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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 03.02.2009
Aktenzeichen: 12 Sa 349/08
Rechtsgebiete: TV-Ärzte/VKA


Vorschriften:

TV-Ärzte/VKA § 16 c
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 05.02.2008 - 5 Ca 1997/07 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.

Die Klägerin steht seit dem 01.07.1998 bei dem beklagten Landschaftsverband als Ärztin in einem Arbeitsverhältnis. Nach § 2 des Arbeitsvertrages bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem BAT und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung. Die Klägerin ist Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie und ist in der Hans-Prinzhorn-Klinik des Beklagten in H3 tätig, die in 4 Abteilungen gegliedert ist:

- Psychiatrie und Psychotherapie

- Suchtmedizin und spezielle Psychiatrie

- Psychotherapeutische Medizin und Depressionsbehandlung

- Gerontopsychiatrie

Mit Schreiben vom 29.06.1999 wurde die Klägerin zur Fachärztin in der Funktion einer Oberärztin bestellt und war seit dem bis zum Beginn ihres Mutterschutzes auf der Station D 12 tätig. Bereits im Rahmen der Elternzeit arbeitete die Klägerin in Teilzeit in der Institutsambulanz der Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie des Beklagten in I2, was nach der Beendigung der Elternzeit mit einer Stundenzahl von 20 pro Woche fortgesetzt wurde. Neben der Klägerin ist dort eine weitere Fachärztin (Dr. M2)mit 30 Wochenstunden beschäftigt, der mit Schreiben vom 19.09.2007 mit Wirkung vom 01.08.2006 die medizinische Verantwortung für den " selbstständigen Funktionsbereich der Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie Station/Bereich Ambulanz" übertragen wurde.

Mit Wirkung vom 01.08.2006 wendet der Beklagte den Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber (TV-Ärzte/VKA) sowie den Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigen der kommunalen Arbeitgeber in den TV-Ärzte/VKA, die einerseits vom Marburger Bund und andererseits von der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände abgeschlossen worden sind, an.

Nach der Überleitung wurde die Klägerin in die Entgeltgruppe II TV-Ärzte/VKA eingruppiert, was ein Bruttomonatsgrundgehalt von 5110,- € gegenüber 6000,- € in Entgeltgruppe III ausmacht.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe vom 01.08.2006 an eine Vergütung nach der Entgeltgruppe III des TV-Ärzte/VKA zu. Denn sie werde als Oberärztin eingesetzt. Dass die medizinische Verantwortung für die Klinik beim Klinikdirektor liege, stehe der Übertragung der medizinischen Verantwortung eines Teil- und Funktionsbereiches nicht entgegen. Da die Institutsambulanz räumlich abgegrenzt ist und über eigenes Pflegepersonal verfügt, seien die Voraussetzungen für einen selbständigen Teilbereich erfüllt.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr eine Vergütung nach der Entgeltgruppe III Stufe 2 des TV-Ärzte/VKA zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, die Klägerin erfülle die Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppe III nicht. Ihr sei nicht die medizinische Verantwortung für einen selbständigen Teil- oder Funktionsbereich der Klinik bzw. Abteilung ausdrücklich übertragen worden.

Mit Urteil vom 05.02.2008 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, dem Vorbringen der Klägerin sei nicht zu entnehmen, dass ihr die erforderliche medizinische Verantwortung übertragen worden ist. Sie habe nicht substantiiert dargelegt, dass sie eine "vorgesetzte" Funktion eingenommen habe und ihr die Aufsichtsfunktion über ärztliches oder nichtärztliches Personal ausdrücklich übertragen worden ist. Da Frau Dr. M2 in der 30 Stundenwoche als Oberärztin tätig sei, verblieben für die Klägerin zu einer Vollzeitstelle nur 10 Stunden.

Gegen das ihr am 19.02.2008 zugestellte und wegen der weiteren Einzelheiten in Bezug genommene Urteil hat die Klägerin am 28.02.2008 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 21.05.2008 am 30.04.2008 begründet.

