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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 19.02.2009
Aktenzeichen: 11 Sa 1357/08
Rechtsgebiete: EingliederungsG Versorgungsämter NW


Vorschriften:

EingliederungsG Versorgungsämter NW
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 18.08.1008 - 5 Ca 2495/07 - wird auf Kosten des beklagten Landes zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die bislang bei dem Versorgungsamt Soest tätige Klägerin wendet sich dagegen, dass sie nach der durch Landesgesetz geregelten Auflösung des Versorgungsamtes mit Wirkung ab dem 01.01.2008 dem Kreis Siegen-Wittgenstein im Wege der Personalgestellung zur Verfügung gestellt worden ist (Gesetz zur Eingliederung der Versorgungsämter in die allgemeine Verwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen - GV NRW 2007, 482 ff., ausgegeben am 20.11.2007 - fortan: EingliederungsG Versorgungsämter NW NW).

Die am 02.12.1950 geborene verheiratete Klägerin war seit dem 01.02.1981 bei dem Versorgungsamt Soest zu einem Bruttomonatseinkommen von zuletzt 2981,24 € tätig. Sie arbeitete zuletzt als Sachbearbeiterin im mittleren Dienst im Aufgabenbereich BEEG (Elterngeld). Gemäß den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Parteien bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen (Kopie des Vertrages 23.12.1980 Bl. 14 GA). Unstreitig pflegt die Klägerin ihre 84jährige Schwiegermutter und ihre Mutter in Welver (20 km entfernt), nachdem der Schwiegervater im Jahr 2005 und der Vater am 03.06.2007 verstorben waren. Mit Wirkung ab dem 05.11.2007 ist der Klägerin eine Schwerbehinderung mit einem GdB von 50 zuerkannt. Der entsprechende Ausweis ist am 07.12.2007 ausgestellt worden (Kopie Bl. 280 GA)

Am 20.11.2007 wurde das EingliederungsG Versorgungsämter NW NW als Artikel 1 des Zweiten Gesetzes zur Straffung der Behördenstruktur in Nordrhein-Westfalen vom 30.10.2007 (Straffungsgesetz) verkündet.

Dort ist auszugsweise geregelt:

§ 1

Auflösung der Versorgungsämter

(1) Die den Versorgungsämtern übertragenen Aufgaben werden nach Maßgabe dieses Gesetzes den Kreisen und kreisfreien Städten, den Landschaftsverbänden und den Bezirksregierungen übertragen.

(2) Die Beamten und die tariflich Beschäftigten der Versorgungsämter gehen nach Maßgabe dieses Gesetzes auf die Kreise und kreisfreien Städte, auf die Landschaftsverbände, auf die Bezirksregierungen und auf das Landesamt für Personaleinsatzmanagement über bzw. werden im Wege der Personalgestellung zur Aufgabenwahrnehmung zur Verfügung gestellt.

(3) Die Versorgungsämter Aachen, Soest, Dortmund, Düsseldorf, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Köln, Münster, Soest und Wuppertal werden mit Ablauf des 31. Dezember 2007 aufgelöst.

§ 5

Aufgaben nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz

(1) Die den Versorgungsämtern übertragenen Aufgaben nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz werden mit Wirkung vom 01. Januar 2008 auf die Kreise und kreisfreien Städte übertragen.

(2) ...

§ 10

Tarifbeschäftigte

(1) Die mit Aufgaben nach §§ 2 bis 5 und nach § 8 Abs. 2 betrauten tariflich Beschäftigten der Versorgungsämter werden kraft Gesetzes mit Wirkung vom 31. Dezember 2007 in das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales übergeleitete und nach Maßgabe der Absätze 5 bis 7 und der §§ 11 bis 21 den dort genannten kommunalen Körperschaften kraft Gesetzes mit Wirkung vom 01. Januar 2008 im Wege der Personalgestellung zur Aufgabenwahrnehmung zur Verfügung gestellt.

...

(5) Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales bereitet den Personalübergang nach den Absätzen 1 bis 4 vor der Übertragung der Aufgaben auf der Grundlage eines von ihm erstellten Zuordnungsplans vor. Der Zuordnungsplan ist unter Berücksichtigung sozialer Kriterien und dienstlicher Belange zu erstellen; eine angemessene Mitwirkung der neuen Aufgabenträger ist zu gewährleisten.

(6) Soweit die tariflich Beschäftigten kommunalen Körperschaften zur Aufgabenwahrnehmung zur Verfügung gestellt werden, werden die Einzelheiten der Personalgestellung in den zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen, vertreten durch das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales, und den in §§ 11 bis 21 genannten Körperschaften für jedes Versorgungsamt geschlossenen Personalgestellungsverträgen geregelt.

(7) Soweit tariflich Beschäftigte den kommunalen Körperschaften im Wege der Personalgestellung zur Aufgabenwahrnehmung zur Verfügung gestellt werden, bleiben die Beschäftigungsverhältnisse zum Land Nordrhein-Westfalen auf der Grundlage der für das Land geltenden Tarifverträge und Vereinbarungen über die zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung bestehen.

§ 20

Versorgungsamt Soest

(1) Die mit Aufgaben nach §§ 2 und 5 betrauten Beamten gehen, soweit es für die Aufgabenerfüllung erforderlich ist, entsprechend den von ihnen wahrgenommenen Aufgaben anteilig auf die kreisfreie Stadt Hamm, den Hochsauerlandkreis, den Märkischen Kreis sowie die Kreise Olpe, Siegen-Wittgenstein und Soest über.

...

(4) Die Regelungen der Absätze 1 und 2 gelten für tariflich Beschäftigte im Wege der Personalgestellung nach § 10 entsprechend.

Die in § 10 Abs. 1 EingliederungsG Versorgungsämter NW zweifach verwandte Formulierung "kraft Gesetzes" geht zurück auf einen Änderungsantrag der Regierungsfraktion. Zur Begründung des Änderungsantrages ist in der entsprechenden Landtagsdrucksache 14/5208 ausgeführt:

"zu Ziffer 3 a und 3 b:

Die Änderungen sind erforderlich, um keinen Zweifel aufkommen zu lassen, dass es sich um eine gesetzliche Personalüberleitung handelt. Personalrechtlicher Einzelmaßnahmen bedarf es daher nicht mehr."

