Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 10.02.2005
Aktenzeichen: 11 Sa 1333/04
Rechtsgebiete: TzBfG, BAT


Vorschriften:

TzBfG § 4
BAT § 34
Vollzeitvergütungsanspruch einer teilzeitbeschäftigten Lehrerin bei zumindest ganztägigen Klassenfahrten - im Anschluss an BAG 22.08.2001 AP BGB 611 Lehrer, Dozenten Nr. 144 und wie LAG Hamm 21.09.2004 12 (5) Sa 704/04 - n. rkr: BAG 5 AZR 566/04 -.
Tenor:

Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 27.05.2004 - 1 Ca 3527/03 - wird auf Kosten des beklagten Landes mit der Klarstellung zurückgewiesen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, die Klägerin für zukünftige zumindest ganztätige Klassenfahrten wie eine Vollzeitkraft zu vergüten.

Tatbestand: Die als teilzeitbeschäftigte angestellte Lehrerin verfolgt Ansprüche auf eine Vergütung wie eine Vollzeitkraft bei der Teilnahme an zumindest ganztägigen Klassenfahrten. Die am 12.01.13xx geborene Klägerin steht seit 1993 als Lehrerin für die Sekundarstufe I mit den Fächern Mathematik und Kunst in einem Anstellungsverhältnis zu dem beklagten Land Seit 1994 besteht ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Im Arbeitsvertrag ist die Geltung des BAT und der Sonderregelungen SR 2 l I BAT und SR 2 y BAT vereinbart (Vertragskopie: Bl. 10 d.A.). Die Klägerin unterrichtet 13 Wochenstunden an der Städtischen Gesamtschule S2xxxxxxxx und erhält eine Vergütung nach BAT III in der Höhe von 13/25,5 der Vergütung einer Vollzeitkraft, das waren 2002 monatlich 1912,66 € brutto. Vom 13.09.2002 bis zum 20.09.2002 leitete die Klägerin eine Klassenfahrt der Klasse 10 nach C1xxxxxxxx / I1xxxxx, an der 82 Schülerinnen und Schüler und 6 Lehrer teilnahmen. Der Streit über die Höhe der für diesen Zeitraum der Klägerin geschuldeten Vergütung und ein Feststellungsantrag für zukünftige Fälle waren Gegenstand des Verfahrens vor dem Arbeitsgericht. Die Differenz zwischen der durchgängig gezahlten Teilzeitvergütung und der Vergütung eines Vollzeitlehrers der Vergütungsgruppe III BAT belief sich für die Klassenfahrt vom September 2002 rechnerisch unstreitig auf 416,05 €. Das beklagte Land hat im Verfahren vor dem Arbeitsgericht auf § 15 ADO hingewiesen (Allgemeine Dienstordnung für Lehrer und Lehrerinnen, Schulleiter und Schulleiterinnen an öffentlichen Schulen - RdErl. d. Kultusministeriums vom 20.09.1992 i.d.F v. .21.06.2002 - BASS 21-02 Nr.4): § 15 Teilzeitbeschäftigte Lehrer und Lehrerinnen (1) Der Umfang der Dienstpflichten der teilzeitbeschäftigten Lehrer und Lehrerinnen (Unterrichtsverpflichtung und außerunterrichtliche Aufgaben) soll der reduzierten Pflichtstundenzahl entsprechen (...). (2) Die dienstliche Verpflichtung teilzeitbeschäftigter Lehrer und Lehrerinnen erstreckt sich auch auf die Klassenleitung und die Teilnahme an Konferenzen und Prüfungen. Sonstige dienstliche Aufgaben (z.B. Vertretungen, Aufsichtsführung, Sprechstunden, Sprechtage) sollen proportional zur Arbeitszeitermäßigung wahrgenommen werden. Bei Schulwanderungen und Schulfahrten kann sich die Reduzierung nur auf die Anzahl der Veranstaltungen beziehen. Eine Bezugnahme auf § 15 ADO findet sich in den Wanderrichtlinien - WRL - (RdErl. d. Ministeriums für Schule und Weiterbildung v. 19.03.1997 i.d.F. vom 20.07.2004 - BASS 14 - 12 Nr.2): 4. Teilnahmepflichten Die Teilnahme an Schulwanderungen und Schulfahrten gehört zu den dienstlichen Aufgaben der Lehrerinnen und Lehrer. ....................... Für die Teilnahme teilzeitbeschäftigter Lehrer gilt § 15 Abs.2 Satz 3 ADO (BASS 21 - 02 Nr.4). Bei der Genehmigung der Dienstreise hat die Schulleiterin oder der Schulleiter darauf zu achten, dass teilzeitbeschäftigte Lehrer im Verhältnis zur Zahl der wöchentlichen Pflichtstunden nur in entsprechend größeren Zeitabständen an mehrtägigen Veranstaltungen teilnehmen. Soweit dies im Einzelfall nicht möglich ist, ist für einen innerschulischen Ausgleich insbesondere bei den außerunterrichtlichen Aufgaben zu sorgen. Art, Umfang und Zeitpunkt für einen innerschulischen Ausgleich sind bereits bei der Genehmigung der Dienstreise festzulegen. Der innerschulische Ausgleich ist bis zum Ende des auf die Schulwanderung bzw. Schuljahr folgenden Schulhalbjahres durchzuführen." Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, das beklagte Land schulde ihr für die Klassenfahrt im September 2002 und auch in zukünftigen Fällen die Vergütung einer Vollzeitlehrkraft. Die Klägerin hat beantragt, 1. das beklagte Land zu verurteilen, an die Klägerin 416,05 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 8 % über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 16.09.2002 zu zahlen; 2. festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, die Klägerin für die Dauer zukünftiger Klassenfahrten wie eine Vollzeitkraft zu vergüten. Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Das beklagte Land hat die Auffassung vertreten, ein Anspruch auf Vollzeitvergütung bestehe nicht. Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 27.05.2004 beiden Klageanträgen bis auf einen geringen Teil der Zinsforderung stattgegeben und dem beklagten Land die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Der Anspruch auf die eingeklagte zusätzliche Vergütung für die Klassenfahrt vom September 2002 folge aus § 34 BAT. Nach § 4 TzBfG dürfe das beklagte Land die Klägerin als Teilzeitarbeitnehmerin bei der Teilnahme an Klassenfahrten nicht schlechter bezahlen als die vergleichbaren Vollzeitlehrer. Entsprechendes gelte auch für zukünftige Teilnahmen der Klägerin an Klassenfahrten, weshalb auch dem Feststellungsantrag der Klägerin zu entsprechen sei. Gegen das feststellende Erkenntnis des am 15.06.2004 zugestellten Urteils richtet sich die Berufung des beklagten Landes. Die Berufung ist am 15.07.2004 eingelegt worden und nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 15.09.2004 am 14.09.2004 begründet worden. Das beklagte Land wendet ein, ein Feststellungsanspruch wie von dem Arbeitsgericht zugebilligt bestehe nicht. Die aus der in Bezug genommenen Rechtsprechung des BAG herzuleitende Beschränkung des streitgegenständlichen Vergütungsanspruches auf mindestens ganztägige Klassenfahrten finde sich in Klageantrag und Feststellungstenor nicht (BAG 22.08.2001 5 AZR 108/00). Auch sei nicht absehbar, inwieweit künftige etwaige Änderungen des § 4 TzBfG vom Gesetzgeber vorgenommen würden, so dass es an einem Feststellungsbedürfnis und Feststellungsinteresse der Klägerin für eine unabsehbare Zukunft fehle. Auch sei denkbar, dass die Klägerin nur partiell auf Klassenfahrten eingesetzt werde und von Kollegen abgelöst werde. Das beklagte Land beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 27.05.2004 insoweit abzuändern, als festgestellt ist, dass das beklagte Land verpflichtet ist, die Klägerin für zukünftige Klassenfahrten wie eine Vollzeitkraft zu vergüten und insoweit die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen mit der Klarstellung, dass Feststellung begehrt wird, dass das beklagte land verpflichtet ist, die Klägerin für die Dauer zukünftiger mindestens ganztägiger Klassenfahrten wie eine Vollzeitkraft zu vergüten. Die Klägerin verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Eine Auslegung des Klageantrages unter Berücksichtigung seiner Begründung wie auch eine Auslegung unter Berücksichtigung der Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils führe zu dem Ergebnis, dass der Streit nur um zumindest ganztägige Klassenfahrten gehe. Die Klägerin müsse sich nicht darauf verweisen lassen, zukünftig bei jeder einzelnen Klassenfahrt immer wieder erneut die Vergütung einklagen zu müssen. Soweit sich zukünftig Änderungen ergeben sollten, stehe dem beklagten Land die Möglichkeit einer abändernden Klage offen. Entscheidungsgründe: Die statthafte und zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg. Im Anschluss an die grundlegende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 22.08.2001 und wie zuvor bereits die 12. Kammer des erkennenden Gerichts in einem parallel gelagerten Fall gelangt die erkennende Kammer zu dem Ergebnis, dass das beklagte Land die teilzeitbeschäftigte Klägerin bei zukünftigen Teilnahmen an zumindest ganztägigen Klassenfahrten wie eine Vollzeitlehrkraft vergüten muss und ein dahingehender Feststellungsantrag zulässig und begründet ist ( BAG 22.08.2001 AP BGB § 611 Lehrer, Dozenten Nr. 144; LAG Hamm 21.09.2004 12 (5) Sa 704/04 - n.rkr. BAG 5 AZR 566/04). Der in der Berufungsinstanz allein noch zu bescheidende Feststellungsantrag zu 2) ist gemäß § 256 Abs.1 ZPO zulässig. Es geht um die Feststellung des Inhaltes der vertraglichen Vergütungspflicht und damit um ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zwischen den Parteien. Es ist davon auszugehen, dass das beklagte Land sich als Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes auch einem Feststellungsurteil beugt. Damit ermöglicht das Feststellungsbegehren eine prozessökonomisch sinnvolle Bereinigung der zwischen den