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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 09.01.2009
Aktenzeichen: 10 TaBV 99/08
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 23 Abs. 3
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerde des Arbeitgebers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Detmold vom 26.06.2008 - 3 BV 8/08 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

A

Im vorliegenden Verfahren begehrt der Betriebsrat die Unterlassung der Anordnung von Mehrarbeit durch den Arbeitgeber ohne vorherige Mitbestimmung des Betriebsrats.

Der Arbeitgeber betreibt ein Berufsausbildungszentrum. In seinem Betrieb ist ein fünfköpfiger Betriebsrat, der Antragsteller des vorliegenden Verfahrens, gebildet.

Die Beteiligten streiten seit längerem über Arbeitszeitregelungen im Betrieb. Im Betrieb des Arbeitgebers war eine Einigungsstelle gebildet, die sich mit Regelungen zur Arbeitszeit befasste. Auf das Protokoll der Sitzung der Einigungsstelle vom 31.03.2008 (Bl. 17 ff.d.A.) wird Bezug genommen. Bezug genommen wird ebenfalls auf den Spruch der Einigungsstelle vom 31.03.2008 "Betriebsvereinbarung zur Einführung der flexiblen Arbeitszeitgestaltung und Zeiterfassung im S9.O3.S9.-B1 D1" (Bl. 20 ff.d.A.).

Ob der Spruch der Einigungsstelle vom 31.03.2008 ordnungsgemäß oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften gefällt worden ist, ist unter den Beteiligten streitig. Durch Beschluss vom 21.08.2008 hat das Arbeitsgericht Detmold - 3 BV 25/08 - den Beschluss der Einigungsstelle vom 31.03.2008 aufgehoben (Bl. 123 ff.d.A.). Über die hiergegen von der Arbeitgeberin eingelegte Beschwerde zum Landesarbeitsgericht - 10 TaBV 161/08 - ist noch nicht entschieden.

Bereits am 06.03.2008 - während des laufenden Einigungsstellenverfahrens - erhielt der Betriebsrat von dem Arbeitgeber ein Formular "Nachweis für Mehrarbeit" (Bl. 5 d.A.), mit dem der Betriebsrat nachträglich um Zustimmung von 1,5 Überstunden gebeten wurde, die für den 29.02.2008 für den Mitarbeiter M3 O1 durch den Bereichsleiter O2 angeordnet worden waren. Diese Überstunden für den 29.02.2008 waren durch den Einrichtungsleiter Herrn M4 durch seine Unterschrift genehmigt worden.

Mit dem am 11.03.2008 beim Arbeitsgericht eingeleiteten Beschlussverfahren machte der Betriebsrat daraufhin den vorliegenden Unterlassungsanspruch geltend.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die unstreitige Anordnung von Überstunden für den Mitarbeiter O1 am 29.02.2008 verletze seine Mitbestimmungsrechte, dies könne er nicht länger hinnehmen. Die Überstunden seien wiederum ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrats oder der Ersetzung der Zustimmung angeordnet worden. Selbst der Einrichtungsleiter Herr M4 habe die Überstunden ohne vorherige Einschaltung des Betriebsrats genehmigt. Insgesamt handele es sich auch um eine kollektive Regelungsfrage.

Der Arbeitgeber könne auch nicht die erforderliche Wiederholungsgefahr im Hinblick auf die inzwischen abgeschlossene Betriebsvereinbarung vom 31.03.2008 in Abrede stellen. Der Spruch der Einigungsstelle vom 31.03.2008 sei angefochten. Darüber hinaus sei die in § 5 Ziff. 3 Satz 2 des Spruches der Einigungsstelle vom 31.03.2008 ohnehin wegen Verzicht des Betriebsrats auf sein Mitbestimmungsrecht unwirksam.

Für die Anordnung der Überstunden vom 29.02.2008 habe auch kein Notfall vorgelegen. Die Gleitzeit des Mitarbeiters O1 habe um 16.00 Uhr geendet, das Arbeitszeitkonto des Mitarbeiters habe ein Guthaben von 5,8 Stunden aufgewiesen.