Auch die Formulierung des § 10 Abs. 5 EingliederungsG Versorgungsämter NW geht auf den Änderungsantrag der Regierungsfraktionen zurück. Die darauf bezogene Begründung lautet:

"zu Ziffer 3 f:

§ 10 Abs. 5 enthält Rahmenregelungen für das Verfahren und die Kriterien der Personalauswahl. Aus dem vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales vor der Übertragung der jeweiligen Aufgabe erstellten Zuordnungsplan geht hervor, welche Tarifbeschäftigten zu welchen neuen Aufgabenträgern und in das Landesamt für Personaleinsatzmanagement übergeleitet werden. Die neuen Aufgabenträger erhalten weitgehende Mitwirkungsmöglichkeiten.

Die gesetzliche Festlegung dient der Bestimmtheit der gesetzlichen Maßnahme der Personalüberleitung. Die Änderung ist erforderlich, um keinen Zweifel aufkommen zu lassen, dass es sich um eine gesetzliche Personalüberleitung handelt (s. Begründung zu Ziffer 3 a und b).

zu Ziffer 3 g:

Die Einzelheiten der Personalgestellung werden in Personalgestellungsverträgen geregelt, die das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales mit den kommunalen Körperschaften abschließt. So können beispielsweise die arbeits- und tarifrechtlichen Entscheidungen - mit Ausnahme der den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses betreffenden Entscheidungen - auf die neuen Aufgabenträger übertragen werden (s. Protokollerklärung zu § 4 Abs. 3 TV-L). Die Änderung ist erforderlich, um keinen Zweifel aufkommen zu lassen, dass es sich um eine gesetzliche Personalüberleitung handelt (s. Begründung zu Ziffer 3 a und b)."

Auf die zur Akte gereichten Kopien aus der Landtagsdrucksache 14/5208 wird ergänzend verwiesen (Seite 31 - 37 der Landtagsdrucksache = Bl. 146 ff GA).

Begleitend zum Gesetzgebungsverfahren wurde im Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) der Zuordnungsplan erarbeitet. Die endgültige Fassung war am 14.11.2007 erstellt.

Für die Berücksichtigung sozialer Kriterien bei der Zuordnung der Beamten und Tarifbeschäftigten zu den verschiedenen zukünftigen Einsatzorten wurde ein Punkteschema erstellt und zugrunde gelegt:

"Personalzuordnung: Punkteverteilung

Lebensalter: pro Jahr (Stichtag: 1.8.07) 0,2 Punkte

Beschäftigungszeit: pro Jahr (Stichtag: 1.8.07) 0,2 Punkte

Familienstand: verh./zusammenlebend 2 Punkte

Kinder, pro Kind bis zum 18. Lebensjahr: 5 Punkte

Alleinerziehend: 5 Punkte

Pflege von Angehörigen: insg. 2 Punkte

Teilzeit: Reduzierung um 20 % und mehr 5 Punkte

+ Reduzierung um 50 % und mehr 5 Punkte

Schwerbehinderung: + je 10 Grad 1 Punkt

Entfernungskilometer: je km zum nächst mögl. Einsatzort 0,1 Punkte

Die Beschäftigten mit der höchsten Punktzahl werden dem nächst möglichen Einsatzort zugeordnet.

Ergeben sich nach den Ergebnissen der Interessenabfrage bei der Gesamtwürdigung aller Kriterien besondere Fälle, kann von der nach dem Punktesystem vorgenommen Zuordnung abgewichen werden."

Bei der Zuordnung wurde wie folgt verfahren: Zunächst wurden die Beschäftigten innerhalb des Zuständigkeitsbereichs des ehemaligen Versorgungsamtes dem jeweiligen Aufgabenbereich zugeordnet (Schwerbehindertenrecht, Soziales Entschädigungsrecht, Bundeselterngeld / Elternzeitgesetz usw.). Die Zuordnung zu den im Gesetz für den jeweiligen Aufgabenbereich genannten künftigen Aufgabenträgern erfolgte nach dem Grundsatz "Das Personal folgt der Aufgabe". Anschließend fand eine Zuordnung innerhalb der jeweiligen Dienstgruppen statt: Höherer Dienst - Gehobener Dienst - Mittlerer Dienst - Assistenzdienst. Die örtliche Zuordnung wurde jeweils innerhalb dieser Gruppen anhand der individuell berechneten Sozialpunkte nach dem Punkteschema vorgenommen. Zu den fixen Sozialpunkten wurden bei den Beschäftigten für die einzelnen Zuordnungsziele die jeweiligen Entfernungskilometer addiert, die sich bei einer Zuordnung zum nächst möglichen Zuordnungsziel ergaben. Abschließend erfuhr das Zuordnungsergebnis in Einzelfällen noch eine Korrektur durch die Einstufung von Beschäftigten als persönlicher Härtefall oder als Entfernungshärtefall:

- persönlicher Härtefall beispielsweise:

Beschäftigte, die aufgrund Orientierungsstörungen nicht in der Lage sind, einen anderen als den bisherigen Wohn- und Arbeitsplatz aufzusuchen/ Beschäftigter, der zwei Monate vor dem Aufgabenübergang zum alleinerziehenden Vater mit drei unter zehn Jahre alten Kindern wurde im Fall einer ansonsten anstehenden Zuordnung von Aachen nach Köln / an Krebs erkrankter Beschäftigter, der sich noch um seinen Sohn (ebenfalls an Krebs erkrankt) und seine Tochter (Borderline-erkrankt) kümmert,

- Entfernungshärtefälle wie folgt:

bei Vollzeitbeschäftigten im Mittleren Dienst und im Assistenzdienstbereich bei mehr als 20 Sozialpunkten und einer Entfernung von mehr als 85 km / bei Teilzeitbeschäftigten im Mittleren Dienst und im Assistenzbereich und hier auch im Gehobenen Dienst die entsprechenden Kriterien mit der Besonderheit, dass mehr als 50 - 85 Entfernungskilometer erreicht werden müssen - je nach Stellenanteil: 0,4 Stellenanteil: mehr als 50 km / 0,55 Stellenanteil: mehr als 55 km / 0,6 Stellenanteil: mehr als 60 km / 0,9 Stellenanteil: mehr als 85 km.

