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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 23.08.2007
Aktenzeichen: 11 Sa 334/07
Rechtsgebiete: LA


Vorschriften:

Lohnabkommen (LA) Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens vom 22.04.2006
Auf die Einmalzahlung von 310,00 € für die Monate März bis Mai 2006 nach §§ 2 Nr. 2, 3 Nr. 2 LA 2006 Metallindustrie NRW sind übertarifliche Zulagen anrechenbar, die ohne entgegenstehende Vereinbarung und ohne zusätzliche gesonderte Zweckbestimmung an den Arbeitnehmer gezahlt werden.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 17.01.2007 - 5 Ca 2807/06 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten, ob die Beklagte die im Mai 2006 zu zahlende tarifliche Einmalzahlung von 310,00 € nach dem Lohnabkommen der Metallindustrie NW vom 22.04.2006 auf übertarifliche Zulagen des Klägers für März bis Mai 2006 hat anrechnen können.

Die Beklagte ist ein Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie. Der Kläger ist seit dem 10. April 1985 zuletzt als Vorarbeiter in der Qualitätssicherung für die Beklagte tätig. Er ist Mitglied des Betriebsrates. Kraft beidseitiger Tarifbindung finden auf das Arbeitsverhältnis die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie NRW Anwendung. Das tarifliche Grundentgelt des Klägers betrug bis einschließlich Mai 2006 monatlich 2.195,59 Euro brutto. Neben weiteren Zulagen erhielt der Kläger zudem eine freiwillige anrechenbare übertarifliche Zulage in Höhe von 65,39 Euro brutto monatlich. Unter dem 22. April 2006 vereinbarten der Verband der Metall- und Elektroindustrie NRW e.V. und die Gewerkschaft IG Metall, Bezirksleitung NRW, das Abkommen über die Tariflöhne in der Metall- und Elektroindustrie NRW (LA 2006). In dem Ankommen heißt es u. a. (Kopie des Lohnabkommens Bl. 38 - 44 GA):

"§ 2

"Monatsgrundlohn - Summarische Arbeitsbewertung

1. Für die Monate März bis Mai 2006 gelten die bisherigen Lohntabellen, gültig ab 1. März 2005, weiter.

2. Die gewerblichen Arbeitnehmer erhalten nach Maßgabe des § 6 für diese drei Monate mit der Abrechnung für Mai 2006 einen Einmalbetrag, der für Vollzeitbeschäftigte 310 Euro beträgt.

3. Mit Wirkung ab 1. Juni 2006 wird der gemeinsame Ecklohn der Monatsgrundlohntabelle von 1.860,67 Euro um 3 % auf 1.916,49 Euro erhöht ...

§ 3

Monatsgrundlohn - Analytische Arbeitsbewertung

1. Für die Monate März bis Mai 2006 gelten die bisherigen Lohntabellen, gültig ab 1. März 2005, weiter.

2. Die gewerblichen Arbeitnehmer erhalten nach Maßgabe des § 6 für diese drei Monate mit der Abrechnung für Mai 2006 einen Einmalbetrag, der für Vollzeitbeschäftigte 310 Euro beträgt.

3. Mit Wirkung ab 1. Juni 2006 wird der Steigerungsbetrag 1 der tariflichen analytischen Arbeitsbewertung von 25,1911 Euro um 3 % auf 25, 9468 Euro erhöht ...

§ 6

Einmalbetrag

1. Die Betriebsparteien können den Einmalbetrag gem. §§ 2 Nr. 2, 3 Nr. 2 bei unterdurchschnittlicher, schlechter Ertragslage zeitlich innerhalb der Laufzeit des Tarifvertrages verschieben oder bis auf Null reduzieren oder bei überdurchschnittlicher, guter Ertragslage bis auf das Doppelte durch freiwillige Betriebsvereinbarung erhöhen.

Vereinbaren die Betriebsparteien keine Abweichung, ist der Einmalbetrag in der tariflich vorgeschriebenen Höhe nach §§ 2 Nr. 2, 3 Nr. 2 auszuzahlen.

