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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 15.03.2007
Aktenzeichen: 11 Sa 1469/06
Rechtsgebiete: BAT


Vorschriften:

BAT SR 2 l I
Nach Nr. 3 SR 2 l I BAT i.V.m. RdErl. des Kultusministeriums NW vom 11.06.1979 können angestellte Lehrer des Landes Nordrhein-Westfalen ebenso wie verbeamtete Lehrer keine Mehrarbeitsvergütung für Arbeiten verlangen, die keine Unterrichtstätigkeit darstellen.

Vergütbare Mehrarbeit liegt nur bei einer Mehrbeanspruchung durch Unterrichtstätigkeit vor.


Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 11.08.2006 - 2 Ca 226/06 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin fordert im Berufungsrechtszug Mehrarbeitsvergütungen für 100,49 Stunden des Zeitraums September 2004 bis Juni 2006; in der ersten Instanz hatte sie Vergütung für mindestens 250 Mehrarbeitsstunden aus dem Zeitraum September 2004 bis Januar 2006 beansprucht.

Die 1958 geborene Klägerin ist seit 1994 als angestellte Lehrkraft bei dem beklagten Land beschäftigt. Sie ist am Berufskolleg S7xxxx N2xxxxx tätig. Seit dem 09.12.2002 nimmt die Klägerin die Aufgaben einer "Studiendirektorin zur Koordinierung schulfachlicher Aufgaben" wahr (weitere Einzelheiten: Schreiben der Bezirksregierung D2xxxxx v. 09.12.2002 "Besetzung der Stelle einer Studiendirektorin - als Fachleiterin zur Koordinierung schulfachlicher Aufgaben - am Berufskolleg S7xxxx N2xxxxx in P1xxxxxxx (A 15 BBesO oder I a BAT)": Bl. 33, 34 GA). Seit dem 09.09.2003 ist die Klägerin in die Vergütungsgruppe I a BAT eingruppiert. Das aktuelle Monatsentgelt betrug bei Klageerhebung 5.335,94 € brutto. Seit dem 12.02.2003 fehlte die Studiendirektorin M4xxx W2xxx wegen Mutterschutz und anschließendem Erziehungsurlaub. Die Klägerin übernahm zusätzliche Aufgaben. In dem Schreiben des Schulleiters des Berufskollegs S7xxxx N2xxxxx, Oberstudiendirektor W3xxxxxxxxxx, vom 06.03.2005 findet sich die Situation wie folgt beschrieben (Kopie Bl. 17, 18 GA):

"....

Die Besetzungssituation bei den Stellen der pädagogischen Fachleitern ist durch personelle Veränderungen seit 2003 von umfangreichen Mehrbelastungen gekennzeichnet. So ist Frau StD M4xxx W2xxx zum 12.02.2003 in den Mutterschutz bzw. Erziehungsurlaub gegangen. Anders als vorab angekündigt hat sie zu Beginn des Kalenderjahres 2005 nochmals eine Verlängerung um ein Jahr beantragt. Herr StD Z1xxxxxx wurde zu Beginn des Schuljahres 2004/05 als schulfachlicher Dezernent zur Bezirksregierung voll abgeordnet und Frau StD K3xxxxxxxx hat die Leitung des Seminars in P1xxxxxxx ebenfalls im Rahmen einer Vollabordnung übernommen. Dadurch wurde die Übernahme von Aufgaben bei den verbleibenden pädagogischen Fachleiter/innen extrem verdichtet. Die Neubesetzung der ausgeschriebenen zwei Fachleiterstellen wird nicht vor dem Herbst 2005 erfolgen können.