Sie hält dem Urteil entgegen, die Institutsambulanz stelle einen selbständigen Bereich dar, da sie etwa 9 km von der Hans-Prinzhorn-Klinik entfernt liegt. Trotz der organisatorischen Zuordnung zur Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie besitze die Institutsambulanz eine hohe Eigenständigkeit. Bereits 1997 sei Frau Dr. M2 die Oberärztliche Leitung der Institutsambulanz übertragen worden, zum 01.08.2006 sei sie als Oberärztin betätigt worden. Vor Beginn ihrer Elternzeit habe der Chefarzt ausdrücklich erklärt, sie bleibe in der Funktion der Oberärztin, die sie schon zuvor innegehabt habe. Grund hierfür sei die Erweiterung des Aufgabenspektrums von Frau Dr. M2 gewesen. Mit Billigung des Chefarztes habe die Anleitung der des medizinischen Personals, namentlich der Fachärzte und Assistenzärzte zu ihrem Aufgabenbereich gehört. In ihrer Funktion als Oberärztin sei sie zu einer Führungskompetenzfortbildung eingeladen worden. Im Rahmen ihrer Oberarztfunktion habe sie zusätzliche weitere Aufgaben mit Außenwirkung übernommen. Zwischen ihr und Frau Dr, M2 sei eine Aufgabenteilung verabredet worden. Sie sei für die Arbeitsorganisation, die Klägerin für finanzielle Angelegenheiten verantwortlich. Deswegen stehe die Teilzeittätigkeit der Eingruppierung nicht entgegen. Es stelle eine Ungleichbehandlung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz dar, wenn keine Oberarztstellen in Teilzeit erhalten bleiben sollen, wie sie vom Chefarzt erfahren habe. Eine Diskriminierung sei auch in der Tatsache zu sehen, dass ihre Nachfolgerin nach der elternzeitbedingten Unterbrechung auf der Station D12 zum 01.12.2006 in der Oberarztfunktion bestätigt worden sei.

Sie beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Iserlohn 5 Ca 2076/07 vom 05.02.2008 die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab dem 01.08.2006 eine Vergütung nach der Entgeltgruppe III Stufe 2 des TV-Ärzte/VKA zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Berufung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten und des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 64 Abs. 1 ArbGG an sich statthafte und nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG zulässige sowie in gesetzlicher Form und Frist nach den §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519 ZPO eingelegte und innerhalb der verlängerten Frist ordnungsgemäß nach den §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit § 520 Abs. 3 ZPO begründete Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

I.

Die Klage ist zulässig.

Erstinstanzlich hat die Klägerin einen Feststellungsantrag gestellt, der jedoch zeitlich nicht datiert war. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin den Antrag gestellt, die Beklagte zu Vergütungszahlungen nach der Entgeltgruppe III TV Ärzte/VKA ab dem 01.08.2008 zu verurteilen. Ein solcher unbestimmter Leistungsantrag wäre mangels Bestimmtheit unzulässig. Bei verständiger Würdigung des Begehrens der Klägerin geht die Berufungskammer davon aus, dass die Klägerin eine im öffentlichen Dienst übliche Eingruppierungsfeststellungsklage, gegen deren Zulässigkeit nach ständiger arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung keine Bedenken bestehen (vgl. nur BAG Urt. v. 11.10.2006, 4 AZR 534/05, AP Nr. 9 zu § 20 BMTG II; Urt. v. 31.07.2002, 4 AZR 163/01 AP Nr. 292 zu §§ 22, 23 BAT 1975, Urt. v. 29.11.2001, 4 AZR 736/00, AP Nr. 288 zu §§ 22, 23 BAT 1975; Urt. v. 10.12.1997, 4 AZR 291/96 AP Nr. 237 zu §§ 22, 23 BAT 1975), erheben will.

II.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf die begehrte Feststellung nicht zu.

1. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für die Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/VKA), der von der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände und dem Marburger Bund abgeschlossen worden ist aufgrund jedenfalls einzelvertraglicher Vereinbarungen nach § 2 des Arbeitsvertrages Anwendung. Der tarifgebundene Beklagte wendet diesen Tarifvertrag an und hat die Klägerin auch in diesen Tarifvertrag übergeleitet.

2. Die Klägerin erfüllt die geforderten Tarifmerkmale nicht.

a) Nach § 15 Abs. 2 TV-Ärzte/VKA ist die Ärztin/der Arzt in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihm/ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht dem Tätigkeitsmerkmal einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen. Dabei sind die Arbeitsvorgänge für die Feststellung, ob die Anforderungen erfüllt sind, zusammen zu beurteilen, wenn die Erfüllung der Anforderungen in der Regel erst bei der Betrachtung mehrerer Arbeitsvorgänge festgestellt werden kann.

