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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 26.06.2002
Aktenzeichen: 10 TaBV 61/02
Rechtsgebiete: BRAGO, BetrVG, ArbGG


Vorschriften:

BRAGO § 8 Abs. 2
BetrVG § 99
ArbGG § 85 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Hamm Beschluss

Geschäfts-Nr.: 10 TaBV 61/02

Beschluss vom 26.06.2002

In dem Beschlussverfahren

(hier: Verfahren wegen Festsetzung des Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit)

wird beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Herne vom 08.01.2002 - 3 BVGa 9/01 - teilweise abgeändert.

Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 8.288,45 € festgesetzt.

Gründe:

I

Im Ausgangsverfahren hat der Betriebsrat den Arbeitgeber im Wege der einstweiligen Verfügung auf Abschluss eines Arbeitsvertrages mit dem Mitarbeiter B3xxxxx in Anspruch genommen.

Im Anschluss an eine Restrukturierungsvereinbarung zwischen den Beteiligten vom 20.12.2000, die wegen notwendiger Personalanpassung die Kündigung von insgesamt 34 Mitarbeitern vorsah, hatte der Arbeitgeber im Hinblick auf den Eingang von Neuaufträgen mit dem Betriebsrat am 17.05.2001 durch Betriebsvereinbarung beschlossen, acht ausgesprochene Kündigungen zurückzunehmen. Nachdem ein Mitarbeiter mit der Rücknahme der ausgesprochenen Kündigung sich nicht einverstanden erklärt hatte, verlangte der Betriebsrat nunmehr die Rücknahme der gegenüber dem Mitarbeiter B3xxxxx ausgesprochenen Kündigung und den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages mit diesem Mitarbeiter. Diesem Verlangen kam der Arbeitgeber nicht nach. Daraufhin machte der Betriebsrat im Wege der einstweiligen Verfügung beim Arbeitsgericht das vorliegende Beschlussverfahren anhängig, mit dem er folgende Anträge ankündigte:

Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben, dem Schlosser O1xx B3xxxxx ein Angebot auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses unter Anrechnung der bisherigen Beschäftigungszeit per 01.09.2001 vorzulegen, hilfsweise, der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben, umgehend eine Ersatzmaßnahme dafür einzuleiten, dass eine betriebsbedingte Kündigung im gewerblichen Bereich nicht zurückgenommen werden konnte.

Nach Durchführung eines Anhörungstermins am 24.07.2001 wurde der Antrag mit Schriftsatz vom 26.07.2001 zurückgenommen.

Auf Antrag der Verfahrensbevollmächtigten hat das Arbeitsgericht nach Anhörung der Beteiligten den Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit zunächst durch Beschluss vom 28.11.2001 auf Dreimonatsverdienste des betroffenen Mitarbeiters in Höhe von 16.210,80 DM festgesetzt. Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Arbeitgebers hat das Arbeitsgericht sodann in Abänderung des Beschlusses vom 28.11.2001 den Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit durch Beschluss vom 08.01.2001 in Höhe eines Monatsverdienstes auf 2.762,92 € (= 5.403,80 DM) festgesetzt.

Hiergegen richtet sich die von den Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates am 18.01.2002 erhobene Beschwerde.

Der Betriebsrat ist der Auffassung, der ursprünglich vom Arbeitsgericht festgesetzte Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit sei zutreffend gewesen. Eine Herabsetzung des Gegenstandswertes im Hinblick darauf, dass es sich vorliegend um eine einstweilige Verfügung gehandelt habe, komme nicht in Betracht.

Die Verfahrensbevollmächtigten des Arbeitgebers sind der Auffassung, das Arbeitsgericht habe den Gegenstandswert zu Recht auf 1/3 festgesetzt, weil es sich um einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gehandelt habe.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen.

II

Die gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 BRAGO zulässige Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates ist begründet.

Der Gegenstandswert für das vorliegende Beschlussverfahren war auf 8.288,45 € festzusetzen.

1. Die Streitwertfestsetzung für das vorliegende Beschlussverfahren richtet sich nach § 8 Abs. 2 BRAGO, wonach der Gegenstandswert in Fällen der vorliegenden Art nach billigem Ermessen zu bestimmen ist.

Die Wertfestsetzung nach billigem Ermessen kommt im Anwendungsbereich des § 8 Abs. 2 BRAGO erst hinter allen sonstigen Bewertungsfaktoren zum Zuge. Wo ein objektiver Wert festgestellt werden kann, kommt es in erster Linie auf die Feststellung dieses Wertes an. Für das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren folgt bereits hieraus, dass die wirtschaftliche Bedeutung des jeweiligen Streitgegenstandes vielfach im Vordergrund der Bewertung stehen muss (LAG Hamm, Beschluss vom 24.11.1994 - LAGE § 8 BRAGO Nr. 27; Wenzel, GK-ArbGG, § 12 Rz. 267).