Von Frau M3xxx wurden folgende Aufgaben zusätzlich zum eigenen Aufgabenbereich kommissarisch übernommen:

- Betreuung der Bildungsgänge "Arzthelferinnen", "Zahnmedizinische Fachangestellte" und "Pharmazeutisch-Kaufmännische Angestellte"

- Gespräche mit den Ausbildungsbetrieben und Beratung von Schülerinnen des Gesundheitswesens

- Vorbereitung und Durchführung der Bildungsgangkonferenzen in allen Gesundheitsberufen

- Hausinterne Organisation der Prüfungen der Gesundheitsberufe

- Umsetzung der grundlegenden Veränderungen der Lehrpläne auf Lernfelder

- Organisation von entspr. schulinternen Lehrerfortbildungen

Ebenfalls wurde die Übernahme der Fachleitung für das Fach "Deutsch/Kommunikation" erforderlich, was durch die Umschichtung der Betreuung des Faches "Politik/Gesellschaftslehre" nur z. T. kompensiert werden konnte, da das Fach Deutsch gleichzeitig Prüfungsfach ist.

Daneben wurde Frau M3xxx mit der Leitung einer Steuergruppe der Korrespondenzschule betraut. Das bringt neben der Teilnahmepflicht an den einschlägigen Fortbildungsveranstaltungen auch die Übernahme von Koordinationsaufgaben und Motivationsgesprächen im Kollegium.

Es dürfte unstreitig sein, dass die durch die o. g. Personalsituation entstandenen Mehrbelastungen den Rahmen der Zumutbarkeit deutlich überschreiten.

..."

Mit Schreiben an die Bezirksregierung vom 02.03.2005 forderte die Klägerin einen finanziellen Ausgleich nach § 17 Abs. 5 BAT für nicht durch Freizeitausgleich kompensierte Überstunden (Kopie Bl. 6 GA). Mit weiteren Schreiben vom 04.07.2005 und vom 15.12.2005 machte die Gewerkschaft v1x.d5 namens der Klägerin Ausgleichsansprüche für Mehrarbeit/Überstunden geltend. Wegen der weiteren Einzelheiten der diesbezüglichen Korrespondenz wird auf die zur Akte gereichten Kopien Bezug genommen (v1x.d5 v. 15.12.2005: Bl. 5, 5 R GA; Bezirksregierung D2xxxxx v. 19.12.2005: Bl. 4, 4 R GA; Bezirksregierung D2xxxxx v. 28.12.2005: Bl. 21, 22 GA).

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, ihr stünde eine Überstundenvergütung für mindestens 250 geleistete Überstunden in Höhe von 6.920,00 € brutto zu. Sie habe im Jahre 2004 in insgesamt 14 Wochen jeweils mindestens fünf Überstunden geleistet. Im Jahre 2005 habe sie zudem in weiteren 30 Wochen jeweils mindestens fünf Überstunden und in weiteren zehn Wochen mindestens jeweils drei Überstunden pro Woche geleistet. Den ihr übertragenen erheblichen Zusatzaufgaben habe - insoweit unstreitig - keine Reduzierung bei der Unterrichtsstundenzahl gegenübergestanden. Bei einem entsprechenden Konflikt zwischen zwei Schülerinnen und der Fachlehrerin hätten sich z.B. erhebliche zeitliche Mehraufwendungen ergeben (Einzelheiten Bl. 29, 30 GA). Auch habe sie an Dienstbesprechungen, Konferenzen und Implementierungsveranstaltungen teilgenommen (Einzelheiten Bl. 30 GA). Darüber hinaus habe sie weitere Konferenzen, Dienstbesprechungen und schulinterne Lehrerfortbildungen durchführen müssen (Einzelheiten Bl. 31 GA). Der Runderlass des Kultusministeriums vom 11.06.1979 verstoße gegen höherrangiges Recht.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 6.920,00 € brutto nebst 5 % Zinsen über den Basiszinssatz ab dem 21.01.2006 zu zahlen.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das beklagte Land hat gemeint, in Bezug auf Überstunden sei nur Unterrichtstätigkeit zu vergüten. § 17 Abs. 5 BAT käme wegen der für angestellte Lehrkräfte geltenden Sonderreglung SR 2 l I BAT nicht zur Anwendung.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 11.08.2006 insgesamt abgewiesen. Die zulässige Klage sei unbegründet. Nach dem Vortrag der Klägerin sei es der Kammer nicht möglich zu beurteilen, für welche konkreten Stunden die Überstundenvergütung geltend gemacht werde und ob es sich bei den fraglichen Stunden auch um zu vergütende Überstunden handele. Soweit die Klägerin die behaupteten Überstunden der Lage nach nicht weiter konkretisiere (Datum, Uhrzeit etc.), sei der Anspruch unschlüssig. Soweit die Klägerin vereinzelt Daten oder Minutenzeiträume angebe, erschließe sich nicht, ob es sich bei den angegebenen Zeiträumen um reguläre Arbeitzeit im Rahmen regulärer Arbeitsaufgaben oder um zusätzliche, außerhalb der Arbeitszeit liegende Überstunden handele.