Der Betriebsrat hat beantragt,

1. dem Arbeitgeber zu untersagen, gegenüber Arbeitnehmern des Berufsausbildungszentrums A2 G1 22, 32 D1, Mehrarbeit anzuordnen, solange der Betriebsrat nicht zugestimmt hat oder ein die Zustimmung ersetzender Beschluss der Einigungsstelle nicht vorliegt, es sei denn, es hat einen Notfall oder eine Arbeitskampfmaßnahme gegeben,

hilfsweise

dem Arbeitgeber zu untersagen, gegenüber Arbeitnehmern des Berufsausbildungszentrums A2 G1 22, 32 D1, Mehrarbeit anzuordnen, solange der Betriebsrat nicht zugestimmt hat oder ein die Zustimmung ersetzender Beschluss der Einigungsstelle nicht vorliegt, es sei denn, es hat einen Notfall oder eine Arbeitskampfmaßnahme gegeben oder die Obergrenze des Arbeitszeitkontos wäre noch nicht erreicht und der Arbeitnehmer mit der Mehrarbeit einverstanden,

2. dem Arbeitgeber für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung aus dem Hauptantrag bzw. aus dem Hilfsantrag ein Ordnungsgeld i.H.v. bis zu 10.000,00 € anzudrohen.

Der Arbeitgeber hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, dem Betriebsrat stehe kein Unterlassungsanspruch zu. Insoweit hat er behauptet, Überstunden seien von dem Arbeitgeber nicht angeordnet worden, sondern von dem seinerzeit zuständigen Bereichsleiter O2. Der Einrichtungsleiter habe jedoch zuvor den Bereichsleitern ausdrücklich erklärt, dass keine Mehrarbeit ohne Einschaltung des Betriebsrats angeordnet werden dürfe. Das Verhalten des zuständigen Bereichsleiters O2 müsse er, der Arbeitgeber, sich nicht zurechnen lassen. Der Bereichsleiter O2 sei im Übrigen inzwischen - unstreitig - zum 31.07.2008 ausgeschieden.

Ferner habe der Mitarbeiter O1 keine Mehrarbeit geleistet, sondern allenfalls "Nacharbeit" im Rahmen der geltenden Gleitzeitvereinbarung. Die Überstunden seien nach den Angaben des Leiters des Berufsausbildungszentrums auch erforderlich gewesen, weil Fehlzeiten von Auszubildenden hätten aufgearbeitet werden müssen.

Eine Wiederholungsgefahr bestehe im Übrigen im Hinblick auf die am 31.03.2008 abgeschlossene Betriebsvereinbarung nicht. In dieser Betriebsvereinbarung sei die Mehrarbeit ausdrücklich geregelt worden.

Durch Beschluss vom 26.06.2008 hat das Arbeitsgericht dem Hauptantrag des Betriebsrats stattgegeben und im Wesentlichen ausgeführt, der Unterlassungsanspruch sei begründet, weil der Arbeitgeber gegen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. BetrVG bei der Anordnung der Überstunden für den Mitarbeiter O1 am 29.02.2008 verstoßen habe. Der Arbeitgeber müsse sich das Handeln seiner Führungskräfte zurechnen lassen. Auf die Betriebsvereinbarung vom 31.03.2008 könne der Arbeitgeber sich nicht berufen, weil sie am 29.02.2008 noch nicht gegolten habe und der Betriebsrat, unabhängig davon, ob die Betriebsvereinbarung wirksam zustande gekommen sei, auf sein Mitbestimmungsrecht nicht vollständig verzichten könne.

Gegen den dem Arbeitgeber am 01.07.2008 zugestellten Beschluss, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat der Arbeitgeber am 29.07.2008 Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 01.10.2008 mit dem am 01.10.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Arbeitgeber ist nach wie vor der Auffassung, dass er keine Mehrarbeit angeordnet habe. Mit der mit dem Mitarbeiter O4 vereinbarten Arbeitszeit seien individuelle Interessen des Arbeitnehmers berücksichtigt worden. Ein kollektivrechtlicher Tatbestand liege nicht vor. Allein aus der Verwendung des Formblattes (Bl. 5 d.A.) könne nicht entnommen werden, dass Mehrarbeit angeordnet worden sei.

