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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 24.02.2009
Aktenzeichen: 12 Sa 1440/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 140
BGB § 174
BGB § 623
Die rückwirkende Beendigung des Arbeitsvertrages durch Aufhebungsvertrag ist nur wirksam, wenn das Arbeitsverhältnis bereits außer Vollzug gesetzt war. Der unwirksame Aufhebungsvertrag kann jedoch gem. § 140 BGB umgedeutet werden in einen wirksamen Aufhebungsvertrag mit einer Beendigung zum Zeitpunkt der Außervollzugsetzung.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts Herford vom 29.07.2008 - 3 Ca 409/08 - teilweise abgeändert:

Der auf den Aufhebungsvertrag bezogene Klageantrag wird mit der Maßgabe abgewiesen, dass festgestellt wird, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch den Aufhebungsvertrag vom 03.03.2008 mit Ablauf des 03.02.2008 beendet worden ist.

Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrages.

Die am 05.07.1947 geborene Klägerin steht seit dem 11.08.1997 bei der beklagten Rechtsanwältin als Bürokraft mit zuletzt einer durchschnittlichen Arbeitszeit von 24 Stunden und einem Bruttomonatseinkommen von 1.040,48 EUR in einem Arbeitsverhältnis, auf das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet.

Am Montag den 03.03.2008 kam es zu Beginn der Arbeitsaufnahme zwischen den Parteien zu einer Unterredung, weil eine Akte, in der sich auch Bargeld befunden hat, nicht mehr auffindbar war. Der Inhalt der Unterredung ist zwischen den Parteien streitig. Nachdem die Akte auch tagsüber nicht gefunden werden konnte, unterzeichneten die Parteien gegen 16.00 Uhr einen Aufhebungsvertrag, wonach das Arbeitsverhältnis zum 29.02.2008 einvernehmlich aufgehoben wurde.

Mit Schreiben vom 10.03.2008 kündigten die jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos mit sofortiger Wirkung und fochten den Aufhebungsvertrag wegen widerrechtlicher Drohungen an. Das Schreiben wurde am gleichen Tag zweimal per Telefax übermittelt, wobei das 2. Telefaxschreiben eine beglaubigte Fotokopie der Vollmacht der Klägerin enthielt. Des Weiteren sandte der jetzige Prozessbevollmächtigte der Klägerin dieses Schreiben per Post an die Beklagte. Auch diesem Schreiben war eine Vollmacht der Klägerin in beglaubigter Kopie beigefügt.

Mit Schreiben vom 10.03.2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin vorsorglich fristlos, hilfsweise ordnungsgemäß zum nächstmöglichen Termin. Mit Schreiben vom 13.03.2008 wies sie die im Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 10.03.2008 enthaltenen Willenserklärungen mangels Vorlage einer entsprechenden Vollmacht zurück.

Mit beim Arbeitsgericht am 01.04.2008 eingegangener Klage machte die Klägerin die Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages sowie der Kündigung der Beklagten vom 10.03.2008 geltend.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Aufhebungsvertrag sei unwirksam da er wirksam angefochten worden sei. Die Beklagte habe ihr vorgeworfen, in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit eine Straftat begangen zu haben. Trotz des unzutreffenden Vorwurfes habe die Beklagte ihr gedroht, das Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen. Im Übrigen sei die rückwirkende Beendigung eines bereits in Vollzug gesetzten Arbeitsverhältnisses nicht möglich, so dass der Arbeitsvertrag aus diesem Grund unwirksam sei.

Die Klägerin hat - soweit hier von Interesse - beantragt festzustellen,

dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch den Aufhebungsvertrag vom 03.03.2008 nicht beendet worden.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält den Aufhebungsvertrag für rechtswirksam, da auch eine rückwirkende Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglich sei. Die Anfechtung sei mangels Originalvollmacht zu Recht zurückgewiesen worden.

Mit Urteil vom 29.07.2008 hat das Arbeitsgericht im Wege des Teilurteils festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch den Aufhebungsvertrag vom 03.03.2008 nicht beendet worden ist. Es hat die Auffassung vertreten, die Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages folge zwar nicht aus den Gesichtspunkt der Anfechtung, da die Anfechtungserklärung unverzüglich mangels Vollmachtsvorlage zurückgewiesen worden sei. Die Unwirksamkeit folge jedoch daraus, dass Arbeitsverhältnisse, die bereits in Vollzug gesetzt worden sind, nicht rückwirkend aufgelöst werden könnten, so dass am 03.03.2008 eine Auflösung zum 29.02.2008 nicht möglich gewesen sei.