Das Urteil ist der Klägerin am 23.08.2006 zugestellt worden. Die Klägerin hat am 07.09.2006 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 23.11.2006 am 23.11.2006 begründet.

Die Klägerin wendet ein, dem Arbeitsgericht sei zu widersprechen, weil die Besonderheit der Lehrerarbeitszeit nicht berücksichtigt worden sei. "Reguläre Arbeitszeiten" seien in diesem Berufsfeld nur insofern bekannt, als der Stundenplan einzuhalten sei, der aber nur einen Teil der Arbeitszeit erfasse. Eine scharfe Abgrenzung von Regelarbeitszeit und Mehrarbeit sei nur über den Umfang der Tätigkeit, nicht über die Lage der Arbeitszeit möglich. Bereits aus dem unstreitigen Tatbestands des arbeitsgerichtlichen Urteils gehe hervor, dass sie zusätzliche Aufgaben übernommen habe, die ihr zugeordnet worden seien. Damit sei nur schwer vereinbar, wenn das Arbeitsgericht die Anordnung der Mehrarbeit als nicht belegt ansehe. Die von ihr wahrgenommenen zusätzlichen Aufgaben seien notwendig mit der übertragenen Aufgabe verbunden gewesen. Soweit infolge von Mehrarbeit "Pflichtstunden" ausgefallen seien, berücksichtige sie dies jeweils bei ihrer Vergütungsforderung.

Die Klägerin beschränkt ihre Forderung im Berufungsverfahren auf 67,23 Stunden Mehrarbeit aus dem Zeitraum September 2004 bis Januar 2006 und beansprucht daneben - erstmals im Berufungsverfahren - Mehrarbeitsvergütung für 33,26 Stunden aus dem Zeitraum Februar 2006 bis Juni 2006. Die Klägerin hat für die beiden Zeiträume Mehrarbeitsaufstellungen vorgelegt, in denen sie jeweils die verrichtete Arbeit, das Datum und die erforderliche Zeitdauer ausgewiesen hat. Wegen der Aufstellung der Mehrarbeit September 2004 bis Januar 2006 wird auf Blatt 69 - 71 GA Bezug genommen, wegen der Mehrarbeit Februar 2006 bis Juni 2006 auf Blatt 72, 73 GA. Es handelt sich dort um nachstehende Arbeitsaufgaben:

Kontrolle von Klassenbüchern, Fortbildung Arzthelferinnen, Bildungsgang Konferenz Arzthelferinnen, Bildungsgang Konferenz zahnmedizinische Fachangestellte, Überprüfung der Prüfungslisten der Ärztekammer mit Recherche, Zeugnisse, schulinterne Lehrerfortbildung unter Leitung der Klägerin, diverse Dienstbesprechungen, Einsatzplanung, Gespräche mit Schülern, Besprechung mit den Kollegen GRA, MEN, BGZ, Organisation der Einschulung inklusive vorläufiger Klasseneinteilung der Unterstufen AH, ZH, Bildungsgang Konferenz, Abgleich der Auszubildendenliste der Ärztekammer mit Schuldaten aller Auszubildenden des Bildungsgangs, Studium der neuen Pläne medizinische Fachangestellte, Implementierungsveranstaltung der Lehrpläne medizinische Fachangestallte in S6xxx, Schlichtung zwischen einer AH-Klasse und ihrer Fachlehrerin, Gespräch Klassenlehrer und Fachleiterin M3xxx und Schulleiter und Fachleiterin M3xxx, Beratungsgespräch mit der Quereinsteigerin, Frau G1xx, Informationsveranstaltung der Ärztekammer, vorläufige Stundenplanung und Einsatzplanung nach den neuen Lehrplänen der medizinischen Fachangestellten, Regionalkonferenz für den Bildungsgang medizinische Fachangestellte, Stundenplanung mit dem zuständigen pädagogischen Fachleiter, Vorbereitung der Rede für die Abschlussfeier unter Berücksichtigung der Verabschiedung der Fachlehrerin, Frau D3. G2xx, Abschlussfeier Arzthelferinnen.

