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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 05.03.2007
Aktenzeichen: 11 Sa 1338/06
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1
1. Eine Kündigung, die der Arbeitgeber wegen Wegfalls der bisherigen Beschäftigungsmöglichkeit erklärt, ist nicht durch ein dringendes betriebliches Erfordernis "bedingt", wenn der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin anderweitig beschäftigen kann.

2. Bei der Prüfung einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit sind auch die Arbeitsplätze einzubeziehen, auf denen der Arbeitgeber im Zeitpunkt des Auslaufens der Kündigungsfrist dem betrieblichen Weisungsrecht unterstehende Leiharbeitnehmerinnen einsetzt.

3. Tritt der Arbeitgeber einem dahingehenden Sachvortrag der Arbeitnehmerin mit der Argumentation entgegen, der Einsatz von Leiharbeitnehmerinnen erfolge jeweils nur kurzfristig und unstet bei einem Ausfall von Stammarbeitnehmerinnen, so obliegt dem Arbeitgeber der Beweis, dass im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ein Einsatz von Leiharbeitnehmerinnen über den Kündigungstermin hinaus nicht absehbar war (Beweisführung hier nicht gelungen).


Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 06.07.2006 - 1 Ca 451/06 - teilweise abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 29.03.2006 nicht beendet worden ist.

Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin zu den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen als Näherin weiterzubeschäftigen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt 1/4 und die Beklagte 3/4 der Kosten des Rechtsstreits.

Für die Beklagte wird die Revision zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen eine aus betrieblichen Gründen ausgesprochene Kündigung vom 29.03.2006 zum 31.05.2006 und begehrt ihre Weiterbeschäftigung. Daneben verfolgt die Klägerin ein Feststellungsbegehren betreffend die Widerruflichkeit finanzieller Arbeitgeberleistungen.

Die Klägerin ist seit dem 05.10.1998 als Näherin bei der Beklagten beschäftigt. Zuletzt verdiente sie monatlich 1.827,00 € brutto. Die Beklagte stellt Polstermöbel her. Die Beklagte beschäftigte im Zeitpunkt der Kündigung mehr als 90 Arbeitnehmer. Es besteht ein Betriebsrat. Der schriftliche Arbeitsvertrag vom 28.10.1998 (voller Text: Kopie Bl. 10 - 11 R GA) enthält unter anderem die nachfolgende Regelung:

"§ 3 Vergütung

Der Arbeitnehmer erhält einen Grundlohn von derzeit 16,50 DM/Stunde.

Hinzu kommen folgende Zuschläge:

keine

Soweit darüber hinaus Zahlungen geleistet werden, insbesondere Gratifikationen, handelt es sich um freiwillige Zahlungen, die jederzeit widerruflich und bei Ausscheiden rückzahlbar in den von der Rechtsprechung gezogenen Grenzen sind.

Lohnforderungen des Arbeitnehmers dürfen außer an seine unterhaltsberechtigten Personen oder an seine frühere Arbeitgeber nicht abgetreten oder verpfändet werden. Bestehende Lohnabtretungen oder -verpfändungen hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber unverzüglich anzuzeigen.

Entsprechende betriebliche Bearbeitungskosten werden dem Arbeitnehmer mit 10 % des jeweils an den Gläubiger überwiesenen Betrages in Rechnung gestellt."

In einer Betriebsvereinbarung vom 21.12.2004 (Bl. 39 GA) heißt es unter 4.) und 5.):

"4.) Das Urlaubs- und Weihnachtsgeld ist für das Jahr 2005 / 2006 garantiert.

Grundsätzlich handelt es sich beim Weihnachts- und Urlaubsgeld um eine freiwillige jederzeit kündbare Sonderzahlung des Arbeitgebers.

5.) Die Betriebsvereinbarung gilt bis zum 31.12.2006 und kann mit einer Frist von 3 Monaten zum 31.12.2006 gekündigt werden. Die Punkte eins und zwei bleiben so lange bestehen, bis eine neue Vereinbarung getroffen wird."

Die Klägerin war als Näherin in der Näherei- und Vliesabteilung eingesetzt. Dieser Abteilung gehörten im März 2006 16 Arbeitnehmerinnen an, von denen sich die Arbeitnehmerin B6xxxxxx M2xxxxx seit dem 01.01.2004 und weiterhin in Elternzeit befindet. Wegen der Namen und Sozialdaten der 16 Arbeitnehmerinnen der Näherei- und Vliesabteilung wird auf die tabellarische Aufstellung der Beklagten in der Klageerwiderung vom 19.05.2006 Bezug genommen (Bl. 20 GA). In der Abteilung Näherei / Vlies waren seit 2004 zu verschiedenen Zeiten sieben verschiedene Leiharbeitnehmerinnen tätig (Einzelheiten: Aufstellung der Beklagten Bl. 254 GA). Im Zeitpunkt der Kündigung waren in der Abteilung die Leiharbeiterinnen Frau F1xxxxx und Frau S7xxxxxxx, beide seit dem 04.01.2006, und Frau P2xxxx seit dem 11.01.2006 tätig.

Der Einsatz von Frau S7xxxxxxx währte bis zum 15.09.2006. Frau F1xxxxx und Frau P3xxxx sind seit Januar 2006 durchgehend bis heute (März 2007) in der Abteilung tätig. Im weiteren Verlauf des Jahres 2006 wurden die Leiharbeitnehmerinnen T2xxxxxxxx und K2xxxxxxx vom 25.04.2006 bis zum 24.05.2006 bzw. vom 03.05.2006 bis zum 24.05.2006 in der Abteilung eingesetzt. Die Beklagte hörte den Betriebsrat mit Anhörungsbogen vom 17.03.2006 nebst Anlage zu einer gegenüber der Klägerin auszusprechenden Kündigung an (Kopie Bl. 28, 29 GA). Ob dem Betriebsrat darüber hinaus eine tabellarische Übersicht der Arbeiterinnen der Abteilung nebst Sozialdaten übermittel worden ist (Bl. 30 GA), ist zwischen den Parteien strittig. Eingangs der Anlage zum Anhörungsbogen führt die Beklagte aus:

"...

Frau E1xxxxxxxx ist seit dem 05.10.98 als Näherin in der Abteilung Näherei / Vlies beschäftigt.

Nachdem wir bereits seit mehreren Jahren erheblichem Kostendruck ausgesetzt sind, ist es uns bisher nicht gelungen, eine kostendeckende Fertigung in diesem Bereich zu erreichen. Durch die erfolgreich realisierten Zukäufe fertig genähter Bezüge in den letzten Monaten wurde deutlich, dass es dauerhaft betriebswirtschaftlich nicht sinnvoll ist, weiterhin die Bezüge vollständig in Eigenfertigung nähen zu lassen, da der Zukauf wesentlich preiswerter ist.

