide Schreiben sind jeweils mit dem Zusatz "Betriebsrat H1xxxx gez. U1xxxx H3xxxx" versehen.

Im Juli 2005 führte der Betriebsrat eine Belegschaftsbefragung zu einem Vorschlag der IG Metall, kurzfristig Verhandlungen unter der Moderation des Landesschlichters für NRW aufzunehmen, durch. Er verteilte insoweit Fragebögen, die mit "Betriebsrat H1xxxx GmbH" unterzeichnet waren (Bl. 33 d. A.).

Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, der Betriebsrat und der Beteiligte zu 3. hätten auf Grund der unstreitig erstellten und verteilten Schriftstücke gegen ihre betriebsverfassungsrechtliche Neutralitätspflicht verstoßen. Schon auf Grund der kurzen Folge der vom Betriebsrat unterstützen gewerkschaftlichen Aufrufe sei mit einer Wiederholung derartiger Solidaritätsbekundungen durch den Betriebsrat und den Beteiligten zu 3. zu rechnen, so lange die Auseinandersetzung der Arbeitgeberin mit der IG Metall andauere. Soweit der Betriebsrat im vorliegenden Verfahren von der Rechtmäßigkeit seines Verhaltens ausgehe, zeige dies, dass er auch zukünftig gegen die Neutralitätspflicht verstoßen werde.

Die Anträge seien auch hinreichend konkret genug gefasst. Aus den Anträgen und dem Vorbringen zu deren Begründung folge konkret und nachvollziehbar, welche Beteiligung an welchen Informationen dem Betriebsrat untersagt werden solle.

Im Anhörungstermin vor dem Arbeitsgericht hat die Arbeitgeberin ferner einen fehlenden ordnungsgemäßen Bestellungsbeschluss des Betriebsrates für die Bevollmächtigung seines anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten gerügt.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

1. dem Antragsgegner aufzugeben, es zu unterlassen, schriftliche Informationen der IG Metall im Betrieb der Antragstellerin zu verteilen,

2. dem Antragsgegner aufzugeben, es zu unterlassen, schriftliche Informationen der IG Metall mit dem Zusatz "Betriebsrat H1xxxx" zu versehen, im Betrieb zu verteilen und/oder als E-Mail über ihr E-Mail-System an die angeschlossenen Arbeitnehmer zu versenden,

3. dem Antragsgegner aufzugeben, es zu unterlassen, schriftliche Informationen der IG Metall mit Zusatz "Betriebsrat H1xxxx gez. U1xxxx H3xxxx" zu versehen, im Betrieb zu verteilen und/oder als E-Mail über das E-Mail-System der Antragstellerin an die angeschlossenen Arbeitnehmer zu versenden,

4. es wird festgestellt, dass der Antragsgegner nicht berechtigt ist, sich durch den Zusatz "Betriebsrat H1xxxx" und Betriebsrat H1xxxx gez. U1xxxx H3xxxx" auf schriftlichen Informationen der IG Metall zu beteiligen und/oder schriftliche Informationen der IG-Metall entsprechend zu unterzeichnen,

5. für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtungen aus den Anträgen zu 1.), 2.) und 3.) wird dem Antragsgegner ein Ordnungsgeld in Höhe von 15.000,-- Euro , ersatzweise Ordnungshaft angedroht,

6. für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtungen aus den Anträgen zu 1.), 2.) und 3.) wird dem Vorsitzenden des Antragsgegners, Herrn U1xxxx H3xxxx, ein Ordnungsgeld in Höhe von 15.000,-- Euro, ersatzweise Ordnungshaft angedroht.

Der Betriebsrat und der Beteiligte zu 3. haben beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Sie haben die Auffassung vertreten, die Anträge seien zu allgemein gefasst und daher unzulässig. Der Betriebsrat könne seinem aus § 2 Betriebsverfassungsgesetz folgenden Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit nicht nachkommen, wenn ihm die Weitergabe jeglicher Informationen der IG Metall untersagt werde, sei es durch Verteilung oder durch E-Mail. Im Übrigen fehle es für das Unterlassungsbegehren der Arbeitgeberin an einer Wiederholungsgefahr. Für den Feststellungsantrag fehle das erforderliche Feststellungsinteresse.

Der Betriebsrat hat weiter die Auffassung vertreten, die Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen seinen Vorsitzenden sei unzulässig, da die Mitglieder nicht mit ihrem Privatvermögen für Ordnungsgelder hafteten.

Durch Beschluss vom 03.11.2005 hat das Arbeitsgericht die Anträge der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Den Feststellungsantrag hat es mangels erforderlichen Feststellungsinteresses als unzulässig zurückgewiesen, die Unterlassungsanträge seien zwar zulässig, als Globalanträge jedoch zu weitgehend und deshalb unbegründet.

Gegen den der Arbeitgeberin am 22.11.2005 zugestellten Beschluss, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat die Arbeitgeberin am 08.12.2005 Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 23.02.2006 mit dem am 22.02.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Im März 2006 fanden im Betrieb der Arbeitgeberin Betriebsratsneuwahlen statt. Der Beteiligte zu 3. wurde inzwischen wieder zum Betriebsratsvorsitzenden gewählt.