Wegen der Erläuterungen der Klägerin zu den Mehrarbeitszeiten, die mit Zeugniskonferenzen, Zeugnisüberprüfungen und Zeugniskorrekturen zusammenhängen, wird Seite 4 - 6 der Berufungsbegründung verwiesen (Bl. 60 - 62 GA). Wegen der Erläuterungen zur Überprüfung von Klassenbüchern und zu Mehrarbeiten im Zusammenhang mit der Zusammenarbeit mit Kolleginnen oder Kollegen wird auf Seite 6 der Berufungsbegründung Bezug genommen (Bl. 62 GA).

Insgesamt seien 100,49 Mehrarbeitsstunden zu vergüten, und zwar mit einem Stundensatz von 25,83 € gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 4 MVergV. Es errechne sich ein Betrag in Höhe von 2.595,65 €, davon 1.736,55 € für die Zeit bis Januar 2006 und 859,10 € für die Monate Februar bis Juni 2006. Dass zwischenzeitlich das Land den Versuch einer gerechteren Zumessung bzw. Bewertung von Zusatzaufgaben durch Entlastung bei dem Stundendeputat im Rahmen von Modellvorhaben auch im Raum O1xxxxxxxxxx unternommen habe, zeige, dass das beklagte Land die Problematik erkannt habe und für Abhilfe sorgen wolle. Auch wenn für Lehrer und Lehrerinnen im Angestelltenverhältnis die Regelungen des BAT entsprechend den Bestimmungen in der Sonderregelung nicht vollständig zur Anwendung kämen, bedeute dies doch nicht, dass der Arbeitgeber von dem Grundsatz beliebig abweichen dürfe, nachdem eine Vergütung geschuldet werde, wenn eine Arbeitsleistung üblicherweise nur gegen Bezahlung erwartet werden könne (§ 612 BGB). Die nach dem Rechtsstandpunkt des beklagten Landes ungleiche Behandlung unterrichtender Tätigkeit auf der einen Seite und beispielsweise koordinierender Tätigkeit auf der anderen Seite sei sachlich nicht gerechtfertigt und daher auch nicht verhältnismäßig. Der Hilfsantrag trage der im Beamtenrecht vorgesehenen Möglichkeit des Ausgleichs von Mehrarbeit durch Freizeitgewährung Rechnung.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 11.08.2006 - 2 Ca 226/06 - abzuändern und das beklagte Land zu verurteilen, an die Klägerin 2.595,65 € brutto für 100,49 Stunden Mehrarbeit nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen,