Die Geschäftsführung hat daher entschieden, fünf Näherinnen/Arbeitsplätze zum frühstmöglichen Zeitpunkt, spätestens zum Ablauf der Kündigungsfrist der betroffenen Mitarbeiterinnen, abzubauen, um mittelfristig insgesamt den Bestand der Abteilung Näherei / Vlies zu sichern. Die nach dem Ende der Kündigungsfrist der fünf betroffenen Mitarbeiterinnen zu nähenden Bezüge, die von den verbleibenden Näherinnen nicht in entsprechendem Umfang genäht werden können, sollen durch den Zukauf von fertig genähten Bezügen von Fremdfirmen in entsprechendem Umfang dauerhaft ersetzt werden.

Frau E1xxxxxxxx ist von dieser beschriebenen Maßnahme betroffen.

Damit entfällt spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist von Frau E1xxxxxxxx deren Arbeitsplatz und damit zu diesem Zeitpunkt auch das Beschäftigungsbedürfnis. Es besteht auch keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit für Frau E1xxxxxxxx, weil kein geeigneter freier Arbeitsplatz im Untenehmen vorhanden ist, auf dem Frau E1xxxxxxxx eingesetzt werden könnte.

..."

(Weitere Einzelheiten zur Betriebsratsanhörung: Kopie Bl. 28, 29 GA)

Der Betriebsrat widersprach mit Schreiben vom 20.03.2006 (Einzelheiten: Kopie Bl. 6 GA). Die schriftliche Kündigung datiert vom 29.03.2006. Die dagegen gerichtete Kündigungsschutzklage ist am 06.04.2006 bei dem Arbeitsgericht eingegangen.

Seit Januar 2005 versieht die Beklagte ihrer Auffassung nach widerrufliche finanzielle Zuwendungen in den Abrechnungen mit einem *. Hierzu findet sich in den Lohnabrechnungen die Erläuterung: "Die mit einem * gekennzeichneten Lohnarten sind außertarifliche, jederzeit widerrufbare und freiwillige Zahlungen." Mit einem * versehen sind nachfolgende Leistungen: 50 % Urlaubsgeld, VL AG-Zuschuss, Weihnachtsgeld, Zulage Kostenstelle 1007 Lohnart 26. Auf die von der Klägerin in Kopie vorgelegten Lohnabrechnungen des Zeitraums November 2005 bis März 2006 wird Bezug genommen (Bl. 45 - 50 GA).

Die Klägerin hat vorgetragen, die Kündigung vom 29.03.2006 sei rechtsunwirksam. Das Vorliegen betriebsbedingter Kündigungsgründe werde bestritten. Man bestreite, dass eine dritte Firma Sofabezüge liefere. Die Beklagte müsse erklären, warum in der von Kündigungen betroffenen Abteilung weiterhin Leiharbeitnehmer beschäftigt seien. Auch seien in sonstigen Abteilungen 15 weitere Leiharbeitnehmer tätig. Die Beklagte bemühe sich darum, dass Überstunden geleistet würden. Dies zeige deutlich, dass zu wenig Personal zur Verfügung stehe. Entlassungen seien nicht gerechtfertigt. Die Sozialauswahl sei fehlerhaft auf die Abteilung beschränkt worden. Der Betriebsrat sehe in den Kündigungen eine Reaktion auf seine Weigerung, unbezahlte Mehrarbeit für alle Arbeitnehmer zu genehmigen. Die Ordnungsgemäßheit der Betriebsratsanhörung werde bestritten. Weiterhin könne sie die Feststellung verlangen, dass die Sonderzahlungen zu gewähren seien. Entgegen der Auffassung der Beklagten handele es sich nicht um freiwillige und jederzeit widerrufbare Leistungen.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 29. März 2006 nicht beendet worden ist,

2. im Falle des Obsiegens die Beklagte zu verurteilen, sie zu den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen als Näherin weiterzubeschäftigen,

3. festzustellen, dass die der Klägerin zustehenden Sonderzahlungen wie Urlaubsgeld in Höhe von 50 % des persönlichen Bruttolohndurchschnittes der letzten 12 Monate, Weihnachtsgeld in Höhe von 75 % des persönlichen Bruttolohndurchschnittes der letzten 12 Monate, vermögenswirksame Leistungen, "Arbeitgeberzuschuss" in Höhe von monatlich 26,59 € und Zulagen der Kostenstelle 1007 Lohnart 26 keine freiwilligen, jederzeit widerrufbaren Leistungen der Beklagten sind.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen: Die Kündigung sei aus betriebsbedingten Gründen gerechtfertigt. Man habe sich entschlossen, zukünftig von einer Fremdfirma, nämlich der Firma H7 N1x- und P4xxxxxxxxxxxx GmbH in B7xxxx, Bezüge hinzuzukaufen. Man bewege sich im Umfang, in dem bisher fünf eigene Näherinnen Bezüge genäht hätten. Dadurch sei der Beschäftigungsbedarf für fünf Mitarbeiterinnen in der Näherei- und Vliesabteilung mit Ablauf der jeweiligen Kündigungsfrist entfallen. Die Sozialauswahl sei zutreffend durchgeführt worden. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß angehört worden. § 17 KSchG sei nicht einschlägig. Der Feststellungsantrag bezüglich der Sonderzahlungen sei unzulässig. Es fehle an einem Feststellungsinteresse. Im Übrigen seien die Leistungen in den Grenzen der Rechtsprechung jederzeit widerruflich und bei Ausscheiden rückzahlbar.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 06.07.2006 insgesamt abgewiesen. Der Kündigungsschutzantrag sei zulässig, aber unbegründet. Die vorliegende Kündigung sei aus betriebsbedingten Gründen gerechtfertigt. Für das Gericht stehe fest, dass der Arbeitsplatz der Klägerin mit Ablauf der Kündigungsfrist weggefallen sei. Die Beklagte habe die unternehmerische Entscheidung getroffen, einen Teil der bei ihr benötigen Sofabezüge nicht mehr selber in der Näherei- und Vliesabteilung fertigen zu lassen, sondern bei der Fa. H7 in B7xxxx zu ordern. Auch die Sozialauswahl sei nicht zu beanstanden. Es wäre Aufgabe der Klägerin gewesen, detailliert darzulegen, welche anderen Arbeitnehmerinnen ihrer Meinung nach in die Sozialauswahl hätten einbezogen werden müssen und aus welchem Grund diese Arbeitnehmerinnen dann eher hätten entlassen werden müssen. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß angehört worden. Die Voraussetzungen des § 17 KSchG seien bei insgesamt 95 Arbeitnehmern im Betrieb der Beklagten nicht erfüllt. Wegen der Wirksamkeit der Kündigung bestehe kein Anspruch auf Weiterbeschäftigung. Der Klageantrag zu 3) sei unzulässig. Ein Feststellungsinteresse sei nicht ersichtlich. Die Klägerin sei jederzeit in der Lage, Ansprüche auf Sonderzahlung im Wege der Leistungsklage geltend zu machen.

