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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 21.07.2005
Aktenzeichen: 11 Sa 787/05
Rechtsgebiete: LBG NW, BAT


Vorschriften:

LBG NW § 10 Abs. IV
BAT § 50 Abs. 2
Nach § 10 Abs.4 LBG NW erlischt ein Arbeitsverhältnis mit der Ernennung zur Beamtin. Diese Rechtsfolge tritt auch ein, wenn eine bisherige Regierungsangestellte beim Studienseminar unter Ernennung zur Beamtin auf Widerruf den Vorbereitungsdienst für ein Lehramt im staatlichen Schuldienst antritt. Die Regierungsangestellte kann wegen der gesetzlich bestimmten Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses nicht beanspruchen, dass ihr in ihrem bisherigen Arbeitsverhältnis Sonderurlaub ohne Fortzahlung der Bezüge nach § 50 Abs.2 BAT für die Dauer des Vorbereitungsdienstes gewährt wird.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 24.03.2005 - 1 (2) Ca 1942/04 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Tatbestand: Die Parteien streiten um einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Sonderurlaub und im Zusammenhang damit in der Berufungsinstanz auch über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. Die 1969 geborene Klägerin war seit dem 01. Januar 1998 als Regierungsangestellte mit einer Halbtagsstelle bei dem beklagten L4xx beschäftigt. Sie arbeitete im Studienseminar für die Primarstufe in P1xxxxxxx. Die Klägerin ist Gewerkschaftsmitglied. Während der Zeit ihrer Beschäftigung bei dem beklagten L4xx absolvierte die Klägerin ein Studium der Wirtschaftswissenschaften (International Business Studies). Im Januar 2003 erlangte die Klägerin den Studienabschluss als Diplomkauffrau. Sie ließ sich diesen Studienabschluss als Erstes Staatsexamen für das Lehramt anerkennen und bewarb sich für den Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Berufskollegs. Am 25. Juni 2004 erhielt die Klägerin die Mitteilung, dass sie zu einem entsprechenden Vorbereitungsseminar in D2xxxxxx zugelassen werde. Die Klägerin beantragte bei dem beklagten L4xx die Gewährung von Sonderurlaub in ihrem Arbeitsverhältnis als Regierungsangestellte für die Zeit des Vorbereitungsdienstes bis zum 31. August 2006. Das beklagte L4xx lehnte die Gewährung von Sonderurlaub unter Hinweis auf § 10 Abs. 4 LBG NW ab. Am 23.08.2004 hat die Klägerin bei dem Arbeitsgericht einen Antrag auf Gewährung von Sonderurlaub im Wege einstweiligen Rechtsschutzes anhängig gemacht. Diesen Antrag hat das Arbeitsgericht durch Urteil vom 26.08.2004 zurückgewiesen (ArbG Paderborn 1 Ga 21/04). Der Dienstantritt im Vorbereitungsdienst für das Lehramt mit der Vereidigung und der Überreichung der Ernennungsurkunde zur Beamtin auf Widerruf erfolgte am 06. September 2004. Mit ihrer am 24. September 2004 bei Gericht eingegangenen Klageschrift hat die Klägerin den Anspruch auf Gewährung von Sonderurlaub gerichtlich geltend gemacht. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hatte die Klägerin Berufung eingelegt. Diese hat sie nach Hinweis der Kammer, dass nach Antritt des Vorbereitungsdienstes ein Verfügungsgrund fehle, zurückgenommen (LAG Hamm 11 Sa 1652/04). Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, das beklagte L4xx sei nach § 50 Abs. 2 BAT verpflichtet, ihr für den Vorbereitungsdienst Sonderurlaub zu gewähren. § 10 Abs. 4 LBG NW könne nicht für den Fall einer Ernennung zur Beamtin auf Widerruf gelten. Die Klägerin hat beantragt, das beklagte L4xx zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 06. September 2004 bis zum 31.08.2006 Sonderurlaub zu gewähren. Das beklagte L4xx hat beantragt, die Klage abzuweisen. Das beklagte L4xx hat die Auffassung vertreten, dem Urlaubsbegehren stehe § 10 Abs. 4 LBG NW entgegen. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin sei mit deren Ernennung zur Beamtin auf Widerruf beendet worden. Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 24. März 2005 abgewiesen. Ein Anspruch auf die Gewährung von Sonderurlaub bestehe nicht, da das früher bestandene Arbeitsverhältnis der Parteien am 06. September 2004 mit der Ernennung der Klägerin zur Beamtin auf Widerruf gemäß § 10 Abs. 4 LBG NW beendet worden sei. Das Urteil ist der Klägerin am 06. April 2005 zugestellt worden. Die Klägerin hat am 20. April 2005 Berufung eingelegt und die Berufung am 06. Juni 2005 begründet. Die Klägerin wendet ein, zu Unrecht habe das Arbeitsgericht einen Anspruch auf unbezahlten Sonderurlaub verneint. Die Ableistung des Vorbereitungsdienstes zur Erlangung der Zweiten Staatsprüfung stelle zugunsten der Klägerin einen wichtigen Grund für die Gewährung von Sonderurlaub dar. Die Entscheidung der Bezirksregierung gegen die Bewilligung von Sonderurlaub sei angesichts der für das Arbeitsverhältnis geltenden Sonderurlaubsbestimmung in § 50 BAT ermessensfehlerhaft. An die Stelle des nicht ausgeübten Ermessens hätte das Arbeitsgericht seine Entscheidung zur Gewährung des beantragten Sonderurlaubs stellen müssen. Zur Stützung ihres Rechtsstandpunktes bezieht sich die Klägerin auf das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 04. Dezember 1996 - 2 Sa 423/96 - (ZTR 1997, 133) und die dazu ergangene Kostenentscheidung des Bundesarbeitsgerichts gemäß § 91 a ZPO vom 09. Juni 1998 (ZTR 1999, 35, 36). Wie dort sei auch hier eine Pflichtenkollision zwischen einem fortbestehenden früheren Anstellungsverhältnis und dem Beamtenverhältnis auf Widerruf nicht zu besorgen. Im Übrigen sei ein Nebeneinander von öffentlich-rechtlichem Beamtenverhältnis und privatrechtlichem Arbeitsverhältnis durchaus anerkannt. So könne neben einem bestehenden Beamtenverhältnis sehr wohl ein privatrechtliches Arbeitsverhältnis begründet werden. Auch § 116 BRRG sehe lediglich die Möglichkeit vor, eine Pflichtenkollision durch eine entsprechende landesrechtliche Regelung auszuschließen. Die Klägerin beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichtes Paderborn vom 24.03.2005 - 1 (2) Ca 1942/04 - abzuändern und 1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien mit Wirkung zum 01.01.1998 begründete Arbeitsverhältnis fortbesteht sowie 2. das beklagte L4xx zu verurteilen, der Klägerin für die Zeit vom 06.09.2004 bis zum 31.08.2006 Sonderurlaub ohne Fortzahlung der Bezüge zu gewähren. Das beklagte L4xx beantragt, Die Berufung zurückzuweisen. Das beklagte L4xx verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichtes. Zutreffend habe das Arbeitsgericht den Anspruch auf die Gewährung von Sonderurlaub nach § 50 BAT verneint, weil das Arbeitsverhältnis der Parteien gemäß § 10 Abs. 4 LBG NW durch die Ernennung der Klägerin zur Beamtin auf Widerruf beendet worden sei. § 10 Abs. 4 LBG NW erfasse vom Wortlaut her sämtliche Beamtenverhältnisse und sämtliche Arbeitsverhältnisse. Ein Abweichen von diesem klaren Gesetzeswortlaut sei nicht gerechtfertigt. Hätte der Gesetzgeber bei der Rechtsfolge des § 10 Abs. 4 LBG NW nach Art oder Umfang der Tätigkeit differenzieren