Wegen weiterer Einzelheiten zu den Härtefällen wird auf das schriftsätzliche Vorbringen des beklagten Landes und die eingereichten Anlagen Bezug genommen: Bl. 117 ff; Anlagen B 7 - B 9, Bl. 167 - 171 GA. Die Zuordnung der Beschäftigten erfolgte nach der Darstellung des beklagten Landes aufgrund der zum Stichtag 01.08.2007 vorliegenden Informationen. Spätere Mitteilungen konnten nur im Rahmen der Härtefallprüfungen berücksichtigt werden (Bl.114 GA, Bl. 349 GA)).

Die zur Erstellung des Zuordnungsplans erforderlichen Daten wurden im Rahmen eines Interessenbekundungsverfahrens erhoben. Den Interessenabfragebogen (- Versorgungsamt Soest - Bundeselterngeld/Erziehungsgeld -) füllte die Klägerin am 12.07.2007 aus. Sie gab Ortswünsche in der folgenden Reihenfolge an: 1. Soest, 2. Hamm, 3. Meschede - "auf keinen Fall !!!! MK, Kreis Siegen, Kreis Olpe" - "vorrangig Erz.geld Münster". Zu dem Komplex "Pflege von Angehörigen / zu pflegende Person" enthält der von der Klägerin zurückgegebene Bogen keine Ankreuzung und keine Angabe. Auf die Kopie der Interessenabfrage wird ergänzend Bezug genommen (Bl. 162 f GA). Am 17.09.2007 erfuhr die Klägerin, dass sie nach Siegen zugeordnet werden solle. Mit Schreiben vom 10.10.2007 teilte die Klägerin dem beklagten Land nun mit, dass sie die Schwiegermutter und Mutter betreute (s. o.). Auf die Kopie des Schreibens wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen (Bl. 275, 276 GA). Im weiteren Verlauf der Auseinandersetzung um die Zuordnung nach Siegen wies die Klägerin auch auf die ab dem 05.11.2007 zuerkannte Schwerbehinderung hin (s. o.).

Wegen der Einzelheiten der Zuordnungen im Bereich "Elterngeld / Mittlerer Dienst" des Versorgungsamts Soest wird auf die von dem beklagten Land vorgelegte Tabelle Bezug genommen ("Zuordnungsplan" - Anlage BB 7, Bl. 392, 393 GA). Die dortigen Namen und Angaben sind zwischen den Parteien unstreitig. Für die Klägerin ergaben sich - ohne Entfernungskilometer, ohne Berücksichtigung der Pflege von Schwiegermutter und Mutter und ohne Schwerbehinderung - 18,64 Sozialpunkte (Berechnung Bl. 113 GA sowie Anlage BB 7, Bl. 393 GA). Die Klägerin ist im Zuordnungsplan dem Kreis Siegen-Wittgenstein zugeordnet (Bl. 393 GA). Die Entfernung nach Siegen-Wittgenstein beträgt für die Klägerin 139 km (Bl. 393 GA).

Der Zuordnungsplan vom 14.11.2007 (Bl. 392, 393 GA) wurde unter dem 14.11.2007 an die Amtsleitungen der Versorgungsämter mit der Bitte übersandt, "die geplante Zuordnung" den Beschäftigten in geeigneter Form zu übermitteln (Kopie Bl. 12 f GA). Die Klägerin kann wegen ihrer Zuordnung nach Siegen-Wittgenstein Auslagenersatz nach der TEVO NW beanspruchen. Das beklagte Land hat Fahrdienste eingerichtet. In der mündlichen Verhandlung haben die Parteien unstreitig gestellt, dass die Klägerin bis zum 19.02.2009 ihre Arbeit in Siegen nicht angetreten hat (arbeitsunfähig bis 10.11.2008, anschließend Reha bis zum 16.12.2008, Jahresurlaub bis zum 10.02.2008, anschließend erneut arbeitsunfähig erkrankt).

Das Zuordnungsverfahren wurde (zunächst) ohne die Beteiligung von Personalräten durchgeführt. In verwaltungsgerichtlichen Verfahren vor verschiedenen Verwaltungsgerichten ist die Mitbestimmungspflichtigkeit des Zuordnungsplanes unterschiedlich beurteilt worden. Durch Beschlüsse des VG Düsseldorf im Verfahren des Einstweiligen Rechtsschutzes vom 16.11.2007 und vom 13.12.2007 war vorläufig festgestellt worden, dass der Zuordnungsplan für die Versorgungsämter als Sozialplan in Folge einer Rationalisierungsmaßnahme der Mitbestimmung des Hauptpersonalrats gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 5 LPVG NW unterliege (VG Düsseldorf 34 L 1750/07. PVL). Gegen den Beschluss ist von dem Land Rechtsmittel zu dem OVG NRW eingelegt worden. Daneben ist vom MAGS (Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) ein Mitbestimmungsverfahren zum Zuordnungsplan eingeleitet worden. Zudem ist der Zuordnungsplan am 13.12.2007 von dem MAGS als vorläufige Regelung im Sinne des § 66 Abs. 8 LPVG NW bis zur endgültigen Entscheidung im laufenden Mitbestimmungsverfahren bis zum 31.05.2008 in Kraft gesetzt worden (Anlage B 18 Bl. 246 - 249 GA). Das Einigungsstellenverfahren zum Zuordnungsplan wurde in der Sitzung vom 18.04.2008 mit einem einstimmig angenommenen Beschluss abgeschlossen. In der Präambel des Beschlusses ist ausgeführt, dass das Land zum Ausgleich für durch die Zuordnung veranlasste weite Anfahrtswege einen Betrag von 2 Mio. Euro zur Verfügung stellt, welche neben den weiteren Regelungen des Einigungsstellenbeschlusses insgesamt der Kompensation von Nachteilen im Zusammenhang mit dem Zuordnungsplan vom 01.01.2008 dienen sollen. In einer Anlage 1 sind 74 Mitarbeiter namentlich aufgeführt, die als Härtefälle in das Landesamt für Personaleinsatzmanagement (PEM) übergeleitet werden bzw. einen ortsnäheren Einsatz erfahren. Als Anlage 2 ist das unverändert gebliebene Punkteschema "Personalzuordnung: Punkteverteilung" aufgenommen. In der Anlage 3 sind 90 Mitarbeiter ausgewiesen, die eine Entfernung von 80 km oder mehr zurückzulegen haben und denen zusätzlich zu evtl. bereits gegebenen Ansprüchen auf Trennungsentschädigung oder Auslagenersatz ein weiterer einmaliger Betrag in Höhe von 1.000,00 € brutto zur pauschalen Entschädigung der durch die Arbeitsverlagerung entstehenden Aufwendungen zuerkannt wird. Unter Nr. 11 ist dort die Klägerin aufgeführt. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die eingereichte Kopie des Protokolls der Einigungsstellensitzung vom 18.04.2008 Bezug genommen (Anlage B 20, Bl. 250 - 257 GA).