Das Urteil ist der Klägerin am 26.07.2006 zugestellt worden. Die Klägerin hat am 14.08.2006 Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.

Die Klägerin wendet ein, zu Unrecht habe das Arbeitsgericht eine soziale Rechtfertigung der Kündigung bejaht. Das Arbeitsgericht habe die von ihr erhobenen Einwendungen nicht geprüft und auch die Betriebsratsanhörung ohne zureichende Prüfung für ordnungsgemäß erachtet. Die insgesamt fünf Kündigungen seien als Reaktion auf einen verlorenen Prozess wegen einer ungültigen Betriebsvereinbarung zu sehen und nicht als unternehmerische Entscheidung. In diesem Sinne habe sich der Geschäftsführer gegenüber Betriebsratsmitgliedern geäußert. Der Einsatz von Leiharbeitnehmern auf den Arbeitsplätzen der gekündigten Arbeitnehmerinnen belege, dass das Arbeitspensum nicht abgenommen habe. In diesem Sinne habe die 3. Kammer des Arbeitsgerichts Paderborn zwei Kündigungen von Kolleginnen der Klägerin im Hinblick auf die eingesetzten Leiharbeitnehmerinnen für unwirksam befunden (ArbG Paderborn 20.09.2006 - 3 Ca 469/06 - und ArbG Paderborn 20.09.2006 - 3 Ca 448/06 -; beide Verfahren jetzt anhängig vor der erkennenden Kammer: 11 Sa 1671/06 und 11 Sa 1672/06). Die Beklagte habe gegenüber den Leiharbeitnehmerinnen wesentliche Arbeitgeberfunktionen beibehalten, aus diesem Grunde liege eine unzulässige Austauschkündigung vor. Die Beklagte übe gegenüber den Leiharbeitnehmerinnen die wesentlichen Arbeitgeberfunktionen aus. Es sei zu bestreiten, dass der fortlaufende Einsatz von Leiharbeitnehmerinnen über den Kündigungstermin hinaus nicht bereits bei Ausspruch der Kündigung abzusehen gewesen sei. Die Leiharbeitnehmer würden entgegen der Darstellung der Beklagten nicht als Krankheits- oder Abwesenheitsvertretung eingesetzt, sondern deshalb, weil sie billiger seien als das Stammpersonal. Eine Leiharbeitnehmerin mit dem Vornamen A6xxx verrichte nun genau die Arbeiten, die bislang sie - die Klägerin - erbracht habe. Der Wirksamkeit der Kündigung stehe auch entgegen, dass die Beklagte auch in anderen Abteilungen, in denen sie arbeiten könne, ständig Leiharbeitnehmer beschäftige, so in der Abteilung Verpackung und Versand und in der Polsterei. In der Polsterei seien zehn bis zwölf Leiharbeitnehmer beschäftigt. Es handele sich um angelernte Mitarbeiter (Beweis: Zeugnis L3xxx). Fehlerhaft sei die Sozialauswahl auf die Abteilung Näherei / Vlies beschränkt worden. Auch die Arbeitnehmer der nachstehenden Abteilungen seien in die Auswahl einzubeziehen gewesen: Polsterei/Kleberei, Schaumstoffzuschnitt und Tischlerei. Es handele sich um Abteilungen, in die die Klägerin arbeitsvertraglich versetzt werden könne. Es seien in den Abteilungen Mitarbeiter beschäftigt, die sozial weniger schutzbedürftig seien als sie:

- Herr S6xxxxxx/Zuschnitt (weitere Einzelheiten: Bl. 161, 231 - 233 GA),

- Herr H8xxxxxx/Zuschnitt (Bl. 161, 231 - 233 GA),

- S8xxxxx ?/Zuschnitt (Bl. 161, 232, 233 GA).

- 35 bis 37jähriger Mitarbeiter/Schaumstoffzuschnitt (Bl. 161 GA),

- A7xxxxx ? (nach Ausscheiden der Klägerin aus der Kissenabteilung in die Näherei versetzt, Bl. 161 GA),

- Frau G2xxxx aus der Kissenabteilung habe im gleichen Zeitraum, als die Klägerin die Kündigung erhalten habe, selbst gekündigt (Bl. 161, 234 GA).

Der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. Die vernommenen Zeugen hätten nicht bestätigt, dass dem Betriebsrat mit dem Anhörungsbogen nebst Anlage auch die Liste mit den Sozialdaten überreicht worden sei. Der von der Beklagten aufgebotene Zeuge M3xxxxxx habe ausgesagt, dass er bei den maßgeblichen Gesprächen nicht zugegen gewesen sei. Die Betriebsratsmitglieder L3xxx und B10xxxxxxxxxxx seien sich sicher, dass dem Anhörungsschreiben die Liste mit den Sozialdaten nicht beigefügt gewesen sei (Beweis: L3xxx, B10xxxxxxxxxxx). Dem Betriebsrat sei nicht mitgeteilt worden, dass zukünftig auf den betroffenen Arbeitsplätzen Leiharbeitnehmer eingesetzt werden sollten. Zu einem Kündigungsgrund "Ersatz des Stammpersonals durch Leiharbeitnehmer" sei der Betriebsrat nicht angehört worden.

Entgegen der Entscheidung des Arbeitsgerichts sei die Feststellungsklage zulässig. Mit ihr werde der Gefahr begegnet, dass die Beklagte bei zukünftigen Zahlungen die von ihr als freiwillig betrachteten Zahlungen immer wieder in Frage stellen könne. Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten seien diese Leistungen durch betriebliche Übung keine freiwilligen mehr. Ohne die begehrte Feststellung sei sie gezwungen, jährlich gegen den Widerruf vorzugehen und notfalls auf Leistung zu klagen, weil im Falle einer stillschweigenden Hinnahme durch "negative Betriebsübung" der Anspruch der Klägerin nach längstens drei Jahren entfallen würde. Seit mindesten zehn Jahren sei Weihnachtsgeld in Höhe von 75 % und Urlaubsgeld in Höhe von 50 % des jeweiligen Durchschnitts der letzten drei Monate gezahlt worden; ebenfalls seit mindestens zehn Jahren seien vermögenswirksame Leistungen allen Mitarbeitern gezahlt worden (Beweis: Zeugnis M4xxxx und L3xxx). Wegen des weiteren Vorbringens der Klägerin zum Feststellungsbegehren wird auf Seite 17, 18 des Schriftsatzes vom 19.02.2007 Bezug genommen (Bl. 239, 240 GA).

