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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 06.05.2002
Aktenzeichen: 10 TaBV 54/02
Rechtsgebiete: BetrVG, WO


Vorschriften:

BetrVG § 7
BetrVG § 8
BetrVG § 20
WO § 2
WO § 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Hamm Im Namen des Volkes Beschluss

Geschäfts-Nr.: 10 TaBV 54/02

Verkündet am: 06.05.2002

In dem Beschlussverfahren

hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm aufgrund der mündlichen Anhörung vom 06.05.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Schierbaum sowie die ehrenamtlichen Richter Feldkamp und Kroll

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 29.04.2002 - 9 BVGa 15/02 - abgeändert.

Den Antragsgegnern wird aufgegeben, den Antragsteller zu 1) als passiv Wahlberechtigten in die Wählerliste zur Betriebsratswahl am 16.05.2002 in den Betrieb der Firma E1xxx Handelsgesellschaft R6xxx-R7xx GmbH, Niederlassung D1xxxxxx, B1xxxxxxx H2xxxxx 301 - 315, 44xxx D1xxxxxx, aufzunehmen.

Für den Fall der Zuwiderhandlung wird den Antragsgegnern zu 4) bis 6) ein Ordnungsgeld in vom Gericht noch festzusetzender Höhe, ersatzweise Zwangshaft, angedroht.

Gründe:

A

Die Beteiligten streiten über die Aufnahme des Antragstellers zu 1) in die Wählerliste zu einer im Betrieb des Arbeitgebers am 16.05.2002 stattfindenden Betriebsratswahl.

Seit dem 01.07.1974 ist der Antragsteller zu 1) als kaufmännischer Angestellter im Betrieb des Arbeitgebers bzw. dessen Rechtsvorgänger zu einem monatlichen Bruttoverdienst von zuletzt ca. 2.200,00 € tätig. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Beteiligten wurde durch den Arbeitgeber am 08.08.2001 zum 28.02.2002 gekündigt. Hiergegen erhob der Antragsteller zu 1) Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht - 1 Ca 5511/01 ArbG Dortmund -, über die noch nicht entschieden ist. Am 27.02.2002 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit dem Antragsteller zu 1) fristlos, unter anderem wegen angeblich unzutreffender Behauptungen in einem im Betrieb des Arbeitgebers erscheinenden Magazins für Arbeitnehmer. Gleichzeitig wurde dem Antragsteller zu 1) mit Schreiben vom 27.02.2002 mit sofortiger Wirkung Hausverbot erteilt. Auch gegen die außerordentliche Kündigung vom 27.02.2002 erhob der Antragsteller zu 1) Kündigungsschutzklage - 1 Ca 1542/02 ArbG Dortmund -, über die noch nicht entschieden ist. Kammertermin in beiden Kündigungsrechtsstreitigkeiten steht beim Arbeitsgericht am 21.06.2002 an.

Im Betrieb des Arbeitgebers finden derzeit Betriebsratswahlen statt, ein Wahlvorstand, der Antragsgegner des vorliegenden Verfahrens, wurde bestellt. Am 03.04.2992 wurde das Wahlausschreiben vom 02.04.2002 betriebsöffentlich ausgehängt (Bl. 7 d.A.). Danach finden die Betriebsratswahlen am 16.05.2002 statt.

Am 05.04.2002 stellte der Antragsteller zu 1), der nach dem 28.02.2002 nicht mehr im Betrieb des Arbeitgebers beschäftigt worden war, fest, dass er nicht in die Wählerliste zur Betriebsratswahl am 16.05.2002 verzeichnet war. Hiergegen legte der Antragsteller zu 1) mit Schreiben vom 05.04.2002 (Bl. 9 d.A.) und mit Schreiben vom 10.04.2002 (Bl. 10 d.A.) Einspruch ein. Dieser Einspruch wurde daraufhin mit Schreiben des Wahlvorstandes vom 10.04.2002 (Bl. 11 d.A.), beim Antragsteller zu 1) eingegangen am 12.04.2002, mit der Begründung zurückgewiesen, der Antragsteller zu 1) sei weder wählbar noch wahlberechtigt.