Die Klägerin hat gemeint, ein Personalübergang kraft Gesetzes sei nicht erfolgt. Vielmehr hätte das beklagte Land sein Direktionsrecht betätigen müssen. Bei der Überleidung in das MAGS für eine "logische Sekunde", nur um die anschließende Personalgestellung an den Kreis Siegen-Wittgenstein zu ermöglichen, handele es sich um eine missbräuchliche Konstruktion. Überhaupt liege in dem beabsichtigten Personalübergang kraft Gesetzes ein Verstoß gegen die Verpflichtung des beklagten Landes zum Schutz der Menschenwürde und gegen ihr Grundrecht auf Berufsfreiheit. Die Mitbestimmungsrechte des Personalrates / der Personalräte seien nicht beachtet worden. Zum einen sei "der Personalübergang" als solcher mitbestimmungspflichtig. Zum anderen stelle der Zuordnungsplan eine Maßnahme des Gesetzesvollzugs dar und sei als Sozialplan mitbestimmungspflichtig. Auch eine Anhörung nach § 4 Abs. 1 TV-L sei nicht erfolgt. Mit der Zuweisung an den Kreis Siegen-Wittgenstein habe das beklagte Land die Grenzen seines zu betätigenden Direktionsrechts überschritten. Richtigerweise sei eine Änderungskündigung erforderlich gewesen, da die Klägerin seit rund 27 Jahren an ihrem arbeitsvertraglich festgeschriebenen Dienstort tätig gewesen sei. Jedenfalls habe das beklagte Land billiges Ermessen nicht walten lassen. Der Einsatz im Kreis Siegen-Wittgenstein stelle für die Klägerin eine besondere Härte dar. Für die - als solches unstreitige - Pflege der Mutter und ihrer Schwiegermutter hätten ihr zwei Sozialpunkte mehr vergeben werden müssen. Außerdem hätte sie aufgrund ihrer Schwerbehinderung fünf weitere Punkte bekommen müssen. Mit den sodann erzielten 25,64 Punkten sei sie als Entfernungshärtefall einzustufen und somit zumindest wohnortnäher einzusetzen.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, ihre Arbeitsleistung in Siegen-Wittgenstein ab dem 01.01.2008 erbringen;

2. dem beklagten Land zu untersagen, die Klägerin ab dem 01.01.2008 im Rahmen der Personalgestellung dem Kreis Siegen zur Verfügung zu stellen.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das beklagte Land hat die Klage für unbegründet erachtet. Die Klägerin sei verpflichtet, ihre Arbeitsleistung im Kreis Siegen-Wittgenstein zu erbringen. Der Personalübergang habe sich kraft Gesetzes vollzogen, wie sich eindeutig aus den Gesetzgebungsmaterialien (Bl. 146 ff. GA) ergeben. Dies gelte sowohl für die Versetzung in das MAGS als auch für die Personalgestellung an die Kommunen. Der Zuordnungsplan sei per Verweisung in verfassungsrechlich unbedenklicher Weise in das Eingleiderungsgesetz integriert worden. Er entfalte selbst keine unmittelbare Auswirkung und diene lediglich der Bestimmtheit des Gesetzes. In dem gesetzlichen Personalübergang liege weder ein Verstoß gegen die Verpflichtung des beklagten Landes zum Schutz der Menschenwürde noch ein Verstoß gegen das Grundrecht der Klägerin auf Berufsfreiheit. Der Klägerin werde gerade kein neuer Arbeitgeber aufgezwungen. Im Übrigen würde lediglich gesetzlich umgesetzt, was der Arbeitsvertrag der TV-L ohnehin hergäben. Eine Änderungskündigung sei nicht erforderlich gewesen. Das beklagte Land habe bei der Zuordnung der Klägerin auch billiges Ermessen walten lassen. Die persönliche und dienstliche Situation der Klägerin sei angemessen berücksichtigt worden. Die Pflege von Angehörigen sowie die Schwerbehinderteneigenschaft hätten außer Betracht bleiben müssen, da der Stichtag für die berücksichtigungsfähigen Informationen der 01.08.2007 gewesen sei. Mitbestimmungsrechte des Personalrates / der Personalräte seien nicht verletzt worden. Zum einen sei der komplette Personalübergang kraft Gesetzes erfolgt. Zum anderen stelle der Zuordnungsplan keinen Sozialplan dar und sei die Eingliederung der Versorgungsämter in die allgemeine Behördenstruktur des beklagten Landes auch keine Rationalisierungsmaßnahme. Im Übrigen sei der Zuordnungsplan - insofern unstreitig - vor läufig in Kraft gesetzt worden und das Einigungsstellenverfahren - ebenfalls unstreitig - inzwischen abgeschlossen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 18.08.2008 festgestellt, dass die Klägerin nicht zur Arbeitsleistung in Siegen-Wittgenstein verpflichtet ist. Es hat dem beklagten Land untersagt, die Klägerin im Wege der Personalgestellung dem Kreis Siegen Wittgenstein zur Verfügung zu stellen. Jedenfalls die Personalgestellung an den Kreis Siegen-Wittgenstein sei nicht kraft Gesetzes erfolgt. Wie das VG Minden für den Fall eines Beamten entschieden habe, sei der Zuordnungsplan nicht wirksam in das Gesetz einbezogen worden. Der Gesetzgeber habe den Zuordnungsplan nicht zum Bestandteil des Gesetzes gemacht, sondern lediglich an das Ministerium den Gesetzesbefehl gerichtet, den Zuordnungsplan zu erstellen. Ohne Einbeziehung des Zuordnungsplanes in das Gesetz sei nicht bestimmt oder bestimmbar, dass und ob die Klägerin nach Siegen-Wittgenstein zugeordnet worden sei. Da es an einem Personalübergang kraft Gesetzes fehle, hätte es einer rechtsgeschäftlichen Einzelmaßnahme bedurft.

