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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 20.01.2009
Aktenzeichen: 12 Sa 1163/08
Rechtsgebiete: TV-Ärzte/VKA


Vorschriften:

TV-Ärzte/VKA § 16 c
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 05.06.2008 - 4 Ca 6584/07 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.

Die am 30.09.1950 geborene, schwerbehinderte Klägerin, die Mitglied der Gewerkschaft ver.di ist, steht seit dem 01.07.1993 bei dem beklagten Landschaftsverband als Ärztin in einem Arbeitsverhältnis. Sie ist Fachärztin für Psychiatrie mit der Berechtigung zur Führung der Bezeichnung Psychotherapie. In den LWL-Kliniken in D1, in denen die Klägerin beschäftigt ist, sind 5 Abteilungen gebildet. Der Abteilung "Allgemeine Psychiatrie I" steht der Chefarzt D2. D2. S2 vor. Zu dieser Abteilung gehören 6 Stationen, eine Ambulanz, eine Tagesklinik und die Aufnahmeeinheit.

Seit dem 01.01.1996 führt die Klägerin den Titel Oberarzt. Nachdem sie zunächst in einigen anderen Bereichen tätig war, wurde sie ab dem 01.07.2004 auf der Station 41/3, einer Akutstation, eingesetzt, die zu einer der 6 Stationen gehört. Dort war ihr eine Assistenzärztin zugeteilt. Ab Mai 2006 wurde sie dann aufgrund einer Vereinbarung zwischen der Westfälischen Klinik D1 und dem Diakonischen Werk mit einer halben Stelle beim F2-F3-Haus bis zum 31.03.2007 tätig. Seit dem 01.04.2007 arbeitet sie wieder auf der Station 41/3. Für diese Station und für 2 weitere Stationen ist ein leitender Oberarzt bestellt.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestimmt sich gemäß dem Arbeitsvertrag der Klägerin nach den von dem Beklagten abgeschlossenen Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung.

Mit Wirkung vom 01.08.2006 wendet der Beklagte den Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber (TV-Ärzte/VKA) sowie den Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigen der kommunalen Arbeitgeber in den TV-Ärzte/VKA, die einerseits vom Marburger Bund und andererseits von der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände abgeschlossen worden sind. In einzelnen Fällen, in denen die Beschäftigten des Beklagten ausdrücklich auf die weitere Anwendung des TVöD bestanden haben und eine Mitgliedschaft in der Gewerkschaft ver.di oder der dbb-Tarifunion nachweisen konnten, gelten weiterhin die Bestimmungen des TVöD. Die Klägerin hat mit Schreiben vom 13.04.2007 mitgeteilt, dass sie die Eingruppierung nach dem Tarifvertrag mit dem Marburger Bund zunächst akzeptiere und als langjähriges Gewerkschaftsmitglied ab dem 01.07.2008 die Bezahlung nach dem Tarifvertrag von ver.di beantrage.

Nach der Überleitung wurde die Klägerin der Entgeltgruppe II Stufe 4 zugeordnet.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe vom 01.08.2006 an eine Vergütung nach der Entgeltgruppe III des TV-Ärzte/VKA zu. Denn ihre Tätigkeit sei als die einer Oberärztin zu bewerten. Ihr sei nur ein leitender Oberarzt übergeordnet, der aus zeitlichen Gründen nicht eingreife. Ob ein Arzt medizinische Verantwortung trage, habe nichts mit der hierarchischen Stellung zu tun. Auch auf die Einteilung des Arbeitgebers könne es nicht ankommen, da ansonsten willkürlich die Zahl der Oberärzte manipuliert werden könne. Der Arbeitgeber, der einem Arzt in einem selbständigen Funktionsbereich Verantwortung übernehmen lasse, könne sich nicht darauf berufen, dass eine Übertragung nicht ausdrücklich erfolgt sei. Bemerkenswert sei, dass von den 32 Oberärzten, die es vor der Tarifänderung gegeben habe, 28 Oberärzte in die Entgeltgruppe III TV-Ärzte/VKA übernommen worden seien. Ausgenommen seien ausschließlich Schwerbehinderte und Frauen, die älter als 50 seien. Dies stelle einen Verstoß gegen das AGG dar.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr ab dem 01.08.2006 eine Vergütung nach der Entgeltgruppe III des TV-Ärzte/VKA zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, die Klägerin habe die tarifvertraglichen Voraussetzungen nicht darzulegen vermocht. Ihr sei nicht die medizinische Verantwortung für einen selbstständigen Teil- oder Funktionsbereich der Klinik bzw. Abteilung ausdrücklich übertragen worden. Ein Verstoß gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz liege deswegen auch nicht vor. Jedenfalls seien die Ansprüche für die Monate August 2006 bis Mai 2007 nach dem TV-Ärzte/VKA verfallen.