Eine Erhöhung des Einmalbetrages kann der Arbeitgeber ausschließen, wenn es im Betrieb eine übertarifliche Regelung über eine Jahresabschlussvergütung, Gratifikationen, Jahresprämien, Ergebnisbeteiligungen, Weihnachtsgeld oder ähnliche Leistungen gibt.

2. Den Einmalbetrag erhalten gewerbliche Arbeitnehmer in voller Höhe, wenn sie im März, April und Mai 2006 Vollzeitbeschäftigte waren und einen vollen Anspruch auf Lohn-, auf Weiterzahlung des regelmäßigen Arbeitsentgelts oder auf Kurzarbeitergeld hatten.

3. Teilzeitbeschäftigte erhalten den Einmalbetrag nach Maßgabe ihrer für die Monate März, April und Mai 2006 einzelvertraglich vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit im Verhältnis zur regelmäßigen tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden.

Diese Regelung gilt entsprechend für gewerbliche Arbeitnehmer, deren regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit nach dem Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung auf eine Dauer zwischen 30 und unter 35 Stunden festgelegt ist.

4. Soweit für teilzeit- und vollzeitbeschäftigte gewerbliche Arbeitnehmer kein voller Anspruch auf Zahlung des Lohns, auf Weiterzahlung des regelmäßigen Arbeitsentgelts oder auf Kurzarbeitergeld für die Monate März, April und/oder Mai 2006 bestand, ist der Einmalbetrag zeitanteilig zu kürzen.

5. Gewerbliche Arbeitnehmer, die während der Monate März, April oder Mai 2006 eingetreten bzw. ausgeschieden sind, erhalten den Betrag anteilig entsprechend der Dauer ihres Arbeitsverhältnisses in diesen Monaten.

6. Mit dem Einmalbetrag sind alle Ansprüche abgegolten, die sich aus der Erhöhung des Tariflohns gemäß § 2 und § 3 für die Monate März bis Mai 2006 ergeben.

7. Sofern die Monate März bis Mai 2006 ab Juni 2006 Referenzzeitraum für Durchschnittsberechnungen aller Art sind, ist statt des Einmalbetrages eine prozentuale Erhöhung von 3,0 % zugrunde zu legen:"