hilfsweise,

das beklagte Land zu verurteilen, der Klägerin Freizeitausgleich im Umfang von 100,49 Stunden zu gewähren.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das beklagte Land verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Der Klägerin stehe für die von ihr beschriebenen dienstlichen Leistungen keine Mehrarbeitsvergütung zu. Gemäß Nr. 3 SR 2 l I BAT sei unter anderem § 17 BAT, der die Vergütung von Überstunden regele auf das Arbeitsverhältnis nicht anzuwenden. Statt dessen seien die Bestimmungen für die entsprechenden Beamten anzuwenden. Die Vergütung von Mehrarbeit für Beamte sei geregelt in der Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte (MVergV). Gemäß §§ 4 Abs. 3, 5 Abs. 2 MVergV erhielten Lehrer eine Vergütung nur für zusätzlich geleistete Unterrichtsstunden, nicht aber für sonstige Tätigkeiten. Auf dieser Grundlage fuße der Runderlass des Kultusministeriums NW vom 11.06.1979. Der Runderlass stelle in Nr. 2.2 ausdrücklich noch einmal klar, dass vergütbare Mehrarbeit nur bei einer Mehrbeanspruchung durch Unterrichtstätigkeit vorliege und dass sonstige dienstliche Leistungen keine vergütbare Mehrarbeit darstellten. Nr. 2.2.3 enthalte dann noch eine beispielhafte Aufzählung solcher Tätigkeiten, die nicht als Mehrarbeit vergütet werden könnten. Die in der Berufungsbegründung und in den Anlagen aufgeführten Leistungen seien daher schon begrifflich nicht als vergütbare Mehrarbeit zu qualifizieren. Es komme nicht darauf an, ob diese Dienstleistungen schriftlich angeordnet bzw. genehmigt oder notwendig und geduldet gewesen seien.

MVergV und Runderlass vom 11.06.1979 verstießen nicht gegen höherrangiges Recht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei die tarifvertragliche Verweisung auf das Beamtenrecht grundsätzlich zulässig. Die Verweisung erfasse auch einschlägige Verwaltungsvorschriften (BAG 15.12.2005 - 6 AZR 227/05 - u. BAG 12.09.2006 - 9 AZR 675/05 -).

Selbst wenn entgegen der vorstehenden Auffassung dem Grunde nach ein Anspruch auf Vergütung bestehen sollte, scheitere die Klage daran, dass die Klägerin nach wie vor nicht die Voraussetzungen für die verlangte Mehrarbeitsvergütung dargelegt habe. Die Klägerin habe mit ihrer Aufstellung nicht dargelegt, dass und in welchem Umfang sie über die übliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet haben wolle. Für die jeweiligen Monate hätte sie im Einzelnen detailliert beschreiben müssen, welche Arbeiten mit welchem Zeitaufwand sie an welchen Tagen zu welcher Zeit geleistet habe. Nur dann lasse sich nachvollziehen, ob tatsächlich Mehrarbeit angefallen sei. Der Vortrag der Klägerin impliziere allenfalls die pauschale Behauptung, sie habe an allen in ihrer Aufstellung genannten Tagen ihre "normale" Arbeitszeit verrichtet und zusätzlich die aufgeführten weiteren Arbeiten. Diese Behauptung, so sie denn aufgestellt sei, werde vorsorglich bestritten. Äußerst vorsorglich werde der Umfang der Mehrarbeit bestritten. Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass gemäß Nr. 5.1 des Runderlasses vom 11.06.1979 die behauptete Mehrarbeit für einige Stunden ohnehin nicht zu vergüten sei, weil die erforderliche Schwelle von fünf Stunden im Monat nicht erreicht werde.

In der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer hat der Prozessvertreter des beklagten Landes erklärt, gegen die Klageerweiterung in der Berufungsinstanz bestünden aus Sicht des beklagten Landes keine Bedenken.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nach §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2 ArbGG statthaft und zulässig. Die Berufung ist entsprechend den Vorschriften der §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Berufung ist jedoch in der Sache unbegründet. Die Klägerin kann weder einen Geldausgleich noch einen Freizeitausgleich für geleistete Mehrarbeit im Klagezeitraum beanspruchen. Das zulässige Klagebegehren ist mit seinem Haupt- und mit seinem Hilfsantrag unbegründet.

1. Die Klageanträge sind insgesamt zulässig. Durch die in der Berufungsbegründung in Bezug genommenen beiden Aufstellungen sind die Mehrarbeiten, die zusätzlich vergütet werden sollen, hinreichend individualisiert. Die Klägerin hat die streitgegenständlichen Mehrarbeiten durch Angabe des Datums, des Gegenstandes und der Dauer der jeweiligen Verrichtung unverwechselbar bezeichnet. Damit ist dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO Genüge getan. Es ist klar, über welche Lebenssachverhalte im vorliegenden Rechtsstreit rechtskräftig entschieden wird. Zulässig ist es auch, dass die Klägerin im Berufungsverfahren ihren Zahlungsantrag auf weitere Monate reklamierter Mehrarbeit erstreckt hat. Nach § 533 ZPO ist eine Klageänderung im Berufungsverfahren nur zulässig, wenn der Gegner einwilligt oder das Gericht es für sachdienlich hält und diese auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat. Das beklagte Land hat der Klageänderung in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer zugestimmt. Die Klageerweiterung auf weitere Monate wird auf Tatsachen gestützt, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin zugrunde zu legen hat.