Der Arbeitgeber müsse sich im Übrigen das Handeln des Bereichsleiters O2 nicht zurechnen lassen. Selbst wenn dieser Mehrarbeit angeordnet hätte, hätte Herr O2 unbefugt gehandelt. Derartige Anordnungen seien vom Arbeitgeber ausdrücklich untersagt worden. Auch der Bereichsleiter O2 sei durch den Arbeitgeber mehrfach abgemahnt und auf seine arbeitsrechtlichen Verpflichtungen aufmerksam gemacht worden. In einer Leitungsrunde vom 08.04.2008 sei die ungewöhnliche Bewilligung von Mehrarbeitsstunden des Mitarbeiters O1 zunächst diskutiert und anschließend das völlige Unverständnis für das Verhalten des Herrn O2 zum Ausdruck gebracht worden.

Auch eine Wiederholungsgefahr könne entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht angenommen werden. Die Frage der Mehrarbeit sei inzwischen durch den Spruch der Einigungsstelle vom 31.03.2008 geregelt. Auf Verfahrensverstöße beim Zustandekommen des Spruches der Einigungsstelle vom 31.03.2008 könne der Betriebsrat sich nicht berufen. Schließlich sei § 5 Ziff. 3 Satz 2 der Betriebsvereinbarung vom 31.03.2008 auch nicht unwirksam.

Der Arbeitgeber beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Detmold vom 26.06.2008 - 3 BV 8/08 - abzuändern und die Anträge des Betriebsrats abzuweisen.

Der Betriebsrat beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt den angefochtenen Beschluss und ist nach wie vor der Auffassung, auch bei der Anordnung von Mehrarbeit gegenüber einem Arbeitnehmer liege ein kollektiver Tatbestand im Sinne des § 87 Abs. 1 BetrVG vor. Durch die Anordnung der Mehrarbeit gegenüber dem Mitarbeiter O1 habe der Arbeitgeber gegen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG verstoßen. Auf etwaige Ermahnungen oder Abmahnungen gegenüber dem Bereichsleiter O2 könne der Arbeitgeber sich nicht berufen. Sie änderten an dem Verstoß gegen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nichts.

Auch die erforderliche Wiederholungsgefahr sei gegeben. Sie ergebe sich schon daraus, dass der Arbeitgeber in zahlreichen weiteren Fällen mitbestimmungswidrig Mehrarbeit angeordnet habe, so etwa am 06.03.2008, am 16.05.2008 sowie mehrfach im Juni 2008 (Bl. 110 ff.d.A.). In einer E-Mail vom 21.04.2008 habe der Arbeitgeber dem Betriebsrat lapidar mitgeteilt, dass ein Mitarbeiter am 22.04.2008 ab 18.00 Uhr außerhalb des Gleitzeitrahmens an einem Pressestammtisch der IHK teilnehme und das Einverständnis des Betriebsrats vorausgesetzt werde (Bl. 114 f.d.A.). Am 13.06.2008 habe der Arbeitgeber nachträglich gegenüber dem Betriebsrat die Durchführung von Mehrarbeit gemeldet (Bl. 116 d.A.). Darüber hinaus seien inzwischen Arbeitnehmer des Arbeitgebers dazu übergegangen, Mehrarbeit selbst für sich beim Betriebsrat zu beantragen (Bl. 117 ff.d.A.). Der Arbeitgeber sei mit Schreiben vom 02.06.2008 (Bl. 120 d.A.) darauf hingewiesen worden, dass der Betriebsrat nicht berechtigt sei, Mehrarbeit anzuordnen.

Die Beschwerdekammer hat die Akten des Beschlussverfahrens 3 BV 25/08 Arbeitsgericht Detmold = 10 TaBV 161/08 Landesarbeitsgericht Hamm informationshalber beigezogen. Auf den Inhalt dieser Akten wird ebenso Bezug genommen wie auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze.

B

Die zulässige Beschwerde des Arbeitgebers ist nicht begründet.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht dem Hauptantrag des Betriebsrats stattgegeben.

I.

Die Anträge des Betriebsrats sind zulässig.

1. Für die vom Betriebsrat gestellten Anträge ist das Beschlussverfahren die zutreffende Verfahrensart, § 2 a, 80 Abs. 1 ArbGG. Zwischen den Beteiligten ist eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit streitig, nämlich die Frage, ob der Arbeitgeber durch die Anordnung und Duldung von Mehrarbeit Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 BetrVG verletzt hat und ob dem Betriebsrat hieraus ein Unterlassungsanspruch zusteht.