An einer solchen fehle es. Auch der Untersagungsantrag sei begründet. Eine Zuordnung nach Siegen-Wittgenstein widerspräche billigem Ermessen i.S.v. §§ 106 GewO, 315 BGB. Da der Übergang zum 01.01.2008 fehlgeschlagen sei, sei ein Abstellen auf einen Stichtag 01.08.2007 nicht sachgerecht. Es könne offenbleiben, ob die Klägerin die Pflege von Angehörigen bereits bei der Interessenabfrage im Juli hätte angeben können. Zumindest die Schwerbehinderung sei zu berücksichtigen. Mit 23,64 Punkten sei die Klägerin unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung des Landes als Entfernungshärtefall einzustufen.

Das Urteil ist dem beklagten Land am 28.08.2008 zugestellt worden. Das beklagte Land hat am 04.09.2008 Berufung eingelegt und diese am 28.10.2008 begründet.

Das beklagte Land wendet ein, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass es sich um einen gesetzlichen Personalübergang handele. Das Arbeitsgericht habe das Gesetz nicht angewendet. Eine Nichtanwendung der gesetzlichen Zuordnung könne lediglich das BVerfG verfügen. Der Zuordnungsplan sei gesetzlich vorgeschriebener Bestandteil der Überleitungsentscheidung des Gesetzgebers. Es liege eine hinreichend klare und damit verfassungsmäßige Verweisung des Gesetzes auf den Zuordnungsplan vor. Gegen diese Art der Einbeziehung des Zuordnungsplans in das Gesetz bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Einer Bekanntgabe des Zuordnungsplans im Gesetz- und Verordnungsblatt habe es nicht bedurft. Die Zuordnung sei der Klägerin unstreitig bekannt gegeben worden. Ohne jeden Zweifel habe sie gewusst, bei welchem Aufgabenträger sie nach dem 01.01.2008 ihre Arbeit habe verrichten sollen. Der Zuordnungsplan habe keine unmittelbare Außenwirkung. Er diene lediglich der Bestimmtheit des Gesetzes. Er konkretisiere die gesetzliche Entscheidung. Wie gesetzlich vorgeschrieben seien bei der Zuordnung dienstliche Belange und soziale Kriterien berücksichtigt worden. Soweit das Arbeitsgericht meine, dass das Land keine rechtsverbindliche Weisung gegeben habe, verkenne es das Gesetz. Angesichts der Ausführungen in den bisher gewechselten Schriftsätzen werde mehr als deutlich, dass sich das Land selbstverständlich verbindlich an der Zuordnung und den daraus resultierenden Folgen verbindlich festhalten lassen wolle. Anderenfalls müsse die Klägerin den bezogenen Auslagenersatz zurückzahlen. Allein daraus, dass das OVG meine, dass es sich bei der Zuordnung [von Beamten mit dem damit verbundenen Dienstherrnwechsel] nicht um einen Verwaltungsakt handele, lasse sich entgegen der Argumentation des Arbeitsgerichts nicht ableiten, dass nun hier ergänzend die Regeln des Verwaltungsaktes bzw. der Einzelweisung anzuwenden wären. Es gebe kein Indiz für einen fehlenden Rechtsbindungswillen, nachdem die geplante Zuordnung bekannt gegeben worden sei. Schließlich habe das Gesetz auch noch verkündet werden müssen. Die Zuordnung verstoße nicht gegen den Arbeitsvertrag. Als Arbeitnehmerin des Landes habe die Klägerin grundsätzlich mit Versetzungen rechnen müssen, insbesondere wenn die bisherige Dienststelle aufgelöst werde. Anzuwenden sei der TV-L. Danach sei die Personalgestellung möglich. Die Klägerin sei auch angehört worden. Bereits im Juli 2007 habe sie den Interesseabfragebogen ausgefüllt. Die Zuordnung verstoße nicht gegen das Direktionsrecht. Die Klägerin bleibe unverändert Beschäftigte des Landes. Bei der gesetzlichen Konstruktion stehe der Schutz des bestehenden Arbeitsverhältnisses im Vordergrund. Die Zuordnung sei angemessen. Die persönliche und dienstliche Situation der Klägerin sei angemessen berücksichtigt. Die Anwendung des Punkteschemas ergebe den Wert von 18,64 Sozialpunkten. Die Mitteilungen der Klägerin zu den betreuten Personen hätten nicht berücksichtigt werden können, da sie nicht im Interessenabfragebogen angegeben worden seien. Die Zuordnung sei nach den Informationen erfolgt, die zum Stichtag 01.08.2007 bekannt gewesen seien. Spätere Mitteilungen hätten nur im Rahmen der Härtefallprüfungen berücksichtigt werden können. Zwischen Wohnort der Klägerin und Einsatzort lägen weniger als 85 km (so Bl. 354 GA). Die Klägerin liege mit 18,64 Punkten unterhalb von 20 Sozialpunkten. Sie könne deshalb nicht als Entfernungshärtefall berücksichtigt werden. In der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer hat das beklagte Land klargestellt, dass die Entfernung richtig - wie in der Tabelle des Ministeriums ausgewiesen - 139 km beträgt.