Nach der Protokollerklärung zu § 15 Abs. 2 TV-Ärzte/VKA sind Arbeitsvorgänge Arbeitsleistungen, einschließlich der Zusammenhangsarbeiten, die bezogen auf den Aufgabenkreis der Ärztin/des Arztes, zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen. Jeder einzelne Arbeitsvorgang ist als solcher zu bewerten und darf dabei hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden.

Die Voraussetzungen der Eingruppierung sind in § 16 TV- Ärzte/VKA geregelt.

Danach sind Ärztinnen und Ärzte wie folgt eingruppiert:

a. Entgeltgruppe I:

Ärztin/Arzt mit entsprechender Tätigkeit

b. Entgeltgruppe II:

Fachärztin/Facharzt mit entsprechender Tätigkeit

Protokollerklärung zu b):

Fachärztin/Facharzt ist diejenige Ärztin/derjenige Arzt, die/der aufgrund abgeschlossener Facharztweiterbildung in ihrem/seinem Fachgebiet tätig ist.

c. Entgeltgruppe III:

Oberärztin/Oberarzt

Protokollerklärung zu c):

Oberärztin/Oberarzt diejenige Ärztin/derjenige Arzt, der/dem die medizinische Verantwortung für selbständige Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden sind.

d. Entgeltgruppe IV:

leiterende Oberärztin/leitender Oberarzt, ist diejenige Ärztin/derjenige Arzt, der/dem die ständige Vertretung der leitenden Ärztin/des leitenden Arztes (Chefärztin/Chefarzt) vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden ist.

Protokollerklärung zu d):

Leiterende Oberärztin/leitender Oberarzt ist nur diejenige Ärztin/derjenige Arzt, die/der die leitende Ärztin/den leitenden Arzt in der Gesamtheit ihrer/seiner Dienstaufgaben vertritt. Das Tätigkeitsmerkmal kann daher innerhalb einer Klinik in der Regel nur von einer Ärztin/einem Arzt erfüllt werden.

b) Der Anspruch der Klägerin folgt zunächst nicht aus der Tatsache, dass die Klägerin bereits vor in Kraft treten des Tarifvertrages die Bezeichnung "Oberärztin" geführt hat.

Denn in der Niederschriftserklärung zu § 6 Abs. 2 TVÜ-Ärzte/VKA heißt es:

"Die Tarifvertragsparteien gehen davon aus, dass Ärzte, die am 31. Juli 2006 die Bezeichnung "Oberärztin/Oberarzt" führen, ohne die Voraussetzung für eine Eingruppierung als Oberärztin/Oberarzt nach § 16 TV-Ärzte/VKA zu erfüllen, die Berechtigung zu Führung ihrer bisherigen Bezeichnung nicht verlieren. Eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe III ist hiermit nicht verbunden".

Dies zeigt deutlich, dass auch bei denjenigen Oberärztinnen und Oberärzten, die diesen Titel führen durften, die Voraussetzungen des § 16 TV-Ärzte/VKA vorliegen müssen.

c) Maßgeblich für die Eingruppierung als Oberärztin/Oberarzt nach § 16 c TV-Ärzte/VKA ist die dortige Protokollerklärung.

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts handelt es sich bei Protokollerklärungen, sofern, was hier nicht im Streit steht, sie dem Formerfordernis des Tarifvertrages entsprechen, um Regelungen des materiellen Tarifrechts (vgl. BAG Urteil vom 27.11.2008 - 6 AZR 632/08 - BeckRS 2009 50695).

Die Eingruppierungsfeststellungsklage der Klägerin kann damit nur Erfolg haben, wenn sich aus ihrem und dem unstreitigen Vorbringen ergibt, dass sie die Voraussetzungen der Protokollerklärung erfüllt.

bb) Der Klägerin ist es aber auch in II. Instanz nicht gelungen, darzulegen, dass ihr die medizinische Verantwortung für einen selbständigen Teil- oder Funktionsbereich von der Arbeitgeberin ausdrücklich übertragen worden ist. Eine Feststellung von Arbeitsvorgängen kann unterbleiben, da dies bei jedem Zuschnitt der Fall ist.