2. Die Klägerin kann für die streitgegenständliche 100,49 Stunden weder Mehrarbeitsvergütung noch Freizeitausgleich beanspruchen. Dem stehen die hier unstreitig anzuwendenden tarifvertraglichen Regelungen der SR 2 l I BAT in Verbindung mit dem Runderlass des Kultusministeriums NW vom 11.06.1979 "Mehrarbeit und nebenamtlicher Unterricht im Schuldienst" entgegen ( fortan RdErl. 1979; Kopie Bl. 12 - 15 GA - GABl. NW S. 296, BASS 21-22 Nr. 21).

a) Nach Nr. 3 SR 2 l I BAT gelten die §§ 15, 16, 16 a , 17 , 34 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 3 und Unterabs. 2, 35 BAT nicht für Angestellte, die als Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen und berufsbildenden Schulen beschäftigt sind. Damit können die Regelungen der §§ 15 - 17 BAT zur Arbeitszeit und die Regeln des § 35 BAT zu Zeitzuschlägen und zur Überstundenvergütung im Arbeitsverhältnis der Klägerin keine Anwendung finden. An ihrer Stelle gelten nach Nr. 3 S. 2 SR 2 l I BAT die Bestimmungen für die entsprechenden Beamten. Das Tatbestandsmerkmal "Bestimmungen" umfasst mangels anderweitiger Begrenzung alle einschlägigen abstrakten Regelungen für Beamte. Damit wird nicht nur auf Gesetze und Rechtsverordnungen für Beamte Bezug genommen, sondern auch auf die einschlägigen Verwaltungsanordnungen und Erlasse (BAG 15.12.2005 AP BAT § 2 SR 2 l I BAT Rz. 17; explizit zur Problematik Mehrarbeitsvergütung bei angestellten Lehrern: BAG 28.01.2004 - 5 AZR 32/03 - ZTR 2004,364 = EzBAT SR 2 l I Nr.3 Nr.18). In dieser Verweisung liegt keine unzulässige Delegation der Rechtsetzungsbefugnis. Die äußeren Arbeitsbedingungen der beamteten und angestellten Lehrer sind weitgehend gleich. Der Staat ist gegenüber seinen Beamten zur Fürsorge verpflichtet. Demgemäß hat er die Bedingungen, unter denen die Beamten ihre Dienste zu erbringen haben, sachgerecht zu regeln. Dazu gehören auch Bestimmungen zur Arbeitszeit. Die Tarifvertragsparteien dürfen daher davon ausgehen, dass die sachgerechten beamtenrechtlichen Regelungen auch für die angestellten Lehrer sachgerecht sind (BAG aaO Rz. 17). Die tarifliche Verweisung in Nr. 3 SR 2 l I BAT und das durch sie eröffnete einseitige Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers unterliegen keiner Inhaltskontrolle nach den Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen (§§ 305 - 310 BGB). Diese Vorschriften finden gemäß § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB keine Anwendung auf Tarifverträge (BAG aaO Rz. 18).