Mit Urteil vom 05.06.2008 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, dem Vorbringen der darlegungs- und beweispflichtigen Klägerin sei nicht zu entnehmen, dass sie entsprechend den tariflichen Vorschriften mindestens zur Hälfte Tätigkeiten eines Oberarztes durchführe. Es sei nicht ersichtlich, dass ihr die medizinische Verantwortung für einen selbständigen Teil- oder Funktionsbereich übertragen worden sei. Da die Klägerin die tariflichen Voraussetzungen nicht erfülle, sei ein Verstoß gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz nicht erkennbar.

Gegen das ihr am 26.06.2008 zugestellte Urteil und wegen der weiteren Einzelheiten in Bezug genommene Urteil hat die Klägerin am 25.07.2008 Berufung eingelegt und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 29.09.2008 an diesem Tage begründet.

Sie hält dem Urteil entgegen, im Hinblick auf das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz sei die Beweislast verkannt worden. Wenn von 28 Titularoberärzten nur 4 nicht als Tarifoberärzte anerkannt werden und es sich dabei darüber hinaus nur um Frauen und um Schwerbehinderte die älter als 50 Jahre sind handelt, habe sich der Beklagte hierzu zu erklären. Aus dem Urteil werde auch nicht deutlich, was genau zur Abweisung der Klage geführt habe. Mitentscheidend dürfte die Annahme gewesen sein, dass eine wie auch immer geartete medizinische Verantwortung nicht ausdrücklich übertragen worden ist. Aus dem Rechtsgedanken des § 162 BGB folge aber, dass der Mangel der ausdrücklichen Übertragung nicht willkürlich eine gerechtfertigte Höhergruppierung vereiteln könne. Schaffe der Arbeitgeber die Voraussetzungen für die Einstufung in die Tarifgruppe III, so müsse er sich auch ohne ausdrückliche Übertragung so behandeln lassen, als habe er diese ausdrückliche Übertragung tatsächlich vorgenommen. Andernfalls würde dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet. Deswegen habe der Beklagte konkret vortragen müssen, warum er meint, dass seine Eingruppierung in die eine und nicht in die andere Tarifgruppe zutreffend sei. Dies gelte zumindest dann, wie hier, wenn die Arbeitnehmerin seit 15 Jahren als - zumindest Titularoberärztin - tätig ist und zahlreiche Tätigkeiten ausübt, die von der Beklagten als Tätigkeiten eines Tarifoberarztes betrachtet würden. Die Auffassung, es könne nur darauf ankommen, welche Tätigkeiten die Klägerin heute ausübe und nicht, welche Tätigkeiten die Klägerin gegebenenfalls unter der Geltung des BAT ausgeübt habe, sei nicht zutreffend. Denn Veränderungen dürfe die Klägerin im Rahmen des Arbeitsverhältnisses nur unter Berücksichtigung des Weisungsrechtes vornehmen. Da die Klägerin früher Oberarzttätigkeiten ausgeführt hat, sei jede Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz tarifrechtlich nur dann wirksam, wenn eine Änderungskündigung ausgesprochen werde. Im Übrigen hätten die früheren Tätigkeiten der Klägerin als Oberärztin Indizwirkung für die Bewertung der heutigen Tätigkeit. Die Klägerin sei auch in einem selbständigen Teil- oder Funktionsbereich tätig. Dabei sei zu berücksichtigen, dass diese Voraussetzungen für die Oberarzttätigkeit im Tarifvertrag lediglich eine Protokollerklärung darstelle, die zudem der Auslegung zugänglich sei und allgemeine Grundsätze des Arbeitsrechts nicht aushebeln könne. Der Ansatz des Arbeitsgerichts, es müsse erkennbar sein, dass es sich bei der Station um einen organisatorisch abgegrenzten selbständigen Teil- oder Funktionsbereich handele, sei falsch. Andernfalls könne der Arbeitgeber willkürlich und nach eigenem Gutdünken die Grenzen ziehen. Da die Beklagte der Station 41/3 eine eigene Bezeichnung gegeben und Zuständigkeiten geregelt habe, sei von dem Beklagten die mangelnde Selbständigkeit darzulegen. Aus der Organisationsstruktur der Beklagten ergebe sich die organisatorische Eigenständigkeit der Stationen.