Die Arbeitgeberin ist der Auffassung, dass der Betriebsrat sowohl in der Vergangenheit wie auch im Laufe des vorliegenden Beschwerdeverfahrens gegen seine Neutralitätspflicht verstoßen habe. Er wirke aktiv bei gewerkschaftlichen und tariflichen Maßnahmen mit und fordere von der Geschäftsleitung die Rückführung zum Flächentarifvertrag sowie die Aufnahme von Verhandlungen mit der Tarifkommission. Dies führe zu einer Störung des Betriebsfriedens. Die IG Metall und der Betriebsrat hätten sich nämlich gegen den tatsächlichen Willen der Belegschaft im Unternehmen der Antragstellerin ausgesprochen. 91 % der Beschäftigten hätten schließlich trotz der sehr massiv geführten Auseinandersetzung seitens der IG Metall und dem Betriebsrat einer Ausdehnung der Wochenarbeitszeit zugestimmt. Ein derartiges einseitiges gewerkschaftsorientiertes Verhalten eines Betriebsrates könne nicht hingenommen werden. Teile der Belegschaft hätten mittlerweile sogar angeregt, die Wochenarbeitszeit auf 40 Wochenstunden auszudehnen. Auch die Antragstellerin plane, diesen von Teilen der Belegschaft selbst angedachten Weg zu beschreiten. Der Betriebsrat habe im vergangenen Jahr seine zunächst erteilte Zustimmung zur Ausdehnung der Wochenarbeitszeit auf 38,75 Stunden erteilte Zustimmung widerrufen. Deshalb müsse die Arbeitgeberin davon ausgehen, dass es auch in diesem Jahr wieder zu Störaktionen des Betriebsrates kommen werde.

Auch auf Grund der Betriebsratsneuwahlen sei die Auseinandersetzung mit dem Betriebsrat nicht beendet. Die Streitfrage, ob und in wie weit der Betriebsrat schriftliche Informationen gemeinsam mit der IG Metall im Betrieb veröffentlichen dürfe oder nicht, dauere vielmehr an. Der Vorgang sei nicht abgeschlossen, dies ergebe sich aus dem Flugblatt "Aktuelle Betriebsinformation vom 08.03.2006" (Bl. 180 d. A.), der Verteilung von Vollmachtserklärungen (Bl. 181 d. A.) im Betrieb, einer weiteren "Aktuellen Betriebsratsinformation vom 03.04.2006" (Bl. 183 d. A.) sowie aus einem Schreiben des Betriebsrats an die Geschäftsleitung vom 07.04.2006 (Bl. 182 d. A.). Der Betriebsrat beteilige sich auch weiterhin ganz massiv an einer von der IG Metall geführten Auseinandersetzung mit der Arbeitgeberin, die zum Ziel habe, die Arbeitgeberin zur Rückkehr in den Tarifverband zu zwingen.

Entgegen der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts seien die gestellten Anträge - mindestens in der im Beschwerdeverfahren gestellten Form - auch genügend bestimmt und keine Globalanträge. Auch das Bundesarbeitsgericht habe derartige Anträge für zulässig gehalten. Mit der Zurückweisung der von der Arbeitgeberin gestellten Anträge habe das Arbeitsgericht gegen maßgebliches Prozessrecht verstoßen und nicht auf sachdienliche Anträge hingewirkt. Mindestens seien die erstinstanzlich gestellten Anträge auslegungsfähig. Auf Grund der Begründung der Antragsschrift und der Beifügung der gerügten Informationsblätter sei erkennbar, welche Unterlassung die Arbeitgeberin vom Betriebsrat begehre. Das Arbeitsgericht habe jedoch die gestellten Anträge separat und losgelöst von der Antragsbegründung bewertet. Der Antragstellerin gehe es um gemeinsame Informationen des Betriebsrates und der IG Metall, um Informationen " mit dem Inhalt" der Anlage zur Antragsschrift, um Erörterungen der IG Metall "im Rahmen von tariflichen und gewerkschaftlichen Auseinandersetzungen". Insoweit seien die Anträge nicht zu weit gefasst. Mindestens die in der Beschwerdeinstanz gestellten Hilfsanträge seien begründet.

Im Anhörungstermin vor der Beschwerdekammer vom 31.05.2006 hat die Arbeitgeberin zusätzlich bestritten, dass der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrates für das Beschwerdeverfahren ordnungsgemäß bevollmächtigt sei. Nach Vorlage des Protokolls der Betriebsratssitzung vom 21.12.2005 (Bl. 192 d. A.) wurde die Rüge der ordnungsgemäßen Bevollmächtigung aufrecht erhalten.

Die Arbeitgeberin beantragt,

1. dem Antragsgegner aufzugeben, es zu unterlassen, schriftliche Informationen der IG Metall, der in der Anlage (zur Antragsschrift) beigefügten Art, im Betrieb der Antragstellerin zu verteilen.