(1) Ob es sich bei der Institutsambulanz der Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie um einen selbständigen Teil- und Funktionsbereich der Klinik bzw. der Abteilung handelt, kann im Ergebnis hier offen bleiben. Hierfür spricht allerdings, dass der Beklagte gegenüber der Oberärztin Dr. M2 von einer Selbstständigkeit ausgeht. Denn ihr hat er die medizinische Verantwortung für den Bereich übertragen und sie in die Entgeltgruppe III TV-Ärzte/VKA eingruppiert.

(2) Die Klägerin erfüllt jedoch die übrigen Voraussetzungen der Tarifnorm - die ausdrückliche Übertragung der medizinischen Verantwortung - nicht. Unter Verantwortung im allgemeinen Sprachgebrauch versteht man die mit einer bestimmten Stellung oder Aufgabe verbundene Verpflichtung, in der jeweiligen Stellung oder Aufgabe entsprechend dafür zu sorgen, dass innerhalb eines bestimmten Rahmens oder Lebensbereiches alles einen guten, sachgerechten und geordneten Verlauf nimmt, was beispielsweise mit der entsprechenden Verantwortung von Eltern, Lehrern aber auch Ingenieuren, Ärzten und Redakteuren erläutert wird (vgl. Duden, Das große Wörterbuch der Sprache)). Die Protokollerklärung knüpft hier nicht an die allgemeine Verantwortung, sondern an die medizinische Verantwortung des Arztes an. Damit soll deutlich werden, dass entscheidend für die Eingruppierung als Oberarzt nicht die Verantwortung im administrativen Bereich maßgeblich ist, sondern allein die medizinische Verantwortung, nämlich dass die Klägerin als Ärztin tätig wird (vgl. auch BAG Urteil vom 29.01.1986 - 4 AZR 465/84 -, AP BAT 1975, § 22 Nr. 115; Urteil vom 16.04.1986 - 5 AZR 595/84 -, AP BAT 1975, § 22 Nr. 120).

Geht man vom allgemeinen Sprachgebrauch aus und versteht man die Erweiterung "medizinisch" als Abgrenzung zu den Ärzten, die im Wesentlichen Verwaltungsaufgaben wahrnehmen, so wird aus dem Kontext deutlich, dass mit der in der Protokollerklärung für Oberärzte genannten "medizinischen Verantwortung", mehr gemeint sein muss, als die Verantwortung, die ein Arzt ohnehin trägt. Denn auch die in den Entgeltgruppen I und II genannten Ärzte bzw. Fachärzte tragen für ihr eigenes Handeln die medizinische Verantwortung. Da die Eingruppierungsnormen im TV-Ärzte/VKA eine hierarchische Steigerung beinhalten, muss die ärztliche Verantwortung des Oberarztes über die diejenige hinaus gehen, die Ärzte im Allgemeinen trifft. Mit der höheren Vergütung des Oberarztes wird damit auch das höhere Maß der Verantwortung honoriert (vgl. Wahlers, PersV 2008, Seite 204, 206; vgl. auch LAG Düsseldorf, Urteil vom 24.04.2008 - 13 Sa 1910/07 -, LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 18.07.2008 - 3 Sa 77/08 -, BeckRS 2008, 57007).

Schon aus dem Vorbringen der Klägerin ergibt sich, dass der Beklagte die medizinische Verantwortung für die Institutsambulanz der Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie, nicht ihr, sondern einer Kollegin übertragen hat. Selbst wenn man davon ausginge, dass beide Ärzte für den Teil- oder Funktionsbereich gemeinsam die medizinische Verantwortung tragen würden, würde das die Voraussetzungen der Tarifnorm nicht erfüllen, weil eine geteilte Verantwortung nach Auffassung der Berufungskammer nicht die Wahrnehmung der medizinischen Verantwortung für den gesamten Teil- oder Funktionsbereich beinhalten kann. Eine gemeinschaftliche Verantwortung ist stets eine geteilte Verantwortung (vgl. LAG Düsseldorf Urt. v. 08.08.2008 - 9 Sa 1399/07). Anders könnte dies nur dann sein, wenn sich zwei Personen etwa im Rahmen eines Jobsharings eine Stelle teilen, wenn also die medizinische Verantwortung nicht gleichzeitig überlappend wahrgenommen wird, sondern zu verschiedenen Zeiten oder Schichten. Aber auch das ist aus dem Vortrag der Klägerin nicht ersichtlich. Vielmehr trägt sie selbst vor, dass am 19.09.2007 mit Wirkung zum 01.08.2006 die medizinische Verantwortung der mit einer höheren Stundenzahl beschäftigten Frau Dr. M2 ausdrücklich durch den Beklagten übertragen worden ist.