Sie beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 05.06.2008 aufzuheben und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin vom 01.08.2006 an eine Vergütung nach der Entgeltgruppe III Entwicklungsstufe 2 des TV-Ärzte/VKA zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Berufung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten und des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 64 Abs. 1 ArbGG an sich statthafte und nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG zulässige sowie in gesetzlicher Form und Frist nach den §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519 ZPO eingelegte und innerhalb der durch § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG bestimmten Frist ordnungsgemäß nach den §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit § 520 Abs. 3 ZPO begründete Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

I.

Die Klage ist zulässig. Es handelt sich um eine im öffentlichen Dienst übliche Eingruppierungsfeststellungsklage, gegen deren Zulässigkeit nach ständiger arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung keine Bedenken bestehen (vgl. nur BAG Urt. v. 11.10.2006, 4 AZR 534/05, AP Nr. 9 zu § 20 BMTG II; Urt. v. 31.07.2002, 4 AZR 163/01 AP Nr. 292 zu §§ 22, 23 BAT 1975, Urt. v. 29.11.2001, 4 AZR 736/00, AP Nr. 288 zu §§ 22, 23 BAT 1975; Urt. v. 10.12.1997, 4 AZR 291/96 AP Nr. 237 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

II.

Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf die begehrte Feststellung zu.

1. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für die Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/VKA) der von der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände und dem Marburger Bund abgeschlossen worden ist aufgrund jedenfalls einzelvertraglicher Vereinbarungen Anwendung. Der tarifgebundene Beklagte wendet diesen Tarifvertrag an und hat die Klägerin auch in diesen Tarifvertrag übergeleitet. Mit Schreiben vom 13.04.2007 hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie die Eingruppierung nach dem Tarifvertrag mit dem Marburger Bund akzeptiere, jedoch ab dem 01.07.2008 als ver.di Mitglied die Bezahlung nach dem von ver.di abgeschlossenen Tarifvertrag beantragt.

Der Anwendbarkeit des TV-Ärzte/VKA steht nicht entgegen, dass gemäß § 4 Abs. 1 TVG ein anderer Tarifvertrag, nämlich der TVöD für das Arbeitsverhältnis unmittelbar und zwingend gilt. Denn die Regelung wäre jedenfalls gemäß § 4 Abs. 3 TVG als günstigere abweichende Abmachung anzusehen, da die Vergütung für Ärzte jedenfalls in Bezug auf die Klägerin als günstigere abweichende Abmachung anzusehen ist.

Ob das Begehren der Klägerin nicht von vornherein ab dem 01.07.2008 unbegründet ist, da nach dem Willen der Klägerin jedenfalls ab diesem Zeitpunkt wieder der TVöD Anwendung finden sollte, kann hier im Ergebnis dahinstehen, da der Klägerin im gesamten geltend gemachten Zeitraum keine Vergütung nach der Entgeltgruppe III zusteht.