Mit dem vorliegenden, am 17.04.2002 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung - 9 BVGa 15/02 ArbG Dortmund - machten die Antragsteller daraufhin die Aufnahme des Antragstellers zu 1) in die Wählerliste geltend.

Bereits am 08.04.2002 wurde beim Wahlvorstand unter dem Kennwort "A.S.T. Arbeitnehmer-Service-Team" eine Wahlvorschlagsliste eingereicht. Auf dieser Wahlvorschlagsliste (Bl. 69 d.A.) war der Antragsteller zu 1) unter Nr. 1 als Listenführer aufgeführt. Dieser Wahlvorschlagsliste waren 90 Stützunterschriften (Bl. 70 ff. d.A.) beigefügt. Mit Schreiben vom 10.04.2002 (Bl. 73 d.A.) lehnte der Wahlvorstand diese Wahlvorschlagsliste mit der Begründung ab, dass die Vorschlagsliste die Stützunterschrift eines nicht Wahlberechtigten, nämlich des Antragstellers zu 1) enthalte und der Antragsteller zu 1) nicht wählbar sei.

Daraufhin wurde eine neue Wahlvorschlagsliste mit 45 Stützunterschriften (Bl. 74 ff. d.A.) erstellt, die den gerügten Mangel nicht mehr enthielt. Diese neue Vorschlagsliste wurde dem Wahlvorstand am 15.04.2002 überreicht.

Da der Wahlvorstand eine Stellungnahme zu der neu vorgelegten Wahlvorschlagsliste nicht abgab, machte der Antragsteller zu 1) am 17.04.2002 im Wege der einstweiligen Verfügung auch die Zulassung der Wahlvorschlagsliste A.S.T (Arbeitnehmer-Service-Team) für die Betriebsratswahl am 16.05.2002 geltend - 1 BVGa 16/02 ArbG Dortmund -.

Wegen der beabsichtigten Kandidatur zur Betriebsratswahl hatte der Antragsteller zu 1) bereits am 04.04.2002 beim Arbeitsgericht im Wege der einstweiligen Verfügung den Zugang zum Betrieb des Arbeitgebers zum Zwecke der Wahlwerbung geltend gemacht - 1 BVGa 14/02 ArbG Dortmund -. Termin zur mündlichen Verhandlung wurde in diesem Verfahren auf den 17.04.2002 bestimmt.

Die Antragsteller haben die Auffassung vertreten, dem Antragsteller zu 1) stehe das passive Wahlrecht zu, aus diesem Grunde müsse er auch in die Wählerliste aufgenommen werden.

Die Antragsteller haben beantragt,

1. dem Antragsgegner aufzugeben, den Antragsteller zu 1) in die Wählerliste zur Betriebsratswahl am 16.05.2002 aufzunehmen;

2. im Falle der Zuwiderhandlung dem Antragsgegner ein Ordnungsgeld aufzugeben, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.

Der Wahlvorstand hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, der Antragsteller zu 1) könne nicht in die Wählerliste aufgenommen werden, weil er nicht wählbar sei. Das Arbeitsverhältnis sei aufgrund arbeitgeberseitiger Kündigung Ende Februar 2002 beendet worden.

Durch Beschluss vom 17.04.2002 hat das Arbeitsgericht den Antrag des Antragstellers zu 1) auf Zugang zum Betrieb zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass zwar auch ein gekündigter Arbeitnehmer, auch wenn er grundsätzlich nicht aktiv wahlberechtigt sei, gleichwohl zum Betriebsrat wählbar sei. Der Antragsteller zu 1) könne jedoch zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht als Wahlbewerber gelten, weil die Vorschlagsliste, die ihn benenne, vom Wahlvorstand als unzulässig zurückgewiesen und eine Entscheidung über die Zulassung der Liste noch nicht getroffen worden sei. Insoweit sei das vom Antragsteller zu 1) eingeleitete Zulassungsverfahren gegen den Wahlvorstand vorrangig.