2. dem Antragsgegner aufzugeben, es zu unterlassen, schriftliche Informationen der IG Metall mit dem Zusatz "Betriebsrat H1xxxx" zu versehen, im Betrieb zu verteilen und/oder als E-Mail über ihr E-Mail-System an die angeschlossenen Arbeitnehmer zu versenden.

2a.hilfsweise dem Antragsgegner aufzugeben, es zu unterlassen, schriftliche Informationen, der in der Anlage (zur Antragsschrift) beigefügten Art, die Erörterungen der IG Metall mit der Antragstellerin im Rahmen von tariflichen und gewerkschaftlichen Auseinandersetzungen betreffen, mit dem Zusatz "Betriebsrat H1xxxx" zu versehen, im Betrieb zu verteilen und/oder als E-Mail über ihr E-Mail-System an die angeschlossenen Arbeitnehmer zu versenden.

3. dem Antragsgegner aufzugeben, es zu unterlassen, schriftliche Informationen der IG Metall mit dem Zusatz "Betriebsrat H1xxxx gez. U1xxxx H3xxxx" zu versehen, im Betrieb zu verteilen und/oder als E-Mail über das E-Mail-System der Antragstellerin an die angeschlossenen Arbeitnehmer zu versenden,

3a.hilfsweise, dem Antragsgegner aufzugeben, es zu unterlassen, schriftliche Informationen, der in der Anlage (zur Antragsschrift) beigefügten Art, die Erörterungen der IG Metall mit der Antragstellerin im Rahmen von tariflichen und gewerkschaftlichen Auseinandersetzungen betreffen, mit dem Zusatz "Betriebsrat H1xxxx gez. U1xxxx H3xxxx" zu versehen, im Betrieb zu verteilen und/oder als E-Mail über ihr E-Mail-System an die angeschlossenen Arbeitnehmer zu versenden,

4. festzustellen, dass der Antragsgegner nicht berechtigt ist, sich durch den Zusatz "Betriebsrat H1xxxx" und Betriebsrat H1xxxx gez. U1xxxx H3xxxx" auf schriftlichen Informationen der IG Metall, der in der Anlage (zur Antragsschrift) beigefügten Art, zu beteiligen und/oder schriftliche Informationen der IG Metall in dieser Art entsprechend zu unterzeichnen,

5. für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtungen aus den Anträge zu 1, 2, 2a, 3 und 3a wird dem Antragsgegner ein Ordnungsgeld in Höhe von 15.000,-- Euro, ersatzweise Ordnungshaft, angedroht,

6. für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtungen aus den Anträgen zu 1, 2, 2a, 3 und 3 a wird dem Vorsitzenden des Antragsgegners, Herrn U1xxxx H3xxxx, ein Ordnungsgeld in Höhe von 15.000,-- Euro, ersatzweise Ordnungshaft, angedroht,

7. festzustellen, dass es unwirksam ist, wenn der Antragsgegner schriftliche Informationen der IG Metall mit dem Zusatz "Betriebsrat H1xxxx" versieht, im Betrieb verteilt und/oder als E-Mail über ihr E-Mail-System an die angeschlossenen Arbeitnehmer versendet,

8. hilfsweise festzustellen, dass es unwirksam ist, wenn der Antragsgegner schriftliche Informationen mit dem Inhalt der zur Antragsschrift gegebenen Anlage, die Erörterung der IG Metall mit der Antragstellerin im Rahmen von tariflichen und gewerkschaftlichen Auseinandersetzungen betreffen, mit dem Zusatz "Betriebsrat H1xxxx" zu versehen, im Betrieb zu verteilen und/oder als E-Mail über ihr E-Mail-System an die angeschlossenen Arbeitnehmer zu versenden,

9. festzustellen, dass es unwirksam ist, wenn der Antragsgegner schriftliche Informationen der IG Metall mit dem Zusatz "Betriebsrat H1xxxx gez. U1xxxx H3xxxx" versieht, im Betrieb verteilt und/oder als E-Mail über ihr E-Mail-System an die angeschlossenen Arbeitnehmer versendet.

Der Betriebsrat und der Beteiligte zu 3. beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie sind der Auffassung, dass es den Anträgen an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis fehle, weil inzwischen ein neuer Betriebsrat im Amt sei. Die Unterlassungsanträge richteten sich gegen den alten Betriebsrat, der neu gewählte Betriebsrat könne nicht mit einem etwaigen Fehlverhalten des alten Betriebsrates belastet werden. Mindestens fehle es insoweit an der erforderlichen Wiederholungsgefahr.

Darüber hinaus seien die Anträge auch in der Beschwerdeinstanz gestellten Form zu unbestimmt. Es sei nicht erkennbar, welches Verhalten der Betriebsrat unterlassen solle, wenn ihm aufgegeben werde, es zu unterlassen, Informationen einer "in der Anlage beigefügten Art" im Betrieb zu verteilen. Insoweit sei der Antrag zu 1. wegen fehlender Vollstreckbarkeit zu unbestimmt. Auch der Antrag zu 2. sei zu weitgehend. Würde den Anträgen stattgegeben, bedeutete dies, dass Betriebsrat und IG Metall nicht einmal gemeinsam über den Abschluss einer Betriebsvereinbarung oder über den Abschluss eines Haustarifvertrages berichten dürften. Das gleiche gelte für die weiteren Anträge der Arbeitgeberin. Bei einer Antragsstattgabe würde für alle Verfahrensbeteiligten eine ständige Unsicherheit bestehen, ob es sich denn nun bei einem zu verteilenden Schriftstück um ein solches handele, dass "in der Art" der Anlage zur Antragsschrift entspreche oder nicht. Auch mit den neu gestellten Hilfsanträgen solle nicht nur eine Verletzung der Neutralitätspflicht sanktioniert werden, auch diese Anträge seien zu weitgehend.