Im Betrieb der Beklagten wurde eine Vereinbarung nach § 6 Nr. 1 LA nicht getroffen. Die Beklagte leistete an den Kläger für die Monate März bis Mai 2006 jeweils u.a. 2195,59 € Grundgehalt nebst der Zulage von 65,39 €. Mit der Entgeltabrechnung für den Monat Mai 2006 zahlte die Beklagte an den Kläger darüber hinaus eine "Tarifl. Pauschale" in Höhe von 113,83 Euro brutto ( = 310,00 € - 3 x 65,39 € / Kopie der Abrechnung: Bl. 10 GA). Der Entgeltabrechnung für den Monat Mai 2006 fügte die Beklagte ein Schreiben mit Datum 06. Juni 2006 bei (Bl. 11 GA). Darin informierte die Beklagte den Kläger, dass sie die tarifliche Einmalzahlung für die Monate März bis Mai 2006 aus wirtschaftlichen Gründen ebenso wie die weitere Tariflohnerhöhung auf die übertariflichen Verdienstbestandteile des Klägers vollständig anrechne. Mit Schreiben vom 11. Juni 2006 (Bl. 9 GA) machte der Kläger gegenüber der Beklagten eine mit der Mai-Abrechnung fällig gewordene "andere freiwillige Zulage" in Höhe von 196,17 Euro brutto geltend.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass die Verrechnung der tariflichen Einmalzahlung mit der ihm zugesagten übertariflichen Zulage unzulässig sei, da die Einmalzahlung keine pauschalierte Lohnerhöhung darstelle. Durch die Einmalzahlung hätte den Betriebsparteien die Möglichkeit eröffnet werden sollen, die Tarifsteigerung der ersten drei Monate je nach Ertragslage zu differenzieren - sowohl der Höhe nach, als auch im Auszahlungszeitpunkt. Diese Differenzierung beziehe sich ausschließlich auf die Einmalzahlung und gerade nicht auf die prozentuale tabellenwirksame Tariferhöhung, was den besonderen Charakter der Einmalzahlung hervorhebe. Dabei sei es den Tarifvertragsparteien darum gegangen, erstmals einen völlig neuen Mechanismus betrieblicher Differenzierung nach einem bestimmten Verfahren einzuführen. Eine weitere Auslegung des Tarifvertrages ergebe, dass vor diesem Hintergrund eine einseitige Anrechnung auf übertarifliche Zulagen in keinem Fall in Betracht kommen könne. Denn dann würde dem gesamten Aushandlungsprozess der Tarifvertragsparteien der Boden entzogen werden. Würden übertarifliche Zulagen angerechnet werden, könnte zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber kaum noch eine sinnvolle Verhandlung über die betriebliche Erhöhung des Einmalbetrages stattfinden. Umgekehrt könne die Drohung mit einer vollständigen Anrechnung bei Empfängern der übertariflichen Leistung den Betriebsrat dazu veranlassen, unabhängig von der Ertragslage auf eine Absenkung der Einmalzahlung für alle einzugehen, was wiederum dem Sinn der differenzierten Einmalzahlung widersprechen würde. Unter diesem Gesichtspunkt sei strukturelle Grundvoraussetzung für die betriebliche Differenzierung durch freiwillige Betriebsvereinbarung - und damit für Sinn und Zweck der Einmalzahlung -, dass der Arbeitgeber den dafür vom Tarifvertrag zur Verfügung gestellten Rahmen nicht durch einseitige Anrechnung belasten dürfe.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 196,17 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10. Juni 2006 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, eine Verrechnung mit der freiwilligen übertariflichen Zulage sei möglich, weil es sich bei der Einmalzahlung um eine pauschalierte Lohnerhöhung für die Monate März bis Mai 2006 handele. Bereits aus dem Wortlaut des Lohnabkommens lasse sich entnehmen, dass vorliegend eine pauschalierte Lohnerhöhung für die Monate März bis Mai 2006 von den Tarifvertragsparteien vereinbart worden sei. Diese Rechtsauffassung werde auch von beiden Tarifvertragsparteien vertreten. Der Arbeitgeberverband Metall NRW habe die tarifgebundenen Mitgliedsfirmen dahingehend informiert, dass die streitgegenständliche Einmalzahlung in Höhe von 310,00 Euro als pauschale Erhöhung des Tarifentgeltes anzusehen sei und insofern der Anrechenbarkeit unterliege. Auch die Gewerkschaft IG Metall habe eine Stellungnahme abgegeben, wonach der fragliche Einmalbetrag der Anrechenbarkeit unterliege.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und die Berufung gegen das Urteil zugelassen. Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen weitergehenden tarifvertraglichen Anspruch aus § 2 Ziffer 2 LA 2006 in Verbindung mit § 4 Abs. 1, 3 Abs.1 TVG. Der insoweit zugunsten des Klägers entstandene Zahlungsanspruch sei durch Leistung der Beklagten nach § 362 Abs. 1 BGB erloschen. Der Kläger habe in den Monaten März bis Mai 2006 die sich aus den einschlägigen Lohnabkommen ergebende Vergütung erhalten. Der Kläger habe gegen die Beklagte auch keinen weitergehenden Zahlungsanspruch aus § 611 BGB. Zwar sei dem Kläger auch für die Monate März bis Mai 2006 eine freiwillige, übertarifliche Zulage seitens der Beklagten zugesagt worden. Die zwischen den Parteien unstreitige Vereinbarung über die Leistung der übertariflichen Zulage lasse jedoch die von der Beklagten vorgenommene Anrechnung der tariflichen Einmalzahlung zu. Die Einmalzahlung des § 2 Ziffer 2 LA 2006 stelle eine pauschale Lohnerhöhung dar, die auf die übertarifliche Zulage habe angerechnet werden können.