2. Die Antragsbefugnis des Betriebsrats und die Beteiligung des Arbeitgebers ergeben sich aus den §§ 10, 83 Abs. 3 ArbGG.

3. Dem geltend gemachten Unterlassungsantrag des Betriebsrats fehlt es auch nicht an der hinreichenden Bestimmtheit im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, der auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren entsprechend anwendbar ist. Hiernach muss der Streitgegenstand so genau bezeichnet werden, dass die eigentliche Streitfrage selbst mit Rechtskraftwirkung zwischen den Beteiligten entschieden werden kann. Das gilt auch und vor allem für Anträge, mit denen die Unterlassung von Handlungen verlangt wird. Mit der Entscheidung über den Antrag muss feststehen, welche Maßnahmen der Schuldner zu unterlassen hat; diese Prüfung darf nicht in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden (BAG, 11.12.1991 - AP BetrVG 1972 § 90 Nr. 2; BAG, 24.01.2001 - AP ArbGG 1979 § 81 Nr. 50 m.w.N.). Diesen Voraussetzungen genügt der vom Betriebsrat gestellte Unterlassungsantrag. Er beschränkt sich nicht lediglich auf die Wiederholung des Gesetzeswortlauts des § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. Der Betriebsrat hat seinen Antrag auch insoweit eingeschränkt, dass nicht planbare und unvorhersehbare Notfälle sowie Arbeitskampfmaßnahmen vom geltend gemachten Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ausgenommen sind.

II.

Die Anträge des Betriebsrats sind auch begründet.

1. Zu Recht hat das Arbeitsgericht dem Unterlassungsanspruch des Betriebsrats stattgegeben.

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich bereits aus einem Verstoß des Arbeitgebers gegen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG.

a) Grundsätzlich steht dem Betriebsrat ein Anspruch auf Unterlassung von mitbestimmungswidrigen Maßnahmen zu, wenn der Arbeitgeber Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus § 87 BetrVG verletzt. Dieser Anspruch setzt auch keine grobe Pflichtverletzung des Arbeitgebers im Sinne des § 23 Abs. 3 BetrVG voraus (BAG, 03.05.1994 - AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 23; BAG, 23.07.1996 - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 68; BAG, 29.02.2000 - AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 105; BAG, 27.01.2004 - AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 40; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 24. Aufl., § 87 Rn. 596 und § 23 Rn. 99 ff.; Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 11. Aufl., § 87 Rn. 316; ErfK/Kania, 9. Aufl., § 87 BetrVG Rn. 138; GK-BetrVG/Oetker, 8. Aufl., § 83 Rn. 130 ff., 137 f. m.w.N.). Auch die beim Beschwerdegericht zuständigen Kammern haben einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats bei Verstoß gegen Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 BetrVG stets bejaht (LAG Hamm, 06.02.2001 - 13 TaBV 132/00 - AiB 2001, 488; LAG Hamm, 14.01.2005 - 10 TaBV 85/04 -; LAG Hamm, 04.08.2006 - 10 TaBV 53/06 -).

b) Mit dem vom Betriebsrat gerügten Vorfall vom 29.02.2008 hat der Arbeitgeber gegen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG verstoßen.

Dass die Anordnung von Mehrarbeit gegenüber Arbeitnehmern grundsätzlich mitbestimmungspflichtig ist, stellt der Arbeitgeber im vorliegenden Verfahren nicht grundsätzlich in Abrede.

Gegenüber dem Mitarbeiter O1 sind entgegen der Rechtsauffassung des Arbeitgebers am 29.02.2008 1,5 Überstunden angeordnet worden, ohne dass zuvor das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG beachtet worden ist. Die Anordnung von Mehrarbeit ergibt sich bereits aus der Überschrift in dem vom Arbeitgeber verwendeten Formular (Bl. 5 d.A.). In der angeordneten Arbeitszeit von 7.30 Uhr bis 16.15 Uhr waren unstreitig 1,5 Überstunden enthalten. Die Überstunden sind vom Bereichsleiter O2 angeordnet und sogar vom Einrichtungsleiter M4 genehmigt worden.