(3) Schließlich fehlt es auch an der tarifrechtlich erforderlichen ausdrücklichen Übertragung einer medizinischen Verantwortung.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts setzt die Übertragung einer Tätigkeit durch ausdrückliche Anordnung grundsätzlich voraus, dass diese durch das zuständige Organ des Arbeitgebers erfolgt. Denn die Anordnung bewirkt eine Änderung des Arbeitsvertrages nach zivilrechtlichen Grundsätzen bezüglich des Inhalts der Arbeitspflicht und führt wie auch hier zu einem höheren Vergütungsanspruch (vgl. BAG Urteilt vom 25.10.1995 - 4 AZR 479/94 -, NZA 1996, Seite 710, 712; Urteil vom 11.11.1987 - 4 AZR 336/87 -, AP BAT 1975, § 22 Nr. 140). Die ausdrückliche Anordnung kann dabei schriftlich oder mündlich erklärt werden, aber auch in Dienstanweisungen, Verwaltungsverfügungen und Geschäftsverteilungsplänen enthalten sein. Nicht für ausreichend gehalten hat das BAG konkludentes Verhalten oder die lediglich faktische Herstellung entsprechender Organisationsformen in der Verwaltung oder die Benachrichtigung lediglich unterstellter Angestellter.

Aus dem Vorbringen der Klägerin ergibt sich dies nicht. Sie hat im Gegenteil dargelegt, dass die medizinische Verantwortung auch für ihren Bereich gerade einer anderen Person übertragen worden ist. Auch wenn sie und die von dem Beklagten im Tarifsinne ausdrücklich bestellte Oberärztin sich die Bereiche aufgeteilt hätten oder der Chefarzt ihre bestimmte Tätigkeiten zugewiesen hätte, stellt dies keine " ausdrückliche" Übertragung dar, weil sie nicht durch das zuständige Organ erfolgt wäre.

d) Die Klägerin kann ihren Anspruch auch nicht auf die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes oder § 4 TzBfG stützen, weil sie als Frau oder als Teilzeitbeschäftigte benachteiligt würde. Aus ihrem Vorbringen selbst ergibt sich, dass der Beklagte Oberärztinnen in Teilzeit beschäftigt, die nach Vergütungsgruppe III TV-Ärzte/VKA vergütet werden. Auch eine Diskriminierung wegen des Geschlechts ist nicht erkennbar. Die Klägerin war vor der Geburt ihres Kindes auf der Station D 12 tätig, nunmehr ist sie in der Institutsambulanz der Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie eingesetzt. Ihre Nachfolgerin auf der Station D 12 ist dort als Oberärztin im tarifrechtlichen Sinne tätig. Die Klägerin wird damit nicht deswegen nicht als Oberärztin nach der Entgeltgruppe III TV-Ärzte/VKA vergütet, weil sie Mutter geworden ist, sondern weil sie in anderem Bereich tätig ist, der bereits von einer anderen Oberärztin verantwortet wird.

Aus dem Vortrag der Klägerin ergibt sich auch nicht, dass die Beklagte die Arbeitsbereiche so zugeschnitten hat, dass die Klägerin die Voraussetzungen für eine Eingruppierung als Oberärztin nach dem TV-Ärzte/VKA nicht erfüllt. Das Organisationsrecht liegt letztlich beim Dienstherrn (vgl. dazu auch BAG Urt. v. 24.01.2007 - 4 AZR 629/06 - AP BAT § 2 SR I Nr. 20), der bestimmen kann, in welcher Organisationsstruktur er seine Klinik oder Abteilung betreiben will.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, da die Klägerin die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen hat.

Die Revisionszulassung folgt aus § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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