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 06.07.2006 - 1 Ca 451/06 -, zugestellt am 26.06.2006, abzuändern und zu erkennen,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 29.03.2006 nicht beendet worden ist,

2. im Falle des Obsiegens die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin zu den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen als Näherin weiterzubeschäftigen,

3. festzustellen, dass die der Klägerin zustehenden Sonderzahlungen wie Urlaubsgeld in Höhe von 50 % des persönlichen Bruttolohndurchschnitts der letzten zwölf Monate, Weihnachtsgeld in Höhe von 75 % des persönlichen Bruttolohndurchschnitts der letzten zwölf Monate, vermögenswirksame Leistungen, in "Arbeitgeberzuschuss" in Höhe von monatlich 26,59 € und Zulagen der Kostenstellen 1007 Lohnart 26 keine freiwilligen, jederzeit widerrufbaren Leistungen der Beklagten sind.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Sie habe auf der Grundlage der der Kündigung zugrunde liegenden Entscheidung den Zukauf von fremdgenähten Bezügen ausgeweitet, so dass fünf Arbeitsplätze in der Abteilung Näherei / Vlies entfallen seien. Im Januar 2006 seien rund 105 Bezüge fremd zugekauft worden, im Mai 2006, nach dem Ausscheiden der ersten gekündigten Mitarbeiterin, schon ca. 565 und im Juni 2006 750, im August 2006 - nach den Betriebsferien im Juli und dem langsamen Anlaufen der Produktion - 639, im September 681 und nun im Oktober 785. Der Einsatz von Leiharbeitnehmern stehe der sozialen Rechtfertigung der Kündigung nicht entgegen. Für die Abteilung Näherei / Vlies habe im März 2006 überhaupt nicht festgestanden, ob ab dem 01.06.2006 dort überhaupt ein Leiharbeitnehmereinsatz und gegebenenfalls in welchem Umfang stattfinden würde. Der Einsatz von Leiharbeitnehmern erfolge in der Abteilung Näherei / Vlies zur Krankheitsvertretung und sei damit aufgrund des kurzfristig auftretenden Bedarfs weder dem Grunde noch der Länge nach im Voraus planbar. Personaleinsatzplanung und Anforderung von Leiharbeitnehmern erforderten im Fall der kurzfristigen Verhinderung einen Vorlauf von ca. zwei Arbeitstagen. In der Abteilung Näherei / Vlies gebe es einen hohen Krankenstand.

Auf das von der Beklagten für ihre Behauptung des Leiharbeitnehmereinsatzes zur Abwesenheitsvertretung vorgelegte umfangreiche Zahlenmaterial wird an dieser Stelle Bezug genommen:

- Aufstellung Anzahl Leiharbeitnehmer gegenüber Anzahl ausgefallener Arbeitnehmer im Zeitraum Januar 2004 bis März 2006 - S. 2 des Schriftsatzes vom 08.02.2007 (Bl. 199 GA: danach waren in 22 Monaten mehr Arbeitnehmer ausgefallen als zur gleichen Zeit Leiharbeitnehmer eingesetzt waren, in drei Monaten war jeweils eine Arbeitnehmerin ausgefallen und jeweils ein Leiharbeitnehmer im Einsatz, im Juli 2005 war eine Leiharbeitnehmerin eingesetzt und kein Arbeitnehmer wegen Arbeitsunfähigkeit o.ä. verhindert) -,

- Übersicht "Urlaub / Krank 2005 Abt. Näherei / Vlies" (Bl. 50 GA),

- Ausführliche Monatsübersicht mit konkreten Daten "Urlaub / Krank 2005 Abt. Näherei / Vlies" (Bl. 251 GA),

- Übersicht "Urlaub / Krank 2006 Abt. Näherei / Vlies" (Bl. 252 GA),

- detaillierte Übersicht mit konkrete Daten "Urlaub / Krank 2006 Abt. Näherei / Vlies" (Bl. 253 GA).

Bezüglich der durch Elternzeit verhinderten Arbeitnehmerin M2xxxxx habe sie sich entschieden, insoweit auf einen Leiharbeitnehmer zurückzugreifen, soweit jeweils ein Einsatzbedarf bestehen werde. Zu berücksichtigen sei, dass es in der Abteilung Näherei / Vlies ganz erhebliche starke Auslastungsschwankungen gebe. Unabhängig davon, dass der Einsatz von Leiharbeitnehmern jeweils nur zeitweise erfolge, stelle die Entscheidung des Arbeitgebers für den Einsatz von Leiharbeitnehmern eine freie Unternehmerentscheidung dar, die für die Gerichte bindend sei und nur auf Missbrauch zu überprüfen sei - ebenso wie etwa eine Auftragsvergabe nach außen. Wegen der Rechtsausführungen der Beklagten zur Frage "Leiharbeit und Kündigung/anderweitige Beschäftigung" wird insbesondere auf S. 7 - 15 des Schriftsatzes vom 08.02.2007 (Bl. 204 - 212 GA) und auf den Schriftsatz vom 19.02.2007 (Bl. 219 - 222 GA) verwiesen.

Soweit Leiharbeitnehmer in anderen Abteilungen tätig seien, seien die dortigen Tätigkeiten für die Klägerin nicht geeignet:

Im Bereich Verpackung/Versand seien zwei Leiharbeitnehmer beschäftigt, die fertige Sofas vom Packband zu nehmen und weiterzutransportieren hätten. Es handele sich um Gewichte zwischen 70 bis 120 kg. Für eine solche Tätigkeit sei die Klägerin aus körperlichen Gründen nicht geeignet. Die Klägerin entspreche nicht dem Anforderungsprofil für diese Tätigkeit (Beweis: Zeugnis M3xxxxxx). Die Leiharbeitnehmer in diesem Bereich seien nicht nur günstiger, was die Stundenvergütung anbetreffe. Es sei vielmehr auch so, dass bei etwaigen Schwankungen in der Produktion die Leiharbeitnehmer entweder kurzfristig wieder akquiriert oder auch an den Entleiher zurückgegeben werden könnten. Dies beinhalte eine erhebliche kostenmäßige Entlastung des Unternehmens sowie eine verbesserte Flexibilität.

In der Polsterei seien regelmäßig sieben Leiharbeitnehmer eingesetzt. Es handele sich um gelernte Polsterer. Aufgrund fehlender fachlicher Eignung könne die Klägerin mit diesen Tätigkeiten nicht befasst werden.