2. Nach § 15 Abs. 2 TV-Ärzte/VKA ist die Ärztin/der Arzt in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen der gesamte von ihr/ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht dem Tätigkeitsmerkmal einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen. Dabei sind die Arbeitsvorgänge für die Feststellung, ob die Anforderungen erfüllt sind, zusammen zu beurteilen, wenn die Erfüllung der Anforderungen in der Regel erst bei der Betrachtung mehrerer Arbeitsvorgänge festgestellt werden kann.

Nach der Protokollerklärung zu § 15 Abs. 2 sind Arbeitsvorgänge Arbeitsleistungen, einschließlich der Zusammenhangsarbeiten, die bezogen auf den Aufgabenkreis der Ärztin/des Arztes, zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen. Jeder einzelne Arbeitsvorgang ist als solcher zu bewerten und darf dabei hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden.

Die Voraussetzungen der Eingruppierung sind in § 16 TV-Ärzte/VKA geregelt.

Danach sind Ärztinnen und Ärzte wie folgt eingruppiert:

a. Entgeltgruppe I:

Ärztin/Arzt mit entsprechender Tätigkeit

b. Entgeltgruppe II:

Fachärztin/Facharzt mit entsprechender Tätigkeit

Protokollerklärung zu b):

Fachärztin/Facharzt ist diejenige Ärztin/derjenige Arzt, die/der aufgrund abgeschlossener Facharztweiterbildung in ihrem/seinem Fachgebiet tätig ist.

c. Entgeltgruppe III:

Oberärztin/Oberarzt

Protokollerklärung zu c):

Oberärztin/Oberarzt diejenige Ärztin/derjenige Arzt, der/dem die medizinische Verantwortung für selbständige Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden sind.

d. Entgeltgruppe IV:

leiterende Oberärztin/leitender Oberarzt, ist diejenige Ärztin/derjenige Arzt, der/dem die ständige Vertretung der leitenden Ärztin/des leitenden Arztes (Chefärztin/Chefarzt) vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden ist.

Protokollerklärung zu d):

Leiterende Oberärztin/leitender Oberarzt ist nur diejenige Ärztin/derjenige Arzt, die/der die leitende Ärztin/den leitenden Arzt in der Gesamtheit ihrer/seiner Dienstaufgaben vertritt. Das Tätigkeitsmerkmal kann daher innerhalb einer Klinik in der Regel nur von einer Ärztin/einem Arzt erfüllt werden.

a) Der Anspruch der Klägerin erfolgt zunächst nicht aus der Tatsache, dass die Klägerin bereits vor in Kraft treten des Tarifvertrages in Bezeichnung "Oberarzt" geführt hat.

Denn in der Niederschriftserklärung zu § 6 Abs. 2 TVÜ-Ärtze/VKA heißt es:

"Die Tarifvertragsparteien gehen davon aus, dass Ärzte, die am 31. Juli 2006 die Bezeichnung "Oberärztin/Oberarzt" führen, ohne die Voraussetzung für eine Eingruppierung als Oberärztin/Oberarzt nach § 16 TV-Ärzte/VKA zu erfüllen, die Berechtigung zu Führung ihrer bisherigen Bezeichnung nicht verlieren. Eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe III ist hiermit nicht verbunden".

Dies zeigt deutlich, dass auch bei denjenigen Oberärztinnen und Oberärzten, die diesen Titel führen durften, die Voraussetzungen des § 16 TV-Ärzte/VKA vorliegen müssen.

Entgegen der Ansicht der Klägerin, trifft sie die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der Entgeltgruppe III. Dies folgt schon daraus, dass im Zivilprozess jeder die für ihn günstigen Tatsachen vorzutragen hat. Bei der Eingruppierungsklage müssen die Einzelheiten der Tätigkeit sowie darüber hinaus diejenigen Tatsachen detailliert vorgetragen werden, die das Gericht kennen muss, um daraus rechtlich folgern zu können, welche Arbeitsgänge zu erbringen sind und dieses Vorbringen den rechtlichen Schluss der Erfüllung der beanspruchten Tätigkeitsmerkmale ermöglicht (vgl. nur BAG Urteil vom 24.10.1984 - 4 AZR 519/82 -, AP Nr. 97 zu § 22 BAT 1975).

b) Maßgeblich für die Eingruppierung als Oberärztin/Oberarzt nach § 16 c TV-Ärzte/VKA ist die dortige Protokollerklärung.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts handelt es sich bei Protokollerklärungen, sofern es, was hier nicht im Streit steht, der Formerfordernis des Landestarifvertrages entsprechen, um Regelungen des materiellen Tarifrechts (vgl. BAG Urteil vom 27.11.2008 - 6 AZR 632/08 -).