Durch Beschluss vom 24.04.2002 - 1 BVGa 16/02 ArbG Dortmund - hat das Arbeitsgericht dem Antrag des Antragstellers zu 1) auf Zulassung der Wahlvorschlagsliste A.S.T. (Arbeitnehmer-Service-Team) zur Betriebsratswahl am 16.05.2002 stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, der ursprünglich vom Wahlvorstand gerügte Mangel sei inzwischen beseitigt. Auch ein gekündigter Arbeitnehmer, der Kündigungsschutzklage erhoben habe, gelte bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als passiv wählbar. auch ein Verfügungsgrund sei gegeben, weil der Wahlvorstand seiner Verpflichtung nach § 7 Abs. 2 Satz 2 der Wahlordnung, die Vorschlagliste unverzüglich zu prüfen, nicht nachgekommen sei. Dem Antragsteller zu 1) könne die ordnungsgemäße Teilnahme an der Wahl und die erforderliche Wahlwerbung durch das Verhalten des Wahlvorstandes nicht unmöglich gemacht werden.

Mit Schreiben vom 26.04.2002 (Bl. 81 d.A.) teilte der Wahlvorstand mit, dass er die am 15.04.2002 eingereichte Wahlvorschlagsliste zur Betriebsratswahl nicht zulasse. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller zu 1) sei nicht passiv wahlberechtigt, man stütze sich "auf einige Stimmen in der Literatur". Im Übrigen sei die Entscheidung des Arbeitsgerichts Dortmund vom 24.04.2002 noch nicht rechtskräftig.

Im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren hat das Arbeitsgericht durch Beschluss vom 29.04.2002 - 9 BVGa 15/02 ArbG Dortmund - hat das Arbeitsgericht schließlich die Anträge auf Aufnahme des Antragstellers zu 1) in die Wählerliste mit der Begründung zurückgewiesen, dem Antrag fehle das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Die Antragsteller wollten lediglich das passive Wahlrecht des Antragstellers zu 1) durchsetzen, die Eintragung in die Wählerliste sei aber nicht konstitutive Voraussetzung für das passive Wahlrecht des Antragstellers. Dieses passive Wahlrecht sei auch dann gegeben, wenn der betroffene Mitarbeiter nicht in die Wählerliste eingetragen sei.

Gegen den den Antragstellern am 30.04.2002 zugestellten Beschluss, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, haben die Antragsteller mit dem am 30.04.2002 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese zugleich begründet.

Die Antragsteller sind der Auffassung, der Arbeitgeber sei am vorliegenden Verfahren zu beteiligen.

Sie sind ferner der Meinung, dem Antragsteller zu 1) stehe auch ein Anspruch auf Aufnahme in die Wählerliste zu, weil ihm das passive Wahlrecht zustehe. Er sei wählbar, obgleich das Arbeitsverhältnis gekündigt sei. Gegen diese Kündigungen habe er Kündigungsschutzklage erhoben. Nach § 2 Abs. 3 der Wahlordnung sei Voraussetzung für die Wählbarkeit die Aufnahme in die Wählerliste. Das passive Wahlrecht stehe ihm nur zu, wenn er in die Wählerliste eingetragen sei. Auch wenn die Aufnahme in die Wählerliste lediglich formelle Voraussetzung für die Ausübung des Wahlrechtes sei und die Eintragung in die Wählerliste nicht das passive Wahlrecht begründe, entfalle das Rechtsschutzbedürfnis nicht, weil die Wahlordnung die Aufnahme in die Wählerliste zwingend vorsehe. Im Übrigen sei die Entscheidung des Arbeitsgerichts vom 24.04.2002 über die Zulassung der Wahlvorschlagsliste A.S.T. (Arbeitnehmer-Service-Team) noch nicht rechtskräftig. Ohne Aufnahme in die Wählerliste bestehe die Gefahr eines Wahlanfechtungsverfahrens, wenn ein Wahlvorschlag mit einem Kandidaten zugelassen werde, der wegen Fehlens der formellen Voraussetzungen nicht wahlberechtigt gewesen sei.