Das Urteil vom 17.01.2007 ist dem Kläger am 06.02.2007 zugestellt worden. Der Kläger hat am 20.02.2007 Berufung eingelegt und diese am 05.04.2007 begründet.

Der Kläger wendet ein, das Arbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass hier die Auslegung der Regelung zur Einmalzahlung entsprechend den Grundsätzen aus BAG Urt. 16.04.2002 - 1 AZR 363/01 - zu dem Ergebnis führe, dass mit ihr ein anderer Zweck verfolgt werde als der einer pauschalierten Lohnerhöhung (i.S.d. Rz. 38 des genannten Urteils). Es sei nicht darum gegangen, durch die Pauschalierung lediglich die sonst erforderliche Abrechnung für bereits vergangene Monate zu vereinfachen. Viel weitergehend habe ein völlig neuer Mechanismus betrieblicher Differenzierung eingeführt werden sollen, welche auf die Einmalzahlung habe beschränkt bleiben sollen und sich gerade nicht auf die tabellenwirksame Lohnerhöhung habe beziehen sollen. Könne ein Arbeitgeber dieser betrieblichen Differenzierungsmöglichkeit mit der Anrechnung übertariflicher Zulagen begegnen, so könne kaum noch eine sinnvolle Verhandlung über die betriebliche Höhe der Einmalzahlung erfolgen. Einem Aushandlungsprozess nach § 6 LA 2006 sei der Boden entzogen. Der tarifpolitische Ansatz einer betrieblichen Differenzierung wäre obsolet.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 17.01.2007, 5 Ca 2807/06, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 196,17 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10. Juni 2006 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Aus den Regelungen des LA 2006 lasse sich unzweifelhaft entnehmen, dass von den Tarifvertragsparteien mit der Einmalzahlung nichts anderes gewollt sei als eine Berücksichtigung der fraglichen Monate März bis Mai 2006 im Rahmen der Lohnsteigerungen der Tarifrunde 2006 in der pauschalen Form einer tariflichen Einmalzahlung. Es sei zudem zu berücksichtigen, dass im Falle einer rückwirkenden tabellenwirksamen Erhöhung ein erheblicher abrechnungstechnischer Aufwand für die vergangenen Monate verursacht worden wäre. Es handele sich evident um eine pauschale Lohnerhöhung in Form einer Einmalzahlung. Die Frage der Anrechenbarkeit sei aus dem Gesichtspunkt der unzulässigen Effektivklausel dem Zugriff der Tarifvertragsparteien aus Rechtsgründen entzogen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nach § 8 Abs.2, 64 Abs. 1, Abs. 2 a) ArbGG statthaft und zulässig. Die Berufung ist form- und fristgerecht entsprechend den Anforderungen der §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden. Die Berufung ist jedoch unbegründet.

Die Klage ist aus den vom Arbeitsgericht zutreffend und umfassend dargestellten Gründen unbegründet. Die Berufungskammer macht sich die begründenden Ausführungen des Arbeitsgerichtes nach § 69 Abs.2 ArbGG zu eigen und beschränkt sich im Hinblick auf die eingelegte Berufung auf die nachfolgenden zusammenfassenden und ergänzenden Ausführungen.

Indem der Kläger für die Monate März, April und Mai 2006 3 X 2.195,59 € Grundentgelt sowie 3 X 65,39 € Zulage bisheriger Höhe und zusätzlich einmalig 113,83 € tarifliche Pauschale erhalten hat, hat er für diese Monate den geschuldeten Entgeltbetrag erhalten. Eine weitergehende Zahlung kann der Kläger weder nach dem Tarifvertrag (I.) noch nach dem Arbeitsvertrag (II.) beanspruchen. Da die 65,39 € - Zulage einerseits und die tarifvertragliche Einmalzahlung per Abrechnung Mai 2006 andererseits jeweils Entgeltleistungen für die vom Kläger erbrachte Arbeitsleistung sind und anders als etwa Schmutz-, Erschwernis- oder Leistungszulagen keinen zusätzlichen Leistungszweck verfolgen, konnte die Beklagte die Leistungen aufeinander anrechnen. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der Rspr. des BAG zum Problemkreis Tariflohnerhöhung und übertariflicher Lohn (III.) und ist auch betriebsverfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (IV.)