Der Einsatz von Leiharbeitnehmern - z.B. anstelle von befristeten Arbeitskräften - erfolge auch und insbesondere vor dem Hintergrund der erheblich geringeren Kostenbelastung. Eine Näherin bei der Beklagten erhalte eine Vergütung von 10,29 € brutto pro Stunde. Hinzu kämen noch die Lohnnebenkosten von 6,83 € pro Stunde (66,40 % auf den Direktlohn). Die hohe Krankheitsquote in dieser Abteilung sei mit ca. 1,00 € pro Stunde in die Berechnung eingegangen. Die Beschäftigung einer Leiharbeitnehmerin in der Näherei verursache Kosten in Höhe von 12,59 € pro Stunde. Der Einsatz der Leiharbeitnehmer könne auch nicht nur während 36 Stunden in der Woche erfolgen, wie dies mit den Mitarbeitern der Beklagten vereinbart sei, sondern darüber hinaus für bis zu 42,5 Stunden pro Woche. Bei der Beschäftigung eigener Mitarbeiter würden Mehrarbeitszuschläge in Höhe von 25 % anfallen. Auf diese Weise errechne sich beispielsweise bei einer Produktion von 5000 Stück Sofa Flexa ein Kostenvorteil von 5000 x 5,75 € pro Stück = 28.750,00 € pro Jahr. In Kenntnis dieser erheblichen Kostenvorteile habe die Beklagte sich bereits vor einiger Zeit für den Einsatz von Leiharbeitnehmern und auch für das Outsourcing entschieden. Für die Beklagte sei ein Mix von Fertigung durch eigene Mitarbeiter, zusätzlich mit Einsatz von Leiharbeitnehmern sowie Outsourcing unternehmenspolitisch äußerst wichtig. Sie könne und wolle in der hier betroffenen Näherei nicht auf eigene Mitarbeiter verzichten. Sie benötige diese auch in Zukunft insbesondere zur Musterfertigung, für kleine Serien oder auch als Flexibilitätsreserve, wenn kurzfristig Aufträge abzuarbeiten seien. Der Einsatz von Leiharbeitnehmern sei aus Kostengründen und wegen der Flexibilitätsgesichtpunkte gewichtig. Die Abteilung gänzlich mit Leiharbeitnehmern durchzuführen, hätte gegebenenfalls unternehmerische Risiken zur Folge, insbesondere wenn ein nicht auszuschließender, größerer Personalwechsel stattfinde. Das Abhängigmachen von einem Fremdunternehmen könne ebenfalls problematisch sein. Deshalb habe sie sich bereits vor Ausspruch der Kündigung für einen solchen Mix entschieden, insbesondere für den Einsatz von Leiharbeitnehmern im Bereich der Näherei, wenn dort wegen Krankheit, Urlaub, Mutterschutz Bedarf für ergänzendes Personal vorhanden sei. Die Zusammenarbeit mit dem einschlägigen Leiharbeitsunternehmen habe sich in der Vergangenheit derart positiv entwickelt, dass der Einsatz dieser Mitarbeiter in Bezug auf die Arbeitsleistung völlig unproblematisch sei. Leistungsmäßig könnten keine Unterschiede festgestellt werden.

Die Sozialauswahl sei nicht zu beanstanden. Die Klägerin benenne keine Personen, die über die von ihr, der Beklagten, berücksichtigten Personen hinaus vergleichbar seien. Die Arbeitsplätze der Herren S6xxxxxx und H8xxxxxx in der Abteilung Zuschnitt könne die Klägerin nicht ausführen, da die beiden Arbeitnehmer an CNC-gesteuerten Maschinen arbeiteten und Facharbeiter seien. Herr H8xxxxxx sei zudem erst im Juli/August 2006 und damit erst nach Verstreichen des Kündigungstermins angestellt worden. Die Klägerin habe nicht aufgezeigt, mit Mitarbeitern des Bereiches Schaumstoffzuschnitt vergleichbar zu sein. Die durch Eigenkündigung ausgeschiedene Mitarbeiterin G3xxxx der Kissenabteilung sei nicht durch eine Einstellung ersetzt worden. Eine Arbeitnehmerin A2xxxxxxx B8xxxxx sei zu 50 % schwerbehindert.

Dem Betriebsrat sei bei der Anhörung neben dem Anhörungsbogen und der Anlage auch die Tabelle mit den Namen und Sozialdaten der in die Vergleichbarkeit einbezogenen Mitarbeiter übergeben worden.

Dem Arbeitsgericht sei auch darin zuzustimmen, dass die Feststellungsklage mangels Feststellungsinteresses gemäß § 256 Abs. 1 ZPO bereits unzulässig sei. Im Übrigen habe die Klägerin ihren Feststellungsantrag auch materiell nicht schlüssig begründet.

Die Berufungskammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen M3xxxxxx zu Einzelheiten der Betriebsratsanhörung und zum unternehmerischen Konzept und zum Einsatz von Leiharbeitnehmern am 14.12.2006 und ein weiteres Mal am 05.03.2007 zum Einsatz von Leiharbeitnehmern. Ferner sind der Betriebsratsvorsitzende R1xxx M4xxxx am 14.12.2006 und die Zeugin B11xx am 05.03.2007 vernommen worden. Wegen des Inhaltes der Zeugenaussagen wird auf die Sitzungsprotokolle vom 14.12.2006 und vom 05.03.2007 Bezug genommen (Bl. 188 - 190 GA, Bl. 266 - 270 GA).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2 ArbGG. Die Berufung ist form- und fristgerecht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen der §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden. Die Berufung ist hinsichtlich des Kündigungsschutzbegehrens und des Weiterbeschäftigungsbegehrens begründet (I). Soweit sich die Berufung gegen die Abweisung des Feststellungsbegehrens als unzulässig richtet, bleibt sie ohne Erfolg (II).

I

Kündigungsschutzantrag und Weiterbeschäftigungsantrag der Klägerin sind entgegen der Entscheidung des Arbeitsgerichts begründet (1., 2.).

1. Die Kündigung vom 19.03.2006 zum 31.05.2006 erweist sich als sozial ungerechtfertigt und ist deshalb gemäß § 1 Abs. 1 KSchG rechtsunwirksam.

a) Die Voraussetzungen für das Eingreifen des allgemeinen gesetzlichen Kündigungsschutzes sind erfüllt. Die Beklagte beschäftigte im Zeitpunkt der Kündigung regelmäßig weit mehr als fünf oder zehn Arbeitnehmer, § 23 Abs. 1 KSchG. Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestand im Zeitpunkt der Kündigung länger als sechs Monate, § 1 Abs. 1 KSchG. Die Klägerin hat die Kündigung vom 29.03.2006 rechtzeitig innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 KSchG gerichtlich angegriffen. Die Kündigung ist damit auf ihre soziale Rechtfertigung zu überprüfen.

b) Im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes ist eine Kündigung sozial ungerechtfertigt und rechtsunwirksam, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist.

Die für die Kündigungsgründe darlegungspflichtige Beklagte beruft sich im zu entscheidenden Fall allein auf betriebsbedingte Kündigungsgründe. Die Beweisaufnahme hat indes ergeben, dass ein zureichender betriebsbedingter Kündigungsgrund für die Kündigung vom 29.03.2006 nicht besteht. Die Beklagte war zur Vermeidung der Kündigung gehalten, zunächst die in der Abteilung der Klägerin praktizierte Leiharbeit zurückzuführen.

aa) Aufgrund der Beweisaufnahme vom 14.12.2006 hat die Berufungskammer die Überzeugung gewonnen, dass die Beklagte sich bei Ausspruch der Kündigung am 29.03.2006 zu einer organisatorischen Maßnahme entschlossen hatte, durch deren innerbetriebliche Umsetzung sich das betriebliche Bedürfnis für die Beschäftigung von Arbeitnehmern im Umfang von fünf Arbeitspensen reduziert hat. Diese unternehmerische Entscheidung, die von den Arbeitsgerichten nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen ist, stellt sich nicht als offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich dar und genügt damit den Anforderungen der eingeschränkten Überprüfung der Unternehmerentscheidung durch die Arbeitsgerichte (vgl. hierzu: st. Rspr. d. BAG 18.10.2006 - 2 AZR 435/05 - mwN).