Im Hinblick auf die am 16.05.2002 anstehende Betriebsratswahl fehle es auch nicht an einem Verfügungsgrund.

Die Antragsteller beantragen,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 29.04.2002 - 9 BVGa 15/02 - abzuändern und

1. den Antragsgegnern im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, den Antragsteller zu 1) in die Wählerliste zur Betriebsratswahl am 16.05.2002 in dem Betrieb der Firma E1xxx Handelsgesellschaft R6xxx-R7xx mbH, Niederlassung D1xxxxxx, B1xxxxxxx H2xxxxx 301 - 315, 44xxx D1xxxxxx, aufzunehmen,

2. im Falle der Zuwiderhandlung den Antragsgegnern zu 4) bis 6) ein Zwangsgeld/Ordnungsgeld in vom Gericht festzusetzender Höhe, ersatzweise Zwangshaft, aufzuerlegen.

Der Wahlvorstand beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt den angefochtenen Beschluss und ist nach wie vor der Auffassung, dass dem Antragsteller zu 1) auch ein passives Wahlrecht nicht zustehe. Wählbar sei nur, wer auch aktiv wahlberechtigt sei. Dass dem Antragsteller zu 1) ein aktives Wahlrecht nicht zustehe, sei völlig zweifelsfrei. Damit gehöre er nicht zu den Wahlberechtigten gemäß § 8 BetrVG.

Im Übrigen stehe der Aufnahme in die Wählerliste schon das fehlende aktive Wahlrecht des Antragstellers zu 1) entgegen.

Schließlich könne ein Wahlvorstand nicht Vollstreckungsschuldner sein. Der Wahlvorstand sei nicht rechtsfähig. Auch gegen die einzelnen Mitglieder könne weder ein Zwangsgeld/ Ordnungsgeld noch Zwangshaft/Ordnungshaft verhängt werden.

Der Beschwerdekammer lagen auch die Akten 10 TaBV 53/02 LAG Hamm, 1 BVGa 9/02 und 1 BVGa 16/02 ArbG Dortmund vor. Auf den Inhalt dieser Akten wird ebenso Bezug genommen wird auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze.

B

Die zulässige Beschwerde der Antragsteller ist begründet.

I

Die Anträge der Antragsteller sind zulässig.

1. Das gewählte Beschlussverfahren ist nach den §§ 2 a, 80 Abs. 1 ArbGG die richtige Verfahrensart. Es handelt sich um eine Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz, die zwischen den Beteiligten streitig ist. Die Beteiligten streiten nämlich um die Aufnahme des Antragsstellers zu 1) in die Wählerliste zur Betriebsratswahl am 16.05.2002. Dabei handelt es sich um eine Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz, nämlich aus § 126 BetrVG i.V.m. den §§ 2 ff. der Wahlordnung vom 11.12.2001 - WO -.

Auch im Beschlussverfahren ist der Erlass einer einstweiligen Verfügung grundsätzlich zulässig, § 85 Abs. 2 Satz 1 ArbGG.

2. Im vorliegenden Verfahren waren neben den Antragstellern und dem dreiköpfigen Wahlvorstand, vertreten durch seine Vorsitzende, auch der Arbeitgeber zu beteiligen, §§ 10, 83 Abs. 3 ArbGG.