Die Eingruppierungsfeststellungsklage der Klägerin kann damit nur Erfolg haben, wenn sich aus ihrem und dem unstreitigen Vorbringen ergibt, dass sie die Voraussetzungen der Protokollerklärung erfüllt.

Der Klägerin ist es aber auch in II. Instanz nicht gelungen, darzulegen, dass sie die medizinische Verantwortung für einen selbständigen Teil- oder Funktionsbereich von der Arbeitgeberin ausdrücklich übertragen worden ist.

Unter Verantwortung im allgemeinen Sprachgebrauch versteht man die mit einer bestimmten Stellung oder Aufgabe verbundene Verpflichtung, in der jeweiligen Stellung oder Aufgabe entsprechend dafür zu sorgen, dass innerhalb eines bestimmten Rahmens oder Lebensbereiches alles einen guten, sachgerechten und geordneten Verlauf nimmt, was beispielsweise mit der entsprechenden Verantwortung von Eltern, Lehrern aber auch Ingenieuren, Ärzten und Redakteuren erläutert wird (vgl. Meyers Enzyklopädie Lexikon). Die Protokollerklärung knüpft hier nicht an die allgemeine Verantwortung, sondern an die medizinische Verantwortung des Arztes an. Damit soll deutlich werden, dass entscheidend für die Eingruppierung als Oberarzt nicht die Verantwortung im administrativen Bereich maßgeblich ist, sondern allein die medizinische Verantwortung, nämlich das die Klägerin als Ärztin tätig wird (vgl. auch BAG Urteil vom 29.01.1986 - 4 AZR 465/84 -, AP BAT 1975, § 22 Nr. 115; Urteil vom 16.04.1986 - 5 AZR 595/84 -, AP BAT 1975, § 22 Nr. 120).

Geht man vom allgemeinen Sprachgebrauch aus und versteht man die Erweiterung "medizinisch" als Abgrenzung zu den Ärzten, die im Wesentlichen Verwaltungsaufgaben wahrnehmen, so wird aus dem Kontext deutlich, dass mit der in der Protokollerklärung für Oberärzte gemeinten "medizinischen Verantwortung", mehr gemeint sein muss, als die Verantwortung, die ein Arzt ohnehin trägt. Denn auch die in den Entgeltgruppen I und II genannten Ärzte bzw. Fachärzte tragen für ihr eigenes Handeln die medizinische Verantwortung. Da die Eingruppierungsnorm im TV-Ärzte/VKA eine hierarchische Steigerung beinhalten, muss die ärztliche Verantwortung des Oberarztes über die diejenige hinaus gehen, die Ärzte im allgemeinen treffen. Mit der höheren Vergütung des Oberarztes wird damit auch das höhere Maß der Verantwortung honoriert (vgl. Wahlers, PersV 2008, Seite 204, 206; vgl. auch LAG Düsseldorf, Urteil vom 24.04.2008 - 13 Sa 1910/07 -, LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 18.07.2008 - 3 Sa 77/08 -, BeckRS 2008, 57007).

Aus dem Vorbringen der Klägerin ergibt sich nicht, dass sie die medizinische Verantwortung für die Station 41/3 trägt. Dass sie allein verantwortlich ist für die Diagnose und Verantwortung der Therapiemaßnahmen bedeutet nicht, dass sie auch die medizinische Verantwortung für die Station trägt. Die von der Klägerin angeführten eigenen Entscheidungen in Bezug auf nicht unwesentliche Behandlungsschritte, belegen nicht, dass die Klägerin auch medizinische Verantwortung für das Handeln anderer trägt. Unerheblich ist entgegen der Ansicht der Klägerin wer für Fehler zivilrechtlich haftet oder strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann. Selbst wenn die Klägerin den oder die Assistenzärzte auf der Station, auf der sie tätig ist, zu überwachen hat, folgt daraus nicht zwingend, dass sie auch die medizinische Verantwortung für deren Arbeit trägt.