I.

Der sich aus dem Tarifvertrag ergebende Entgeltanspruch des Klägers ist durch die genannten Zahlungen im Sinne des § 362 Abs. 1 BGB vollständig erfüllt. Nach dem Tarifvertrag stehen dem Kläger für die Monate März bis Mai 2006 neben den drei in der Höhe unstrittigen tariflichen Monatsentgelten von 2.195,59 € (Grundentgelt) weitere 310,-- € als Einmalzahlung per Abrechnung Mai 2006 zu, in der Summe also insoweit insgesamt 6.896,77 €. Erhalten hat der Kläger: 3 X 2.195,59 € plus 3 x 65,39 € plus 113,83 € = 6.896,77 €. Geschuldete Summe und gezahlte Summe decken sich.

II.

Nach dem Arbeitsvertrag konnte der Kläger drei Grundentgelte à 2.195,59 € zuzüglich 3 X 65,39 € Zulage beanspruchen. Diese Beträge - in der Summe 6.782,94 € - hat der Kläger unstrittig für die drei Monate erhalten. Eine vertragliche Vereinbarung, dass der Kläger für die drei Monate mehr als 6.782,94 € Arbeitsentgelt sollte beanspruchen können, ist zwischen den Parteien nicht getroffen. Dies behauptet auch der Kläger nicht. Dass die Beklagte über den vertraglich geschuldeten Gesamtbetrag von 6.782,94 € hinausgehend insgesamt 6.896,77 € gezahlt hat, ist § 4 Abs. 1, Abs. 3 TVG i. V. m. LVA 2006 geschuldet. Sieht der Tarifvertrag für den Arbeitnehmer günstigere Regelungen vor als der Arbeitsvertrag, so ist der Arbeitgeber entsprechend dem aus Sicht der Arbeitnehmer günstigeren tarifvertraglichen Anspruch verpflichtet. Dieser Pflicht genügend hat die Beklagte über den vertraglich festgelegten Entgeltbetrag von jeweils monatlich 2.195,59 € nebst 65,39 € Zulage für die drei Monate einmalig weitere 113,83 € gezahlt.

III.

Die unter I. dargestellte Anrechnung der Zulage von 65,39 € auf die nach dem Tarifvertrag geschuldete Einmalzahlung von 310,-- € für März bis Mai 2006 entspricht der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes, wie dies das Arbeitsgericht ausführlich und überzeugend dargestellt hat.

Ob eine Tariflohnerhöhung auf eine übertarifliche Zulage angerechnet werden darf, hängt von der zugrundeliegenden Vergütungsabrede ab. Eine Anrechnung ist möglich, sofern dem Arbeitnehmer die Zulage nicht als selbständiger Entgeltbestandteil neben dem jeweiligen Tarifentgelt zugesagt worden ist. Allgemeine Zulagen, die nicht besondere Leistungen oder Ähnliches abgelten sollen, werden regelmäßig deshalb gewährt, weil der Tarif den Parteien des Arbeitsvertrages als nicht ausreichend erscheint. Steigen die Tariflöhne anschließend, so ist mangels anderer Anhaltspunkte anzunehmen, dass eine entsprechende "Aufsaugung" der bisher übertariflichen Lohnanteile dem Willen der Parteien entspricht (BAG 03.06.1998 AP TVG § 4 Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung Nr. 34). Ein derartiges Vertragsverständnis begegnet keinen Bedenken aus § 307 BGB, da eine vertragliche Bruttolohnabrede unmittelbar das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung regelt, die Anrechung mit der Vereinbarung eines übertariflichen Lohns hinreichend klar und transparent verbunden ist und deshalb der Arbeitnehmer nicht entgegen dem Gebot von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt wird (vgl. II 1 des arbeitsgerichtlichen Urteils und BAG 01.03.2006 AP TVG Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung Nr. 40 unter II 1 c).