Nach § 83 Abs. 3 ArbGG ist Beteiligter in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren, wer von der zu erwartenden Entscheidung in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Stellung unmittelbar betroffen oder berührt wird (BAG, Beschluss v. 25.08.1981 - AP Nr. 2 zu § 83 ArbGG 1979; BAG, Beschluss v. 27.05.1982 - AP Nr. 3 zu § 80 ArbGG 1979; BAG, Beschluss v. 13.03.1984 - AP Nr. 9 zu § 83 ArbGG 1979; BAG, Beschluss v. 29.08.1985 - AP Nr. 13 zu § 83 ArbGG 1979; BAG, Beschluss v. 30.03.1994 - AP Nr. 42 zu § 40 BetrVG 1972; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 4. Aufl., § 83 Rz. 14; Fitting/ Kaiser/Heither/Engels/Schmidt, BetrVG, 21. Aufl., Nach § 1 Rz. 44). Wann das der Fall ist, hängt allein vom Streitgegenstand und damit vom materiellen Recht ab.

Beteiligter eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens ist zunächst der Antragsteller und derjenige, gegen den sich der Antrag richtet, der Antragsgegner. Dies ist vorliegend der Wahlvorstand. Der Wahlvorstand ist darüber hinaus in all denjenigen Verfahren beteiligt, die im Laufe des Wahlverfahrens hinsichtlich einzelner Handlungen oder Maßnahmen des Wahlvorstandes erforderlich werden (BAG, Beschluss v. 25.09.1986 - AP Nr. 7 zu § 1 BetrVG 1972; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, aaO, § 83 Rz. 72; Herbst/Bertels-mann/Reither, Arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren, 2. Aufl., Rz. 135 m.w.N.).

Nach Auffassung der Beschwerdekammer war auch der Arbeitgeber am vorliegenden Verfahren zu beteiligen. Hierzu wird vertreten, dass der Arbeitgeber in jedem Beschlussverfahren unabhängig von seiner jeweiligen unmittelbaren Betroffenheit Beteiligter ist (AP Nr. 9 zu § 5 BetrVG 1972 - unter II. 2. der Gründe; BAG, Beschluss v. 22.06.1993 - AP Nr. 21 zu § 23 BetrVG 1972 - unter II. der Gründe). Auch wenn die engere Auffassung zugrundegelegt wird, wonach nur derjenige beteiligt ist, der durch die begehrte Entscheidung in einer betriebsverfassungsrechtlichen oder mitbestimmungsrechtlichen Rechtstellung unmittelbar betroffen wird (Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, aaO, § 83 Rz. 40; Müller, Arbeitsrecht der Gegenwart, Bd. 9, 1972, S. 23, 37; Dütz/Säcker, DB 1972, Beil. Nr. 17 S. 13 m.w.N.), war vorliegend der Arbeitgeber zu beteiligen. Der Arbeitgeber ist unmittelbar in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Stellung betroffen, weil er nach § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zu dem anfechtungsberechtigten Personenkreis hinsichtlich der am 16.05.2002 stattfindenden Betriebsratswahlen gehört. Der Arbeitgeber hat insbesondere auch im Termin vor der Beschwerdekammer vom 06.05.2002 nicht ausschließen wollen oder können, dass er die am 16.05.2002 stattfindende Betriebsratswahl unter Umständen mit der Begründung anfechten würde, der Antragsteller zu 1) sei deshalb nicht passiv wahlberechtigt gewesen, weil er nicht in die Wählerliste aufgenommen worden sei.

Soweit der im Termin vor der Beschwerdekammer vom 06.05.2002 anwesende Arbeitgeber die Zustellung des Beschwerdeschriftsatzes an ihn gerügt hat, geht diese Rüge fehl. Ausweislich der bei den Akten befindlichen Postzustellungsurkunde ist der Beschwerdeschriftsatz vom 30.04.2002 mit sämtlichen Anlagen, unter ihnen der erstinstanzliche Beschluss, bereits am 02.05.2992 zugestellt worden.

3. Dem Antrag der Antragsteller auf Aufnahme des Antragstellers zu 1) in die Wählerliste fehlt es auch nicht an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis.