Das beklagte Land beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 14.08.2008 - 5 Ca 2495/07 - wird aufgehoben.

2. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichtes.

Eingangs der Berufungsbeantwortung verweist die Klägerin auf Gesichtspunkte, die nicht bzw. nicht so Eingang in das erstinstanzliche Urteil gefunden hätten:

Zu einer Personalgestellung an den Landkreis Siegen-Wittgenstein sei sie zu keinem Zeitpunkt angehört worden. Für die vorläufige Umsetzung des Zuordnungsplans bis zum 31.05.2008 durch Ministerentscheidung habe keine Dringlichkeit bestanden. Jegliche Beteiligung des Personalrats des Kreises Siegen-Wittgenstein sei ebenso mit Nichtwissen zu bestreiten wie auch eine angemessene Beteiligung des Landkreises Siegen-Wittgenstein bei der Umstrukturierungsmaßnahme. Ihr Antrag auf Schwerbehinderung sei bestätigt worden. Die daraus resultierende Punktzahl stehe der Zuordnung zum Kreis Siegen-Wittgenstein entgegen. Das Verwaltungsgericht Minden habe im Fall eines Beamten festgestellt, dass dieser entgegen der Auffassung des Landes nicht Kommunalbeamter geworden sei, sondern Landesbeamter geblieben sei, weil der Zuordnungsplan nicht in das Eingliederungsgesetz inkorporiert worden sei und deshalb sich aus dem Gesetz keine Rechtsfolgen für den dortigen Kläger ergäben. Der Zuordnungsplan sei hinsichtlich verschiedener Härtefälle nachträglich verändert worden. Eine Nachvollziehbarkeit der Anwendung von Härtefallregelungen sei unmöglich, weil das beklagte Land zu verschiedenen Härtefallkategorien nur erläuternde Beispiele benenne und keine generellen Kriterien angebe. Unklar sei die Wertigkeit der von den Beschäftigten geäußerten Wünsche. Auffällig sei, dass bei dem Arbeitsplatz Hochsauerlandkreis Beschäftigte erstmalig in der Liste auftauchten, die bei den zuvor behandelten Einsatzorten keine Erwähnung gefunden hätten. Ihr Wunsch einer Zuordnung nach Münster sei nicht berücksichtigt worden. Unerklärlich sei die Beschränkung der Zieldienststellen auf vorher festgelegte Regionen. Sie hätte beispielsweise auch in Paderborn eingesetzt werden können. Die Entstehung der Härtefalllisten basiere z.T. auf Zufälligkeiten, weil insoweit keine besonderen Aufforderungen an die Beschäftigten ergangen seien, sich nochmals an das Ministerium zu wenden.

Gegen die Argumentation der Berufungsbegründung des beklagten Landes sei auszuführen: Die Zuordnung sei unter Verletzung von Mitbestimmungsrechten erfolgt. Zutreffend habe das Arbeitsgericht ausgeführt, dass ein Personalübergang kraft Gesetzes nicht wirksam stattgefunden habe. Wenn das Land stets unter Berufung auf die Materialien zum geänderten Gesetzesentwurf darauf verweise, der Gesetzgeber habe ausdrücklich eine gesetzliche Personalgestellung bewirken wollen, so müsse sich das Land einer besonders intensiven Kontrolle des letztlich ausgeübten Auswahlermessens stellen, weil durch die Vereinigung der Funktionen als Gesetzgeber einerseits und Arbeitsvertragspartner andererseits ohnehin bereits eine Störung der vertraglichen Parität zu besorgen sei. So sei zum Beispiel nicht nachvollziehbar, warum nicht gegebenenfalls Zuordnungen über den bisherigen Zuständigkeitsbereich der Versorgungsämter hinaus denkbar gewesen seien. Jedenfalls ergebe die Zuordnungsliste für das Versorgungsamt Soest durchaus solche Durchbrechungen, wenn zum Beispiel der Amtsleiter keiner neuen Dienststelle zugeordnet worden sei und andere Beschäftigte etwa nach Dortmund und Unna zugeordnet worden seien. Von der Notwendigkeit einer auszuübenden Ermessensentscheidung hinsichtlich der konkreten Zuordnungen könne sich das beklagte Land als Arbeitgeber nicht durch eine gesetzliche Maßnahme selbst befreien. Der Zuordnung nach Siegen-Wittgenstein stehe entgegen, dass sie seit nahezu 27 Jahren in Soest eingesetzt gewesen sei. Zumindest ohne Anhörung hätte sie deshalb nicht - wie geschehen - zugeordnet werden können. Rechtlich angreifbar sei der von dem beklagten Land angenommene Stichtag 01.08.2007. Mit diesem Stichtag sei die Verabschiedung des Gesetzes nicht abgewartet worden. Nicht die Verhältnisse bei Auflösung der Versorgungsämter sondern die Verhältnisse fünf Monate zuvor seien danach als maßgeblich zugrunde gelegt worden. Eine so weit vorgezogene Stichtagsregelung sei nicht akzeptabel, weil sie die Gefahr berge, dass Entwicklungen bis zum geplanten Zeitpunkt der Auflösung der Versorgungsämter keine Berücksichtigung fänden. Das Punkteschema bevorzuge unangemessen Teilzeitbeschäftigte. Bei Berücksichtigung der Pflege ihrer Angehörigen und bei Berücksichtigung der Schwerbehinderung sei sie als Entfernungshärtefall einzustufen gewesen. Nicht nachvollziehbar sei, dass das beklagte Land die Entfernung mit weniger als 85 km veranschlage (Klarstellung durch das Land in der Berufungsverhandlung: 139 km - s.o. -).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen, dabei insbesondere auch auf den von dem beklagten Land zur Akte gereichten Beitrag von Prof. Dr. H.A. Wolff / Europa-Universität Vadrina "Beamtenrechtliche Aspekte der Verwaltungsstrukturreform" zum Symposium "Verwaltungsstrukturreform des Landes Nordrhein-Westfalen" vom 13.06.2008 (Anlage BB 3, Bl. 371 - 387 GA).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des beklagten Landes bleibt ohne Erfolg. Beide Klageanträge sind zulässig und begründet. Wie vom Arbeitsgericht zutreffend entschieden ist die Klägerin nicht verpflichtet, ihre Arbeitsleistung im Kreis Siegen-Wittgenstein zu erbringen. Aus den für diese Feststellung maßgeblichen Gründen war es dem beklagten Land auch zu untersagen, die Klägerin bei der derzeit gegebenen Sachlage in Umsetzung des EingliederungsG Versorgungsämter NW dem Kreis Siegen Wittgenstein im Wege der Personalgestellung zuzuordnen (Gesetz zur Eingliederung der Versorgungsämter in die allgemeine Verwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen - GV NRW 2007, 482 ff., ausgegeben am 20.11.2007 - fortan: EingliederungsG Versorgungsämter NW).