wollen, hätte er eine entsprechende Formulierung in den Gesetzestext aufgenommen. Das Bundesarbeitsgericht habe in seiner Kostenentscheidung zum Fall des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein ausdrücklich festgehalten, dass eine abschließende Stellungnahme zur Anwendung von § 13 Abs. 4 LBG SH nicht erfolge und damit keine Grundsatzentscheidung getroffen werde. Weiter argumentiert das beklagte L4xx, dass § 10 Abs. 4 LBG NW dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Rechtsklarheit Rechnung trage. Der Gesetzgeber habe eine einheitliche Regelung für die Fälle gewollt, in denen ein Angestellter zum Beamten ernannt werde. Öffentliche Arbeitgeber sollten nicht damit belastet werden, je nach dem ganz konkreten Status eines Mitarbeiters zu differenzieren. Die von der Klägerin geforderte Auslegung würde dazu führen, dass die Anwendbarkeit des § 10 Abs. 4 LBG NW in jedem Einzelfall geprüft werden müsse. Dies würde zu einer Rechtsunsicherheit führen. Eine solche Einzelfallprüfung widerspreche dem Sinn und Zweck des Gesetzes. Aus § 116 BRRG folge nichts anderes. Aufgrund der Ermächtigung des § 116 BRRG könnten die Länder entscheiden, ob sie eine Regelung über ein Erlöschen von Arbeitsverhältnissen bei der Ernennung von Beamten treffen möchten. Von dieser Ermächtigung habe das L4xx Nordrhein-Westfalen wie auch der Bund und alle anderen Länder Gebrauch gemacht. Dies belege, dass das in § 10 Abs. 4 LBG NW geregelte Erlöschen des Arbeitsverhältnisses bei Ernennung zum Beamten/zur Beamtin von allen Ländern als wichtig und regelnswert eingestuft worden sei. Entscheidungsgründe: Die statthafte und zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg. Zutreffend hat das Arbeitsgericht entschieden, dass das frühere Arbeitsverhältnis der Parteien mit der Ernennung der Klägerin zur Beamtin auf Widerruf erloschen ist und deshalb mangels Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ein Anspruch auf Gewährung von Sonderurlaub nach § 50 BAT nicht in Betracht kommt. 1. Das Klagebegehren ist insgesamt zulässig. Das gilt auch für den erstmalig im Berufungsverfahren gestellten Feststellungsantrag zum Bestand des Arbeitsverhältnisses. Nach § 256 Abs. 2 ZPO kann der Kläger bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, durch Erweiterung des Klageantrags beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde. Die Voraussetzungen des § 533 ZPO über die zulässige Klageänderung im Berufungsverfahren müssen im Fall des § 256 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sein (Zöller-Greger, 25. Aufl. 2005, § 256 ZPO Rz. 29). Das Fortbestehen des bisherigen Arbeitsverhältnisses der Parteien ist im Laufe des hier zu entscheidenden Rechtsstreits streitig geworden und kann deshalb zulässig zum Gegenstand einer Feststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO gemacht werden. 2. Die Berufung ist jedoch insgesamt, hinsichtlich des Feststellungsantrages wie auch hinsichtlich des Antrages auf Gewährung von Sonderurlaub, unbegründet, weil das Arbeitsverhältnis der Parteien nach § 10 Abs. 4 LBG NW mit der Ernennung der Klägerin zur Beamtin auf Widerruf am 06.09.2004 beendet worden ist. Nach § 10 Abs. 4 LBG NW erlischt mit der Ernennung zur Beamtin/zum Beamten ein privatrechtliches Arbeitsverhältnis zum Dienstherrn. Die Tatbestandsvoraussetzung dieser Norm ist erfüllt. Die Klägerin ist am 06.09.2004 zur Beamtin ernannt worden. § 10 Abs. 4 LBG NW differenziert nicht zwischen