Schließlich fehle es - mindestens gegenüber dem neu gewählten Betriebsrat - an einer erforderlichen Wiederholungsgefahr. Der neu gewählte Betriebsrat habe keine Verfehlung im Hinblick auf die Neutralitätspflicht des Betriebsrates begangen.

Im Anhörungstermin vor der Beschwerdekammer vom 31.05.2006 wurden zur Erledigung des Verfahrens Vergleichsgespräche mit den Beteiligten geführt. Im Rahmen dieser Gespräche erklärte der Betriebsratsvorsitzende, der Beteiligte zu 3., sich an die aus § 74 Abs. 2 BetrVG ergebenden Neutralitätspflicht halten zu wollen; es solle mit dem Betriebsrat als Gremium besprochen werden, ob auch der neue Betriebsrat als Gremium eine derartige Erklärung abgeben könne.

Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf die Protokollerklärungen der Beteiligten Bezug genommen.

B.

Die zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin ist nicht begründet.

Der Zulässigkeit der Beschwerde steht nicht entgegen, dass mit der Beschwerdebegründung vom 22.02.2006 geänderte Anträge und mit Schriftsatz vom 30.05.2006 weitere Feststellungsanträge gestellt worden sind. Sowohl der Betriebsrat wie auch der Beteiligte zu 3. haben sich auf die geänderten bzw. erweiterten Anträge eingelassen, §§ 87 Abs. 2, 81 Abs. 3 Satz 2 ArbGG. Darüber hinaus liegt den geänderten Sachanträgen der gleiche Lebenssachverhalt zugrunde, auf den die Arbeitgeberin ihre Anträge auch schon in erster Instanz gestützt hat (BAG Beschluss vom 05.11.1985 - AP BetrVG 1972 § 98 Nr. 2 - unter B. III. der Gründe; BAG Beschluss vom 26.10.2004 - AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 29 - unter B.I.1.a) der Gründe mit weiteren Nachweisen). Das gleiche gilt für die erstmals in der Beschwerdeinstanz gestellten neuen Feststellungsanträge zu 7. bis 9..

Die Arbeitgeberin rügt auch erfolglos die ordnungsgemäße Bevollmächtigung des Betriebsrates im Beschwerdeverfahren. Eine Entscheidung der Beschwerdekammer hätte selbst dann ergehen müssen, wenn der Betriebsrat - entgegen den Betriebsratsbeschlüssen vom 08.11.2005 (Bl. 100 d. A.) und vom 21.12.2005 (Bl. 192 d. A.) - im vorliegenden Verfahren nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen wäre. Eine Vertretung des Antrags- bzw. Beschwerdegegners im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren ist nämlich überhaupt nicht erforderlich. Selbst vor den Landesarbeitsgerichten als Beschwerdeinstanz können sich die Beteiligten im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren selbst vertreten. Eine Ausnahme von dieser Regelung gilt nach § 89 Abs. 1 ArbGG lediglich für die Einlegung und Begründung der Beschwerde (Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 5. Aufl. § 87 Rz. 22). Selbst die Tatsache, dass die Beschwerdeschrift durch einen Rechtsanwalt oder Verbandsvertreter unterzeichnet sein muss, bedeutet nicht, dass der Beschwerdeführer im ganzen Beschwerdeverfahren sich vertreten lassen muss (BAG Beschluss vom 20.03.1990 - AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 79; Germelmann/Matthes/Prütting/ Müller-Glöge a.a.O., § 89 Rz. 14). Dies gilt erst recht für den Beschwerdegegner. Der Antrags- bzw. Beschwerdegegner, der Betriebsrat, war jedoch sowohl in erster Instanz wie auch im Beschwerdeverfahren mindestens durch den Betriebsratsvorsitzenden ordnungsgemäß vertreten, § 26 Abs. 2 Satz 1 BetrVG.

I.

Die im Beschwerderechtszug gestellten Anträge der Arbeitgeberin sind - mit Ausnahme der gestellten Feststellungsanträge - zulässig.