b) Hier sind deshalb die Regelungen unter 2.1 und 2.2 RdErl. 1979 heranzuziehen. Nach 2.1 RdErl. 1979 ist der Lehrer gemäß § 78 a LBG verpflichtet, über seine individuelle Pflichtstundenzahl hinaus Mehrarbeit zu leisten, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse es erfordern. Die Verpflichtung des Lehrers zur Übernahme von Mehrarbeit erstreckt sich auf regelmäßige und gelegentliche Mehrarbeit im Schuldienst. Geleistete Mehrarbeit ist grundsätzlich durch Freizeitausgleich abzugelten. Da dieser im Schuldienst in der Regel aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich ist, wird Mehrarbeit im Schuldienst anstelle eines Freizeitausgleichs vergütet (Ausnahmen: Verrechnungen mit ausgefallenen Pflichtstunden nach Nr. 4.2 RdErl. 1979, Blockunterricht an Berufskollegs RdErl. 1979 Nr. 4.6). Vergütbare Mehrarbeit im Schuldienst ist nach 2.2 RdErl. 1979 nur die von einem Lehrer im Rahmen der hauptamtlichen oder hauptberuflichen Unterrichtstätigkeit auf Anordnung oder mit Genehmigung über die individuelle Pflichtstundenzahl hinaus an der eigenen Schule oder an einer anderen Schule derselben Schulform zu leistende Unterrichtstätigkeit. Vergütbare Mehrarbeit liegt, so regelt 2.2.2 RdErl. 1979, nur bei einer Mehrbeanspruchung durch Unterrichtstätigkeit vor. Dienstliche Leistungen, die keine Unterrichtstätigkeit darstellen, sind daher keine vergütbare Mehrarbeit. In 2.2.3 RdErl. 1979 sind exemplarisch Fälle aufgeführt, die keine vergütbare Mehrarbeit darstellen, so etwa die Teilnahme an Konferenzen, Dienstbesprechungen und Prüfungen aller Art, Teilnahme und Aufsicht bei Berufsberatungen oder die Erledigung von Verwaltungsarbeit. Nach 3.2.1 RdErl. 1979 bedürfen Anordnung, Genehmigung und Widerruf der Mehrarbeit der Schriftform. Bei regelmäßiger Mehrarbeit ist der Vordruck STD 424 der Schulaufsichtsbehörde vorzulegen. Gelegentliche Mehrarbeit ist vor der Leistung formlos anzuordnen oder zu genehmigen. Es sind jedoch das Datum, der Name, die Klasse, die Stunde und (gegebenenfalls nachträglich) das Unterrichtsfach anzugeben. Eine Durchschrift der Genehmigung oder Anordnung ist der Schulaufsichtsbehörde zuzuleiten. Nach 5.1 RdErl. 1979 ist Mehrarbeitsunterricht nicht vergütbar, wenn die Zahl der Unterrichtsstunden im Kalendermonat weniger als vier und soweit sie mehr als 288 im Kalenderjahr beträgt. Erteilt ein Lehrer im Monat mindest vier Mehrarbeitsstunden, so wird der Mehrarbeitsunterricht von der ersten Stunden an vergütet. Nach 3.10 des RdErl. des Kultusministeriums vom 22.08.1980 beträgt die Vergütung gemäß § 4 Abs. 3 der Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte (MVergV) für Lehrkräfte an Berufskollegs mit abgeschlossenem Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule 25,83 € pro Stunde (RdErl. des Kultusministeriums v. 22.08.1980 "Vergütung der Mehrarbeit und des nebenamtlichen Unterrichts im Schuldienst; Vergütungssätze", GABl. NW, S. 507, BASS 21-22 Nr. 22). Die tarifvertraglich vorgeschriebene Beachtung dieses Erlasses führt im zu entscheidenden Fall zu dem Ergebnis, dass die von der Klägerin zur Grundlage der Mehrarbeitsausgleichsforderung genommenen Arbeiten keine vergütbare Mehrarbeit darstellten, da es sich nicht um Unterrichtstätigkeit handelte.