Der als Zeuge vernommene Betriebsleiter M3xxxxxx hat die Behauptung der Beklagten bestätigt, Mitte März 2006 habe sich die Beklagte entschieden, zukünftig vermehrt fertig genähte Polsterbezüge zuzukaufen, die Personalstärke in der Abteilung Näherei / Vlies im Hinblick darauf um fünf Arbeitskräfte zu reduzieren und die so reduzierte eigene Nähleistung durch den Zukauf von fertig genähten Bezügen von Fremdfirmen in entsprechendem Umfang dauerhaft auszugleichen. Die Angaben des Zeugen M3xxxxxx stimmen mit der Verlautbarung der Beklagten in der Betriebsratsanhörung vom 17.03.2006 überein. Der Zeuge M3xxxxxx hat eine plastische und nachvollziehbare Schilderung des Entscheidungsprozesses einschließlich bislang nicht aktenkundiger Details gegeben. Die Kammer ist überzeugt, dass die unternehmerische Entscheidung der Beklagten im Zeitpunkt der Kündigung so getroffen war, wie sie die Beklagte gegenüber dem Betriebsrat und anschließend im Prozess dargestellt hat und wie sie der Zeuge bei seiner Vernehmung bestätigt hat. Anhaltspunkte dafür, dass die bewiesene unternehmerische Entscheidung offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich wäre, bestehen nicht. Derartiges folgt insbesondere nicht daraus, dass die Beklagte eine zuvor mit dem Betriebsrat zur Kostensenkung angestrebte Betriebsvereinbarung aus Rechtsgründen nicht hatte realisieren können. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte von rechtlich nicht durchsetzbaren Organisationsmodellen Abstand nimmt und Kostensenkungsziele dann auf anderem Weg verfolgt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war am 29.03.2006 eine unternehmerische Entscheidung getroffen und eine Situation gegeben, wie sie generell geeignet sein kann, eine Kündigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen sozial zu rechtfertigen.

bb) Der sozialen Rechtfertigung der streitgegenständlichen Kündigung steht im hier zu entscheidenden Fall jedoch entgegen, dass die Beklagte die Kündigung der Klägerin vom 29.03.2006 durch den Abbau von Leiharbeit in der Abteilung Näherei / Vlies vermeiden konnte. Nach dem ultima-ratio-Prinzip des Kündigungsschutzrechtes war die Beklagte vor Ausspruch der betriebsbedingten Kündigung gegenüber der Klägerin gehalten, die in der Abteilung Näherei / Vlies praktizierte Leiharbeit zurückzuführen und die Klägerin mit den so frei werdenden Arbeiten zu beschäftigen. Die Kündigung der Klägerin zum 31.05.2006 ist wegen dieser über den 31.05.2006 hinaus bestehenden anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit sozial ungerechtfertigt.

(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine Kündigung, die aufgrund einer zum Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes führenden organisatorischen Maßnahmen ausgesprochen worden ist, nur dann durch ein dringendes betriebliches Erfordernis "bedingt", wenn der Arbeitgeber keine Möglichkeit hat, den Arbeitnehmer anderweitig zu beschäftigen, "ultima-ratio-Grundsatz". Der nach der Generalklausel des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu prüfende "ultima-ratio-Grundsatz" wird in § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG normativ konkretisiert. Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 b KSchG ist die Kündigung auch sozial ungerechtfertigt, wenn in Betrieben des privaten Rechts der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiter beschäftigt werden kann. Die Weiterbeschäftigungspflicht gilt unabhängig davon, ob ein Widerspruch des zuständigen Betriebsrats vorliegt (BAG 24.06.2004 AP KSchG 1969 § 1 Nr. 76; BAG 02.02.2006 AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 142).

Hinsichtlich des Gesichtspunktes einer möglichen Weiterbeschäftigung auf einem anderweitig zur Verfügung stehenden Arbeitsplatz gilt im Kündigungsschutzprozess eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Der Arbeitgeber genügt zunächst seiner Darlegungslast, wenn er allgemein vorträgt, eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers sei nicht möglich. Legt der Arbeitnehmer dann näher dar, wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, so muss der Arbeitgeber nun erläutern und im Bestreitensfall beweisen, aus welchem Grund eine Beschäftigung wie vom Arbeitnehmer geltend gemacht nicht möglich ist (BAG 15.08.2002 AP BGB § 613 a Nr. 241; BAG 24.02.2000 AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 47; KR-Griebeling, 8. Aufl. 2007, § 1 KSchG Rz. 555).

(2) Bei der im vorliegenden Rechtsstreit kontrovers diskutierten Frage, ob der Abbau von Leiharbeit eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit im Sinne des "ultima-ratio-Grundsatzes" ist oder ob der Arbeitgeber sich insoweit auf eine die Arbeitsgerichte bindende unternehmerische Entscheidung zum Einsatz von Leiharbeitnehmern berufen kann, schließt sich die Kammer der erstgenannten Auffassung an. Die Kammer orientiert sich dabei an der Differenzierungslinie, die das Bundesarbeitsgericht durch seine beiden Urteile vom 09.05.1996 ("Weight-Watchers" - 2 AZR 438/95 - AP KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 79) und vom 26.09.1996 ("Crewing" - 2 AZR 200/96 - AP KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 80) vorgezeichnet hat.

In d1x "Weight-Watchers"-Entscheidung hatte der Arbeitgeber die Entscheidung getroffen, seinen Vertrieb nicht länger durch Arbeitnehmer, sondern zukünftig durch freie Mitarbeiter erledigen zu lassen. Das Bundesarbeitsgericht hat die mit dieser Begründung ausgesprochenen Kündigungen als betriebsbedingt sozial gerechtfertigt angesehen und zur Begründung ausgeführt: Bei einer innerbetrieblichen Umstrukturierungsmaßnahme (hier: Einführung eines neuen Vertriebssystems) müsse es im Hinblick auf betriebsbedingte Kündigungen dem Arbeitgeber überlassen bleiben, wie er sein Unternehmensziel möglichst zweckmäßig und kostengünstig am Markt verfolge. Dazu gehöre auch die Umgestaltung der zugrunde liegenden Vertragsform für die Vertriebsmitarbeiter (freies Mitarbeiterverhältnis statt Arbeitsverhältnis). Es sei Sache des Arbeitnehmers, der die Unwirksamkeit der auf einer solchen Maßnahme beruhenden Kündigung geltend mache, Umstände darzulegen, die die getroffene innerbetriebliche Strukturmaßnahme als offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich erscheinen ließen. Zu prüfen bleibe allerdings, ob die Strukturmaßnahme tatsächlich wie behauptet durchgeführt worden sei (BAG 09.05.1996 AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 79).