Prozessparteien bestehenden rechtlichen Meinungsverschiedenheiten zur Vergütungspflichtigkeit von zumindest ganztägigen Klassenfahrten. Die Klägerin muss sich nicht darauf verweisen lassen, zukünftige Fälle abzuwarten und dann stets erneut in jedem Einzelfall die strittige Vollzeitvergütung für mindestens ganztägige Klassenfahrten einzuklagen. Die von der Klägerin gegebene und von der Kammer in den Tenor aufgenommene Klarstellung des Feststellungsbegehrens stellt sich nicht als Klageänderung dar, sondern ist eine durch Auslegung der Klagebegründung zu gewinnende präzisierende Klarstellung des von Anfang an verfolgten Klageziels. Der Klage kann schließlich von dem beklagten Land nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, die Klägerin erstrebe eine auch und sogar gegenüber zukünftigen Gesetzesänderungen wirksame Festlegung der Rechtslage, auf die sie keinen Anspruch habe. Die Feststellungsentscheidung ergeht zu der im Entscheidungszeitpunkt bestehenden Gesetzeslage und auf der Grundlage der gegenwärtig obwaltenden Umstände wie etwa der selbstbindend wirkenden Erlasslage im Bereich des Ministeriums für Schule und Weiterbildung. Ändert sich diese Basis, ist die Grenze der Rechtskraft erreicht (vgl. Zöller, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 323 ZPO Rz. 8, 27, 29; Stein-Jonas, ZPO 21.Aufl. 1998, § 322 ZPO Rz. 259). Der Anspruch auf Vollzeitvergütung für Zeiten zumindest ganztägiger Klassenfahrten ist gemäß §§ 34 Abs.1 BAT, 4 Abs.1 TzBfG begründet, weil es sonst zu einer gesetzlich verbotenen Schlechterbehandlung der teilzeitbeschäftigten Klägerin gegenüber den an solchen ganztägigen Klassenfahrten teilnehmenden Vollzeitlehrkräften kommen würde. Während letztere für die Tage zumindest ganztägiger Klassenfahrten einen entsprechenden Bruchteil einer Vollzeitvergütung erhalten, sieht das von dem beklagten Land praktizierte Konzept vor, dass die Klägerin für das gleiche Arbeitspensum an den Tagen ganztägiger Klassenfahrten nur 13/25,5 der Vergütung ihrer Vollzeitkollegen erhält. Ein solches Vorgehen diskriminiert teilzeitbeschäftigte Lehrkräfte und ist durch § 4 Abs.1 TzBfG ausgeschlossen. Nach dieser Bestimmung ist es dem Arbeitgeber verwehrt, teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit schlechter zu behandeln als einen vergleichbaren vollbeschäftigten Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Eine Ungleichbehandlung i.S.d. Bestimmung liegt vor, wenn bei gleicher Anzahl von Stunden, die aufgrund eines Arbeitsverhältnisses geleistet werden, die den vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern gezahlte Vergütung höher ist als die Vergütung der Teilzeitbeschäftigten (BAG 05.11.2003 AP TzBfG § 4 Nr.6). Eine solche Situation ist hier bei den durch den Klageantrag beschriebenen Klassenfahrten gegeben. Die bei den ganztägigen Klassenfahrten nach dem Konzept des beklagten Landes drohende Ungleichbehandlung der teilzeitbeschäftigten Lehrkräfte kann nur durch eine Anhebung ihrer Vergütung auf den Betrag der Vollzeitlehrkräfte ausgeglichen werden. Nur eine solche Vorgabe entspricht billigem Ermessen nach § 315 BGB (BAG aaO, LAG Hamm aaO). Das Land ist deshalb gehalten, die Ungleichbehandlung durch Gewährung eines inhaltsgleichen Vergütungsanspruches auch an die teilzeitbeschäftigten Lehrkräfte zu meiden (LAG Hamm aaO). Die in den selbstbindenden Erlassen des beklagten Landes vorgesehene Berücksichtigung der Teilzeitbeschäftigung durch weniger häufige Heranziehung der teilzeitbeschäftigten Lehrkräfte zu mehrtägigen Klassenfahrten stellt keine gesetzeskonforme Kompensation dar. Wenn die teilzeitbeschäftigten Lehrkräfte beispielsweise nur in jedem 2.Schuljahr und die Vollzeitlehrkräfte demgegenüber in jedem Jahr ganztägige Klassenfahrten absolvieren, so reduziert sich die Diskriminierung der teilzeitbeschäftigten Lehrkräfte dadurch nur insofern, als sie nicht in jedem Jahr sondern nur in jedem 2. Jahr an Tagen der Klassenfahrten gesetzeswidrig zu niedrig bezahlt werden. Es verbleibt deshalb bei der von dem Arbeitsgericht zutreffend ausgeurteilten Feststellung, welche die Berufungskammer entsprechend der Auslegung des Klagebegehrens und der ausdrücklichen Klarstellung der Klägerin im Urteilstenor präzisiert hat. Das mit seiner Berufung unterlegene beklagte Land hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat die Kammer die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen, § 72 Abs.2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

Zurück