1. Für die von der Arbeitgeberin gestellten Anträge ist das Beschlussverfahren die zutreffende Verfahrensart, §§ 2 a, 80 Abs. 1 ArbGG. Zwischen den Beteiligten ist eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit streitig. Die Beteiligten streiten um Rechte und Pflichten des Betriebsrates sowie seines Vorsitzenden aus dem Betriebsverfassungsgesetz, nämlich um angebliche Verstöße gegen die sich aus § 74 Abs. 2 BetrVG ergebende Neutralitätspflicht des Betriebsrates. Streitfragen über die gewerkschaftliche Tätigkeit von Betriebsratsmitgliedern und anderen Amtsträgern sind im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren nach § 2 a ArbGG geltend zu machen (Fitting/Engels/ Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 23. Aufl., § 74 Rz. 74 f.; Däubler/Kittner/Klebe/Berg, BetrVG, 10. Aufl., § 74 Rz. 64; Kreutz, GK-BetrVG, 8. Aufl., § 74 Rz. 139, 89; Richardi, BetrVG, 10. Aufl., § 74 Rz. 82; ErfK/Kania, 6. Aufl., § 74 BetrVG Rz. 37 m.j.w.N.).

2. Die Antragsbefugnis der Arbeitgeberin und die Beteiligung des Betriebsrates ergeben sich aus den §§ 10, 83 Abs. 3 ArbGG.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht auch den Betriebsratsvorsitzenden persönlich am vorliegenden Beschlussverfahren beteiligt, da er zumindest mit dem zuletzt gestellten Antrag zu 6. unmittelbar in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Rechtstellung betroffen ist.

3. Die in der Beschwerdeinstanz gestellten Unterlassungsanträge, die Anträge zu 1., 2., 2 a., 3. und 3 a., genügen auch dem Bestimmtheitserfordernis nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Auch dies hat das Arbeitsgericht für die in erster Instanz gestellten Anträge zutreffend erkannt.

§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO findet auch auf das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren entsprechende Anwendung (BAG, Beschluss vom 03.06.2003 - AP BetrVG 1972 § 89 Nr. 1 - unter B.I.1. der Gründe m.w.N.). Der Streitgegenstand muss so genau bezeichnet werden, dass die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Beteiligten entschieden werden kann (BAG, Beschluss vom 13.10.1987 - AP ArbGG 1979 § 81 Nr. 7; BAG, Beschluss vom 03.06.2003 - AP BetrVG 1972 § 89 Nr. 1; BAG, Beschluss vom 29.04.2004 - AP BetrVG 1972 § 77 Durchführung Nr. 3). Dies gilt auch und für allem für Anträge, mit denen die Unterlassung von Handlungen verlangt wird. Im Fall einer dem Antrag stattgebenden Entscheidung muss für den in Anspruch genommenen Beteiligten eindeutig erkennbar sein, was von ihm verlangt wird. Die Prüfung, welche Maßnahme der Schuldner vorzunehmen oder zu unterlassen hat, darf grundsätzlich nicht in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden.

Insoweit genügen die von der Arbeitgeberin gestellten Unterlassungsanträge dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Die gestellten Anträge lassen keine Missverständnisse über den Umfang der begehrten Unterlassungspflicht aufkommen. Auf die entsprechenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss des Arbeitsgerichts kann insoweit Bezug genommen werden.

Soweit gegenüber den Unterlassungsanträgen gerügt worden ist, sie seien zu unbestimmt, weil zu weitgehend, betrifft dieser Einwand letztlich nicht die Zulässigkeit der Anträge, sondern die Begründetheit. Bei der Frage, ob alle von einem Unterlassungsantrag erfassten Verhaltensweisen eine Unterlassungspflicht des Schuldners auslösen, handelt es sich nämlich nicht um eine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit der Klage. Ein Globalantrag, der eine Vielzahl von Fallgestaltungen erfasst, ist nicht als unzulässig, sondern allenfalls als unbegründet abzuweisen, wenn es darunter zumindest auch Fallgestaltungen gibt, in denen sich der Antrag als unbegründet erweist (BAG, Beschluss vom 03.05.1994 - AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 23 unter A. und C.1 der Gründe; BAG, Beschluss vom 03.06.2003 - AP BetrVG 1972 § 89 Nr. 1 - unter B.I.1. und B. II. 2.a) der Gründe; BAG, Beschluss vom 16.11.2004 - AP BetrVG 1972 § 82 Nr. 3 - unter B. I. 1. der Gründe). Bei den von der Arbeitgeberin im vorliegenden Fall gestellten Unterlassungsanträgen handelt es sich jeweils um Globalanträge, die eine Vielzahl künftig möglicher Fallgestaltungen erfassen. Dies steht der Bestimmtheit der Anträge nicht entgegen, sondern ist im Rahmen seiner Begründetheit zu beachten.

Insoweit sind auch die von der Arbeitgeberin gestellten Hilfsanträge, die Feststellungsanträge zu 4., 7., 8. und 9. in ausreichender Weise bestimmt gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

4. Die Feststellungsanträge, die Anträge zu 4., 7., 8. und 9., sind jedoch deshalb unzulässig, weil es ihnen an dem erforderlichen Feststellungsinteresse mangelt.