Gegen das ihr am 28.08.2008 zugestellte und wegen der weiteren Einzelheiten in bezug genommene Teilurteil hat die Beklagte am 24.09.2008 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 28.11.2008 am 27.11.2008 begründet.

Sie hält dem Urteil entgegen, auch eine rückwirkende Auflösung des Arbeitsverhältnisses sei möglich. Der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts könne insoweit nicht gefolgt werden. Zudem sei es der Klägerin aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben verwehrt, sich hierauf zu berufen.

Die Beklagte beantragt,

das Teilurteil des Arbeitsgerichts Herford vom 29.07.2008 - 3 Ca 409/08 - abzuändern und die Klage insoweit abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass festgestellt wird, dass das Arbeitsverhältnis über den 29.02.2008 hinaus mindestens bis zum 10.03.2008 fortbestanden hat.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie auf die Protokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und ganz überwiegend begründet.

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1, Abs. 2 c ArbGG statthaft. Sie wurde auch form- und fristgerecht eingelegt sowie fristgerecht ordnungsgemäß begründet, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.

II.

Die Berufung hat auch im wesentlichen Erfolg. Denn das Arbeitsverhältnis ist durch den Aufhebungsvertrag beendet worden.

1. Mit dem in II. Instanz gestellten Antrag ist die Feststellungsklage nach § 256 ZPO zulässig. Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse daran, das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald feststellen zu lassen. Besteht das Arbeitsverhältnis über den 29.02.2008 hinaus fort, so können daraus weitergehende Ansprüche resultieren, wie das vorliegende Verfahren zeigt.

2. Die Klage ist jedoch unbegründet, soweit die Klägerin den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 03.03.2008 hinaus geltend macht, da der Aufhebungsvertrag das Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt beendet hat.

a) Mit dem Arbeitsgericht geht auch die Berufungsklammer davon aus, dass der Aufhebungsvertrag nicht aufgrund der Anfechtung durch die Klägerin als von Anfang an als nichtig anzusehen ist. Denn es liegt keine wirksame Anfechtungserklärung nach § 143 BGB vor.

Diese ist nämlich gemäß § 174 BGB unwirksam, da die Beklagte das einseitige Rechtsgeschäft, die Anfechtungserklärung unverzüglich mangels Vorlage einer Vollmachtsurkunde zurückgewiesen hat.

Die Klägerin hat die Anfechtungserklärung nicht selber abgegeben, sondern ihre späteren Prozessbevollmächtigten. Dabei haben diese dem Schreiben vom 10.03.2008 allerdings keine Originalvollmachtsurkunde beigelegt, sondern nur eine beglaubigte Abschrift. Diese entspricht allerdings nicht den Anforderungen an eine Vollmachtsurkunde, wie sie in § 174 Abs. 1 Satz 1 BGB gefordert wird (vgl. BGH, Urteil vom 04.02.1981 - 8 ZR 313/79 -, NJW 1981, Seite 1210; Staudinger/Schilken, Neubearbeitung 2004, § 174 Rdn. 3, Allgemeine Meinung).

Die Anfechtungserklärung ist auch von der Klägerin nicht innerhalb der Jahresfrist des § 124 BGB wiederholt worden. Im Berufungsverfahren hat sich die Klägerin auf diesen Unwirksamkeitsgrund auch nicht mehr berufen.

b) Der Aufhebungsvertrag hat das Arbeitsverhältnis zum 29.02.2008 nicht beendet, er ist insoweit rechtsunwirksam.