In der "Crewing"-Entscheidung hatte der Arbeitgeber den Besatzungsmitgliedern eines Schiffes gekündigt und die Anheuerung der Schiffsbesatzung einer ausländischen Crewing-Firma übertragen, welche die Seeleute nicht zu den für die deutsche Seeschifffahrt geltenden Heuerbedingungen sondern mit wesentlich geringeren Heuern im eigenen Namen unter Vertrag nahm. Die Bereederung der Schiffe erfolgte weiterhin durch den deutschen Arbeitgeber, der weiterhin den wirtschaftlichen Schiffsbetrieb leitete und im ständigen unmittelbaren Kontakt zu den jeweiligen Kapitänen der Schiffe stand und ihnen entsprechende Weisungen erteilte. Das Bundesarbeitsgericht hat die so begründete Kündigung für sozial ungerechtfertigt angesehen. Von Fallgestaltungen wie der des Urteils vom 09.05.1996 (s.o.) unterscheide sich der Sachverhalt grundlegend dadurch, dass die Beklagte die bislang von dem Arbeitnehmer verrichtete Tätigkeit nicht etwa einem Dritten (der ausländischen Crewing-Firma) zur selbständigen Erledigung übertragen habe, sondern unverändert selbst den wirtschaftlichen Schiffsbetrieb steuere und dem Kapitän die für die Umsetzung ihrer Entscheidung notwendigen Informationen und Weisungen erteile. Der Kapitän sei in den Betrieb der Beklagten eingegliedert. Die Beklagte habe dem Kapitän gegenüber die gleiche Stellung wie ein Unternehmer gegenüber einem ausgeliehenen, in seinem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer. Die Ausübung des Direktionsrechts des Arbeitgebers kennzeichne die für ein Arbeitsverhältnis typische persönliche Abhängigkeit des Beschäftigten. Die Beschäftigungsmöglichkeit für die Kapitäne bestehe weiterhin in dem Bereich, den die Beklagte selbst betrieblich organisiere. Für den Kläger bestehe damit eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf den von der Beklagten bereederten Schiffen auf seinem bisherigen Arbeitsplatz. Folglich sei die streitige Beendigungskündigung nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, sondern sozial ungerechtfertigt. Es handele sich um eine gemäß § 1 Abs. 1 und Abs. 2 KSchG unwirksame Austauschkündigung. Dass der unternehmerischen Entscheidung der Beklagten die Absicht zugrunde liege, die Lohnkosten zu senken und sich der Bindungen des deutschen Arbeits- und Sozialrechts zu entledigen, könne keine abweichende Beurteilung rechtfertigen (BAG 26.09.1996 AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 80).

In Konsequenz dieser Sichtweise hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 17.03.2005 - allerdings ohne sich auf eigene Rspr. zu beziehen - geprüft, ob die dort zu beurteilende betriebsbedingte Kündigung zum 30.11.2001 dadurch zu vermeiden gewesen wäre, dass die dortige Beklagte anstelle des Einsatzes von Leiharbeitnehmern für das Weihnachtsgeschäft den Kläger mit entsprechenden Tätigkeiten betraut hätte. Dies hat das Bundesarbeitsgericht wie zuvor die 8. Kammer des erkennenden Gerichts mit der Begründung verneint, dass im Zeitpunkt der Kündigung keine hinreichende Grundlage für die Einschätzung bestand, bei Ablauf der Kündigungsfrist werde ein zusätzlicher Beschäftigungsbedarf bestehen. Im Zeitpunkt der Kündigung habe lediglich die Möglichkeit eines Einsatzes von Leiharbeitnehmern bestanden, ohne dass eine konkrete Bedarfsermittlung vorgelegen habe, wie sie stets nur kurzfristig nach entsprechenden Vorgaben aus der Produktionsplanung erfolge (BAG 17.03.2005 - 2 AZR 4/04 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 71; LAG Hamm 31.07.2003 - 8 Sa 1578/02 - LAGE § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 66 b = RzK I 5 a Nr. 12).

Da es im zu entscheidenden Fall darum geht, dass die Beklagte nach wie vor mit ihrem Direktionsrecht unterstehenden (Leih-)Arbeitnehmerinnen in der Abteilung Näherei / Vlies arbeitet, sind die im Zeitpunkt der Kündigungserklärung von Leiharbeitnehmerinnen besetzten Arbeitsplätze als anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit im Sinne des ultima-ratio-Grundsatzes und damit als milderes Mittel zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung in die Prüfung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung einzubeziehen. Entscheidend ist, dass insoweit weiterhin weisungsabhängige Arbeitnehmertätigkeit im Betrieb verrichtet werden soll. Würde man die von den Leiharbeitnehmerinnen verrichteten Tätigkeiten bei Prüfung des ultima-ratio-Grundsatzes außer Betracht lassen, so entstünde ein sachlich nicht zu rechtfertigender Widerspruch zum Grundsatz der Unzulässigkeit sog. Austauschkündigungen (vgl. BAG 07.07.2005 AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138 Rz. 37; BAG 16.12.2004 AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 133 Rz. 27; BAG 26.09.1996 AP KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 80). Auch könnte das Gebot zur Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG ausgehebelt werden, wenn seit wenigen Monaten im Betrieb eingesetzte Leiharbeitnehmer auf ihren Arbeitsplätzen gehalten werden könnten und eine Arbeitnehmerin mit über 7jähriger Betriebszugehörigkeit weichen müsste.

(3) Die Beklagte ist der von der Klägerin aufgezeigten alternativen Beschäftigungsmöglichkeit durch vorrangigen Abbau von Leiharbeit nicht erfolgreich entgegengetreten. Die Kammer hat nicht die Überzeugung gewonnen, der Einsatz von Leiharbeitnehmern sei im März 2006 jeweils nur unstet bei einem Ausfall von Stammarbeitnehmern erfolgt, so dass ein Einsatz von Leiharbeitnehmern über den Kündigungstermin hinaus für die Beklagte im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung nicht absehbar gewesen wäre.