Das Erfordernis eines Feststellungsinteresses gemäß § 256 ZPO gilt insbesondere auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren (BAG, Beschluss vom 18.02.2003 - AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 11; BAG, Beschluss vom 01.07.2003 - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 107 m.w.N.). Sämtlichen Feststellungsanträgen mangelt es jedoch an dem erforderlichen Feststellungsinteresse, weil die Arbeitgeberin den Betriebsrat bzw. den Beteiligten zu 3. auch auf Unterlassung in Anspruch nimmt. Regelmäßig entfällt nämlich das Feststellungsinteresse, soweit der Anspruchsgegner auch auf Leistung in Anspruch genommen werden kann. Grundsätzlich wird einer Leistungsklage der Vorrang vor einer Feststellungsklage eingeräumt. Ist eine Leistungsklage möglich, entfällt in der Regel das von § 256 Abs. 1 ZPO vorausgesetzte Feststellungsinteresse. Trotz einer vorrangig zu erhebenden Leistungsklage kann eine Feststellungsklage allenfalls dann noch zulässig sein, wenn durch sie der Streit insgesamt beseitigt wird (BAG, Urteil vom 05.06.2003 - AP ZPO 1977 256 Nr. 81; BAG, Beschluss vom 16.11.2004 - AP BetrVG 1972 § 82 Nr. 3). Eine derartige Ausnahme liegt jedoch nicht vor. Bereits das Arbeitsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der erstinstanzlich gestellte Feststellungsantrag wortgleich zu den Unterlassungsanträgen zu 2. und 3. gestellt worden ist. Ein erkennbar anderes Klageziel wird mit dem Feststellungsantrag nicht verfolgt. Das gleiche gilt für die erstmalig mit Schriftsatz vom 30.05.2006 im Beschwerderechtszug gestellten Feststellungsanträge. Auch mit ihnen wird nichts anderes verfolgt, als die Arbeitgeberin bereits mit den gestellten Unterlassungsanträgen begehrt.

Demgegenüber kann das Rechtsschutzbedürfnis für die in der Beschwerdeinstanz gestellten Unterlassungsanträge nicht in Frage gestellt werden. Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Leistungsklage ergibt sich regelmäßig aus der Nichterfüllung des materiell-rechtlichen Anspruchs. Für eine Unterlassungsklage gilt nichts anderes (BAG, Urteil vom 03.06.2003 - AP BetrVG 1972 § 77 Tarifvorbehalt Nr. 19). Der Unterlassungsantrag bedarf als negativer Leistungsantrag keines besonderen Rechtsschutzbedürfnisses. Die Frage, ob der Betriebsrat oder der Beteiligte zu 3. Rechtspositionen der Arbeitgeberin tatsächlich verletzt haben, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit des Antrages. Das Rechtsschutzbedürfnis für die Unterlassungsanträge kann auch nicht durch die im März 2006 stattgefundene Betriebsratsneuwahl in Abrede gestellt werden. Zwar ist, nachdem ein neuer Betriebsrat gewählt worden ist, die Amtszeit des alten Betriebsrates, dem ein Verstoß gegen die Neutralitätspflicht vorgeworfen wird, abgelaufen. Damit haben sich jedoch die gestellten Unterlassungsanträge nicht erledigt, zumal der Betriebsrat auch nach seiner Neuwahl an der ursprünglich abgegebenen Stellungnahme im vorliegenden Verfahren festhält. Auch der Beteiligte zu 3., der Betriebsratsvorsitzende, hat nach der Neuwahl des Betriebsrats keine Erledigung erklärt.

II.

Die von der Arbeitgeberin gestellten Unterlassungsanträge erweisen sich jedoch auch in der in der Beschwerdeinstanz gestellten Form sämtlich als unbegründet.

1. Ob die von der Arbeitgeberin in der Beschwerdeinstanz gestellten Unterlassungsanträge als Globalanträge, die einschränkungslos eine Vielzahl möglicher Fallgestaltungen erfassen, unbegründet sind, weil unter sie zumindest auch Sachverhalte fallen, in denen sich der Antrag jeweils als unbegründet erweist, hat die Beschwerdekammer letztlich offengelassen.

Zwar ist die Beschwerdekammer mit dem Arbeitsgericht der Auffassung, dass die erstinstanzlich gestellten Unterlassungsanträge zu Recht als unbegründet abgewiesen worden sind. Die erstinstanzlich gestellten Anträge sind nämlich zu weitgehend, sie erfassen eine Vielzahl möglicher Fallgestaltungen, in denen die von der Arbeitgeberin in Anspruch genommene Verpflichtung des Betriebsrates nicht besteht.