c) Da bereits aus diesem Grund ein Geld- oder Freizeitausgleich für die geltend gemachten 100,49 Stunden ausgeschlossen ist, kommt es nicht entscheidungserheblich darauf an, ob das Verfahren zur Anordnung von Mehrarbeit nach der MVergV / Nr. 3 RdErl. 1979 beachtet ist. Insbesondere musste nicht entschieden werden, ob eine schriftliche Anordnung oder Genehmigung der Mehrarbeit wie in § 3 Abs. 1 Nr. 1 MVergV vorgeschrieben notwendige Anspruchsvoraussetzung für den geforderten Ausgleich ist und ob diesem Erfordernis möglicherweise durch das Schreiben des Schulleiters vom 06.03.2005 genügt ist. Auch muss keine Entscheidung zu dem Einwand des beklagten Landes ergehen, die Klage sei deshalb nicht schlüssig begründet, weil die Klägerin nicht ihre gesamte Arbeitsleistung in den streitgegenständlichen Monaten aufgezeigt hat, sondern nur die über ihr "normales" Arbeitspensum hinausgehenden zusätzlichen Arbeiten benannt hat.

3. Die Klageforderung auf finanziellen Ausgleich / hilfsweise Freizeitausgleich für geleistete 100,49 Mehrarbeitsstunden hat nicht aus anderen rechtlichen Gründen Erfolg. Die Kammer teilt die Auffassung der Verwaltungsrechtsprechung, dass in besonders gelagerten Fällen der öffentliche Dienstherr einem Beamten auch unabhängig von den originären Voraussetzungen des beamtenrechtlichen Mehrarbeitsausgleichsanspruches nach MVergV und RdErl. 1979 nach dem auch im Beamtenrecht geltenden Gebot der Leistungserbringung nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB zu einem Ausgleich für geleistete zusätzliche Dienste verpflichtet sein kann (BVerwG 28.05.2003 - 2 C 28/02 - ZBR 2003, 383 = ZTR 2003, 639= AuR 2003,266 -LS- ). Eine ohne jeden Ausgleich bleibende Mehrbeanspruchung des Beamten über einen langen Zeitraum würde Grundwertungen widersprechen, die in den Vorschriften des beamtenrechtlichen Arbeitszeitrechts zum Ausdruck kommen (BVerwG aaO). Davon ausgehend hat das Oberverwaltungsgericht NRW in seinem Urteil vom 11.01.2006 einer Grundschullehrerin wegen Zuvielarbeit als Fachleiterin eine bezahlte Dienstbefreiung für die Dauer von sieben Monaten und zwei Tagen zuerkannt (OVG NRW 11.01.2006 - 6 A 4767/03 -). Aufgrund der im dortigen Fall gegebenen Gesamtumstände hat es das Oberverwaltungsgericht NRW als grob unbillig und der Klägerin nicht zumutbar angesehen, ohne Ausgleich zu bleiben, nachdem das beklagte Land gravierende organisatorische Defizite in der Lehrerausbildung über Jahre sehenden Auges in Kauf genommen hatte (OVG NRW aaO Rz. 54 ff., insbesondere Rz. 61 - 63).

So liegen die Gesamtumstände hier nicht. Es handelt sich hier um ein auf die Schule beschränktes organisatorisches Problem, hervorgerufen insbesondere durch den Erziehungsurlaub einer Einzelperson, der Studiendirektorin W2xxx. Die von der Klägerin ihrer Darstellung im Berufungsrechtszug zufolge geleistete Mehrarbeit bewegt sich während der 17 Monate in einem Schwankungsbereich zwischen minimal 1,00 bis maximal 10,58 Stunden im Monat und bei einem Monatsdurchschnitt von 5,911 Stunden. Damit sind weder die organisatorischen Defizite des beklagten Landes so gravierend noch der zeitliche Umfang der reklamierten Mehrbeanspruchung der Klägerin so umfangreich, dass es grob unbillig und für die Klägerin nicht zumutbar wäre, wenn sie ohne finanziellen oder zeitlichen Ausgleich bliebe. Es verbleibt bei dem zu 2. begründeten Ergebnis, dass die Klägerin einen Ausgleich nicht beanspruchen kann, weil es an einer Mehrbeanspruchung durch Unterrichtstätigkeit und damit nach den einschlägigen Regelungen an vergütbarer Mehrarbeit fehlt.

4. Da die Klägerin mit ihrer Berufung unterlegen ist, hat sie gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die Kammer hat wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die Revision zugelassen.

Ende der Entscheidung

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