Die Behauptung der Beklagten, die im März 2006 in der Abteilung Näherei / Vlies tätigen Leiharbeitnehmerinnen seien nur jeweils kurzfristig zur Überbrückung von Krankheits- und Fehlzeiten entliehen worden, hat sich in der Beweisaufnahme nicht bestätigt. In seiner Aussage vom 14.12.2006 hat der Betriebsleiter M3xxxxxx ein gegenteiliges Konzept geschildert: Der Einsatz der Leiharbeitnehmerinnen hänge nicht davon ab, ob jemand in der Abteilung krank sei; wenn die Leiharbeitnehmerinnen P2xxxx und F1xxxxx nicht da wären, müsse er jemand anderes dafür einteilen; auch wenn alle Festangestellten gesund seien und arbeiteten, seien die beiden Leiharbeitnehmerinnen da. Eine zu diesen Angaben im Widerspruch stehende Überzeugung im Sinne der Behauptung der Beklagten hat die Kammer nicht aufgrund der am 05.03.2007 durchgeführten erneuten Vernehmung des Zeugen M3xxxxxx gewinnen können. Zwar hat der Zeuge dort relativiert, vielleicht sei er missverstanden worden; es sei ja eigentlich so, dass fast immer Ausfälle vorhanden seien und von daher auch fast immer Leiharbeitnehmer benötigt würden. Dies reicht nicht aus, um die Kammer zu überzeugen, dass das Gegenteil von dem richtig ist, was der Zeuge am 14.12.2006 in unmissverständlicher Eindeutigkeit ausgesagt hat. Weil die Beklagte somit nicht bewiesen hat, dass eine Weiterbeschäftigung der Klägerin über den 31.05.2006 hinaus auf den seinerzeit von Leiharbeitnehmerinnen ausgefüllten Positionen der Abteilung Näherei / Vlies aus Sicht des 29.03.2006 ausgeschlossen war, ist die Kündigung sozial ungerechtfertigt.

An diesem Ergebnis ändert auch der Umstand nichts, dass die Zahl der im März 2006 betriebsbedingt gekündigten Näherinnen größer war als die Zahl der am 29.03.2006 in der Abteilung Näherei / Vlies eingesetzten Leiharbeitnehmerinnen. Die Beklagte hat nicht aufgezeigt, dass zum 31.05.2006 mehr als zwei der betroffenen fünf Näherinnen durch Kündigung ausscheiden sollten. In den beiden anderen vor der Berufungskammer anhängigen Kündigungsschutzverfahren geht es um eine Kündigung zum 30.04.2006 und eine Kündigung zu einem späteren Monatsende nach dem 31.05.2006. Nach den mitgeteilten Tatsachen kann die Kammer nicht feststellen, dass einer Weiterbeschäftigung der Klägerin auf der Position einer der beiden Leiharbeitnehmerinnen zeitlich konkurrierende Kündigungen von Arbeitskolleginnen entgegenstünden. Unabhängig davon steht dem Einwand einer größeren Anzahl an Kündigungen auch entgegen, dass die Beklagte insoweit keine Auswahlentscheidung unter den gekündigten Näherinnen getroffen hat. In einer Situation wie der vorliegenden kann der Arbeitgeber die nicht für alle gekündigten Arbeitnehmer ausreichenden alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten nach den Kriterien der Sozialauswahl bestimmten Arbeitnehmern zuweisen. Durch eine Sozialauswahl nach den Grundsätzen des § 1 Abs. 3 KSchG hat der Arbeitgeber zu entscheiden, welchen der zur Kündigung anstehenden Arbeitnehmer er weiter beschäftigt (BAG 15.02.1994 AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 66). Eine solche Sozialauswahl hat die Beklagte hier jedoch nicht vorgenommen.

Auch der Schriftsatz der Beklagten aus der Zeit zwischen der ersten und zweiten mündlichen Verhandlung verhält sich dazu nicht, als der Beklagten von der Berufungskammer Gelegenheit gegeben war, explizit zur Problematik der Vermeidbarkeit der Kündigung durch den Abbau von Leiharbeit Stellung zu nehmen.

c) Die weiter aufgeworfenen Fragen zur Wirksamkeit der Kündigung mussten bei diesem Ergebnis nicht vertieft werden. Es musste nicht geklärt werden, ob ein Einsatz der Klägerin auch auf weiteren von Leiharbeitnehmern in anderen Abteilungen eingenommenen Arbeitsplätzen als anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit im Sinne des ultima-ratio-Grundsatzes in Betracht kam. Auch musste die Beweisaufnahme zur Betriebsratsanhörung nicht fortgeführt werden, nachdem die beiden originär benannten Zeugen - für die Kammer überraschend - jeweils Personen waren, die bei Einleitung des Anhörungsverfahrens gar nicht zugegen waren. Die erst nachträglich von der Klägerin gegenbeweislich zur Betriebsratsanhörung benannten Zeugen L3xxx und B9xxxxxxxxxxx, offenkundig Empfänger der Unterlagen bei Einleitung des Anhörungsverfahrens, mussten nicht mehr vernommen werden. Auf die in deren Wissen gestellte Behauptung der Klägerin, dem Betriebsrat sei entgegen der Darstellung der Beklagten die Liste zur Sozialauswahl nicht gemeinsam mit den Anhörungsunterlagen ausgehändigt worden, kommt es nach den Ausführungen unter b) nicht entscheidungserheblich an.

2. Da die Kammer dem Kündigungsschutzantrag wegen der Rechtsunwirksamkeit der Kündigung vom 29.03.2006 stattgegeben hat, sind auch die Voraussetzungen für den in zulässiger Klagehäufung verfolgten Beschäftigungsanspruch während des anhängigen Kündigungsschutzverfahrens nach der Grundsatzentscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 27.02.1985 zu bejahen (BAG GS AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 14). Mit der stattgebenden Entscheidung zum Kündigungsschutzantrag überwiegt das Interesse der Klägerin, bis zum Abschluss des Rechtsstreits weiter beschäftigt zu werden, das gegenläufige Interesse der Beklagten. Besondere Gesichtspunkte, die hier eine vom Regelfall abweichende Interessenbewertung erfordern könnten, sind von der Beklagten nicht aufgezeigt.

II

Unbegründet ist hingegen die Berufung der Klägerin gegen die Abweisung des Feststellungsantrags als unzulässig. Nach § 256 Abs. 1 ZPO ist eine Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses nur zulässig, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran an, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Daran fehlt es hier. Die Beklagte hat die von ihr als widerruflich angesehenen Leistungen bislang stets gewährt. Eine Kürzung hat es bisher nicht gegeben. Allein der Umstand, dass es vielleicht in Zukunft zu Kürzungen kommen kann, begründet noch kein Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine gerichtliche Entscheidung zu einer hypothetischen zukünftigen Situation, die möglicherweise nie eintreten wird. Die Klägerin ist auf ihre Klagemöglichkeit für den Fall eines tatsächlich realisierten Widerrufs zu verweisen. Erst bei den dann konkret vorliegenden Umständen ist die nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erforderliche differenzierte Betrachtungsweise bei der Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB zuverlässig möglich (vgl. BAG 12.01.2005 AP BGB § 308 Nr. 1).

III

Da beide Parteien im Rechtsstreit teilweise obsiegen und teilweise unterliegen, sind sie nach § 92 Abs. 1 ZPO anteilig entsprechend dem Ausmaß ihres Obsiegens und Unterliegens zur Kostentragung verpflichtet. Wegen grundsätzlicher Bedeutung der kündigungsrechtlichen Ausführungen hat die Kammer für die Beklagte die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

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