Zwar hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt, dass es im Streitfall den Antragstellern darum geht zu erreichen, dass ihre Wahlvorschlagsliste A.S.T. (Arbeitnehmer-Service-Team) zur Betriebsratswahl am 16.05.2002 zugelassen wird; insbesondere wollen die Antragsteller das passive Wahlrecht des Antragstellers zu 1) durchsetzen. Richtig ist auch, dass das Rechtsschutzinteresse für Leistungsanträge dann fehlen kann, wenn der Antragsteller kein schutzwürdiges Interesse an der begehrten Entscheidung hat, weil einfachere Möglichkeiten zur Durchsetzung des Anspruches bestehen. Zutreffend ist das Arbeitsgericht auch davon ausgegangen, dass die Eintragung in die Wählerliste nicht konstitutive Voraussetzung für die Ausübung des passiven Wahlrechtes ist (Fitting, aaO, § 2 WO Rz. 8). Das passive Wahlrecht kann auch bei gekündigten Arbeitnehmern nach Ablauf der Kündigungsfrist gegeben sein, selbst wenn diese nicht in der Wählerliste verzeichnet sind (BAG, Beschluss v. 14.05.1997 - AP Nr. 6 zu § 8 BetrVG 1972). Insoweit hat das Arbeitsgericht das Rechtsschutzbedürfnis für das vorliegende Verfahren unter Hinweis auf den im einstweiligen Verfügungsverfahren 1 BVGa 16/02 ArbG Dortmund bislang unangefochtenen Beschluss vom 24.04.2002 verneint, mit dem dem Wahlvorstand aufgegeben worden ist, die Wahlvorschlagsliste A.S.T. (Arbeitnehmer-Service-Team) zuzulassen und spätestens eine Woche vor der Betriebsratswahl bekannt zu machen.

Nach Auffassung der Beschwerdekammer erscheint dieser Hinweis - insbesondere unter Berücksichtigung der Erörterung im Termin vor der Beschwerdekammer vom 06.05.2002 - jedoch nicht ausreichend, um das Interesse der Antragsteller an der Teilnahmemöglichkeit des Antragstellers zu 1) als passiv Wahlberechtigter ausreichend zu sichern. Die Erörterungen im Termin vor der Beschwerdekammer vom 06.05.2002 haben nämlich ergeben, dass der Wahlvorstand und insbesondere der Arbeitgeber es nicht ausschließen konnten, dass eine etwaige Wahlanfechtung darauf gestützt werden könnte, dass der Antragsteller zu1) nicht in die Wählerliste aufgenommen worden ist. Darüber hinaus müssen die Antragsteller, insbesondere der Antragsteller zu 1), befürchten, dass dem Antragsteller zu 1) das passive Wahlrecht - nur dieses passive Wahlrecht nimmt der Antragsteller zu 1) nach seinen ausdrücklichen Bekundungen im Termin vor der Beschwerdekammer vom 06.05.2002 für sich in Anspruch - trotz der Zulassung der Wahlvorschlagsliste A.S.T. (Arbeitnehmer-Service-Team) durch Beschluss des Arbeitsgerichts vom 24.04.2002 - 1 BVGa 16/02 ArbG Dortmund - weiterhin streitig machen wird. Noch mit Schreiben vom 26.04.2002 (Bl. 81 d.A.) hat der Wahlvorstand die am 15.04.2002 eingereichte Vorschlagsliste nicht zugelassen. Eine Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 24.04.2002 - 1 BVGa 16/02 - hat der Wahlvorstand allerdings bislang nicht eingelegt. Im Termin vor der Beschwerdekammer vom 06.05.2002 hat der Wahlvorstand aber auch nicht auf diese Beschwerdemöglichkeit verzichten wollen. Da § 2 Abs. 3 WO 2001 ausdrücklich vorsieht, dass das aktive und passive Wahlrecht nur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zusteht, die in die Wählerliste eingetragen sind, bestand auch unter diesem Gesichtspunkt ein Rechtsschutzbedürfnis der Antragsteller auf Aufnahme des Antragstellers zu 1) in die Wählerliste.