Die vorstehenden Grundsätze zur Anrechenbarkeit von Tarifentgeltserhöhungen auf übertarifliche Entgelte sind auch dann anzuwenden, wenn eine Erhöhung für bei Tarifabschluss zurückliegende Monate nicht prozentual erfolgt, sondern durch als Einmalzahlungen bezeichnete und für alle Arbeitnehmer gleich hohe monatliche Pauschalbeträge geschieht. Bei derartigen Einmalzahlungen handelt es sich um eine pauschalierte aber auf die einzelnen Abrechnungszeiträume bezogene Erhöhung des Tarifentgeltes für bereits abgerechnete Kalendermonate. Der tarifvertragliche Anspruch auf solche Zahlungen wird ebenso wie der Anspruch auf sonstige Tarifentgelterhöhungen mit der Zahlung übertariflicher Entgelte erfüllt, soweit das Effektiventgelt höher liegt als das neue Tarifentgelt (BAG 25.06.2002 AP TVG § 4 Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung Nr. 36).

Sieht ein Arbeitsvertrag lediglich ein einheitliches übertarifliches Arbeitsentgelt vor, so geschieht die Verrechnung "automatisch". Ist das erhöhte Tarifentgelt niedriger als das bisher gezahlte übertarifliche Entgelt, so wird weiterhin das unverändert bleibende bisherige Entgelt geschuldet, weil dann auch das erhöhte Tarifentgelt das bisherige Effektiventgelt nicht erreicht. Ist hingegen das erhöhte Tarifentgelt höher als das bisherige Entgelt, so hat der Arbeitgeber fortan das höhere Tarifentgelt zu zahlen. Ist hingegen im Arbeitsvertrag der übertarifliche Entgeltbestandteil als Zulage oder ähnlich bezeichnet und gesondert neben dem Tarifentgelt ausgewiesen, so kommt es nach einer Erhöhung der Tarifentgelte zu einer Kürzung oder Verrechnung der Zulage (BAG 25.06.2002 AP TVG § 4 Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung Nr. 36).

Letztere Fallgestaltung ist hier gegeben. Der bisherige übertarifliche Entgeltbestandteil des Klägers ist als Zulage ausgewiesen. Unstrittig ist die allgemeine Zulage von 65,39 € Bestandteil des Arbeitsentgeltes im eigentlichen und engeren Sinne. Weder wird mit dieser Zulage eine besonderer Leistungszweck verfolgt noch haben die Parteien eine Vereinbarung getroffen, dass die Zulage einer Anrechnung bei Tariflohnerhöhungen nicht zugänglich sein soll. Ebenfalls Arbeitsentgelt im eigentlichen und engeren Sinne ist die Einmalzahlung nach §§ 2 Nr. 2, 3 Nr. 2 LA 2006. Ebenso wie bei der Einmalzahlung des BAG-Urteils vom 16.04.2002 (AP TVG § 4 Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung Nr. 38) ergibt sich auch für die hier streitgegenständliche Einmalzahlung aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang, dass der "Einmalbetrag" von 310,00 € als pauschalierte Lohnerhöhung anzusehen ist. Die Einmalzahlung ist in §§ 2, 3 LA 2006 jeweils unter der Überschrift "Monatsgrundlohn" geregelt. Wie im Fall des BAG ist auch hier die Einmalzahlung zeitanteilig zu kürzen, soweit die Arbeitnehmer im März, April oder Mai 2006 keinen ungekürzten Anspruch auf Zahlung des Lohns, auf Weiterzahlung des regelmäßigen Arbeitsentgelts oder auf Kurzarbeitergeld haben (§§ 6 Nr. 2, 4 LA 2006). Teilzeitbeschäftigte erhalten den Einmalbetrag gemäß § 6 Nr. 3 LA 2006 nur nach Maßgabe ihrer für die Monate März, April und Mai 2006 einzelvertraglich vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit im Verhältnis zur regelmäßigen tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden. Ausscheidende Arbeitnehmer erhalten nach § 6 Nr. 5 LA 2006 den Einmalbetrag nur anteilig entsprechend der Dauer ihres Arbeitsverhältnisses in diesen Monaten. Das alles macht deutlich, dass die Höhe der nach dem LA 2006 geschuldeten Einmalzahlung in einem unmittelbaren Bezug zur Gegenleistung des Arbeitnehmers steht. Sie unterscheidet sich darin nicht von einer linearen Lohnerhöhung. Unter diesen Umständen ist wie im Fall des BAG nicht ersichtlich, welchen anderen Zweck als den einer pauschalierten Lohnerhöhung die Einmalzahlung nach dem LA 2006 für die Monate März bis Mai 2006 haben soll, zumal die Einmalzahlung ersichtlich den Zeitraum bis zur tabellenwirksamen Lohnerhöhung ab dem 01.06.2006 überbrücken soll. Es kommt deshalb zur Verrechnung von Zulage und Einmalbetrag.