Weiter hat die Klägerin auch nicht darzulegen vermocht, dass es sich bei der Station 41/3 um einen selbständigen Teil- und Funktionsbereich der Klinik bzw. der Abteilung handelt. Für die Frage wann ein Funktionsbereich vorliegt, liegt es nahe auf bereits tarifrechtliches Bekanntes zurückzugreifen. Bereits in der Protokollnotiz Nr. 5 zu den Vergütungsgruppen I a Fallgruppe 7 und I b Fallgruppe 10 BAT wurde dieser Begriff definiert. Dabei handelte es sich um ein "wissenschaftlich anerkanntes Spezialgebiet innerhalb eine ärztlichen Fachgebietes, z. B. Nephrologie, Handchirurgie, Neuroradiologie, Elektroencephalographie, Herzkathedarisierung". Es sind keine Gründe erkennbar warum der Begriff des Funktionsbereiches im TV-Ärzte/VKA anders zu verstehen sein sollte, als dies zum Vorläufertarifvertrag zum BAT der Fall war (vgl. Wahlers, PersV 2008, Seite 204, 206). Gegenüber dem BAT ist allerdings die so beschriebene organisatorische Einheit durch den Begriff "Teilbereich" erweitert worden. Anders als dort, wo Abgrenzungskriterium allein das Fachgebiet war, ist nun tarifrechtlich bedeutsam das medizinische Verantwortung für einen Bereich getragen wird, die kein wissenschaftlich anerkanntes Spezialgebiet darstellen, jedoch vom Arbeitgeber als eigenständiger Bereich organisiert und definiert worden ist. Die Selbständigkeit zeigt dabei an der organisatorischen Abgrenzung. Sie wird erkennbar an der personellen und räumlichen Eigenständigkeit. Dass diese Voraussetzungen erfüllt sind, ergibt sich aus dem Vorbringen der Klägerin nicht. Die Klinik des Beklagten in D1 ist in 5 Abteilungen gegliedert. Die Station 41/3, auf der die Klägerin tätig ist, gehört zur Abteilung allgemeine Psychiatrie I, zu der weitere 5 Stationen, eine Ambulanz, eine Tagesklinik und die Aufnahmeeinheit gehören. Allein aus der Bezeichnung folgt dabei die Selbständigkeit des Teil- oder Funktionsbereichs noch nicht. Festzustellen ist viel mehr, dass es sich um eine abgrenzbare organisatorische Einheit innerhalb einer Abteilung oder Klinik handelt, der eigenständige Ziele zugewiesen sind und die sie im Rahmen eigener Organisiertheit, also mit eigenem Personal und räumlich eigenständig, erfüllt. Bei der Station 41/3 handelt es sich um eine offene Aufnahmestation, in der Therapieschwerpunkt die Akutbehandlung von Persönlichkeitsstörungen liegt. Wie die Station organisiert ist und warum sich ein selbständiger Teil- oder Funktionsbereich darstellt, hat die Klägerin nicht vorgetragen, obwohl bereits das Arbeitsgericht das Fehlen einen entsprechenden Vortrages im Urteil moniert hat.

Schließlich fehlt es auch an der tarifrechtlich erforderlichen ausdrücklichen Übertragung einer medizinischen Verantwortung.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts setzt die Übertragung einer Tätigkeit durch ausdrückliche Anordnung grundsätzlich voraus, dass diese durch das zuständige Organ des Arbeitgebers erfolgt. Denn die Anordnung bewirkt eine Änderung des Arbeitsvertrages nach zivilrechtlichen Grundsätzen bezüglich des Inhalts der Arbeitspflicht und führt wie auch hier zu einem höheren Vergütungsanspruch (vgl. BAG Urteilt vom 25.10.1995 - 4 AZR 479/94 -, NZA 1996, Seite 710, 712; Urteil vom 11.11.1987 - 4 AZR 336/87 -, AP BAT 1975, § 22 Nr. 140). Die ausdrückliche Anordnung kann dabei schriftlich oder mündlich erklärt werden aber auch in Dienstanweisungen, Verwaltungsführungen und Geschäftsverteilungsplänen enthalten sein. Nicht für ausreichend gehalten hat das BAG konkludentes Verhalten oder die lediglich faktische Herstellung entsprechender Organisationsform in der Verwaltung oder die Benachrichtigung lediglich unterstellter Angestellter.