I.

Die Berufung des beklagten Landes ist statthaft und zulässig gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2 b) ArbGG. Die Berufung ist form- und fristgerecht entsprechend den Anforderungen der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden. Insbesondere ist die Berufung zureichend begründet, indem das beklagte Land zunächst argumentiert, entgegen der Begründung des Arbeitsgerichts sei die Zuordnung gemäß dem Zuordnungsplan kraft Gesetzes erfolgt, weshalb es einer zusätzlichen Weisung nicht bedurft habe, und dann weiter ausführt, wegen des Stichtages 01.08.2007 stünden Pflege von Schwiegermutter und Mutter und ab dem 05.11.2007 festgestellte Schwerbehinderung der Zuordnung zum Kreis Siegen-Wittgenstein nicht entgegen.

II.

Die Berufung des beklagten Landes ist jedoch unbegründet. Die Zuordnung der Klägerin entspricht nicht den Vorgaben des EingliederungsG Versorgungsämter NW. Entgegen § 10 Abs. 5 S. 2 EingliederungsG Versorgungsämter NW berücksichtigt die Zuordnung der Klägerin nach Siegen-Wittgenstein soziale Kriterien nicht ausreichend.

1. Zwar ist die eigenständige Versorgungsverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen und explizit auch das Versorgungsamt Soest als bisherige Dienststelle der Klägerin gemäß § 1 Abs. 3 EingliederungsG Versorgungsämter NW mit Ablauf des 31.12.2007 aufgelöst worden. Auch sehen die § 5 Abs. 1, § 10 Abs. 1, Abs. 5 - 7, § 20 Abs. 1, Abs. 4 EingliederungsG Versorgungsämter NW eine Personalgestellung der am Versorgungsamt Soest tätigen Tarifbeschäftigten des Aufgabenbereiches BEEG (Aufgaben nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz) unter anderem an den Kreis S3-Wittgenstein vor. Auch ordnet der Zuordnungsplan des Ministeriums die Klägerin dem Kreis Siegen-Wittgenstein zu.

2. Die Zuordnung hat jedoch gemäß § 10 Abs. 5 S. 2 EingliederungsG Versorgungsämter NW unter Berücksichtigung sozialer Kriterien und dienstlicher Belange zu erfolgen. Bezogen auf die Klägerin berücksichtigt die ministerielle Zuordnung soziale Kriterien nicht ausreichend. Seinen eigenen Vorgaben zufolge hätte das beklagte Land die Klägerin als Entfernungshärtefall qualifizieren müssen. Dies hat das beklagte Land indes nicht getan sondern die Klägerin nach Siegen-Wittgenstein zugeordnet. Der darin liegend Gesetzesverstoß führt zur Unwirksamkeit und Unbeachtlichtkeit der Zuordnung nach Siegen-Wittgenstein.

a) Bei Anwendung der gesetzlichen Regelung des § 10 Abs. 5 EingliederungsG Versorgungsämter NW teilt die Berufungskammer nicht die Auffassung des beklagten Landes, eine unzureichende Berücksichtigung der sozialen Belange eines zugeordneten Tarifbeschäftigten könne nur über eine Vorlage an das Verfassungsgericht gerichtlich beanstandet werden, weil der Zuordnungsplan inkorporierter Teil des EingliederungsG Versorgungsämter NW sei. Die Kammer sieht in einer unzureichenden Berücksichtigung sozialer Belange vielmehr einen Verstoß gegen § 10 Abs. 5 EingliederungsG Versorgungsämter NW, der dann zur Unwirksamkeit der ministeriellen Zuordnung wegen Gesetzesverstoßes führt. Der Zuordnungsplan hat nicht die Rechtsqualität eines Gesetzes. Der Inhalt des Zuordnungsplans ist weder vom Parlament verabschiedet noch auch nur zur Kenntnis genommen worden. Auch ist der Zuordnungsplan nicht förmlich im Gesetzblatt verkündet worden. Dementsprechend hat die Kammer in ihrem Urteil vom 14.08.2008 zu einer strittigen Zuordnung aus dem Aufgabenbereich Schwerbehindertenrecht des Versorgungsamts Soest und in etlichen danach verkündeten Urteilen zu dieser Problematik die Berücksichtigung der sozialen Belange der konkurrierenden Beschäftigten des Aufgabenbereiches überprüft - und im Ergebnis bislang jeweils für gesetzeskonform befunden (LAG Hamm 14.08.2008 - 11 Sa 552/08 - n.rkr., Revision eingelegt - BAG 5 AZR 831/08 -; LAG Hamm 18.12.2008 - 11 Sa 1356/08 - n.rkr. -; LAG Hamm 08.01.2009 - 11 Sa 1131/08 - n.rkr. - u. a. m.; ebenso LAG Hamm 04.12.2008 - 17 Sa 997/08 - n.rkr. Az. BAG 9 AZR 21/09).