verschiedenen Arten des Beamtenverhältnisses. Die Norm erfasst deshalb auch die Ernennung zum Beamten auf Widerruf (Plog-Wiedow-Lemhöfer, Stand: April 2005, § 10 BBG Rz. 22 zur entsprechenden Regelung in § 10 Abs. 3 BBG). Als Rechtsfolge ergibt sich das Erlöschen des seit 1998 bestehenden Halbtagsarbeitsverhältnisses der Klägerin als Regierungsangestellte bei dem Studienseminar für Primarstufe in P1xxxxxxx. Die Umstände des zu entscheidenden Falles rechtfertigen es nicht, von dem nach Tatbestand und Rechtsfolge eindeutigen Wortlaut des § 10 Abs. 4 LBG NW abzuweichen und eine Ausnahme von der dort vorgesehenen Rechtsfolge des Erlöschens des Arbeitsverhältnisses anzunehmen. Auch das Bundesarbeitsgericht ist in zwei Urteilen aus dem Jahr 1997 ohne weiteres davon ausgegangen, dass die Ernennung zum Beamten zum Erlöschen des bis dahin bestehenden Arbeitsverhältnisses geführt hat (BAG 24.04.1997, AP BGB § 611 Ruhen des Arbeitsverhältnisses Nr. 2 zu § 10 Abs. 3 BBG im Fall einer Ernennung zum Regierungsinspektor auf Probe; BAG 26.06.1997 - 8 AZR 369/96 - zu § 13 Abs. 4 SächsBG für den Fall der Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zur Justizinspektorin; ebenso ErfK-Preis, 5. Aufl. 2005, § 611 BGB Rz. 154). Soweit das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein dies für den Fall eines vor seiner Ernennung zum Beamten auf Widerruf mit einem Drittel der vollen Arbeitszeit als Grundschullehrer tätigen Angestellten anders beurteilt hat, vermag dem die Kammer im hier zu entscheidenden Fall nicht zu folgen (LAG Schleswig-Holstein 04.12.1996 - 2 Sa 423/96 - ZTR 1997, 123 - und der dazu zugunsten des Klägers ergangene Kostenbeschluss des BAG vom 09.06.1998 - 9 AZR 63/97 - ZTR 1999, 35). Der dortigen Erwägung, bei einer vorübergehenden Freistellung des dortigen Klägers von den Pflichten des Arbeitsverhältnisses drohe für die Dauer des Vorbereitungsdienstes keine Interessenkollision und deshalb sei die Regelung über das Erlöschen des Arbeitsverhältnisses nach § 13 Abs. 4 LBG S.-H. nicht anwendbar, schließt sich die erkennende Kammer im vorliegenden Fall nicht an. Es widerspricht der mit der Vorschrift des § 10 Abs. 4 LBG angestrebten Klarheit der Rechtsverhältnisse, wenn die kraft Gesetzes eintretende Rechtsfolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses von der Abwägung wechselnder Umstände der Einzelfälle abhängig gemacht würde (Plog-Wiedow-Lemhöfer, § 10 BBG Rz. 20). Da das frühere Arbeitsverhältnis der Klägerin am 06.09.2004 kraft Gesetzes erloschen ist, war die Berufung hinsichtlich des Antrages auf Feststellung des aktuellen Bestandes des Arbeitsverhältnisses als unbegründet zurückzuweisen. Zurückzuweisen war infolge dieses Ergebnisses auch der Antrag der Klägerin auf Gewährung von Sonderurlaub für die Zeitdauer vom 06.09.2004 bis zum 31.08.2006. Ein Arbeitsverhältnis der Parteien, in dessen Rahmen der Klägerin Sonderurlaub hätte erteilt werden können, besteht im Anspruchszeitraum nicht. 3. Wegen der Erfolglosigkeit ihrer Berufung hat die Klägerin gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die Kammer hat im Hinblick auf das genannte Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein und im Hinblick auf die im Sinne des dortigen Klägers ergangene Kostenentscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 09.06.1998 gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG die Revision zugelassen.

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