Aus dem Vorbringen der Klägerin ergibt sich dies nicht. Sie hat nicht dargelegt, dass das dafür zuständige Organ des Beklagten ihr eine Befugnis ausdrücklich übertragen hätte.

Die Klägerin kann die Eingruppierung nach der Entgeltgruppe III TV-Ärzte/VKA auch nicht mit Erfolg darauf stützen, dass sie unter der Geltung des BAT in Funktionen eingesetzt war, die heute von Ärzten ausgeübt wird, die als Oberärzte im tarifrechtlichen Sinne angesehen werden. Denn maßgeblich für die Eingruppierung ist gemäß § 16 TV-Ärzte/VKA die ausgeübte Tätigkeit, zumal die Klägerin Ansprüche für den Zeitraum geltend macht, in der sie auf der Station 41/3 tätig geworden ist.

Ein Anspruch auf die Vergütung ergibt sich auch nicht aus dem Arbeitsvertrag. Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass sie als Oberärztin im tarifrechtlichen Sinne beschäftigt werden müsse, weil sie zuvor eine solche Tätigkeit ausgeübt habe. Die Klägerin kann einen solchen Anspruch nicht mit Erfolg auf § 280 Abs. 2 BGB stützen. Denn aus dem Vorbringen der Klägerin ergibt sich nicht, dass sie Anspruch darauf hat, als Überärztin im Tarifsinne beschäftigt zu werden. Ihr Einsatz auf der Station 41/3 erfolgte ab dem 01.07.2004. Zu diesem Zeitpunkt gab es für Oberärzte im öffentlichen Dienst noch keine tarifrechtliche vorgesehene Eingruppierung. Diese wurde erst zum 01.08.2006 geschaffen.

Auf die Verletzung des AGG (§ 15 Abs. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 Ziffer 1, § 1 AGG) stützt die Klägerin die Klage ausdrücklich nicht. Nach der Klageschrift hatte die Klägerin sich lediglich Schadenersatzansprüche vorbehalten. In erster Linie geht sie davon aus, dass die nach ihrer Auffassung vorliegende Benachteiligung zu einer Beweislastumkehr führen muss.

Im Übrigen ist es aber auch zweifelhaft, ob überhaupt eine zum Schadenersatz verpflichtende Benachteiligung von der Klägerin hinreichend deutlich dargelegt worden ist. Weil die Klägerin selbst die tariflichen Voraussetzungen für eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe III TV-Ärzte/VKA nicht erfüllt, konnte ein Anspruch daraus resultieren, dass andere Ärzte jedoch so eingruppiert sind, obwohl sie die Voraussetzungen nicht erfüllen. Das hat die Klägerin selbst nicht vorgetragen.

Daher könnte unter Berücksichtigung der tariflichen Voraussetzungen eine Benachteiligung nur darin liegen, dass die Beklagte die Arbeitsbereiche so zugeschnitten hat, dass die Klägerin die Voraussetzungen für eine Eingruppierung als Oberärztin nach dem TV-Ärzte/VKA nicht erfüllt. Auch das ergibt sich aber aus dem Vortrag der Klägerin nicht. Insbesondere fehlt jegliche Angabe zur Vergleichsgruppe. Schließlich liegt das Organisationsrecht beim Dienstherrn, der bestimmen kann, welche Organisationsstruktur er seine Klinik oder Abteilung betreiben will.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, da die Klägerin die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen hat.

Die Revisionszulassung folgt aus § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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