Die wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit rechtfertigt es, in Beschlussverfahren, in denen es um die Einstellung von Arbeitnehmern geht, sich an dem Streitwertrahmen des § 12 Abs. 7 ArbGG zu orientieren. Folgerichtig wird bei der Wertfestsetzung in betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeiten nach den §§ 99 f. BetrVG vielfach auf die Bewertung einer entsprechenden Klage im Urteilsverfahren, also auf § 12 Abs. 7 ArbGG zurückgegriffen (LAG Hamm, Beschluss vom 18.04.1985 - LAGE § 3 ZPO Nr. 3; LAG Hamm, Beschluss vom 19.03.1987 - LAGE § 12 ArbGG 1979 Streitwert Nr. 70; LAG Hamm, Beschluss vom 23.02.1989 - LAGE § 8 BRAGO Nr. 12; Wenzel, a.a.O., § 12 Rz. 289 m.w.N.).

Dies gilt auch für das vorliegende Beschlussverfahren, mit dem der Betriebsrat den Abschluss eines Arbeitsvertrages für einen Mitarbeiter verlangt. Für Individualrechtsstreitigkeiten, in denen ein Arbeitnehmer seine Einstellung bei einem Arbeitgeber erstrebt, ist anerkannt, dass der Streitwert analog § 12 Abs. 7 ArbGG auf drei Monatsverdienste festzusetzen ist (LAG Köln, Beschluss vom 23.01.1985 - LAGE § 12 ArbGG Streitwert Nr. 35; LAG Hamm, Beschluss vom 26.01.2000 - 9 Ta 703/99 -; LAG Hamm, Beschluss vom 31.01.2000 - 10 Sa 1961/98 -; Wenzel, a.a.O., § 12 Rz. 189; Boewer, NZA 1999, 1177, 1184). Für das vorliegende Beschlussverfahren, mit dem der Betriebsrat die Wiedereinstellung eines Mitarbeiters verlangte, gilt nichts anderes.

2. Eine Ermäßigung des Gegenstandswertes kam auch nicht deshalb in Betracht, weil es sich bei dem Ausgangsverfahren um ein Verfahren im Wege der einstweiligen Verfügung gehandelt hat.

Zwar wird vielfach im einstweiligen Verfügungsverfahren ein Abschlag gegenüber dem Hauptsacheverfahren vorgenommen (vgl. LAG Hamm, Beschluss vom 15.04.1993 - LAGE § 8 BRAGO Nr. 22; Bertelsmann, Gegenstandswerte im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren, S. 30; Meier, Streitwert im Arbeitsrecht, Rz. 388 m.w.N.). Sichert jedoch ein einstweiliges Verfügungsverfahren bei Erfolg des Antragstellers den geltend gemachten Anspruch, handelt es sich um eine Befriedigungs- bzw. Erfüllungsverfügung, erscheint ein Wertabzug nicht gerechtfertigt. Es wird in derartigen Fällen nämlich nicht eine vorläufige Regelung getroffen, die Streitigkeit ist vielmehr mit Erlass der einstweiligen Verfügung beendet (LAG Bremen, Beschluss vom 15.02.1990 - LAGE § 8 BRAGO Nr. 14; LAG Köln, Beschluss vom 09.06.1999 - NZA-RR 1999, 608; LAG Hamm, Beschluss vom 12.06.2001 - LAGE § 8 BRAGO Nr. 50; Wenzel, a.a.O., § 12 Rz. 148). So liegt der vorliegende Fall. Ausweislich des beim Arbeitsgericht gestellten Antrags ging es dem Antragsteller nicht um die vorläufige Sicherung eines einstweiligen Zustandes. Er begehrte vielmehr den Abschluss eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses für den Mitarbeiter B3xxxxx. Dem Antragsteller ging es nicht um eine vorläufige, sondern um eine endgültige Regelung.

Eine Minderung des Gegenstandswertes konnte auch nicht deshalb erfolgen, weil der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung keinen Erfolg gehabt hat, sondern der Antragsteller auf die mündliche Anhörung vom 24.07.2001 seinen Antrag mit Schriftsatz vom 26.07.2001 zurückgenommen hat. Für die Festsetzung des Gegenstandswertes sind nicht die Erfolgsaussichten des gestellten Antrages maßgebend; entscheidend ist auch nicht, ob die gestellten Anträge zulässig und begründet gewesen wären.

Zwar ist das Interesse des Arbeitgebers an der Herabsetzung des Gegenstandswertes aus Kostengründen verständlich. Kostengesichtspunkte - etwa nach § 40 BetrVG - sind jedoch für die Festsetzung des Gegenstandswertes nicht entscheidend.

Ende der Entscheidung

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