Zwar ist zutreffend, dass aufgrund der sich aus § 74 Abs. 2 BetrVG ergebenden Neutralitätspflicht des Betriebsrats als Organ (BVerfG, Beschluss vom 27.03.1979 - AP GG Art. 9 Nr. 31) sich der Betriebsrat als Organ jeder Tätigkeit im Arbeitskampf zu enthalten hat. Der Betriebsrat darf als Organ insbesondere keinen Streik unterstützen oder die Belegschaft auffordern, sich an einem gewerkschaftlich organisierten Streik zu beteiligen (BAG, Urteil vom 22.12.1980 - AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 71; Fitting, a.a.O., § 74 Rz. 14; DKK/Berg, a.a.O., § 74 Rz. 16; ErfK/Kania, a.a.O., § 74 BetrVG Rz. 11 m.w.N.). Ebenso wenig gehört es zu den gesetzlichen Aufgaben des Betriebsrates als Organ, Gewerkschaftswerbung zu betreiben (BVerfG, Beschluss vom 14.11.1995 - AP GG Art. 9 Nr. 80; BVerwG, Beschluss vom 22.08.1991 - AP BPersVG § 28 Nr. 2; Fitting, a.a.O., § 74 Rz. 70; Kreutz/GK-BetrVG, a.a.O., § 74 Rz. 142; ErfK/Kania, a.a.O., § 74 Rz. 34; Richardi, a.a.O., § 40 Rz. 78). Ein Verstoß gegen die sich aus § 74 Abs. 2 BetrVG ergebende Neutralitätspflicht des Betriebsrates kann auch einen entsprechenden Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers zur Folge haben (BAG, Beschluss vom 22.07.1980 - AP BetrVG 1972 § 74 Nr. 3; Fitting, a.a.O., § 74 Rz. 74; Kreutz/GK-BetrVG, a.a.O., § 74 Rz. 88; ErfK/Kania, a.a.O., § 74 BetrVG Rz. 37; Richardi, a.a.O., § 74 Rz. 52, 72 m.w.N.).

Ein Betriebsrat bewegt sich aber im Rahmen seiner Aufgabenstellung, wenn er die Belegschaft über tarifliche Auseinandersetzungen, die den von ihm repräsentierten Betrieb betreffen, unterrichtet. Dies ergibt sich bereits aus § 74 Abs. 2 Satz 3 BetrVG, wonach die Behandlung von Angelegenheiten tarifpolitischer Art, die den Betrieb oder seine Arbeitnehmer unmittelbar betreffen, durch den Betriebsrat nicht unerlaubt ist. Die sachliche Information und Unterrichtung der Belegschaft über den Stand von Tarifverhandlungen gehört zu den zulässigen tarifpolitischen Angelegenheiten (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.09.1991 - AiB 1992, 96 LAG Hamm, Beschluss vom 12.03.2004 - LAGRep 2004, 320; ArbG Oldenburg, Beschluss vom 29.05.1989 - NZA 1989, 652; Fitting, a.a.O., § 74 Rz. 58 und 61 sowie § 45 Rz. 9; DKK/B4xx, a.a.O., § 74 Rz. 45 und § 45 Rz. 4; ErfK/Eisemann, a.a.O., § 45 Rz. 3; Kreutz/GK-BetrVG, a.a.O., § 74 Rz. 120 und Fabricius/Weber/GK-BetrVG, a.a.O., § 45 Rz. 13 m.w.N.).

Im vorliegenden Fall mag zwar dem Betriebsrat eine Verletzung der Neutralitätspflicht vorzuwerfen sein, als er die der Antragsschrift der Arbeitgeberin beigefügten Flugblätter der IG Metall vom 12.06.2005 und 16.06.2005 gemeinsam mit der IG Metall und dem Vertrauenskörper H1xxxx unterzeichnet und damit offen für die Position der Gewerkschaft geworben hat. Hiervon ist auch das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss ausgegangen. Dem Arbeitsgericht ist aber auch insoweit zu folgen, als es ausgeführt hat, dass dem Betriebsrat das Verteilen von Informationen nicht verwehrt ist, die den Betriebsfrieden nicht stören und die auch keine Verquickung einer Tätigkeit für die Gewerkschaft mit der Amtstätigkeit des Betriebsrates darstellen. Insoweit hat das Arbeitsgericht völlig zutreffend ausgeführt, dass die Information der Belegschaft über von der IG Metall mit der Arbeitgeberin abgeschlossene Tarifverträge unter die von der Arbeitgeberin begehrte Unterlassungsverpflichtung fallen würde. Insoweit sind die erstinstanzlich gestellten Anträge zu weit gefasst und zu Recht vom Arbeitsgericht als unbegründete Globalanträge zurückgewiesen worden.

Dies gilt auch für die in der Beschwerdeinstanz in eingeschränkter Form gestellten Unterlassungsanträge der Arbeitgeberin. Würde etwa den Anträgen zu 2. und 3. stattgegeben, wäre es dem Betriebsrat nicht erlaubt, gemeinsam mit der IG Metall die Belegschaft über den Abschluss einer Betriebsvereinbarung oder aber den Abschluss eines Haustarifvertrages zu informieren. Auch die Behandlung allgemeiner gewerkschaftlicher Fragen ist durch die Neutralitätspflicht des Betriebsrates keineswegs ausgeschlossen. So kann der Betriebsrat ohne Verstoß gegen die Neutralitätspflicht über den Stand von Tarifverhandlungen oder die Durchführung von Bildungsmaßnahmen auch durch die Gewerkschaft unterrichten. Auch eine derartige Information wurde von den gestellten Anträgen zu 1. und 3. erfasst, sie sind damit zu weitgehend.

Ob es sich bei dem Antrag zu 1., der gegenüber dem erstinstanzlich gestellten Antrag mit dem Zusatz "der in der Anlage (zur Antragsschrift) beigefügten Art" eingeschränkt worden ist, und insbesondere auch bei den Anträgen zu 2 a. und 3 a. ebenfalls um unbegründete Globalanträge handelt, hat die Beschwerdekammer aber letztlich offengelassen, weil auch diese Anträge in jedem Fall als unbegründet abzuweisen sind.