Ein etwaiges Einverständnis des Mitarbeiters O1 mit der Ableistung von Überstunden schließt das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG nicht aus. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats entfällt nicht dann, wenn die Mehrarbeit von den betroffenen Mitarbeitern etwa freiwillig erbracht worden ist. Das Einverständnis der betroffenen Mitarbeiter mit der angeordneten oder geduldeten Mehrarbeit beseitigt das Mitbestimmungsrecht nicht. Auch die Duldung von freiwillig geleisteter Mitarbeit durch einen Arbeitgeber unterliegt dem Mitbestimmungsrecht (BAG, 27.11.1990 - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 41; BAG, 16.07.1991 - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 44; Fitting, a.a.O., § 87 Rn. 144; DKK/Klebe, a.a.O., § 87 Rn. 98; ErfK/Kania, a.a.O., § 87 BetrVG Rn. 34 m.w.N.). Der Betriebsrat hat bei Vorliegen eines kollektiven Tatbestands nicht nur dann mitzubestimmen, wenn der Arbeitgeber Überstunden oder Mehrarbeit ausdrücklich anordnet, sondern auch dann, wenn er diese nur duldet, indem er sie entgegen nimmt.

Der Arbeitgeber kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht auf ein Fehlverhalten seines Mitarbeiters O2 berufen. Der Arbeitgeber ist Herr des Betriebes. Er kann und muss seinen Betrieb organisieren. Dementsprechend liegt es auch in seiner Macht und Verantwortung zu entscheiden, ob und in welchem Umfang er Mehrarbeit oder Überstunden in seinem Betrieb zulässt oder nicht. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn dem Arbeitgeber die Verlängerung der Arbeitszeit im Einzelfall verborgen bleibt. Immerhin hat im vorliegenden Fall der Einrichtungsleiter die vom Mitarbeiter O2 angeordneten Überstunden sogar genehmigt.

Dass im vorliegenden Fall ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats deshalb ausgeschlossen ist, weil es sich um sogenannte Eil- und Notfälle gehandelt hat, trägt der Arbeitgeber selbst nicht vor.

2. Der Arbeitgeber kann sich im vorliegenden Fall auch nicht darauf berufen, dass bei der Anordnung von Mehrarbeit für den Mitarbeiter O1 am 29.02.2008 kein kollektiver Tatbestand vorgelegen habe.

Richtig ist zwar, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 BetrVG dann ausgeschlossen ist, wenn die streitige Angelegenheit keinen kollektiven Bezug hat. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 BetrVG erstreckt sich nur auf die Entscheidung kollektiver Regelungsfragen. Dagegen unterliegt die individuelle Arbeitsvertragsgestaltung, die mit Rücksicht auf die besonderen Umstände des einzelnen Arbeitsverhältnisses getroffen wird, die keine Auswirkungen auf andere Arbeitsplätze hat und bei der kein innerer Zusammenhang zur Entlohnung oder Arbeitsvertragsgestaltung anderer Arbeitnehmer besteht, nicht der Mitbestimmung (BAG, 03.12.1991 - AP BetrVG 1972, § 87 Lohngestaltung Nr. 51; BAG, 29.02.2000 - AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 105; BAG, 16.07.2001 - AP BetrVG 1972 Arbeitszeit Nr. 44; BAG, 16.03.2004 - AP TzBfG § 8 Nr. 10; Fitting, a.a.O., § 87 Rn. 100, 14 ff.; DKK/Klebe, a.a.O., § 87 Rn. 16; GK-BetrVG/Wiese, a.a.O., § 87 Rn. 15 ff.; Raab, ZfA 2001, 31, 42, 49 m.w.N.). Kollektive allgemeine Interessen sind aber dann betroffen, wenn es sich um Maßnahmen handelt, die sich abstrakt auf den ganzen Betrieb oder eine Gruppe von Arbeitnehmern oder einen Arbeitsplatz beziehen.