Entgegen der Argumentation des Klägers steht dem Verständnis des Einmalbetrages als Tariflohnerhöhung nicht entgegen, dass die Tarifvertragsparteien den Betriebsparteien in § 6 LA 2006 die Möglichkeit eröffnet haben, den Einmalbetrag bei schlechter betrieblicher Ertragslage innerhalb der Laufzeit des Tarifvertrages zu verschieben oder bis auf null zu reduzieren oder bei guter Ertragslage bis auf das Doppelte durch freiwillige Betriebsvereinbarung zu erhöhen. Denn auch dies ändert nichts daran, dass es sich bei dem - ggfs. betrieblich modifizierten - Einmalbetrag im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer um die Gegenleistung des Arbeitgebers für die vom Arbeitnehmer geleistete Arbeit handelt. Dies aber ist das entscheidende Kriterium für die Zulässigkeit der Anrechnung (s. o.). Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus den Ausführungen des Urteils des BAG vom 16.04.2002 - 1 AZR 363/01 - (AP Nr. 38 TVG § 4 Übertariflicher Lohn u. Tariflohnerhöhnung - insbes. Rz. 36-38 = II 3 b bb, cc). Wenn dort auf den mit der "Einmalzahlung" verfolgten Zweck abgehoben wird, so ist damit nicht mehr als die Frage nach der Funktion der Einmalzahlung im syn-allagmatischen Pflichtenverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgeworfen - die sich hier wie bereits dargestellt beantwortet: Der "Einmalbetrag" ist Arbeitsentgelt im eigentlichen und engeren Sinne.

IV.

Ebenfalls zutreffend hat das Arbeitsgericht abschließend darauf hingewiesen, dass die Anrechnung der Einmalzahlung nicht wegen der Verletzung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrates unwirksam ist. Bei einer vollständigen Anrechnung der übertariflichen Lohnbestandteile auf eine Tariflohnerhöhung, wie die Beklagte sie unstreitig hier vorgenommen hat, besteht keine Regelungsmöglichkeit für eine anderweitige Verteilung der von der Beklagten für übertarifliche Leistungen zur Verfügung gestellten Entgeltsumme. Es ist daher auch kein Raum für ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Absatz 1 Nr. 10 BetrVG (BAG 25.06.2002 AP TVG § 4 Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung Nr. 36 a. E. m. w. N. zur ständigen Rechtsprechung des BAG).

V.

Da die Berufung des Klägers ohne Erfolg bleibt, hat er gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

VI.

Wie die 17. Kammer des erkennenden Gerichts, die in ihrem am 17.08.2007 verkündeten Urteil ebenfalls die Anrechenbarkeit des Einmalbetrages nach LA 2006 bejaht hat, hat auch die erkennende Kammer wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die Revision zugelassen (LAG Hamm Urt. 17.08.2007 - 17 Sa 537/07 -).

Ende der Entscheidung

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