aa) Grundsätzlich können Aufhebungsverträge nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch rückwirkend aufgelöst werden. Voraussetzung ist allerdings, dass das Arbeitsverhältnis bereits außer Vollzug gesetzt war (vgl. BAG, Urteil vom 10.12.1998 - 8 AZR 324/97 -, NZA 1997, Seite 422, 424; ErfK-Müller-Glöge, 9. Auflage 2009 § 620 BGB Rdn. 10; KR-Lipke, 8. Auflage 2007, § 620 BGB Rdn. 23; MünchKomm-Hesse, 4. Auflage 2005, vor § 620 BGB Rdn. 38; HWK-Schmalenberg, 3. Aufl.2008, § 20 BGB, Rdn.29; Schaub-Linck, Arb-Handbuch, 12. Aufl. 2007, § 122 Rdn. 16; Kittner/Däubler/Zwanziger-Däubler, KSchR 7. Aufl. 2008; APS-Rolfs, 3. Aufl. 2007, Aufhebungsvertrag Rdn. 39; Küttner-Eisemann, 15. Aufl. 2008, Aufhebungsvertrag Rdn. 4; a.A. Staudinger-Neumann, Neub. 2002, Vor §§ 620 BGB ff, Rdn. 12). Der Grund hierfür liegt darin, dass bei der rückwirkenden Aufhebung eines in Vollzug gesetzten Arbeitsverhältnisses für die Zeit zwischen der Beendigung und dem Abschluss des Aufhebungsvertrages ein faktisches Arbeitsverhältnisses entstehen würde, was zur Abwicklungsschwierigkeiten führen könnte (vgl. zur gleichen Problematik bei der Anfechtung des Arbeitsvertrages: BAG, Urteil vom 29.08.1994 - 7 AZR 34/83 -, AP BGB § 123 Nr. 27). Zudem wäre der rückwirkend abgeschlossene Aufhebungsvertrag im in Vollzug gesetzten Arbeitsverhältnis praktisch wertlos, da ein Leistungsaustausch aus dem Gesichtspunkt des faktischen Arbeitsverhältnisses zu erfolgen hätte.

bb) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist das Arbeitsverhältnis auch nach dem 29.02.2008 in Vollzug gesetzt worden. Dabei kommt es nicht darauf an, welche Tätigkeiten die Klägerin geleistet hat, sondern darauf, dass die Klägerin ihre Arbeitsleistung angeboten hat und irgendwelche Tätigkeiten verrichtet hat.

c) Der zum 29.02.2008 unwirksame abgeschlossene Aufhebungsvertrag kann jedoch gemäß § 140 BGB umgedeutet werden in einen wirksamen Aufhebungsvertrag zum 03.03.2008.

Die Voraussetzungen für eine Umdeutung liegen vor.

aa) Beim Aufhebungsvertrag handelt es sich zweifellos um ein Rechtsgeschäft. Über den Wortlaut des § 140 BGB hinaus wird nicht nur das nichtige Rechtsgeschäft erfasst, sondern alle Fälle der Unwirksamkeit (vgl. Staudinger/Roth, Neubearbeitung 2003, § 140 BGB Rdn. 14).

bb) Der Aufhebungsvertrag mit Wirkung zum 29.02.2008 entspricht auch den Erfordernissen des umgedeuteten Rechtsgeschäftes (Aufhebungsvertrag mit Wirkung zum 03.03.2008). Insbesondere liegen alle für das umgedeutete Rechtsgeschäft bestehenden Gültigkeitsvoraussetzungen vor. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist auch das Schriftformerfordernis des § 623 BGB gewahrt, obwohl in der Urkunde weiterhin das Enddatum 29.02.2008 enthalten ist. Ebenso wie bei der Kündigung (vgl. Staudinger/Oetker, Neubearbeitung 2002, § 623 BGB Rdn. 53; Preis/Gotthard, NZA 2000, Seite 348, 351) wird die von § 623 BGB angestrebte Rechtssicherheit dadurch erreicht, dass aufgrund des Aufhebungsvertrages jedenfalls die Beendigung des Arbeitsverhältnisses feststeht und sich das Beendigungsdatum aus dem Zeitpunkt der Außervollzugsetzung ergibt.

cc) Schließlich entspricht die Umdeutung auch den mutmaßlichen Willen der Parteien zur Zeit der Vornahme des Rechtsgeschäftes. Wenn die Parteien damals gewusst hätten, dass eine rückwirkende Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht möglich ist, hätten sie jedenfalls den 03.03.2008 gewählt. Da auf den Abschlusszeitpunkt abzustellen ist, muss außer Betracht bleiben, dass die Klägerin sich an dem Aufhebungsvertrag nicht mehr festhalten lassen will.

III.

Gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO hat die Klägerin die Kosten des Berufungsverfahrens allein zu tragen, da die Berufung lediglich im Bezug auf die Datumsdifferenz unbegründet war, im übrigen aber ganz überwiegend aber Erfolg hatte.

Ein Anlass die Revision gemäß § 72 ArbGG zuzulassen, ist nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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