2. Den Unterlassungsanträgen der Arbeitgeberin fehlt es in jedem Fall an der erforderlichen Wiederholungsgefahr.

Auch der sich aus § 74 Abs. 2 BetrVG ergebende Unterlassungsanspruch erfordert das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr. Diese Voraussetzung entspricht nämlich der Systematik sämtlicher Unterlassungsansprüche (Kreutz/GK-BetrVG, a.a.O., § 74 Rz. 89; vgl. auch BAG, Beschluss vom 29.02.2000 - AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 105). Erforderlich ist insoweit eine ernstliche, sich auf Tatsachen gründende Besorgnis weiterer Eingriffe zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung. Dafür besteht allerdings grundsätzlich eine tatsächliche Vermutung, es sei denn, dass zum Beispiel die tatsächliche Entwicklung einen neuen Eingriff unwahrscheinlich macht (BAG, Beschluss vom 29.02.2000 - a.a.O.).

Zum Zeitpunkt der Entscheidung durch die Beschwerdekammer lagen besondere Tatsachen, die die ernstliche Besorgnis weiterer Verstöße gegen die Neutralitätspflicht rechtfertigen könnte, nicht mehr vor. Der Betriebsratsvorsitzende hat bei seiner Anhörung vor der Beschwerdekammer am 31.05.2006 nämlich glaubhaft erklärt, dass er sich demnächst an die aus § 74 Abs. 2 BetrVG ergebende Neutralitätspflicht halten werde. Bei Unterzeichnung der Flugblätter der IG Metall, die Anlass für die Einleitung des vorliegenden Verfahrens gewesen sind, hat er sich nach seinen Angaben vor der Beschwerdekammer über die Verquickung seiner (Amts-)Tätigkeit mit der Tätigkeit für die Gewerkschaft nicht genügende Gedanken gemacht. Auch wenn die tariflichen Auseinandersetzungen zwischen der Arbeitgeberin und der IG Metall zum Zeitpunkt der Entscheidung durch die Beschwerdekammer nicht beendet waren, war aufgrund dieser Erklärung des Beteiligten zu 3., des Betriebsratsvorsitzenden, eine ernstliche, auf Tatsachen begründete Besorgnis, der Betriebsrat werde auch weiterhin gegen seine Neutralitätspflicht verstoßen, nicht mehr vorhanden. Diese Annahme der Beschwerdekammer wird durch die Vorgehensweise des Betriebsrates seit Zustellung des erstinstanzlichen Beschlusses bestätigt. Die Herausgabe und Verteilung von Flugblättern, die gemeinsam von der Gewerkschaft und dem in Anspruch genommenen Betriebsrat unterzeichnet sind, sind nicht mehr erfolgt. Der Betriebsrat hat im Jahre 2006 vielmehr eigenständig die Belegschaft unterrichtet und für seine Positionen geworben. Dies zeigen die aktuellen Betriebsratsinformationen vom 08.03.2006 und 03.04.2006. Diese Informationstätigkeit verstößt nicht gegen die Neutralitätspflicht des § 74 Abs. 2 BetrVG. Auch die Mitteilung des Betriebsrates vom 09.05.2005, wonach er an seiner Forderung, das Unternehmen zurück in die Tarifbindung zurückzuführen, festhalte, stellt keinen Verstoß gegen die Neutralitätspflicht dar. Auch Betriebsratsmitglieder sind in ihrer koalitionsmäßigen Betätigung und in ihrer Meinungsäußerungsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 GG nicht beschränkt.

Auch wenn der Betriebsratsvorsitzende die anlässlich seiner Anhörung im Anhörungstermin vor der Beschwerdekammer vom 31.05.2006 gemachte Äußerung nicht ausdrücklich für den Betriebsrat als Gremium abgegeben hat, lag im Hinblick auf den in Anspruch genommenen Betriebsrat keine Wiederholungsgefahr mehr vor. Abgesehen davon, dass sich aus dem Vorbringen der Arbeitgeberin nicht ergibt, dass die Unterzeichnung und Verteilung der Flugblätter vom 12. und 16.06.2005 aufgrund eines vom Betriebsrat ordnungsgemäß gefassten Beschlusses erfolgt ist, fehlt es auch für den Betriebsrat an einer erforderlichen Wiederholungsgefahr. Auch im Hinblick auf die Inanspruchnahme des Betriebsrates ist durch die tatsächliche Entwicklung ein neuerlicher Verstoß des neu gewählten Betriebsrates unwahrscheinlich geworden. Auch der Betriebsrat als Gremium hat sich seit Erlass des erstinstanzlichen Beschlusses an die Neutralitätspflicht des § 74 Abs. 2 BetrVG gehalten. Sich mit tarifpolitischen Fragen zu befassen, sich entsprechend zu äußern und die Belegschaft zu informieren, ist dem Betriebsrat als Gremium nicht verboten.

III.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht bestand nach den §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.

Ende der Entscheidung

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