So liegt der vorliegende Fall. Der Umstand, dass von den Überstunden am 29.02.2008 lediglich ein Mitarbeiter, nämlich der Mitarbeiter O1, betroffen war, ist unerheblich. Die Anordnung der Überstunden gegenüber dem Mitarbeiter O1 von 29.02.2007 berührte kollektive Interessen der Arbeitnehmer des Betriebes. Auch wenn nur ein einzelner Mitarbeiter Überstunden leisten soll, muss entschieden werden, wie viele Überstunden und von welchen Arbeitnehmern Überstunden geleistet werden sollen. Bei einem zusätzlichen Arbeitsbedarf ist immer die Frage zu regeln, ob und in welchem Umfang zur Abdeckung dieses Arbeitsbedarfs Überstunden geleistet werden sollen oder ob gar die Neueinstellung eines Arbeitnehmers zweckmäßiger wäre. Weiter ist zu entscheiden, wann und von wem Überstunden in welchem Umfange geleistet werden sollen. Diese Regelungsprobleme bestehen unabhängig von der Person und den individuellen Wünschen eines einzelnen Arbeitnehmers. Auf die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer, für die Mehrarbeit oder Überstunden angeordnet werden, kommt es deshalb nicht an (BAG, 16.07.1991 - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 44; Fitting, a.a.O., § 87 Rn. 134; DKK/Klebe, a.a.O., § 87 Rn. 97 m.w.N.). Dass es sich bei der Anordnung von Mehrarbeit für den Mitarbeiter O1 am 29.02.2008 allein um die Berücksichtigung individueller Wünsche dieses Mitarbeiters gehandelt hat, trägt die Arbeitgeberin selbst nicht vor.

3. Entgegen der Rechtsauffassung des Arbeitgebers liegt auch die für den allgemeinen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr vor.

Für die Wiederholungsgefahr besteht bereits eine tatsächliche Vermutung, wenn in der Vergangenheit Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats verletzt worden sind (BAG, 29.02.2000 - AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 105).

Einwendungen hiergegen sind von der Arbeitgeberin mit der Beschwerde nicht substantiiert vorgebracht worden. Die vom Betriebsrat im Beschwerdeverfahren weiteren Verstöße des Arbeitgebers gegen das Mitbestimmungsrecht, die von dem Arbeitgeber nicht einmal in Abrede gestellt worden sind, bekräftigen die Wiederholungsgefahr.

Die Wiederholungsgefahr ist auch nicht durch den zwischen den Beteiligten streitigen Spruch der Einigungsstelle vom 31.03.2008 ausgeschlossen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der vorliegende Mitbestimmungsverstoß des Arbeitgebers vom 29.02.2008 zeitlich vor dem streitigen Spruch der Einigungsstelle vom 31.03.2008 gelegen hat. Bei Einleitung des vorliegenden Verfahrens durch den Betriebsrat war der Spruch der Einigungsstelle vom 31.03.2008 noch gar nicht gefällt. Auf die Wirksamkeit des § 5 Ziff. 3 Satz 2 des Einigungsstellenspruchs vom 31.03.2008 kam es deshalb bereits gar nicht an. Darüber hinaus hat der Arbeitgeber auch nicht substantiiert dargelegt, dass die vom Betriebsrat in der Beschwerdeinstanz weiter gerügten Verstöße vom 06.03.2008, 21.04.2008, 30.05.2008, 12. und 13.06.2008 unter die Ausnahmeregelung des § 5 Ziff. 3 Satz 2 des Spruches der Einigungsstelle vom 31.03.2008 - unabhängig von der sonstigen Wirksamkeit des Spruches - fielen.

4. Das Arbeitsgericht hat auch zu Recht dem Antrag des Betriebsrats, dem Arbeitgeber für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld anzudrohen, stattgegeben. Dieser Antrag folgt aus § 890 ZPO. Die Androhung eines Ordnungsgeldes nach § 890 ZPO ist auch bereits im Erkenntnisverfahren möglich und zulässig (BAG, 26.10.2004 - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 113; LAG Frankfurt, 03.06.1988 - DB 1989, 536; Germelmann/Matthes/Prütting/ Müller-Glöge, ArbGG, 6. Aufl., § 85 Rn. 27; Fitting, a.a.O., § 23 Rn. 72; GK-BetrVG/Oetker, a.a.O., § 23 Rn. 192; ErfK/Eisemann/Koch, a.a.O., § 23 BetrVG Rn. 28 m.w.N.). Die Möglichkeit der Androhung eines Ordnungsgeldes nach § 890 ZPO wird auch nicht durch die Regelung in § 23 Abs. 3 BetrVG ausgeschlossen oder eingeschränkt, § 23 Abs. 3 BetrVG enthält insoweit keine abschließende Regelung (Fitting, a.a.O., § 23 Rn. 108; GK-BetrVG/Oetker, a.a.O., § 23 Rn. 185, 192 m.w.N.).

III.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht bestand nach den §§ 92 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.

Ende der Entscheidung

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