Da der Antragsteller zu 1) insoweit lediglich seine Aufnahme in die Wählerliste als passiv Wahlberechtiger verlangte, hat die Beschwerdekammer dies im Tenor zum Ausdruck gebracht.

II

Der Anspruch der Antragsteller ist auch begründet. Der Antragsteller zu 1) ist als passiv Wahlberechtigter in die Wählerliste zur Betriebsratswahl am 16.05.2002 aufzunehmen.

Entgegen der Auffassung des Arbeitgebers und des Wahlvorstandes steht dem Antragsteller zu 1) das passive Wahlrecht zu. Der Antragsteller zu 1) gehört zu dem wählbaren Personenkreis nach § 8 BetrVG. Seine Wählbarkeit ist durch die Kündigungen vom 08.08.2001 und 27.02.2002 nicht ausgeschlossen, nachdem er Kündigungsschutzklage erhoben hat. Ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis gekündigt worden ist und der nach den Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes Klage auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses erhoben hat, bleibt, obwohl er nach Ablauf der Kündigungsfrist grundsätzlich nicht mehr aktiv wahlberechtigt ist, gleichwohl zum Betriebsrat wählbar. Dies entspricht der ganz herrschenden Meinung in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung und der arbeitsrechtlichen Literatur. Dieser Auffassung schließt sich die Beschwerdekammer an. Die Beschwerdekammer hat dies in dem den Beteiligten bekannten Beschluss vom 06.05.2002 - 10 TaBV 53/02 - im Einzelnen begründet. Auf diese Begründung kann zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden.

Der Wahlvorstand und der Arbeitgeber können sich auch nicht darauf berufen, der Aufnahme in die Wählerliste stehe das - unstreitig - fehlende aktive Wahlrecht des Antragstellers zu 1) entgegen.

Richtig ist zwar, dass nach § 2 Abs. 3 Satz 1 WO 2001 das aktive und passive Wahlrecht nur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zusteht, die in die Wählerliste eingetragen sind. Hiervon sieht § 2 Abs. 1 Satz 3 WO 2001 lediglich eine Ausnahme vor, nach der auch Leiharbeitnehmer, die lediglich aktiv wahlberechtigt sind, in die Wählerliste einzutragen sind. Aus dieser Ausnahmeregelung kann jedoch nicht geschlossen werden, dass nur aktiv Wahlberechtigte in die Wählerliste einzutragen sind. Nur in die Wählerliste eingetragene Arbeitnehmer können ihr aktives und/oder passives Wahlrecht ausüben. Gerade weil der Wahlvorstand und der Arbeitgeber dem Antragsteller zu 1) das passive Wahlrecht, seine Wählbarkeit, streitig machen, muss der Antragsteller die Möglichkeit haben, vor Durchführung der Betriebsratswahl in die Wählerliste eingetragen zu werden. Dieses Recht kann nur durch die vorliegende einstweilige Verfügung gesichert werden, da der Wahlvorstand im Termin vor der Beschwerdekammer nicht ausschließen konnte, von der Beschwerdemöglichkeit gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 24.04.2002 - 1 BVGa 16/02 - Gebrauch zu machen. Insoweit muss der Antragsteller zu 1) die Möglichkeit haben, seine Teilnahme an der Betriebsratswahl vom 16.05.2002 als passiv Wahlberechtigter zu sichern. Zu dieser Sicherung gehört auch die Aufnahme in die Wählerliste als passiv Wahlberechtigter.

2. Auch der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsgrund ist gegeben. Die besondere Eilbedürftigkeit ergibt sich daraus, dass die Betriebsratswahlen bereits am 16.05.2002 anstehen.

3. Den Mitgliedern des Wahlvorstandes war auf Antrag der Antragsteller auch ein Zwangsgeld/Ordnungsgeld für den Fall der Zuwiderhandlung anzudrohen. Dies ergibt sich aus § 888 ZPO.

Ende der Entscheidung

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