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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 08.06.2007
Aktenzeichen: 13 Sa 62/07
Rechtsgebiete: BetrVG, MVG-EKD


Vorschriften:

BetrVG § 37 Abs. 6
MVG-EKD § 19
Teilzeitbeschäftigten Mitgliedern der Mitarbeitervertretungen in der evangelischen Kirche in Deutschland steht nach der aktuellen Gesetzeslage kein entsprechender Freizeitausgleichsanspruch wie Vollzeitbeschäftigten bei der Teilnahme an der ganztätigen Schulung zu.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Schluss-Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 22.11.2006 - 1 Ca 729/06 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um das Bestehen eines Freizeitausgleichsanspruchs des teilzeitbeschäftigten Klägers für die Teilnahme an einer ganztägigen Schulungsveranstaltung.

Der Kläger ist seit 1998 mit einer wöchentlichen Arbeitzeit von 19,25 Stunden als pflegerische Hilfskraft bei dem Beklagten, der Mitglied des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes ist, tätig. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Arbeitsvertragsrichtlinien für Einrichtungen, die dem Diakonischen Werk der evangelischen Kirche in Deutschland angeschlossen sind, Anwendung.

Seit dem Jahr 2004 gilt für den Betrieb des Beklagten das Kirchengesetz über Mitarbeitervertretung in der Evangelischen Kirche in Deutschland (MVG-EKD).

Als Mitglied der bestehenden Mitarbeitervertretung nahm der Kläger in der Zeit vom 17. bis zum 21.10.2005 an einem insgesamt 40 Stunden umfassenden Seminar "Einführung in das Mitarbeitervertretungsrecht" teil.

Nachdem der Beklagte sich zunächst geweigert hatte, einen über 17,5 Stunden hinausgehenden Freizeitausgleich zuzugestehen, wurde er durch ein inzwischen rechtskräftiges Teil- Anerkenntnisurteil vom 22.11.2006 (Bl. 46f. d. A.) zur Gewährung weiterer 1,75 Stunden verurteilt.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm ständen weitere 19,25 Stunden Freizeitausgleich zu. Ansonsten würde er gegenüber Vollzeitbeschäftigten ungerechtfertigt benachteiligt; er habe nämlich für die Schulungsveranstaltung genauso viel Zeit aufgewendet wie ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer mit 38,5 Wochenstunden.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger 19,25 Stunden für geleistete Mehrarbeit gut zu schreiben und ihm einen entsprechenden Freizeitausgleich zu gewähren.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat darauf hingewiesen, dass es die Ausgestaltung der Funktion des Mitglieds einer Mitarbeitervertretung als unentgeltliches Ehrenamt rechtfertige, Schulungszeiten außerhalb der persönlichen Arbeitzeit bei der Gewährung von Freizeitausgleich unberücksichtigt zu lassen.

Das Arbeitsgericht hat mit Schluss-Urteil vom 22.11.2006 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Ausgestaltung des Mitarbeitervertretungsamtes als unentgeltliches Ehrenamt rechtfertige es, teilzeitbeschäftigten Mitgliedern auch bei der Teilnahme an ganztätigen Schulungsveranstaltungen in Wahrung des Lohnausfallprinzips nur insoweit Ersatz zu leisten, wie individuelle Arbeitszeit ausgefallen sei.

Gegen dieses dem Kläger am 12.12.2006 zugestellte Urteil hat er am 09.01.2007 Berufung eingelegt und diese am 12.02.2007 begründet.

Er meint, die im Bereich des BetrVG vorgenommenen gesetzgeberischen Änderungen müssten auch in den Bereich des MVG-EGD übertragen werden. Andernfalls würde er gegenüber Vollzeitbeschäftigten ungerechtfertigt benachteiligt.

Der Kläger beantragt,

das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 22.12.2006 - 1 Ca 729/06 - abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger Freizeitausgleich im Umfang von weiteren 19,25 Stunden zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er weist darauf hin, dass der kirchliche Gesetzgeber bislang keine Änderung vorgenommen habe, sodass der Grundsatz des unentgeltlichen Ehrenamtes die gegebene Ungleichbehandlung rechtfertige.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht entschieden, dass für das Begehren des Klägers, ihm weitere 19,25 Stunden Freizeitausgleich zu gewähren, nach aktueller Gesetzeslage keine Anspruchsgrundlage besteht.

Zutreffend hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 05.03.1997 (BAG AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 123) für den Betreich des BetrVG - mit zum damaligen Zeitpunkt vergleichbaren Regelungen wie in § 19 MVG-EKD - entschieden, die Ausgestaltung des Betriebsratsamtes als unentgeltliches Ehrenamt rechtfertige die Ungleichbehandlung von Teilzeit- gegenüber Vollzeitbeschäftigten beim Besuch ganztägiger Schulungen. Als legitimes sozialpolitisches Ziel steht dahinter nämlich das Bestreben, die innere und äußere Unabhängigkeit der Amtsträger sicherzustellen (vgl. auch EuGH AP EWG-Vertrag Art. 119 Nr. 72). Sie können sich stets vergegenwärtigen, bei ihren Entscheidungen keine Rücksicht auf ungerechtfertigt vom Arbeitgeber bezogene Leistungen nehmen zu müssen; zugleich kann auch die Belegschaft davon ausgehen, dass ihre Mandatsträger unbeeinflusst sind von der ohne Rechtsgrundlage erfolgenden Gewährung oder dem Entzug materieller Vorteile durch den Arbeitgeber.

Vor diesem Hintergrund steht es nur dem jeweiligen Normgeber zu, andere Regelungen zu treffen. Davon ist auch der staatliche Gesetzgeber bei der im Jahre 2001 für den Bereich des BetrVG vorgenommenen Reform ausgegangen, wenn in der Begründung zum Gesetzentwurf ausgeführt wird, nach geltendem Recht (!) stehe teilzeitbeschäftigten Betriebsratsmitgliedern für Schulungszeiten außerhalb ihrer individuellen Arbeitszeit kein Ausgleichsanspruch zu (BT-Drucksache 14/5741, S. 40).

Dementsprechend kann im konkreten Fall nur der kirchliche Gesetzgeber in § 19 MVG-EKD eine dem § 37 Abs. 6 S. 1, S. 2 i. V. m § 37 Abs. 3 BetrVG vergleichbare Rechtslage schaffen (vgl. Fey/Rehren, Kirchengesetz über Mitarbeitervertretungen in der Evangelischen Kirche in Deutschland, § 19 Rdnr. 11 a.E.). Da dies bislang nicht geschehen ist, steht dem teilzeitbeschäftigten Kläger als Mitglied der Mitarbeitervertretung - im Unterschied zu entsprechenden Betriebsratsmitgliedern - der geltend gemachte Anspruch nicht zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Weil die entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, war die Revision zuzulassen (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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