In diesem Sinne kommt auch der von dem beklagten Land im vorliegenden Rechtsstreit zur Akte gereichte Beitrag von Prof. Dr. H.A. Wolff / Europa-Universität Vadrina zum Symposium "Verwaltungsstrukturreform des Landes Nordrhein-Westfalen" vom 13.06.2008 (Bl. 371 - 387 GA) zu dem Ergebnis, der Zuordnungsplan sei teilnichtig, soweit er im Einzelfall eine nicht dem Normenprogramm des EingliederungsG Versorgungsämter NW genügende Zuordnung treffe (a. a. O. unter D 7 [dort fälschlich "6"] S. 13, 14 = Bl. 385, 386 GA). Die gesetzliche Verweisung des EingliederungsG Versorgungsämter NW gehe dann insoweit ins Leere, die Verweisung erfasse den betroffenen Mitarbeiter nicht (a. a. O. S.14 = Bl. 386 GA). Der Zuordnungsplan sei zwar einerseits [bezogen auf die Beamten] nicht als Verwaltungsakt zu qualifizieren, könne aber andererseits auch nicht als Teil des Gesetzes gesehen werden, da er einen anderen Urheber [als das Gesetz] habe (a. a. O. unter D 3 S. 11 = Bl. 383 GA). Der Zuordnungsplan sei ein verwaltungsorganisatorischer Rechtsakt in Wahrnehmung der Personal- und Organisationshoheit mit dienstrechtlichen Wirkungen (a. a. O. unter D 3, 4 S. 12 = Bl. 380 GA).

b) Für die Berücksichtigung der sozialen Kriterien bei der Zuordnung der Beamten und Tarifbeschäftigten zu den einzelnen Kreisen und kreisfreien Städte hat das Ministerium abstrakt generelle Vorgaben entwickelt und einheitlich zugrunde gelegt:

- ein Punkteschema zur Gewichtung konkurrierender sozialer Belange bei der Entscheidung der Zuordnungskonkurrenzen um möglichst ortsnahe zukünftige Arbeitsorte

- und ein Verfahren der anschließenden Korrektur einzelner Zuordnungsergebnisse bei sog. persönlichen Härtefällen und bei Entfernungshärtefällen.

Der Arbeitgeber ist bei seinen Maßnahmen und Entscheidungen zur Gleichbehandlung der Arbeitnehmer verpflichtet, sofern er dabei nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip verfährt (ErfK-Preis, 9. Aufl. 2009, § 611 BGB Rn. 575, 576). Durch das einheitlich angewandte Zuordnungsverfahren hat sich das beklagte Land hier verbindlich an die von ihm entwickelten Vorgaben gebunden. Die Beschäftigten können beanspruchen, dass ihnen gegenüber nach den verlautbarten Kriterien verfahren wird.

Das beklagte Land hat die Klägerin im Widerspruch zu den eigenen Vorgaben nicht als Entfernungshärtefall qualifiziert. Ohne die Punkte für die Pflege von Schwiegermutter und Mutter entfallen auf die Klägerin bereits 18,64 Punkte. Mit der unstreitig geleisteten Pflege der beiden Angehörigen erhöht sich dieser Wert auf 20,64 Punkte - nach der von dem beklagten Land praktizierten Rundungsregel auf 21 Punkte - . Die erste Voraussetzung "mehr als 20 Sozialpunkte" der Entfernungshärtefallregelung ist erfüllt. Nach der Klarstellung des beklagten Landes in der Berufungsverhandlung ist auch die zweite Voraussetzung "mehr als 85 km" unstrittig gegeben, die maßgebliche Entfernung beträgt für die Klägerin 139 km.

Eine von dem beklagten Land reklamierte Stichtagsregelung "01.08.2007" steht der Annahme eines Entfernungshärtefalles nicht entgegen. Nach den eigenen Angaben des beklagten Landes konnten spätere Mitteilungen [nur] im Rahmen der Härtefallprüfungen berücksichtigt werden. Die ergänzende Information der Klägerin zur Pflege von Angehörigen vom 10.10.2007 ist zwar nach dem 01.08.2007 aber sowohl vor der Verabschiedung des Gesetzes durch den Landtag am 30.10.2007 wie auch vor Bekanntgabe des Zuordnungsplanes am 14.11.2007, vor der Verkündung des Gesetzes im GVBl. NW am 20.11.2007 und vor der Realisierung der Zuordnungen ab dem 01.01.2008 erfolgt. Unabhängig davon, auf welchen der genannten Zeitpunkte man ggf. abstellen wollte, kann die Information vom 10.10.2007 für eine Härtefallfeststellung berücksichtigt werden. Gründe des Zeitablaufes können der Annahme eines Härtefalls unter keinem Gesichtspunkt erfolgreich entgegengehalten werden.

Die Einstufung als Härtefall führt nach dem Zuordnungsverfahren des beklagten Landes zu einer vom sonstigen Zuordnungsergebnis abweichenden Überleitung in das Landesamt für Personaleinsatzmanagement (PEM) oder zu einer ortsnahen Zuordnung (vgl. S. 2 des Einigungsstellenprotokolls vom 18.04.2004, Bl. 251 GA). Die streitgegenständliche Zuordnung nach Siegen-Wittgenstein verweigert der Klägerin zu Unrecht die geschuldete Überleitung in das PEM bzw. die alternativ geschuldete ortsnahe Zuordnung. Die Zuordnung verstößt damit gegen § 10 Abs. 5 S. 2 EingliederungsG Versorgungsämter NW. Die Zuordnung ist rechtswidrig und für die Klägerin deshalb nicht verbindlich. Die Klägerin muss die Zuordnung nach Siegen-Wittgenstein nicht befolgen. Auf den nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässigen Klageantrag hat das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, ihre Arbeitsleistung in Siegen-Wittgenstein zu erbringen. Die dagegen gerichtete Berufung bleibt deshalb ohne Erfolg.

3. Da das beklagte Land die Klägerin nach dem praktizierten Zuordnungsverfahren anlässlich der Eingliederung der Versorgungsverwaltung nicht im Wege der Personalgestellung dem Kreis Siegen-Wittgenstein zuordnen darf, war dies dem beklagten Land unter den gegenwärtig obwaltenden Umständen entsprechend dem Klageantrag zu 2) auch für die Zukunft zu untersagen. Auch insoweit verbleibt es bei der Entscheidung des Arbeitsgerichts. Auch insoweit ist die Berufung des beklagten Landes unbegründet.

III.

Das mit seiner Berufung unterlegene Land hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache hat die Kammer gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Ende der Entscheidung

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